19 W (pat) 44/10
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 44/10 Verkündet am 5. August 2013
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2008 027 966.8-55 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. August 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Hartung, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Phys. Bieringer BPatG 154 05.11 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2010 aufgehoben und das Patent 10 2008 027 966 erteilt.
Bezeichnung: Verfahren, Werkzeug und Set Anmeldetag: 12. Juni 2008.
Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 12 und angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur gemäß Offenlegungsschrift.
Gründe I
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 02 G - hat die am 12. Juni 2008 eingereichte Patentanmeldung mit Beschluss am 9. Februar 2010 zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung ist ausgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 29. März 2010.
Der Anmelder beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2010 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 12 und angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur gemäß Offenlegungsschrift.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„M1 M1.1 M2 M3 M4 M4.1 Verfahren zum Verbinden eines Endes eines ersten Kabelstücks mit einem Ende eines zweiten Kabelstücks, wobei beide Kabelstücke jeweils einen elektrischen Leiter und einen den Leiter umschließenden Isoliermantel aus einem Material mit einem vernetzbaren Stoff umfassen, beinhaltend folgende Schritte: - an den beiden Enden werden die beiden Leiter der beiden Kabelstücke elektrisch leitend miteinander verbunden, - über die Verbindungsstelle wird eine Hülse aus einem Material mit einem mit vorgenanntem Stoff vernetzbaren Stoff derart angeordnet, dass sie die Verbindungsstelle und an beiden Enden die Isoliermäntel über eine vorgebbare axiale Länge umschließt, - die Hülse mit den Enden wird in ein Werkzeug eingelegt, das zwei aufeinander zu bewegbare Hälften umfasst,
M4.1.1 von denen jede derart mit einer Einbauchung ausgebildet ist, dass bei einander dicht gegenüberliegenden Hälften die beiden Einbauchungen eine beide Hälften durchdringende Höhlung bilden,
M4.1.1.1 wobei die Einbauchungen derart ausgebildet sind, dass die Verbindungsstelle bei geöffnetem Werkzeug in eine der Einbauchungen einlegbar ist,
M5 - die Hälften werden aufeinander zu bewegt und M5.1 mit in beiden Hälften angeordneten Mitteln wird die Verbindungsstelle derart behandelt, dass zwischen der Hülse auf der einen Seite und den umschlossenen Isoliermantelbereichen auf der anderen Seite eine Vernetzung herbeigeführt wird, M6 - wobei die Stoffe einen Gummi umfassen, M7 - wobei die Vernetzung als eine Vulkanisation ausgeführt wird, M8 - wobei die Hülse wenigstens einen Vulkanisationsstoff und/oder -beschleuniger umfasst, und M9 - wobei das Behandeln ein Erwärmen in einem vorgebbaren Temperaturbereich über eine vorgebbare Erwärmungsdauer umfasst.“
Der geltende Patentanspruch 8 lautet unter Einfügung einer Gliederung:
„N1 Werkzeug zum Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 1, beinhaltend folgende Merkmale:
N2 - Das Werkzeug umfasst zwei aufeinander zu bewegbare Hälften, von denen jede derart mit einer Einbauchung ausgebildet ist, dass bei einander dicht gegenüberliegenden Hälften die beiden Einbauchungen eine beide Hälften durchdringende Höhlung bilden,
N3 - die Einbauchungen sind derart ausgebildet, dass eine Verbindungsstelle zweier Kabelstücke, deren Leiter miteinander elektrisch verbunden sind und deren Isoliermäntel aus einem Material mit einem vernetzbaren Stoff ausgebildet sind, bei geöffnetem Werkzeug in eine der Einbauchungen einlegbar ist, wobei über die Verbindungsstelle eine Hülse aus einem Material mit einem mit vorgenanntem Stoff vernetzbaren Stoff derart angeordnet ist, dass sie die Verbindungsstelle und an den Enden beider Kabelstücke die Isoliermäntel über eine vorgebbare axiale Länge umschließt, und N4 - die Einbauchungen sind in auswechselbaren Formgesenken ausgebildet, so dass das Werkzeug an unterschiedliche Leiterquerschnitte angepasst werden kann, und N5 - die beiden Hälften umfassen Mittel, mit denen zwischen der Hülse auf der einen Seite und den umschlossenen Isoliermantelbereichen auf der anderen Seite eine Vulkanisation herbeiführbar ist, wobei die Mittel je Hälfte ein elektrisches Heizelement, für ein Erwärmen der Hülse in einem vorgebbaren Temperaturbereich über eine vorgebbare Erwärmungsdauer umfassen.“
Der geltende Patentanspruch 12 lautet:
„Set umfassend das Werkzeug nach einem der Ansprüche 8 bis 11 sowie wenigstens eine Hülse und eines der Kabelstücke“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Patenterteilung mit geänderten Unterlagen führt.
2. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8 sind ursprünglich offenbart.
Die Merkmale M1 bis M3 und M5.1 entsprechen dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1. Die Merkmale M4 bis M5 und M6 sind der ursprünglichen Beschreibung, Seite 2, Zeile 34 bis Seite 3, Zeile 2 und Seite 4, Zeilen 6 bis 21 entnommen und die Merkmale M7 bis M9 entsprechen den kennzeichnenden Merkmalen der Unteransprüche 3 bis 5 vom Anmeldetag. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit ursprünglich offenbart und auch sonst zulässig.
Die Merkmale N1 (teilweise), N2, N3 und N5 (erster Teilsatz) des nebengeordneten Patentanspruchs 8 entsprechen dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 11. Der restliche Teil des Merkmals N1 ist der Beschreibung, Seite 1, Zeilen 5 und 6 entnommen. Das Merkmal N4 ist der ursprünglichen Beschreibung, Seite 4, Zeilen 16 bis 21 entnommen und der zweite Teilsatz des Merkmals N5 entspricht dem kennzeichnenden Merkmal des ursprünglichen Unteranspruchs 16. Das Werkzeug des Patentanspruchs 8 ist somit ursprünglich offenbart und auch sonst zulässig.
3. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren und ein Werkzeug zum Verbinden zweier Kabelstücke bei denen sowohl deren elektrische Leiter als auch deren Isoliermäntel miteinander verbunden werden (Beschreibungseinleitung, Seite 1, Zeilen 5 bis 11).
Als Aufgabe wird angegeben, ein verbessertes Verfahren und ein verbessertes Werkzeug zum Erzeugen einer dauerhaften Verbindung der Isoliermäntel der beiden Kabelstücke zu schaffen (Seite 1, Zeilen 15 bis 19).
Diese Aufgabe werde mit den Merkmalen der Patentansprüche 1 und 8 gelöst.
Ein Ausführungsbeispiel beschreibt das Verbinden eines an einer Photovoltaikanlage fest angeschlossenen Kabels mit einem anderen gleichartigen Kabelstück als Verlängerung zu einer Verteilerstation (Seite 3, Zeilen 20 bis 25).
4. Als Fachmann legt der Senat einen Fachhochschulingenieur der Verfahrenstechnik mit Berufserfahrung im Verbinden von Kabeln sowie Kenntnissen über die Isolierung von Verbindungen zugrunde.
