19 W (pat) 94/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 94/17 Verkündet am 30. Juli 2018
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2011 100 785.0 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt ECLI:DE:BPatG:2018:300718B19Wpat94.17.0 beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse G 01 R – hat die am 6. Mai 2011 unter Inanspruchnahme der Unionspriorität der US-amerikanischen Anmeldung 12/775,272 vom 6. Mai 2010 in englischer Sprache eingereichte Anmeldung, zu der am 5. August 2011 eine deutschsprachige Übersetzung mit der Bezeichnung „HDMI-Kabelverbindungsvorrichtung und -verfahren“ nachgereicht wurde, durch Beschluss vom 12. Juli 2017 zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 vom 18. Oktober 2013 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (§ 4 PatG).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 24. August 2017, in der sinngemäß beantragt wird,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juli 2017 aufzuheben.
Die Anmelderin hat ihre Beschwerde nicht begründet und auch an der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 2018 nicht teilgenommen.
Im Prüfungsverfahren vor der Prüfungsstelle hat die Anmelderin die Erteilung des Patents zuletzt mit folgenden Unterlagen begehrt:
Patentansprüche 1 bis 19 vom 18. Oktober 2013,
Beschreibung, Seiten 1 und 1a vom 18. Oktober 2013, Seiten 2 bis 9 vom 5. August 2011,
Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, vom 5. August 2011.
Die nebengeordneten Ansprüche 1, 11 und 15 vom 18. Oktober 2013 haben folgenden Wortlaut:
1. Vorrichtung, umfassend: eine Schaltung, um ein verbundenes HDMI-Gerät (302) zu erkennen, wobei die Schaltung eine intermittierende Versorgung zu einem Steckverbinder bereitstellt, um zu bestimmen, ob das Gerät (302) verbunden ist, wobei die Schaltung einen Vergleicher (352) umfasst, um eine Spannung an einem Pin des verbundenen HDMI-Geräts (302) gegen einen Schwellenpegel zu vergleichen.
11. Eine Schaltung, umfassend: einen Versorgungsknoten in einem Apparat (205; 305), wobei der Versorgungsknoten mit einem ersten Pin eines externen HDMIGeräts (302) gekoppelt ist; eine Versorgung, um einen DC-Versorgungsimpuls zum Versorgungsknoten bereitzustellen; und eine Erkennungsschaltung (208; 350), um den Impuls von einem zweiten Pin des externen HDMI-Geräts (302) wahrzunehmen, wenn das Gerät (302) mit dem Apparat (205; 305) verbunden ist, wobei die Erkennungsschaltung (208; 350) einen Vergleicher (352) umfasst, um eine Spannung am zweiten Pin gegen einen Schwellenpegel zu vergleichen.
15. Ein tragbarer elektronischer Apparat (205; 305), umfassend: einen HDMI-Steckverbinder, der einen ersten und zweiten Pin aufweist, wobei der erste Pin ein intermittierendes HPD-Signal an ein HDMI-Gerät (302) bereitstellt, wenn er mit dem Apparat (205; 305) verbunden ist, und wobei der zweite Pin mindestens eine Form des HPD-Signals vom Gerät zurückerhält, wenn das Gerät (302) mit dem Apparat verbunden ist; und eine mit dem zweiten Pin gekoppelte Verbindungserkennungsschaltung (208; 350), um die Form des HPD-Signals wahrzunehmen und zu bewirken, dass das intermittierende HPD-Signal durch eine DC-Versorgung ersetzt wird, wenn das Gerät (302) als verbunden mit dem Apparat erkannt wurde, wobei die Erkennungsschaltung (208; 350) einen Vergleicher (352) umfasst, um eine Spannung am zweiten Pin gegen einen Schwellenpegel zu vergleichen.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden als Stand der Technik die folgenden beiden Schriften berücksichtigt:
E1: EP 2 003 531 A2 E2: EP 1 685 496 B1 Darüber hinaus hat die Prüfungsstelle mit Ladungszusatz vom 22. Mai 2017 zur Anhörung am 12. Juli 2017 zwei weitere Schriften als grundsätzlich ebenfalls relevant eingeführt:
E3: US 2008/0152023 A1 E4: US 2007/0283071 A1 Der Senat hat der Anmelderin mit Schreiben vom 25. April 2018 mitgeteilt, dass er in der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 2018 auch auf die Schrift E3 Bezug nehmen wird, und hierzu konkrete Fundstellen in der Schrift E3 genannt.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere des Wortlauts der weiteren Patentansprüche, wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Anmelderin hat keinen Erfolg.
