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17 W (pat) 44/13

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 44/13 Verkündet am 28. Januar 2016

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2012 003 056.8 …

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel BPatG 154 05.11 beschlossen:

-2Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 15. Februar 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung

„Verfahren zur Kontrolle einer Toleranzeinhaltung von Werkstücken und Verfahren zur Korrektur eines Werkstücks“.

Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluss vom 10. Juli 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1 und 11 des Hauptantrags, der Patentansprüche 1 und 10 des Hilfsantrags I und des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags II nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

Die Anmelderin stellte den Antrag,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1-11 vom 18.01.2016, Beschreibung Seiten 1-19 und 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-5, jeweils vom Anmeldetag.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde auf die Druckschriften D1: US 2010/0114539 A1,

D2: BLUM, G. [u. a.]: Rascher Zugriff, wirkungsvolle Lenkung. In: Technische Rundschau 50/90, Seiten 22-33,

D3: DE 10 2009 055 314 A1 und D4: Wikipedia: Starrer Körper. Version vom 16.01.2012. [Recherchiert am 19.06.2013]. Im Internet: <URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Starrer_Körper&oldid=98461938>.

hingewiesen.

Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften D5: LOTZE, W.: Besteinpassung von geometrischen Formelementen und Bohrbildern mit definierten Toleranzzonen, tm – Technisches Messen 67 (2000) 2, Oldenbourg Verlag, Seiten 75-80,

D6: SOURLIER, D.; BUCHER, A.: Normgerechter Bestfit-Algorithmus für Freiformflächen oder andere nicht-reguläre Ausgleichsflächen in Parameterform, tm – Technisches Messen 59 (1992) 7/8, Oldenbourg Verlag, Seiten 293-302 und D7: DE 10 2004 038 835 A1 eingeführt.

In der mündlichen Verhandlung wurde zusätzlich die Druckschrift D8: „Simplex Verfahren“ aus Wikipedia vom 7.10.2011, 19.05 Uhr überreicht.

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

Der geltende Patentanspruch 1, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:

(a) Verfahren zur Kontrolle einer Toleranzeinhaltung von Werkstücken,

(b) wobei in einem ersten Schritt Koordinaten von Punkten einer Oberfläche eines zu kontrollierenden Werkstücks als Ist-Punkte gemessen werden,

(c) in einem zweiten Schritt eine Toleranzeinpassung der aufgenommenen Ist-Punkte in ein Modell des Werkstücks durchgeführt wird,

(d) wobei das Modell aus mehreren geometrischen Elementen mit jeweils einem Toleranzbereich zusammengesetzt ist,

(e) wobei jeder Ist-Punkt jeweils einem geometrischen Element zugeordnet ist und

(f) wobei der Toleranzbereich jeweils ein Abstandsbereich größer oder gleich Null von dem entsprechenden geometrischen Element ist,

(g) wobei die Toleranzeinpassung durch Anwendung zumindest einer Translation und/oder zumindest einer Rotation auf die IstPunkte oder das Modell durchgeführt wird,

(h) wobei die Toleranzeinpassung bis zu einer Blockierbedingung durchgeführt wird,

(i) wobei die Blockierbedingung ist, dass für zumindest eines der geometrischen Elemente, das nicht schon vorher als blockierendes Element bezeichnet worden ist und das nun als blockierendes Element bezeichnet wird, jene diesem geometrischen Element zugeordneten Ist-Punkte minimalen Abstand zu diesem geometrischen Element haben,

(j) und dass der Abstand aller anderen Ist-Punkte, die keinem blockierenden Element zugeordnet sind, zu demjenigen der geometrischen Elemente, dem sie zugeordnet sind, abzüglich des Toleranzbereichs des entsprechenden geometrischen Elementes kleiner oder gleich dem Maximum der Abstände der diesem blockierenden Element zugeordneten Ist-Punkte von diesem blockierenden Element abzüglich des Toleranzbereiches dieses blockierenden Elementes ist,