5. Der Fachmann legt den Patentansprüchen 1 und 8 folgendes Verständnis zugrunde:
Der Patentanspruch 1 betrifft ein Verfahren zum Verbinden zweier Kabelenden mit einem Gummimaterial (Merkmal M6) unter Einsatz eines Werkzeugs (Merkmalsgruppen M4 und M5). Gemäß den Merkmalen M1 und M1.1 versteht der Fachmann, dass das beanspruchte Verfahren Kabelstücke mit jeweils einem elektrischen Leiter und jeweils einen diesen umschließenden Isoliermantel betrifft. Das beanspruchte Verfahren betrifft weiter das Verbinden von Kabelenden, deren Isoliermäntel jeweils einen vernetzbaren Stoff umfassen. Die Verfahrensschritte M2 bis M5 versteht der Fachmann dahingehend, dass zunächst die beiden Adern (elektrische Leiter) der Kabelenden elektrisch leitend miteinander verbunden werden (Merkmal M2) und die Hülse dann über der Verbindungsstelle so angeordnet wird, dass sie beide Isoliermäntel über eine bestimmte Länge umschließt (Merkmal M3). Der Fachmann wird bei langen Kabeln die Hülse über eines der beiden Kabelstücke schieben, bevor er die elektrische Verbindung herstellt. Nachdem er die elektrische Verbindung hergestellt hat, wird er die Hülse dann gemäß Merkmal M3 positionieren. Der Fachmann versteht, dass die so positionierte Hülse mit den Kabelenden verfahrensgemäß in die Einbauchung einer Hälfte des geöffneten Werkzeugs eingelegt wird (Merkmale M4, M4.1.1.1). Nach Überzeugung des Senats entnimmt der Fachmann den Merkmalsgruppen M4 und M5, dass das Einlegen der Hülse im Rahmen üblicher Toleranzen passgenau ausgeführt wird, da die Einbauchungen beider Hälften des Werkzeugs im geschlossenen Zustand sowohl eine gemeinsame Höhlung erzeugen (Merkmal M4.1.1) als auch eine Vulkanisation (Merkmal M7) der Hülse mit den beiden Isoliermänteln herbeiführen (Merkmal M5.1). Die Merkmale M6 und M7 fordern, dass die Stoffe einen Gummi umfassen und die Vernetzung als Vulkanisation ausgeführt wird. Vulkanisation ist der Fachbegriff der Vernetzung von Gummi und gummiartigen Elastomeren. Dem Gummi wird dabei häufig ein Vulkanisationsstoff oder Beschleuniger zugesetzt, um die Vulkanisation zu beschleunigen oder überhaupt erst in Gang zu setzen. Der Fachmann entnimmt dem, dass sowohl die Hülse als auch die Isoliermäntel überwiegend aus Gummi bestehen (sonst wäre eine Vulkanisation nicht möglich) und dem Gummi der Hülse nach Merkmal M8 darüber hinaus ein Beschleuniger oder Vulkanisationsstoff zugesetzt ist. Gemäß den Merkmalen M8 und M9 wird die einen Vulkanisationsstoff oder -beschleuniger umfassende Hülse durch Erwärmen mit den Isoliermänteln der Kabelenden vernetzt (Merkmal 5.1). Der Fachmann entnimmt den Merkmalen M8 und M9, dass die Dauer des Erwärmens und die Temperatur für das Herbeiführen der Vulkanisation entsprechend den Eigenschaften des eingesetzten Vulkanisationsstoffs/Beschleunigers geeignet zu wählen sind.
