VIII ZR 192/21
BUNDESGERICHTSHOF VIII ZR 192/21 BESCHLUSS vom 8. Februar 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:080222BVIIIZR192.21.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2022 durch die Richterin Dr. Fetzer als Vorsitzende, den Richter Dr. Schmidt, die Richterinnen Wiegand und Dr. Matussek sowie den Richter Dr. Reichelt beschlossen:
Der Antrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 65 vom 1. Juni 2021 wird als unzulässig verworfen. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin 75 %, der Drittwiderbeklagte trägt 25 %. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 18.300,48 €.
Gründe: 1 1. Der Antrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO ist erfolglos. 2 a) Nach dieser Vorschrift kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Hat die Partei - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn sie die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2014 - VI ZR 226/13, NJW 2014, 3247 Rn. 2; vom 27. November 2014 - III ZR 211/14, MDR 2015, 540 Rn. 2; vom 2. Februar 2017 - IX ZR 113/16, ZInsO 2017, 968 Rn. 4; vom 21. August 2018 - VIII ZR 75/18, juris Rn. 4). Die Partei hat innerhalb der für das beabsichtigte Rechtsmittel geltenden Frist darzulegen, dass die Beendigung nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. April 2020 - VIII ZR 300/18, FamRZ 2020, 1390 Rn. 5; vom 13. Januar 2021 - XI ZR 358/20, juris Rn. 4; vom 9. Februar 2021 - VIII ZR 239/20, juris Rn. 2).
Die Bestellung eines Notanwalts kann nicht deshalb verlangt werden, weil ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof nicht willens war, eine Revisions- oder Beschwerdebegründung nach den Vorstellungen oder gar den Vorgaben der Partei zu fertigen, oder weil er das Rechtsmittel für unzulässig oder unbegründet hält. Denn es liefe dem Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen die des - auf das Revisionsrecht spezialisierten - Rechtsanwalts durchzusetzen. Scheitert die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung daran, dass der beauftragte postulationsfähige Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen der Partei zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2012 - VIII ZR 239/12, NJW 2013, 1011 Rn. 4; vom 23. Januar 2019 - VII ZR 158/18, FamRZ
2019, 550 Rn. 9; vom 12. Januar 2021 - IV ZR 206/20, juris Rn. 9; vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 234/21, juris Rn. 8; vom 21. Dezember 2021 - VI ZB 85/21, juris Rn. 4).
b) Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben, so dass die Voraussetzungen einer Notanwaltsbestellung - worauf die Beschwerdeführer bereits durch Schreiben der Rechtspflegerin vom 29. November 2021 hingewiesen wurden - nicht erfüllt sind.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte eingelegt, die jedoch das Mandat vor deren Begründung niedergelegt haben. Die Beschwerdeführer tragen selbst vor, dass der Mandatskündigung Differenzen über die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde lagen. Die zunächst mandatierten Prozessbevollmächtigten haben nach einer umfassenden, 16-seitigen gutachterlichen Stellungnahme gegenüber den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführer der - vorsorglich eingelegten - Nichtzulassungsbeschwerde eine Erfolgsaussicht nicht beigemessen und zu deren Rücknahme geraten. Die Beschwerdeführer teilen diese Einschätzung nicht und bringen vor, ihre vormaligen Prozessbevollmächtigten hätten "nicht mit sich reden lassen", als es darum gegangen sei, "sie auf unzutreffende Punkte in ihrer Einschätzung aufmerksam zu machen".
Daraus folgt, dass die Mandatsbeendigung auf das Verhalten der Beschwerdeführer zurückgeht, da sie auf der Begründung einer aus Sicht ihrer vormaligen Prozessbevollmächtigten erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde beharrten.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und des Drittwiderbeklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da die Frist zu deren Begründung verstrichen ist. Sie ist zwar form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht innerhalb der von der Vorsitzenden bis zum 6. Dezember 2021 verlängerten Frist durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet worden.
Dem durch die Beschwerdeführer persönlich eingereichten Antrag auf "eine erneute Fristverlängerung" konnte nicht entsprochen werden, da ein solcher Antrag nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt werden kann (§ 78 Abs. 1 Satz 3, § 544 Abs. 4 Satz 2, § 551 Abs. 2 Satz 5, 6 ZPO).
Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde kann gleichzeitig mit der Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts erfolgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2013 - VIII ZR 239/12, juris Rn. 4 f.; vom 16. September 2021 - III ZR 70/21, juris Rn. 8). Ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) im Hinblick auf die versäumte Begründungsfrist verspräche - selbst wenn er, wie erforderlich, von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt würde - keinen Erfolg. Zwar haben die Beschwerdeführer vor Fristablauf einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt, die Voraussetzungen hierfür - wie vorstehend ausgeführt - aber nicht dargelegt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 - XI ZR 173/17, juris Rn. 18 mwN).
-610 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1, 2 ZPO.
Dr. Fetzer Dr. Schmidt Wiegand Dr. Matussek Dr. Reichelt Vorinstanzen: AG Berlin-Neukölln, Entscheidung vom 01.10.2019 - 8 C 75/18 LG Berlin, Entscheidung vom 01.06.2021 - 65 S 235/18 -