1. Die Erfindung bezieht sich auf die Erkennung einer HDMI (High-Definition Multimedia Interface)-Verbindung.
In der Beschreibung ist sinngemäß ausgeführt, dass HDMI eine kompakte Audio/Video-Schnittstelle für das Übertragen von nicht komprimierten digitalen Daten sei. Vorgelagerte Geräte wie Notebooks, Set-Top-Boxen oder Smartphones könnten HDMI-Verbindungen verwenden, um ihren Videoinhalt auf ein nachgeschaltetes HDMI-Gerät wie beispielsweise einen Monitor zu übertragen oder ihn darauf anzuzeigen. Das vorgelagerte Gerät weise einen HDMI-Steckverbinder zur Verbindung mit dem nachgeschaltetem HDMI-Gerät über ein HDMI-Kabel auf (Beschreibung vom 18. Oktober 2013, Seite 1a, Zeilen 18 bis 26 und 29 bis 30).
Vor der Einrichtung der HDMI-Verbindung müsse das vorgelagerte Gerät erkennen, dass eine Verbindung mit dem nachgeschalteten Gerät bestehe. Hierzu stelle das vorgelagerte Gerät gemäß der aktuellen HDMI-Spezifikation eine Gleichspannung, z. B. in Höhe von 5 V am sogenannten HPS (Hot Pin Supply)-Pin des HDMI-Steckverbinders, bereit. Über ein Signal am HPD (Hot Plug Detect)-Pin des HDMI-Steckverbinders könne das vorgelagerte Gerät dann erkennen, dass eine Verbindung mit dem nachgeschalteten Gerät bestehe (Beschreibung vom 5. August 2011, Seite 2, Zeilen 5 bis 10 und 31).
In konventionellen Konfigurationen könne dies zu verschiedenen Problemen führen. Beispielsweise könne ein nicht richtig funktionierendes Kabel einen Kurzschluss des 5-V-Versorgungspins gegen Masse verursachen. Falls das vorgelagerte Gerät tragbar sei, wie beispielsweise ein Smartphone oder Tablet-Computer könne das Aufrechterhalten der 5-V-Versorgung während des Wartens auf eine HDMI-Verbindung übermäßig Leistung verschwenden (Beschreibung vom 5. August 2011, Seite 2, Zeilen 10 bis 18).
Aufgabe der Erfindung sei es daher, eine einfache und energiesparende Erkennung, ob eine Verbindung zu einem HDMI-Gerät vorliegt, zu ermöglichen (Beschreibung vom 18. Oktober 2013, Seite 1, Zeilen 27 und 28).
Diese Aufgabe werde durch eine Vorrichtung, eine Schaltung bzw. einen tragbaren elektronischen Apparat mit den Merkmalen der nebengeordneten Ansprüche 1, 11 bzw. 15 vom 18. Oktober 2013 gelöst.
Gegenstand des hier allein entscheidungserheblichen Patentanspruchs 1 ist eine M1 Vorrichtung, umfassend:
M2 eine Schaltung, um ein verbundenes HDMI-Gerät (302) zu erkennen,
M3 wobei die Schaltung eine intermittierende Versorgung zu einem Steckverbinder bereitstellt, um zu bestimmen, ob das Gerät (302) verbunden ist,
M4 wobei die Schaltung einen Vergleicher (352) umfasst, um eine Spannung an einem Pin des verbundenen HDMI-Geräts (302) gegen einen Schwellenpegel zu vergleichen.
2. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen berufserfahrenen Ingenieur der Elektrotechnik zumindest mit Fachhochschulabschluss und Berufserfahrung im Bereich digitaler Schnittstellen, speziell Videoschnittstellen, insbesondere bei Mobiltelefonen, zu Grunde.
3. Die erläuterungsbedürftigen Angaben im geltenden Anspruch 1 versteht der Fachmann wie folgt:
a) Eine „Versorgung zu einem Steckverbinder“ (vgl. Merkmal M3) ist die Versorgung eines nicht näher bestimmten Anschlusses eines HDMI-Steckverbinders mit einem nicht näher bestimmten Strom oder einer Spannung (Beschreibung vom 5. August 2011, Seite 2, Zeilen 25, 26 und Seite 3, Zeile 30).
b) Eine „intermittierende Versorgung“ (vgl. Merkmal M3) versteht der Fachmann mangels Definition in der Anmeldung in der üblichen Wortbedeutung als zeitweilig aussetzende Versorgung.
