35 W (pat) 17/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 17/13
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung … (hier Antrag auf Verfahrenskostenhilfe)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. Juli 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner, der Richterin Bayer und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer BPatG 152 08.05 beschlossen:
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1) gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Februar 2013 wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers 2) wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Februar 2013 aufgehoben und die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe A.
Am 11. Juli 2012 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) auf dem patentamtlichen Anmeldeformular G 6003 eine Gebrauchsmusteranmeldung mit der Bezeichnung
„… “
eingereicht worden zusammen mit vier Seiten Beschreibung und einer Seite mit 8 Schutzansprüchen. Oben links auf dem Formular G 6003 werden in Rubrik (1) zur Zustellanschrift Name und Anschrift des Beschwerdeführers 2) mitgeteilt. In der Rubrik (2) „Zeichen des Anmelders/Vertreters (max. 20 Stellen)“ ist nichts eingetragen. In der Rubrik 8) „Erklärungen“ ist u. a. das zweite Kästchen „Abzweigung aus der Patentanmeldung/dem Patent“ angekreuzt und daneben ist als Aktenzeichen „…“ angegeben. In der Rubrik (12) „Unterschrift(en)“ steht der Stempel des Beschwerdeführers 2), daneben sind einige wenige, ganz schwach ausgeprägte Punkte und kurze, gebogene Striche zu erkennen, die - nach Schriftstücken zu urteilen, die der Beschwerdeführer 2) später zusammen mit der Beschwerdeführerin 1) beim DPMA eingereicht hat – allenfalls als Teil einer Unterschrift durch den Beschwerdeführer 2) in Betracht kommen, nicht dagegen als eine Unterschrift der Beschwerdeführerin 1).
Das DPMA hat dem Beschwerdeführer 2) unter dem 13. Juli 2012 eine Empfangsbestätigung für die Anmeldung vom 11. Juli 2012 übersandt; darin wird dem Beschwerdeführer 2) u. a. der Eingang der Anmeldung mit 4 Seiten Beschreibung und einer Seite mit 8 Schutzansprüchen bestätigt. Weiter wird der Beschwerdeführer 2) darauf hingewiesen, dass die Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn die Anmeldegebühr nicht innerhalb von 3 Monaten nach Einreichung der Anmeldung gezahlt würde.
Die Patentanmeldung DE …1 ist gemeinsam von beiden Be schwerdeführern beim DPMA eingereicht worden. Ihr Anmeldetag ist der 12. Juli 2005. Der Status dieser Patentanmeldung ließ sich bei Absetzung dieses Beschlusses im Patentregister nicht klären. Dort wird der Status der Anmeldung einerseits als „Anhängig/in Kraft“ bezeichnet und in den Verfahrensdaten heißt es unter Randnummer 8: „Prüfungsbescheid“, Verfahrensstandtag: 19. November 2014. Dagegen heißt es in denselben Verfahrensdaten unter Randnummer 7: „Die Anmeldung gilt als zurückgenommen wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr/das Schutzrecht ist wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen“, Verfahrensstandtag: 1. Februar 2013.
Mit Telefax vom 10. Oktober 2012, eingegangen beim DPMA am 11. Oktober 2012, berichtigt mit Telefax vom 26. Oktober 2012, eingegangen beim DPMA am 27. Oktober 2012, haben beide Beschwerdeführer gemeinsam Verfahrenskostenhilfe für die Gebrauchsmusteranmeldung vom 11. Juli 2012 beantragt.
Mit nicht signiertem Bescheid mit Erstellungsdatum vom 31. Oktober 2012 hat R… insgesamt drei Hinweise an den Beschwerdeführer 2) gerichtet, für deren Inhalt auf die patentamtlichen Akten Bezug genommen wird.