(k) und dann der zweite Schritt so durchgeführt wird, dass sich der Abstand der Ist-Punkte aller bisher ermittelten blockierenden Elemente von den entsprechenden blockierenden Elementen nicht vergrößert,

(l) und in einem letzten Schritt als Maß für die Toleranzeinhaltung für alle oder zumindest einen Teil der Ist-Punkte ausgegeben wird, wie groß der Abstand dieser Ist-Punkte von dem jeweiligen geometrischen Element ist, dem sie zugeordnet sind, oder eine aus diesem Abstand abgeleitete Größe ausgegeben wird.

In Hinblick auf den nebengeordneten Patentanspruch 11 sowie die Unteransprüche 2 bis 10 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin trägt vor, dass es sich bei dem Gegenstand der Anmeldung um ein automatisiertes Verfahren zur Lehrung eines Werkstücks handle. Das vorgeschlagene Verfahren erlaube nicht nur eine optimale Toleranzeinpassung, sondern biete auch die Möglichkeit, die Güte der Einpassung zu quantifizieren. Eine optimale Einpassung werde u. a. dadurch sichergestellt, dass das Verfahren alle möglichen Freiheitsgrade (Verschiebungen und Rotationen) ausnutze.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 sei nicht nur dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich, er sei darüber hinaus neu und beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.

II.

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).

1. Der Gegenstand der Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Kontrolle einer Toleranzeinhaltung von Werkstücken, bei welchem ein Werkstück mit einem Modell des Werkstücks verglichen wird und ein Maß dafür ermittelt wird, inwieweit das Werkstück eine vorgegebene Toleranz einhält (Offenlegungsschrift, [0001]).

Ausweislich der Anmeldung könne das vorgestellte Verfahren anstelle einer üblichen mechanischen Lehrung durchgeführt werden, bei welchem ein gegebenes Bauteil in ein geeignetes Gegenstück eingeführt werde. Dabei sei das Gegenstück des Bauteils so beschaffen, dass das Bauteil nur hineinpasse, wenn es die erwünschte Toleranz einhalte. Der Gegenstand der Anmeldung setze auf Verfahren zur Toleranzeinpassung auf, bei denen von einem Werkstück Punkte, sogenannte „Ist-Punkte“ aufgenommen würden, die die dreidimensionale Ist-Geometrie des Werkstücks beschreiben. Die Ist-Punkte würden als Punkte auf der Oberfläche des tatsächlichen Werkstücks gemessen (Offenlegungsschrift, [0002], [0003]). Für eine Toleranzeinpassung liege außerdem von dem zu vermessenden Werkstück ein Modell vor, das aus einem oder mehreren geometrischen Elementen, wie z. B. Punkten, Geraden bzw. Achsen oder Ebenen bzw. ebene Flächen zusammengesetzt sein könne. Ein solches Modell könne z. B. aus einem CADModell gewonnen werden. Ziel der Toleranzeinpassung sei es dann, die IstPunkte bzw. das Modell so zu transformieren, dass jeder Ist-Punkt soweit wie möglich in dem Toleranzbereich jenes geometrischen Elements liege, dem er zugeordnet sei. Ein Ist-Punkt, dessen Abstand zu dem ihm zugeordneten geometrischen Element größer als der Toleranzabstand dieses Elements sei, liege nicht mehr in der Toleranz. Würden aus dem Stand der Technik bekannte Toleranzeinpassungsverfahren zur Kontrolle der Toleranzeinhaltungen von Werkstücken eingesetzt, so werde die Genauigkeit der Kontrolle dadurch eingeschränkt, dass die bekannten Toleranzeinpassungsverfahren nicht in der Lage seien, alle Ist-Punkte optimal in den Toleranzbereich des jeweils zugeordneten geometrischen Elements einzupassen (Offenlegungsschrift, [0004]-[0008]).