Der Patentanspruch 8 betrifft ein Werkzeug zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 (Merkmal N1). Dem Patentanspruch 8 entnimmt der Fachmann, dass das Werkzeug zwei Hälften mit Heizelementen aufweist, die aufeinander zu bewegt werden (Merkmale N2 und N5). Das Werkzeug weist einen geöffneten Zustand (Merkmal N3) zum Einlegen der Hülse mit den Kabelenden und einen geschlossenen Zustand (Merkmal N5) zum Herbeiführen der Vulkanisation auf. Gemäß Beschreibung und Figur ist eine Ausführungsform als Zange vorgesehen. Beide Hälften weisen Einbauchungen auf, welche gemeinsam eine Höhlung bilden, wenn beide Hälften dicht einander gegenüber liegen (Merkmal N2). Das Werkzeug weist auswechselbare Formgesenke auf, damit die Höhlung an unterschiedliche Leiterquerschnitte angepasst werden kann (Merkmal N4), wie zum Patentanspruch 1 bereits ausgeführt. Zur Ausbildung der Einbauchungen gemäß den Merkmalen N3 und N5 beachtet der Fachmann, dass sich innerhalb der Hülse, welche bereits gemäß Merkmal M3 des Anspruchs 1 positioniert ist, die Verbindungsstelle der beiden elektrischen Leiter befindet. Dem Fachmann ist klar, dass die Stelle der elektrischen Verbindung einen größeren Querschnitt als jede Ader für sich und bei der Quetschverbindung gemäß Ausführungsbeispiel (Seite 3, Zeilen 28 bis 30) auch eine unregelmäßige Geometrie aufweisen kann. Die Einbauchungen des Werkzeugs sind daher so ausgeführt, dass an der Stelle der elektrischen Verbindung genügend Spiel ist, um auch größere und unregelmäßige Verbindungsstellen aufzunehmen, ohne dass die Passgenauigkeit beider Hälften an den Vulkanisationsstellen zwischen Hülse und den Isoliermänteln verloren ginge, um die Vulkanisation nach Merkmal N5 herbeizuführen.
6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist (a) neu (§ 3 PatG) und beruht (b) auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
a) Aus der Druckschrift US 5 859 385 ist ein Verfahren zum Verbinden zweier Kabelenden mittels Schrumpfschlauch bekannt (vgl. Figur 1 und Spalte 6, Zeilen 35 bis 48; Merkmal M1). Das bekannte Verfahren der US 5 859 385 zeigt in Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1, dass die beiden Kabelenden jeweils einen elektrischen Leiter („conductors 13 and 14“) und einen Isoliermantel („insulating sheaths 11, 12“) mit einem vernetzbaren Stoff umfassen (vgl. Spalte 6, Zeilen 35 bis 48 i. V. m. Figur 1). Dabei entnimmt der Fachmann der US 5 859 385, dass die Isoliermäntel jeweils aus einem vernetzbaren Material bestehen müssen, da verfahrensgemäß eine Vernetzung des Isoliermantels mit einem Heißkleber erfolgen soll (vgl. Spalte 2, Zeilen 38 bis 44). Damit ist auch das Merkmal M1.1 aus der US 5 859 385 bekannt. In Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 werden auch bei dem Verfahren der US 5 859 385 die beiden Leiter der beiden Kabelenden elektrisch leitend miteinander verbunden (vgl. Spalte 6, Zeilen 38 bis 44), indem beide Leiter verdrillt werden („twisted together“), womit das Merkmal M2 aus der US 5 859 385 bekannt ist. Bei dem in der US 5 859 385 beschriebenen Verfahren wird eine Hülse über der Verbindungsstelle derart angeordnet, dass sie die Verbindungsstelle und die beiden Isoliermäntel umschließt (vgl. Figur 1). Der Schrumpfschlauch („shrink sleeve 17“) der US 5 859 385 weist auf seiner Innenseite ein Material auf, welches mit dem Isoliermantel vernetzbar ist (vgl. Anspruch 1; „a layer of a cross-linkable hot melt adhesive over said entire internal surface of the sleeve“). Somit ist das Merkmal M3 aus der US 5 859 385 bekannt.
Aus der US 5 859 385 ist zwar weiterhin bekannt, Gummi (vgl. Anspruch 3, „rubber-making polymer“) als vernetzbaren Stoff („hot melt adhesive“) zu verwenden, wobei der Fachmann mitliest, dass das „rubber-making polymer“ ausvulkanisiert und dazu erforderliche Vulkanisationsbeschleuniger aufweisen muss, damit das Vulkanisieren und somit Verbinden der Kabelenden gemäß US 5 859 385 in vertretbarer Zeit abgeschlossen werden kann. Die Hülse selbst und die Isoliermäntel sind jedoch nicht aus Gummi und werden auch allenfalls in ihren Randbereichen vernetzt, jedoch nicht vulkanisiert. Der Vulkanisationsbeschleuniger ist auch lediglich im Klebstoff, jedoch nicht dem Material der Hülse zugesetzt.