Mit signiertem Beschluss durch H… mit dem Erstellungsdatum 22. Februar 2013 hat die Gebrauchsmusterstelle den Antrag des Beschwerdeführers 2) auf Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren zurückgewiesen. Die Begründung dieser Entscheidung besteht in dem einen folgenden Satz: „Die Mängel aus dem Bescheid vom 31. Oktober 2012 wurden nicht behoben.“
Am 26. März 2013 sind beim DPMA zwei jeweils auf den 25. März 2013 datierte Telefaxe eingegangen, von denen das frühere (Eingang um 22:01:34 Uhr) nur von dem Beschwerdeführer 2) unterzeichnet worden ist, das spätere (Eingang um 22:14:50 Uhr) Telefax haben beide Beschwerdeführer unterschrieben. Beide Schreiben teilen im ersten Satz sinngemäß mit, dass gegen den Beschluss mit Erstellungsdatum vom 22. Februar 2013 „Wiederspruch“ eingelegt werde. In dem Telefax, das beide Beschwerdeführer unterzeichnet haben, heißt es zu dem Beschluss mit Erstellungsdatum vom 22. Februar 2013 wörtlich: „Des Weiteren ist hier von der Beschlussbegründung nicht verständlich was für ein oder welcher Mängel nicht erhoben wurde.“
Am 27. März 2013 ist dem DPMA per Telefax eine weitere Kopie eines Schreibens des Beschwerdeführers vom 28. November 2012 zugegangen mit einer Auflistung von Unterlagen für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, das der Beschwerdeführer 2) bereits am 30. November 2012 beim DPMA eingereicht hatte, damals anscheinend ohne die aufgelisteten Unterlagen. Weiter ist dem DPMA am 27. März 2013 Kopie einer vom Beschwerdeführer 2) am 26. März 2013 unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf der Grundlage des Formulars A 9541 zugegangen zusammen mit den Kopien von fünf in dem vorgenannten Formularantrag genannten Belegen.
Mit richterlichem Schreiben vom 13. April 2015 ist die Beschwerdeführerin 1) darauf hingewiesen worden, dass ihre Beschwerde als unzulässig verworfen werden könnte, Blatt 19, 20 der Gerichtsakte. Zu diesem Hinweis hat sich die Beschwerdeführerin 1 nicht geäußert.
Für die weiteren Einzelheiten des bisherigen Verfahrensganges wird der gesamte Inhalt der patentamtlichen Akten und der Gerichtsakten in Bezug genommen.
B.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1) war als unzulässig zu verwerfen, weil der angegriffene Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts (DPMA) vom 22. Februar 2013 die Beschwerdeführerin 1) nicht beschwert, denn die Beschwerdeführerin 1) ist keine Adressatin des angegriffenen Beschlusses und wird von diesem Beschluss auch sonst nicht in ihren Rechten verletzt.
I. Der Senat legt die beiden Telefaxe vom 26. März 2013, mit denen zunächst der Beschwerdeführer 2) und dann beide Beschwerdeführer gemeinsam „Wiederspruch“ gegen den angegriffenen Beschluss eingelegt haben, als Beschwerdeschreiben aus. Gemäß Anmerkung zu Nr. 401 300 des Gebührenverzeichnisses in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG ist keine Beschwerdegebühr angefallen, weil es sich um eine Beschwerde in einer Verfahrenskostenhilfesache handelt.
II. Die Beschwerdeführerin 1) ist keine Adressatin des angegriffenen Beschlusses und wird von diesem Beschluss auch sonst nicht in ihren Rechten verletzt. Zwar hat die Beschwerdeführerin 1) mit Telefaxen vom 11. und vom 27. Oktober 2012 gemeinsam mit dem Beschwerdeführer 2) Verfahrenskostenhilfe für die beschwerdegegenständliche Anmeldung beantragt, ein Antrag, der hier zunächst für die Zahlung der Anmeldegebühr zum Tragen gekommen wäre; zu dieser Antragstellung war die Beschwerdeführerin 1) jedoch nicht berechtigt, weil sie nicht zu den Anmeldern der Anmeldung gehört. Ausweislich des beim DPMA eingereichten Anmeldeformulars G 6003 vom 11. Juli 2012 ist diese Anmeldung nur für den Beschwerdeführer 2) eingereicht worden. Dessen Name erscheint in Rubrik (1) des Anmeldeformulars. Dass in die Rubrik (4) „Anmelder“ der Name des Beschwerdeführers 2) nicht eingetragen worden ist, ist unschädlich, weil in diesen Fällen angenommen wird, dass die in Rubrik (1) angegebene Zustellanschrift mit dem Anmelder identisch ist, s. Teil VI des Merkblattes für Gebrauchsmusteranmelder zu Rubrik (4).
