AnwZ (Brfg) 10/25
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 10/25 BESCHLUSS vom
9. Mai 2025 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft ECLI:DE:BGH:2025:090525BANWZ.BRFG.10.25.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert und die Richterin Dr. Liebert sowie die Rechtsanwälte Dr. Lauer und Prof. Dr. Schmittmann am 9. Mai 2025 beschlossen:
Unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das am 28. Januar 2025 verkündete Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Die Klägerin beantragte am 29. September 2022 ihre Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2023 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids und Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Zulassung gerichtete Klage der Klägerin hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 28. Januar 2025, der Klägerin laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 3. Februar 2025, als unbegründet abgewiesen. Mit am 13. Februar 2025 per Einwurf-Einschreiben und am 25. März 2025 nochmals per beA beim Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 11. Februar 2025 hat die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen.
Mit Verfügung vom 11. März 2025 hat der Senat auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. März 2025 Stellung genommen und hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des verspäteten Eingangs des Zulassungsantrags beantragt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 5 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen.
1. Er ist nicht form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht gestellt worden.
a) Der am 13. Februar 2025 beim Anwaltsgerichtshof eingereichte Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht formgerecht gestellt worden.
Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen - wie der hiesige Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 124a Rn. 151 mwN) -, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte der am 13. Februar 2025 per Einwurf-Einschreiben eingereichte Antragsschriftsatz nicht.
Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 3 VwGO hat die Klägerin nicht dargetan.
b) Der am 25. März 2025 beim Anwaltsgerichtshof eingereichte Schriftsatz konnte die Frist nicht wahren.
aa) Wird die Berufung - wie hier - nicht in dem Urteil des Anwaltsgerichtshofs zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Anwaltsgerichtshof zu beantragen (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Ausweislich der in den Akten befindlichen Zustellungsurkunde ist der Klägerin das Urteil am 3. Februar 2025 zugestellt worden. Hiervon ausgehend hätte der Antrag gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Var. 1 BGB spätestens am 3. März 2025 beim Anwaltsgerichtshof eingehen müssen.
Als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Nach § 418 Abs. 2 ZPO kann derjenige, zu dessen Nachteil sich die gesetzliche Beweislastregelung auswirkt, den Beweis für die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen antreten. Erforderlich ist hierfür der volle Beweis des Gegenteils, das heißt der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen. Die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde muss vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2005 - III ZR 104/05, NJW 2006, 150 Rn. 12; Beschluss vom 15. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 6/19, ZinsO 2020, 1127 Rn. 53; BVerfG, NJW-RR 2002, 1008; BFH, BFH/NV 2004, 509, 510; BVerwG, NJW 1986, 2127, 2128; jeweils mwN). Dementsprechend muss ein derartiger anderer Geschehensablauf substantiiert dargelegt werden - die dargelegten Umstände müssen dabei geeignet sein, ein Fehlverhalten des Postzustellers und damit eine Falschbeurkundung zu belegen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. August 2023 - AnwZ (Brfg) 14/23, BRAK-Mitt. 2023, 413; BVerfG, NJW-RR 2002, 1008; BFH, BFH/NV 2004, 509, 510; BVerwG, NJW 1986, 2127, 2128; jeweils mwN). Hierfür genügt es nicht, wenn der Adressat der Zustellung - wie hier die Klägerin - schlicht behauptet, die Zustellung sei nicht erfolgt und das Urteil stattdessen formlos übersandt worden.
bb) Die Frist zur Beantragung der Zulassung der Berufung ist auch durch die Zustellung des vollständigen Urteils in Gang gesetzt worden.
(1) Dem Fristanlauf nach § 58 Abs. 1 VwGO stand nicht die von der Klägerin gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung entgegen, wonach dem Zulassungsantrag vier Abschriften beigefügt werden sollen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 2024 - AnwZ (Brfg) 3/24, juris Rn. 7 ff.).
(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Rechtsbehelfsbelehrung u.a. dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. nur BVerwG, NVwZ 2019, 167 Rn. 15 mwN).
(b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Der von der Klägerin gerügte Zusatz zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung ist im Grundsatz dem § 81 Abs. 2 VwGO entnommen, nach dem der Klage und allen Schriftsätzen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden sollen. Der Zusatz ist zwar insofern unrichtig, als die Vorschrift im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument nach § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO keine Anwendung findet.
Diese Unrichtigkeit ist aber ihrer Art nach nicht geeignet, die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung - überhaupt oder innerhalb der Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO (i.V.m. § 112e Satz 2 VwGO) - zu erschweren. Der beanstandete Zusatz gibt die Beifügung von Abschriften nicht als Zwang aus, dessen Nichtbeachtung auf die formelle Wirksamkeit des Zulassungsantrags von Einfluss ist (vgl. dazu BVerwG, NJW 1980, 1707), sondern lediglich als dringende Bitte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie der Zusatz irrige Vorstellungen über die formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Zulassung der Berufung hervorrufen und dadurch die Rechtsmitteleinlegung erschweren könnte (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 56).
(2) Ferner war die - grundsätzlich entbehrliche (vgl. BVerwGE 25, 261; Kimmel in BeckOK VwGO, § 58 Rn. 15 [Stand: 1. Januar 2025]) - Angabe der Haus- und Postanschriften des Anwaltsgerichtshofs und des Bundesgerichtshofs nicht geeignet, eine Fehlvorstellung über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsmittels hervorzurufen. Diese lediglich die Adressaten des Antrags auf Zulassung der Berufung und seiner Begründung kennzeichnenden Angaben enthalten insbesondere keine Aussagen über die bei der Antragstellung zu beachtenden Formvorschriften.
2. Der Klägerin war nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 60 VwGO). Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet, weil die Klägerin nicht ohne Verschulden an der rechtzeitigen Einlegung des Zulassungsantrags gehindert war.
Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2021 - 9 B 19/21, juris Rn. 12 mwN). Danach hat die Klägerin die Fristversäumung verschuldet. Sie hätte wissen können und müssen, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument einzureichen ist.
Die von der Klägerin erfolglos gerügten Passagen der Rechtsmittelbelehrung begründeten bereits keinen Anlass, von der formgerechten Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO) abzusehen (s.o.).
III. 21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg Lauer Remmert Schmittmann Liebert Vorinstanz: AGH München, Entscheidung vom 28.01.2025 - BayAGH III-4-8/23 -