Nicht aus der US 5 859 385 entnehmbar sind ferner die Merkmale M4 bis M5.1. Denn abweichend vom Merkmal M4, wonach die Hülse mit den Kabelenden in ein Werkzeug eingelegt wird, verwendet die US 5 859 385 einen Brenner („torch“) oder ein Heißluftgebläse („hot-air blower“), um den Schrumpfschlauch um die Verbindungsstelle zu schrumpfen und die Isolationsmäntel der Kabelenden zu schließen (vgl. Spalte 6, Zeilen 44 bis 48).
Da der US 5 859 385 die Merkmale M4 bis M5.1 fehlen und die Merkmale M6 bis M8 nur teilweise vorhanden sind, ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu gegenüber der US 5 859 385.
Aus der Druckschrift EP 0 296 333 B1 ist eine Vorrichtung zur Wärmebehandlung von Schrumpfschläuchen bekannt. Die Vorrichtung der EP 0 296 333 B1 weist ein Werkzeug mit zwei zangenartigen Hälften und einem Heißluftgebläse auf (vgl. Figuren 6 bis 8).
Übereinstimmend mit dem Merkmal M4.1 des Patentanspruchs 1 weist die EP 0 296 333 B1 eine aus zwei Hälften bestehende zangenartige Wärmekammer auf (vgl. Figur 6 und Anspruch 1). Teilweise übereinstimmend mit den Merkmalen M5 und M5.1 des Patentanspruchs 1 werden gemäß EP 0 296 333 B1 beide Hälften der zangenartigen Wärmekammer aufeinander zu bewegt und eine Vernetzung zwischen dem Schrumpfschlauch und der einen Kabelisolierung des Kabelbündels durch Erwärmen herbeigeführt (vgl. Anspruch 1).
Anders als der Gegenstand des Patentanspruchs 1 betrifft die EP 0 296 333 B1 nicht das Verbinden der Enden zweier Kabelstücke mit jeweils einem elektrischen Leiter und einen den Leiter umschließenden Isoliermantel gemäß der gattungsbildenen Merkmale M1 und M1.1, sondern das Abdichten eines Kabelbündelendes mit mehreren Kabelsträngen gegen eindringendes Wasser (vgl. Spalte 1, Zeilen 31 bis 52 und Anspruch 1). Gemäß EP 0 296 333 B1 wird ein Schrumpfschlauch 5 mit thermoplastischem Innenkleber 6 über die Kabelstränge angeordnet (vgl. Spalte 5, Zeilen 9 bis 11) und der Zwischenraum zwischen den Kabelsträngen mit einem Schmelzkleber gefüllt (vgl. Figuren 1 bis 3).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt somit als neu gegenüber der Druckschrift EP 0 296 333 B1.
Die restlichen im Verfahren befindlichen Druckschriften betreffen Teilaspekte des Verfahrens nach Patentanspruch 1. Keine der anderen Druckschriften weist die Verfahrensmerkmale M4 bis M5.1 auf, wonach eine gemäß den Merkmalen M2 und M3 bereitgestellte Hülse mit den Kabelenden in ein Werkzeug eingelegt wird.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt somit als neu.
b) Der Senat sieht die Druckschrift US 5 859 385 als nächstliegenden Stand der Technik. Ausgehend von dem Verfahren wie es die US 5 859 385 beschreibt, hat der Fachmann keinen Anlass, eine Hülse aus Gummi vorzusehen und dies mit den beiden Isoliermänteln aus Gummi durch Vulkanisation zu verbinden, denn die US 5 859 385 verwendet ein gummiartiges Polymer (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Anspruch 3) nur für eine Klebeschicht, welche auf der Innenseite des Schrumpfschlauchs (vgl. Anspruch 1) aufgetragen ist. Weder der Schrumpfschlauch, noch die Isoliermäntel der US 5 859 385 sind ganz oder teilweise aus Gummi.