Damit ist mit der Anmeldung die Person des Anmelders eindeutig und unwiderruflich festgelegt worden. Die Tatsache, dass später beide Beschwerdeführer für die Anmeldung gemeinsam Verfahrenskostenhilfe beantragt haben, ändert nichts an der Stellung des Beschwerdeführers 2) als alleinigem Anmelder. Die Beschwerdeführerin 1) kann auch nicht im Wege der Auslegung als Mitanmelderin der Anmeldung vom 11. Juli 2012 angesehen werden mit der Begründung, dass das angemeldete Gebrauchsmuster laut dem Anmeldeformular vom 11. Juli 2012 aus der Patentanmeldung 2005 033 011 A1 abgezweigt werden soll und es sich bei dieser früheren Patentanmeldung um eine gemeinschaftliche Anmeldung beider Beschwerdeführer handelt. Denn die Identität des Anmelders ist ein wesentliches Identitätsmerkmal eines Gebrauchsmusters, das nur von dem Anmelder bestimmt werden kann und das dieser spätestens am Anmeldetag klar und unmissverständlich festlegen muss.
III. Es bleibt das Risiko des Anmelders, hier des Beschwerdeführers 2), dass die Abzweigung wegen der fehlenden Personenidentität im Sinne von § 5 Abs. 1 GebrMG unwirksam sein könnte mit der Folge, dass bei einer späteren Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Gebrauchsmusters der Stand der Technik der älteren Patentanmeldung berücksichtigt werden müsste und das angemeldete Gebrauchsmuster deswegen als löschungsreif mangels Schutzfähigkeit gem. §§ 1 bis 3 GebrMG erklärt werden könnte.
C.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers 2) ist zulässig. Sie ist auch begründet, weil das patentamtliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel i. S. v. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG i. V. m. § 18 Abs. 2 GebrMG leidet, der eine Zurückverweisung der Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an das DPMA erforderlich macht. Dieser Verfahrensmangel liegt hier in der Begründung des Beschlusses, die keinen sicheren Aufschluss über die entscheidungserheblichen Überlegungen der Gebrauchsmusterstelle gibt.
I. Der Antrag des Beschwerdeführers 2) vom 11. Oktober 2012 mit Berichtigung vom 27. Oktober 2012 auf Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren war zulässig; denn der 11. Oktober 2012 lag genau drei Monate nach dem Anmeldetag vom 11. Juli 2012 und war damit der letzte Tag; an dem die Anmeldegebühr für die Anmeldung vom 11. Juli 2012 gemäß § 6 Abs. 1 und 2 PatKostG noch wirksam hätte geleistet werden können.
II. Die Gebrauchsmusterstelle hat ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers 2) auf Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren zurückzuweisen, mit dem einen folgenden Satz begründet: „Die Mängel aus dem Bescheid vom 31. Oktober 2012 wurden nicht behoben.“ Grammatisch werden damit alle drei in dem genannten Bescheid gemachten Hinweise in Bezug genommen.
Zunächst ist zweifelhaft, ob die Bezugnahme auf den Bescheid vom 31. Oktober 2012 überhaupt bewirken konnte, dass die dort genannten Einwände zum Inhalt des angegriffenen Beschlusses gemacht wurden. Denn dieser Bescheid hat einen anderen Urheber als der angegriffene Beschluss und war von diesem anderen Urheber nicht signiert worden. Schon deswegen hätte es nahegelegen, dass der Urheber des angegriffenen Beschlusses die konkreten Gründe für seine Entscheidung in den vom ihm gefassten, abgesetzten und signierten Beschluss ausdrücklich benannt und im Einzelnen erläutert hätte.