Die der Anmeldung zugrundeliegende objektive technische Aufgabe sieht der Senat darin, ein Verfahren zur Kontrolle einer Toleranzeinhaltung von Werkstücken anzugeben, das eine optimale Einpassung der am realen Werkstück gemessenen Ist-Punkte in die Toleranzzonen der Soll-Geometrien erlaubt, so dass jeder Ist-Punkt soweit wie möglich in seiner zugehörigen Soll-Geometrie liegt.

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zur Toleranzeinpassung zu verbessern, ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung in der Fertigungsmesstechnik anzusehen, der darüber hinaus über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der computergestützten Entwurfsmethoden verfügt.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

2.1 Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.

Zur Lösung der oben genannten Aufgabe schlägt der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ein Verfahren zur Kontrolle einer Toleranzeinhaltung von Werkstücken vor (Merkmal (a)). In einem ersten Schritt werden die Koordinaten von Punkten einer Oberfläche eines zu kontrollierenden Werkstücks als Ist-Punkte aufgenommen (Merkmal (b)). Die Punkte der Oberfläche des zu kontrollierenden Werkstücks können mit Hilfe einer Vorrichtung zum dreidimensionalen Vermessen von Werkstücken wie z. B. einem Koordinatenmessgerät gemessen werden (Offenlegungsschrift, [0012]).

In einem zweiten Schritt wird eine Toleranzeinpassung der aufgenommenen IstPunkte in ein Modell des Werkstücks durchgeführt (Merkmal (c)), welches z. B. aus einem CAD-Modell gewonnen worden ist (Offenlegungsschrift, [0005]). Dabei ist das Modell aus mehreren geometrischen Elementen mit jeweils einem Toleranzbereich zusammengesetzt (Merkmal (d)). Es wird vorausgesetzt, dass jeder Ist-Punkt jeweils einem der geometrischen Elemente zugeordnet ist (Merkmal (e)). Laut Beschreibung kann die Zuordnung vor dem zweiten Schritt durchgeführt werden, z. B. von Hand oder mit Hilfe eines geeigneten Algorithmus (Offenlegungsschrift, [0013]). Jedem geometrischen Element des Modells ist ein Toleranzbereich zugewiesen, der einen Abstandsbereich größer oder gleich Null von dem geometrischen Element darstellt (Merkmal (f)). Für die Toleranzeinpassung werden die Ist-Punkte oder das Modell transformiert. Dies geschieht durch Anwendung wenigstens einer Translation und/oder wenigstens einer Rotation (Merkmal (g)).

Die Toleranzeinpassung wird so lange durchgeführt, bis für ein geometrisches Element eine Blockierbedingung eintritt bzw. erfüllt ist (Merkmal (h)). Blockierbedingung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass infolge der durchgeführten Operationen die dem geometrischen Element zugeordneten Ist-Punkte einen minimalen Abstand zu diesem Element erhalten. Bezüglich dieses geometrischen Elements ist daher die Einpassung optimal. Ein solches Element wird dann als blockierendes Element bezeichnet (Merkmal (i)). Gleichzeitig soll im Fall einer Blockierbedingung der Abstand aller anderen Ist-Punkte zu dem ihnen jeweils zugeordneten geometrischen Element minus dem Toleranzbereich des entsprechenden geometrischen Elements kleiner oder gleich dem Maximum der Abstände der dem blockierenden Element zugeordneten Ist-Punkte vom blockierenden Element minus dem Toleranzbereich des blockierenden Elements sein (Merkmal (j)). Bei Fortsetzung des Verfahrens wird der zweite Schritt der Toleranzeinpassung ab Merkmal (c) erneut durchgeführt, und zwar so, dass sich der Abstand der Ist-Punkte aller bisher ermittelten blockierenden Elemente von den entsprechenden blockierenden Elementen nicht vergrößert (Merkmal (k)). Es werden nur noch Translationen und Rotationen zugelassen, die den Abstand des blockierenden Elements zu den ihm zugeordneten Ist-Punkten nicht mehr verändern. Dies bedeutet letztlich, dass die Toleranzeinpassung mit gesperrten bzw. weniger Freiheitsgraden fortgesetzt und das blockierende geometrische Element zusammen mit den zugeordneten Ist-Punkten aus dem Optimierungsproblem entfernt wird (Offenlegungsschrift, [0025]).