In Ausführungsformen, die den Anspruch 1 nicht beschränken, erfolgt die Versorgung durch sich wiederholende impulsartige Ereignisse, z. B. gepulst, durch Ausund Wiedereinschalten, in einer nicht periodischen intermittierenden Weise oder durch Impulsfolgen (Beschreibung vom 5. August 2011, Seite 2, Zeilen 28 bis 31 und Seite 6, Zeile 11). Nach dem geltenden Unteranspruch 6 wird die intermittierende Versorgung von einer Schaltung gesteuert, die eine beständige Gleichstrom (DC)-Versorgung ist, wenn bestimmt wurde, dass ein HDMI-Gerät verbunden ist.
4. Der angegriffene Beschluss der Prüfungsstelle vom 12. Juni 2017 hält der Überprüfung durch den Senat stand.
Es bedarf keine Entscheidung, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 als neu gilt (§ 3 PatG), denn der Gegenstand das Anspruchs 1 beruht jedenfalls gegenüber dem Stand der Technik nach einer Zusammenschau der Schriften EP 2 003 531 A2 (= E1) und EP 1 685 496 B1 (= E2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Im angegriffenen Beschluss ist in zutreffender Weise im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen der Fachmann ausgehend von dem Stand der Technik nach der Schrift E1 bei Betrachtung der Schrift E2 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt. Gründe, die dieser Beurteilung entgegenstehen könnten, hat die Anmelderin nicht vorgetragen und sind auch dem Senat nicht ersichtlich.
Der Senat macht sich daher die Begründung des angegriffenen Beschlusses zu Eigen und verweist vollinhaltlich auf diese.
5. Im Übrigen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber dem Stand der Technik nach der Schrift US 2008/0152023 A1 (= E3) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
Die Schrift E3 offenbart dem Fachmann einen Camcorder mit einer HDMI-Schnittstelle, an die ein Fernsehgerät 15 angeschlossen werden kann (vgl. E3, Figur 1). Die HDMI-Schnittstelle des Camcorders wird mittels eines separaten LSI (Large Scale Integrated)-Schaltkreises „HDMI Control LSI“ 14 bereitgestellt (vgl. E3, Figur 1 und Absätze 0044, 0045).
Nach den Ausführungen in der Schrift E3 ist die Verringerung des Stromverbrauchs des Camcorders, insbesondere die des „HDMI Control LSI“, ein wichtiges technisches Problem (vgl. E3, Absatz 0022). Hierzu schlägt die Schrift E3 beispielsweise vor, dass der „HDMI Control LSI“ mit einem beliebigen Verlauf („arbitrary timing“) ein- und ausgeschaltet werden soll (vgl. E3, Absatz 0056, letzter Satz).
Die Schrift E3 offenbart dem Fachmann somit, in Worten des geltenden Anspruchs 1 ausgedrückt, eine Vorrichtung (camcorder main unit), umfassend: eine Schaltung (HDMI control LSI 14), um ein verbundenes HDMI-Gerät (HDMIcapable TV 15), durch Überwachung des HPD-Signals zu erkennen (vgl. E3, Absätze 0014, 0065 und Figur 4), wobei die Schaltung eine intermittierende Versorgung (power on/off of the HDMI control LSI 14, vgl. E3, Absatz 0056, letzter Satz und Figur 5) zu einem Steckverbinder bereitstellt. Letzteres wird vom Fachmann ohne weiteres auf Grund des Kabels zwischen dem „HDMI control LSI 14“ und dem „HDMI-capable TV 15“ mitgelesen (vgl. E3, Figur 4). Die Schrift E3 offenbart dem Fachmann somit die Anweisungen in den Merkmalen M1 bis M3 des Anspruchs 1. Ein Vergleicher, der die Anweisungen des Merkmals M4 des Anspruchs 1 erfüllt, ist der Schrift E3 hingegen nicht entnehmbar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 mag daher gegenüber dem Stand der Technik nach der Schrift E3 neu sein, er beruht jedoch gegenüber diesem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Denn die Schrift E3 vermittelt die Lehre, den Signalpegel am HPD-Pin zu prüfen (vgl. E3, Figur 6, Schritte S3, S4 sowie Absätze 0065 und 0078). Um zwischen einer niedrigen und einer hohen Spannung am HDP-Pin unterscheiden zu können, hat der Fachmann Veranlassung, einen Vergleicher vorzusehen, um eine Spannung an dem Pin des verbundenen HDMI-Geräts gegen einen Schwellenpegel zu vergleichen (= Merkmal M4).
6. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die geltenden Ansprüche 2 bis 19 etwas Patentfähiges enthalten. Über den im Rahmen der Beschwerde verfolgten Antrag kann nur einheitlich entschieden werden.
Die fehlende Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 führt zur Zurückweisung der Beschwerde insgesamt.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt Pr