III. Aber auch wenn die bloße Bezugnahme auf den nicht signierten Bescheid vom 31. Oktober 2012 dessen Inhalt zum Bestandteil des angegriffenen Beschlusses gemacht hätte, hätte das zu keiner eindeutigen Begründung dieses Beschlusses geführt. Die Gebrauchsmusterstelle muss ihre Entscheidungen auch im Eintragungsverfahren begründen (Busse/Keukenschrijver, Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage 2013, § 8 Rdnr. 18). Bei Entscheidungen der Gebrauchsmusterstelle über Anträge auf Verfahrenskostenhilfe folgt das auch aus § 21 Abs. 2 GebrMG i. V. m. §§ 47, 129 bis 138 PatG. Für die ausreichende Begründung der Zurückweisung eines Antrages auf Verfahrenskostenhilfe ist es erforderlich, dass der konkrete gesetzliche Zurückweisungsgrund benannt und dann dargelegt wird, aus welchen konkreten sachlichen Gründen dieser Zurückweisungsgrund gegeben ist. Dem genügt die Begründung des angegriffenen Beschlusses nicht. Denn es lässt sich nicht feststellen, welche Bedeutung die Gebrauchsmusterstelle dem ersten der drei Hinweise eingeräumt hat, auf den zweiten Hinweis kommt es für die Begründetheit des Antrages des Beschwerdeführers auf Verfahrenskostenhilfe nicht an und der dritte Hinweis war offenkundig unbegründet.
Zwar wird im ersten Satz des ersten Absatzes des Bescheides vom 31. Oktober 2012 zu dem Verfahrenskostenhilfe-Antrag des Beschwerdeführers 2) um Übersendung des ausgefüllten Formulars „Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse“ nebst aktuellen Nachweisen gebeten und der nachfolgende Satz lautet: „Ohne diese Nachweise kann keine Verfahrenskostenhilfe gewährt werden“. Ob die Gebrauchsmusterstelle ihre Entscheidung vom 22. Februar 2013 (auch) auf die Behauptung stützen wollte, dass der Beschwerdeführer 2) im Zeitpunkt der Beschlussfassung die angeforderte Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse womöglich noch nicht eingereicht hatte, lässt sich jedoch nicht sicher feststellen. Denn diese Unterlagen hat der Beschwerdeführer 2) jedenfalls mit seinem zweiten Telefax vom 27. März 2013, also nur einen Tag nach der Beschwerdeerhebung, beim DPMA eingereicht. Wenn das Fehlen dieser Unterlagen der entscheidende Grund für die Zurückweisung des Antrages auf Verfahrenskostenhilfe gewesen wäre, hätte deren Nachreichung dazu führen müssen, dass die Gebrauchsmusterstelle der Beschwerde abhilft. Tatsächlich hat die Gebrauchsmusterstelle unter dem 5. April 2013 entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
Weiter enthält der Bescheid vom 31. Oktober 2012 als zweites einen „vorsorglichen“ Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer 2) die Abschrift der Voranmeldung (10 2005 033 011.8) einreichen müsse, wenn er die Abzweigung daraus beantrage. Dazu ist zu bemerken, dass dieser Hinweis die Begründetheit des Antrages auf Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldegebühr nicht berührt, denn für die Aussichten einer Gebrauchsmusteranmeldung, in das Register eingetragen zu werden, kommt es auf die Wirksamkeit einer mit dieser Anmeldung abgegebenen Abzweigungserklärung nach § 5 GebrMG nicht an. Deren Wirksamkeit oder die Verwirkung des Rechts auf Abgabe einer Abzweigungserklärung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GebrMG können sich nur auf das Datum des Anmeldetages auswirken, mit dem das angemeldete Gebrauchsmuster eingetragen wird, nicht dagegen auf die Eintragung selbst.
Der Bescheid vom 31. Oktober 2013 enthält als Drittes einen weiteren „vorsorglichen“ Hinweis darauf, dass Schutzansprüche fehlten. Dieser Hinweis war und ist deswegen offenkundig unbegründet, weil der Beschwerdeführer 2) bereits mit der am 11. Juli 2012 eingereichten Anmeldung 4 Seiten Beschreibung und 1 Seite mit 8 Schutzansprüchen eingereicht hatte, was das DPMA dem Beschwerdeführer 2 mit Empfangsbestätigung vom 13. Juli 2012 bestätigt hat.
Bei dieser Sachlage war es weder für den Beschwerdeführer 2) noch für den erkennenden Senat ersichtlich, aus welchem Grund oder aus welchen Gründen die Gebrauchsmusterstelle den Antrag des Beschwerdeführers 2) auf Verfahrenskostenhilfe für die Anmeldung vom 11. Juli 2012 zurückgewiesen hat.
Werner Bayer Albertshofer Bb