In einem letzten Schritt des Verfahrens wird noch ein Maß für die Toleranzeinhaltung ausgegeben. Hierbei handelt es sich um den Abstand der Ist-Punkte vom jeweiligen geometrischen Element, dem sie zugeordnet sind, oder um eine aus diesem Abstand abgeleitete Größe (Merkmal (l)).

2.2 Zur Beurteilung der beanspruchten Lehre ist die Druckschrift D5 von besonderer Bedeutung.

Bei der Druckschrift D5 handelt es sich um einen Fachartikel über die Besteinpassung von geometrischen Formelementen und Bohrbildern mit definierten Toleranzzonen. Für die Auswertung von Koordinatenmessungen zur geometrischen Qualitätsprüfung von Werkstücken wird eine Besteinpassung nach dem Prinzip der minimalen Fehlerzone beschrieben. Es erlaubt die Einpassung von geometrischen Elementen und von Freiformkurven bzw. -flächen mit lokal unterschiedlicher Zonenbreite sowie die Einpassung von Bohrbildern mit unterschiedlicher Gestalt, Größe und Orientierung der Positions-Toleranzfelder (Abstract).

Damit offenbart die Druckschrift D5, die als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, ein Verfahren zur Kontrolle einer Toleranzeinhaltung eines Werkstücks (Abstract, Seite 75, linke Spalte, Abschnitt 1 - Einführung; Merkmal (a)). Das offenbarte Verfahren liefert eine universell anwendbare Lösung für die Einpassung mit variabler Zonenbreite für das ODR-Minimax-Problem (Seite 76, linke Spalte, zweiter Absatz).

Für die in der Druckschrift D5 vorgestellte Besteinpassung werden in einem ersten Schritt die Koordinaten von Punkten einer Oberfläche eines zu kontrollierenden Werkstücks als Ist-Punkte mit Hilfe eines Koordinatenmessgeräts messtechnisch ermittelt (Seite 75, linke Spalte, siehe „Für die Auswertung von Koordinatenmessungen …“; Seite 76, rechte Spalte, Gleichung (2) mit Messpunkten; Seite 77, rechte Spalte, letzter Absatz - Merkmal (b)).

In einem zweiten Schritt wird eine Besteinpassung geometrischer Formelemente, also eine Toleranzeinpassung der aufgenommenen Ist-Punkte in ein Modell des Werkstücks durchgeführt (Seite 76, Abschnitt 2 - Besteinpassung nach der Methode der kleinsten Zone; Bild 1; Seite 77, rechte Spalte, letzter Absatz - Merkmal (c)). Als Beispiel für ein solches Werkstück ist in Bild 3 der Seite 78 ein Werk- stück mit unterschiedlichen Toleranzzonen für die Position von Bohrungen gezeigt.

Das Modell des in der Druckschrift D5 betrachteten Werkstücks mit Bohrungen ist aus mehreren geometrischen Elementen (Punkte, runde oder ovale Bohrlöcher) mit jeweils einem Toleranzbereich zusammengesetzt (Seite 78, Bild 3, Bild 4, siehe rundes Toleranzfeld, rechteckiges Toleranzfeld, schlitzförmiges Toleranzfeld - Merkmal (d)).

Jeder Ist-Punkt ist jeweils einem geometrischen Element zugeordnet, nämlich einer der fünf Bohrungen des Werkstücks von Bild 3 (Merkmal (e)). Eine solche Zuordnung von Ist-Punkten wird auch in der Bohrbildeinpassung von Bild 5 der Seite 79 gezeigt (durch kleine Rechtecke gekennzeichnete Istpositionen).