Nach Kenntnis des Senats wird Vulkanisation aber kaum zum Verbinden von Teilen eingesetzt, sondern in der Regel zum Aufbereiten einzelner unvulkaniserter Teile. Als einziges Beispiel der Verbindung vulkanisierter Teile ist dem Senat die Runderneuerung von Reifen bekannt, wobei auch dort nur die Karkasse vor der Verbindung vulkanisiert ist, das Profil aber unvulkanisiert. Zur Verbindung von Kabeln mit Hilfe einer Hülse zeigt der Stand der Technik ausschließlich Verbindungen mit einem Kleber.
Der Erfinder hat nach Überzeugung des Senats erkannt, dass die Verbindung zweier Kabelenden zwischen einer ein Gummimaterial aufweisenden Hülse und Isoliermänteln aus Gummi mittels Vulkanisation verfahrensgemäß ohne zusätzlichen Kleber durch Einlegen in eine Hälfte eines Werkzeugs mit einer passenden Einbauchung und anschließenden Herbeiführen der Vernetzung in einem geschlossenen Zustand des Werkzeugs verbessert werden kann. Dafür gab es im Stand der Technik keine Anregung.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
7. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 8 ist (a) neu (§ 3 PatG) und beruht (b) auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
a) Aus der Druckschrift DE 21 24 868 A ist eine Vorrichtung zum Verbinden von Rohren durch Löten, Schweißen oder Kleben bekannt (Seite 1, erster Absatz). Die Vorrichtung aus DE 21 24 868 A ist zangenartig und weist zwei Hälften 40 mit Heizungen 53 auf, die durch Heizwiderstände 54 gebildet werden (Figur 3; Seite 5, Zeilen 5 bis 13). Sie weist einen Ofen 20 auf, der aus genau dem komplementären Umriss der zu verbindenden Rohre gebildet wird (vgl. Anspruch 5). Der Umriss wird durch einen halbkreisförmigen Kern 68 festgelegt, der in der Halbform 40 lösbar befestigt ist (vgl. Seite 4, Zeilen 1 bis 8 i. V. m. Figur 4). Das Werkzeug der DE 21 24 868 A bewirkt ein Schmelzen oder Polymerisieren eines Verbindungswerkstoffs zwischen den Rohrelementen (vgl. Seite 7, Zeilen 24 bis 29).
Damit ist mit den Worten des Patentanspruchs 8 bekannt:
N1 Werkzeug zum Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 1, beinhaltend folgende Merkmale:
N2 - Das Werkzeug umfasst zwei aufeinander zu bewegbare Hälften (dort: zwei Halbformen 40 der Zange, vgl. DE 21 24 868 A, Fig. 3), von denen jede derart mit einer Einbauchung ausgebildet ist, dass bei einander dicht gegenüberliegenden Hälften die beiden Einbauchungen eine beide Hälften durchdringende Höhlung bilden (dort: Ofen 20),
N3 - die Einbauchungen sind derart ausgebildet, dass eine Verbindungsstelle zweier Kabelstücke, deren Leiter miteinander elektrisch verbunden sind und deren Isoliermäntel aus einem Material mit einem vernetzbaren Stoff ausgebildet sind, bei geöffnetem Werkzeug in eine der Einbauchungen einlegbar ist, wobei über die Verbindungsstelle eine Hülse aus einem Material mit einem mit vorgenanntem Stoff vernetzbaren Stoff derart angeordnet ist, dass sie die Verbindungsstelle und an den Enden beider Kabelstücke die Isoliermäntel über eine vorgebbare axiale Länge umschließt, und N4 - die Einbauchungen sind in auswechselbaren Formgesenken ausgebildet (vgl. DE 21 24 868 A, Seite 6, Zeilen 1 bis 8 i. V. m. Figur 4), so dass das Werkzeug an unterschiedliche Leiterquerschnitte angepasst werden kann, und N5 - die beiden Hälften umfassen Mittel, mit denen zwischen der Hülse auf der einen Seite und den umschlossenen Isoliermantelbereichen auf der anderen Seite eine Vulkanisation herbeiführbar ist, wobei die Mittel je Hälfte ein elektrisches Heizelement (vgl. DE 21 24 868 A, Figur 3), für ein Erwärmen der Hülse in einem vorgebbaren Temperaturbereich über eine vorgebbare Erwärmungsdauer umfassen (vgl. DE 21 24 868 A, Seite 7, Zeilen 29 bis 35, wonach eine thermostatische Sonde zum Regeln der Temperatur vorgesehen ist).