Die Toleranzbereiche sind durch Abstandsbereiche vom jeweiligen geometrischen Element gegeben, die einen Wert größer als Null aufweisen (Seite 78, Bild 2, Bild 3, Bild 4 u. a., siehe Toleranzfelder für Positionstoleranzen - Merkmal (f)).

Die aus der Druckschrift D5 bekannte Toleranzeinpassung beruht auf der Anwendung von Translationen und Drehungen auf die gemessenen Ist-Punkte des Werkstücks. Auf den Seiten 78 und 79 werden unter den Abschnitten 3.2 („Transformation zur 2D-Einpassung“) und 3.3 („Simplextafel für die Parameteroptimierung“) die entsprechenden Transformationsgleichungen aufgestellt (Gleichungen (15)(19) - Merkmal (g)).

Die bekannte Toleranzeinpassung verfügt auch über ein Abbruchkriterium für den verwendeten Simplex-Algorithmus, nämlich die Bedingung einer minimalen Zielfunktion, welche der Fachmann als Blockierbedingung auslegen wird. (Seite 76, rechte Spalte, Gleichung (4) - Merkmal (h)).

Die Einpassung nach diesem Algorithmus ergibt den kleinstmöglichen ausgenutzten Toleranzbereich proportional zu den definierten Toleranzzonen (Seite 77, rechte Spalte, oben), d. h. in der Abbruch- bzw. Blockierbedingung der Gleichung (4) aus Druckschrift D5 haben die gemessenen Ist-Punkte im Idealfall minimalen Abstand zu den jeweils zugeordneten geometrischen Elementen. Der Zielfunktion der Gleichung (4) auf Seite 76 ist zu entnehmen, dass in einem solchen Fall das Maximum der jeweiligen (relativen) Abstände der Ist- bzw. Messpunkte bezogen auf die jeweilige Toleranz des ihnen zugeordneten geometrischen Elements minimal wird, d. h. ein blockierendes Element mit minimalen Abständen der ihm zugeordneten Ist-Punkte liegt vor (Merkmal (i)). Die allgemein aufgestellte Forderung der Zielfunktion besitzt dabei nicht nur für ein einziges geometrisches Element sondern auch für zusammengesetzte geometrische Elemente (vgl. z. B. Bild 1) Gültigkeit. Gleichzeitig haben alle anderen relativen Abstände, also auch solche, die anderen geometrischen Elementen zugewiesen werden müssen, einen Wert kleiner oder gleich dem bestimmten maximalen relativen Abstand des blockierenden Elements, der ja durch die Optimierung minimiert worden ist (teilweise Merkmal (j)). In Hinblick auf Merkmal (j) unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren von der Lehre der Druckschrift D5 nur noch darin, dass anstelle der (relativen) Abstände der Ist- bzw. Messpunkte bezogen auf die jeweilige Toleranz des ihnen zugeordneten geometrischen Elements die jeweiligen Abstände der IstPunkte von den zugeordneten geometrischen Elementen minus dem jeweils zugehörigen Toleranzbereich (vgl. Offenlegungsschrift, Absatz [0017]) - also Differenzwerte - genommen werden (restlicher Teil von Merkmal (j)).

Das in der Druckschrift D5 offenbarte Verfahren führt zum kleinstmöglichen ausgenutzten Toleranzbereich (Seite 77, rechte Spalte, oben), der immer auch ein Maß für die jeweiligen Abstände der Ist-Punkte von dem ihnen zugeordneten Formelement darstellt. Maßgebend in diesem Zusammenhang ist die Breite der gewichteten Abweichungszone  (Seite 77, linke Spalte, erster Absatz - Merkmal (l)).

2.3 Die Würdigung dieses Materials aus dem Stand der Technik ergibt, dass der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand mit all seinen Merkmalen für den Fachmann nahegelegen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Prüfung der gesamte Patentanspruch mit allen seinen Merkmalen zugrunde gelegt wird. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der beanspruchte Gegenstand gemäß § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen ist, und ob der Patentanspruch 1 Merkmale enthält, die nicht die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder beeinflussen und somit bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen).

Dem Fachmann ist geläufig, dass selbst wenn das Simplex-Verfahren eine Lösung findet und Konvergenz vorliegt, dies nicht zwangsläufig bedeutet, dass es nicht noch bessere Lösungen gibt. So ist ihm hinlänglich bekannt, dass die Lösung eines großen linearen Gleichungssystems durch die unvermeidlichen Rundungsfehler bei der sehr großen Anzahl von Operationen ungenau bis unbrauchbar werden kann. Da er stets bestrebt ist, die Genauigkeit numerischer linearer Optimierungen (und damit auch die Lösung der zugehörigen linearen Gleichungssysteme) bei akzeptabler Laufzeit zu erhöhen, bot es sich ihm an, sich die vorteilhaften numerischen Eigenschaften des Simplex-Verfahrens zunutze zu machen, z. B. die Möglichkeit, die im Simplex-Verfahren ermittelten Lösungen als Ausgangspunkt für Nachiterationen wiederverwenden zu können. Dass das Simplex-Verfahren einen solchen „Warmstart“ von der zuletzt verwendeten Lösung durchführen kann und deshalb nur noch wenige Iterationen zur erneuten Lösung benötigt, war dem Fachmann bereits vor dem Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung bekannt. So wird u. a. in der Druckschrift D8 darauf hingewiesen, dass das Simplex-Verfahren selbst bei leichter Veränderung des Problems, z. B. dem Hinzufügen einer zusätzlichen Bedingung auf den zuletzt verwendeten Lösungen aufsetzen kann und nicht ganz von vorne beginnen muss (Seite 1, zweiter Absatz).

Aufgrund dieser Tatsache sowie des in der Druckschrift D5 gegebenen Hinweises, dass bei vielparametrigen Einpassproblemen, wie z. B. bei zusammengesetzten Formelementen, ausgewählte Freiheitsgrade gesperrt werden können, indem die Simplextafel im Simplex-Algorithmus entsprechend modifiziert wird oder aber kleine Toleranzfelder in geeigneter Weise kombiniert werden (Seite 80, linke Spalte, zweiter Absatz), hatte der Fachmann Veranlassung, das dem Simplex-Verfahren zugrundeliegende lineare Gleichungssystem durch eine solche Sperrung zu vereinfachen, wodurch geeignet ausgewählte geometrische Formelemente zusammen mit ihren Ist-Punkten nacheinander aus der Rechnung herausgenommen werden und eine Parameteroptimierung nur noch für den jeweils verbliebenen Teil der Formelemente fortgesetzt wird. Da ein solches Vorgehen lediglich der Einführung neuer Randbedingungen innerhalb des Simplex-Verfahrens entspricht, bot es sich dem Fachmann an, die für die Simplextafel der Gleichungen (17) bis (19) der Druckschrift D5 gefundene Lösung zur Optimierung der Tansformationsparameter als Ausgangspunkt für Nachiterationen zu verwenden, wobei in der Folge nur noch ein reduziertes Gleichungssystem gelöst werden muss. Für den Fachmann lag es auf der Hand, gerade dasjenige geometrische Element zusammen mit seinen IstPunkten auszuwählen und auszublenden, für das die Zielfunktion aus Gleichung (4) der Druckschrift D5 einen minimalen Wert angenommen hat (das also das minimale Maximum enthält), und das den geringsten Spielraum für ein nachträgliches „Wackeln“ der Ist-Punkte innerhalb seiner vorgegebenen Toleranz besitzt. Als blockierendes Element legt es eine obere Schranke für eine Toleranzausnutzung fest, die in nachfolgenden Rechenoperationen nicht mehr verändert wird (Merkmal (k)).