Dem Werkzeug der DE 21 24 868 A fehlen Einbauchungen, die ausgebildet sind, um die nach den Merkmalen M2 und M3 des Patentanspruchs 1 in Bezug auf die Isoliermäntel positionierte Hülse mit den elektrisch verbundenen Leitern aufzunehmen und im Überlappungsbereich der Hülse mit den Isoliermänteln eine Vulkanisation herbeizuführen. Somit sind das Merkmal N3 nicht, und die Merkmale N1, N4 und N5 nur teilweise aus der Druckschrift DE 21 24 868 A entnehmbar.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 8 gilt somit als neu gegenüber der Druckschrift DE 21 24 868 A.
Die anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen ferner ab. Sie zeigen nur Teilaspekte, wobei die DE 1 926 790 B2, DE 690 88 74 U, US 58 59 385 A, DE 2 719 851 C3 und GB 2 039 654 A nicht einmal ein Werkzeug betreffen. Lediglich die EP 0 296 333 B1 beschreibt u. a. ein Werkzeug, jedoch fehlen dem Werkzeug der EP 0 296 333 B1 elektrische Heizelemente in beiden Hälften, da dort eine Erwärmung durch ein Heißluftgebläse erzeugt wird (siehe Ziffer 6.a)).
b) Bei der Aufgabe ein Werkzeug zum Verbinden zweier Kabelenden und Vulkanisieren der beiden Isoliermäntel aus Gummi mit der Hülse aus Gummi zu schaffen, hatte der Fachmann keine Veranlassung die DE 21 24 868 A zu betrachten, da die in der DE 21 24 868 A offenbarte Vorrichtung Rohre und nicht die Isoliermäntel zweier Kabelenden mit einer Gummihülse miteinander verbindet. Die DE 21 24 868 A ist gattungsfremd und die darin beschriebene Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 nicht geeignet. Der Fachmann hätte die DE 21 24 868 A schon deshalb nicht in Betracht gezogen, weil die beiden zu verbindenden Rohre aneinander angrenzen (vgl. Seite 3, Zeilen 13 bis 25). Im Gegensatz dazu vulkanisiert das Werkzeug gemäß Patentanspruch 8 jeweils die beiden Isoliermäntel, die durch die elektrische Verbindungsstelle voneinander getrennt sind und nicht aneinander angrenzen. Hierzu die Vorrichtung der DE 21 24 868 A umzukonstruieren und Einbauchungen gemäß Merkmal N3, wel- che auch geeignet sein müssen, unregelmäßige Verbindungsstellen aufzunehmen, konnte sich dem Fachmann nicht anbieten.
Vielmehr war nach Überzeugung des Senats eine erfinderische Tätigkeit erforderlich, die für Rohrverbindungen geeignete Vorrichtung der DE 21 24 868 A gedanklich zu verlassen und ein Werkzeug mit Einbauchungen gemäß Patentanspruch 8 zu schaffen, das überwiegend aus Gummi bestehende Kabelisolierungen mit einer Gummihülse durch Vulkanisieren verbinden kann.
Auch aus dem weiteren von der Prüfungsstelle ermittelten Stand der Technik erhielt der Fachmann keine Anregung, das Werkzeug mit den Merkmalen des Patentanspruchs 8 vorzusehen.
8. Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 Bestand und mit dem Patentanspruch 8 ebenso die auf den Patentanspruch 8 rückbezogenen Unteransprüche 9 bis 11, die jeweils vorteilhafte Weiterbildungen der sie tragenden Ansprüche betreffen; ebenso hat der auf ein Set nach Patentanspruch 8 bis 11 gerichtete Patentanspruch 12 Bestand.
9. Es bleibt anzumerken, dass der Anmelder zu Recht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 48 Satz 2 i. V. m. § 43 Abs. 3 Satz 2 PatG) rügt. Danach sind dem Anmelder die Umstände, auf die die Zurückweisung der Patentanmeldung gegründet werden soll, vorher mitzuteilen und ihm Gelegenheit zu geben, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern. Dies ist in Bezug auf den von der Prüfungsstelle in dem angefochtenen Beschluss angenommenen Zurückweisungsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG) des Verfahrens gemäß dem der Entscheidung zugrundeliegenden Patentanspruch 1 nicht geschehen. In dem Prüfungsbescheid vom 29. Januar 2009 wurde das Verfahren gemäß ursprünglichen Patentanspruch 1 unter Verweis auf die Entgegenhaltungen 1 (DE 19 26 790 B2) und 3 (US 58 59 385 A) sowie das Werkzeug gemäß ursprünglichen Patentanspruch 11 unter Verweis auf die Entgegenhaltung 6 (EP 02 96 333 B1) mangels Neuheit als nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG) beanstandet. Mit Eingabe vom 9. Juni 2009 hat der Anmelder einen geänderten Patentanspruch 1 eingereicht, in dem der ursprüngliche Anspruch 1 mit Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 11 kombiniert worden ist. Dass dieser geänderte Verfahrensanspruch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen soll, ist dem Anmelder vor der Beschlussfassung nicht in einem weiteren Bescheid oder einer Anhörung mitgeteilt worden und folglich hatte er auch keine Gelegenheit bekommen, sich zu diesem neuen rechtlichen Umstand zu äußern. Insoweit genügen auch die Ausführungen in dem Prüfungsbescheid vom 29. Januar 2009, auf die sich der Prüfer beruft, nicht dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Dort ist dargelegt, dass das Werkzeug gemäß Anspruch 6 der Entgegenhaltung 6 zeige, dass mit diesem Werkzeug (dem nach ursprünglichen Patentanspruch 11) ohne Weiteres auch Hülsen aus vernetzbaren Werkstoff verarbeitet werden könnten. Diese Argumentation ist jedoch nur auf das Set nach ursprünglichen Patentanspruch 20 (Set umfassend das Werkzeug nach einem der Ansprüche 11 bis 19 sowie wenigstens eine Hülse und eines der Kabelstücke) bezogen, dessen Gegenstand aus dem genannten Grund als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend beanstandet wurde. Auf den vom Anmelder daraufhin eingereichten geänderten Verfahrensanspruch 1 mit seiner konkreten Merkmalskombination aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 11 ist sie weder bezogen noch ohne Weiteres übertragbar und daher auch nicht geeignet, das rechtliche Gehör des Anmelders zu wahren.
Von einer Zurückverweisung der Sache an das Patentamt wegen des Gehörsverstoßes (§ 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG) hat der Senat in Anbetracht der Entscheidungsreife der Sache nach mündlicher Verhandlung aus Gründen der Verfahrensökonomie abgesehen. Auch eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht veranlasst (§ 80 Abs. 3 PatG), da die Verletzung des rechtlichen Gehörs für die Einlegung der Beschwerde nicht ursächlich war. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, hat die Prüfungsstelle in Bezug auf den dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegenden Patentanspruch 1 zu Recht den Zurückweisungsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit bejaht, wäre die Entscheidung daher auch bei Gewährung ausreichenden Gehörs nicht anders ausgefallen und hätte sich folglich die Beschwerde des Anmelders nicht erübrigt.
Dr. Hartung Kirschneck Dr. Scholz Bieringer Pü