Im Unterschied zu Druckschrift D5 werden gemäß Merkmal (j) nicht die (relativen) Abstände der Ist-Punkte bezogen auf die jeweilige Toleranz des ihnen zugeordneten geometrischen Elements genommen, sondern die Differenzen aus den jeweiligen Abständen der Ist-Punkte von den zugeordneten geometrischen Elementen und dem jeweils zugehörigen Toleranzbereich genutzt. Es liegt jedoch im Bereich des Wissens des Fachmannes, dass eine für eine Besteinpassung geeignete Ziel- funktion (alternativ zu Druckschrift D5) auch unter Verwendung einer Differenz aus dem Betrag des Abstandes fi und der Toleranz Ti gebildet werden kann. Denn es gehört zum Grundwissen des Fachmannes, dass bei der Wahl von Zielfunktionen in Einpassungsproblemen Alternativen zur Verfügung stehen, die jeweils bekannte Vor- und Nachteile aufweisen. Der Fachmann kann als Zielfunktion zum einen (wie in der Druckschrift D5) das Maximum des Quotienten aus dem Betrag des Abstandes fi und der Toleranz Ti wählen, um ein Maß für die Güte der Toleranzeinpassung zu erhalten, dann wird aber im Hinblick auf Koordinatenmessungen und Werkstückkorrekturen noch eine Ermittlung der konkreten Abstandswerte für die Abweichungen der Ist-Punkte von der Toleranzgrenze mittels Differenzenbildung erforderlich. Zum anderen kann als Zielfunktion das Maximum der Differenz aus dem Betrag des Abstandes fi und der Toleranz Ti gewählt werden, hierbei ist keine solche zusätzliche Ermittlung von Abstandswerten nötig, jedoch ergibt sich dann kein Maß, das eine unmittelbare Aussage darüber erlaubt, ob die Ausnutzung der jeweiligen Toleranzbereiche optimiert werden konnte, d. h. ob die Einpassung überhaupt zum kleinstmöglichen ausgenutzten Toleranzbereich geführt hat. Für die Auswahl einer der beiden ihm bekannten Möglichkeiten unter Abwägen der jeweiligen Vor- und Nachteile ist kein erfinderisches Zutun erforderlich (restlicher Teil von Merkmal (j); BGH GRUR 2006, 930 - Mikrotom, BGH GRUR 2015, 356 - Repaglinid).

Der Einwand der Anmelderin, die spezifischen Anforderungen gemäß den Merkmalen (i) und (j) seien aus der Druckschrift D5 nicht nahegelegt, greift insoweit nicht durch. Insbesondere kann die bloße Ersetzung der in der Druckschrift D5 formulierten Zielfunktion durch die in der Anmeldung vorgeschlagene Zielfunktion, die die gleichen variablen Größen beinhaltet und dieselben mathematischen Eigenschaften, wie etwa Linearität und Monotonieverhalten aufweist, keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Zwar ist der Anmelderin darin zuzustimmen, dass der Druckschrift D5 eine an die dort beschriebene Besteinpassung anschließende weitere Einpassung auf Elementebene nicht direkt zu entnehmen ist. Ausgehend von der fachbekannten Tatsache, dass die Genauigkeit der Lösung großer linearer Gleichungssysteme und damit auch der Lösung linearer Optimierungsprobleme durch Nachiterationen verbessert werden kann, lag es jedoch im Griffbereich des Fachmannes, in der Lehre der Druckschrift D5 für einfache und zusammengesetzte Formelemente ausgehend von einer Anfangslösung weitere optimierende Rechenschritte vorzusehen. Die Auswahl des blockierenden Elements, das aus der Rechnung ausgeblendet werden soll, erfolgt hierbei entgegen der Auffassung der Anmelderin nicht willkürlich, sondern orientiert sich immer an der Zielfunktion, die in der Abbruchbedingung des Simplex-Verfahrens minimal geworden ist.

Nach allem waren für den Fachmann lediglich fachgemäße Überlegungen erforderlich, um in Kenntnis der Druckschrift D5 zu einem Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

3. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die jeweiligen übrigen Patentansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Dr. Forkel Fa

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