2 Ni 55/16 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 55/16 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 19. Juli 2018
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In der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BPatG:2018:190718U2Ni55.16EP.0 betreffend das europäische Patent 936 682 (DE 697 02 929)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Guth sowie die Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Friedrich, Dipl.-Phys. Univ. Dr. Zebisch, Dr. Himmelmann und Dr.-Ing. Kapels für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 936 682, das am 29. Juli 1997 als PCT-Anmeldung mit der Nummer PCT/JP97/02610 eingereicht worden ist und Prioritäten von fünf japanischen Patentanmeldungen vom 29. Juli 1996 (JP 19858596), 17. September 1996 (JP 24433996), 18. September 1996 (JP 24538196), 27. Dezember 1996 (JP 35900496) und 31. März 1997 (JP 8101097) beansprucht. Im Einspruchsverfahren ist es beschränkt aufrechterhalten und nachfolgend als EP 0 936 682 B9 veröffentlicht worden (Streitpatent). Der deutsche Teil des in der Verfahrenssprache Englisch am 23. August 2000 (EP 0 936 682 B1) bzw. 28. November 2007 (EP 0 936 682 B9) mit der Bezeichnung „Light emitting device and display device“ veröffentlichten Patents wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 697 02 929 geführt.
Durch Urteil vom 16. August 2016 hat der Bundesgerichtshof bereits eine Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent abgewiesen (Aktenzeichen X ZR 96/14).
Das Patent umfasst in seiner beschränkt aufrechterhaltenen Fassung 13 Ansprüche, von denen der mit Hauptantrag verteidigte Anspruch 1 gemäß der DE 697 02 929 T4 in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:
„Eine lichtemittierende Vorrichtung, die ein lichtemittierendes Teil (102) und einen Leuchtstoff (101) enthält, der in der Lage ist, einen Teil des vom lichtemittierenden Teil ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet, wobei das besagte lichtemittierende Teil (102) einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN und der besagte Leuchtstoff ein Granat-Fluoreszenzmaterial entsprechend der Formel (Y1- Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 enthält, in der Al mindestens teilweise durch Ga und/oder In ersetzt sein kann, und in der das besagte lichtemittierende Teil (102) eine blaue lichtemittierende Diode (LED) ist und in der der besagte Leuchtstoff sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der besagten blauen lichtemittierenden Diode befindet, und in der ein Hauptemissionspeak der lichtemittierenden Diode innerhalb des Bereichs von 400 nm bis 530 nm liegt und eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstoffs so liegt, dass sie länger als der Hauptemissionspeak des lichtemittierenden Teils ist.“
Wegen der weiter angegriffenen und direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils des europäischen Patents.
Die Beklagte verteidigt ihr Streitpatent in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit den Hilfsanträgen 1 und 2 vom 14. Mai 2018, bezüglich deren Wortlauts auf den Akteninhalt verwiesen wird.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ), insbesondere der fehlenden Neuheit (Art. 54 EPÜ) und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) sowie den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art.138 Abs. 1 lit. c) EPÜ) und der mangelnden Ausführbarkeit (Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IntPatÜG). Zur Stützung ihres Vorbringens nennt die Klägerin mit ihrem Klageschriftsatz und ihren weiteren Eingaben folgende Dokumente:
FROH02 FROH02a FROH03 FROH04 FROH05 FROH06 FROH06a FROH06b FROH07 FROH07a FROH07‘ FROH08 geänderte Patentschrift EP 0 936 682 B9 (Streitpatent) DE 697 02 929 T4 als deutsche Übersetzung der EP 0 936 682 B9 Auszug aus dem Patentregister des DPMA vom 12. Dezember 2016 Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 Prioritätsdokumente P1 bis P5 des Streitpatents JP 09-73807 A englische Übersetzung der JP 09-73807 A JP 39 31 355 B2 (Patentschrift zur JP 09-73807 A) Material Safety Data Sheet of Nichia Phosphor NP-204 Datenblatt zu NP-204, 16. Mai 1995 bessere Kopie von FROH07 und FROH07a G. Blasse and A. Bril: „Investigation of Some Ce3+-Activated Phosphors , In: The journal of chemical physics, Volume 47, Number 12, 15. Dezember 1967 FROH09 FROH10 FROH10a FROH11 FROH11a FROH12 FROH13 FROH13a FROH13b FROH14 FROH14a FROH15 FROH15a FROH15b FROH16 FROH17 FROH17a FROH18 FROH19 FROH20 W. W. Holloway Jr. and M. Kestigian: „On the fluorescence of cerium-activated garnet crystals"; In: Physics Letters. Volume 25A, Number 8, 23. Oktober 1967 K. Bando et al.: „Development and applications of highbright white LED lamps". The 264th proceedings on the Institute of Phosphor Society, Seiten 5-14, 29. November 1996 englische Übersetzung von S. 1, The 264th proceedings on the Institute of Phosphor Society und von FROH 10 WO 97/50132 A1 DE 196 38 667 A1 P. Schlotter et al.: „Luminescence conversion of blue light emitting diodes“. Applied Phys. A64, S. 417-418 (1997) JP 07-99345 A englische Übersetzung von JP 07-99345 A deutsche Übersetzung von JP 07-99345 A JP 5-152609 A englische Übersetzung von JP 5-152609 A JP 7-176794 A englische Übersetzung von JP 7-176794 A weitere englische Übersetzung von JP 7-176794 A Shuji Nakamura et al.: „Candela-class high-brightness InGaN/AIGaN double-heterostructure blue-light-emitting diodes", Appl. Phys. Lett. 64 (13), 28. März 1994 JP 8-7614 A englische Übersetzung von JP 8-7614 A identisch mit FROH16 Shuji Nakamura: „InGaN/AlGaN blue-light-emitting diodes“, J. Vac. Sci. Technol. A 13(3), May/June 1995, Seiten 705 bis 710 Bob Johnstone: „Brilliant!: Shuji Nakamura and the Revolution in Lighting Technology“, Prometheus Books, Amherst, New York, 2007, Seiten 121, 122 FROH21 FROH22 FROH22a FROH23 FROH24 FROH25 FROH26 FROH27 FROH27a FROH28 FROH29 Löschungsantrag der Beklagten gegen das Gebrauchsmuster DE 297 24 382 U1 G. Blasse, B. C. Grabmaier: „Luminescent Materials“, Springer Verlag Berlin Heidelberg, 1994, Seiten 124, 125 Kapitel 6 der Anlage FROH22 Klageerweiterung im Verletzungsverfahren 4b O 142/16 Parteigutachten der Klägerin von Dr. D…, in B… S. Nakamura; Nobel Lecture, December 8, 2014: Background Story of the Invention of Efficient Blue InGaN Light Emitting Diodes Farbtafel des sichtbaren Lichts Leuchtstoffhandbuch „Keikotai Handobukku“, Abschnitte 2 bis 3, 1987 Sh. Shionoya and W. M. Yen (Hrsg.): „Phosphor Handbook“, CRC-Press, Boca Raton, 1999, englische Ausgabe der FROH27 und Abschnitte 5.6 und 5.7 EP 0 936 682 A1, Offenlegungsschrift des Streitpatents S. Nakamura u. a.: Superbright Green InGaN Single-QuantumWell-Structure Light-Emitting Diodes; In. Jpn. J. Appl. Phys. Vol. 34 (1995), S. L1332 – L1335 Die Klägerin macht insbesondere geltend, − dass das Streitpatents die Prioritäten der fünf Voranmeldungen P1 bis P5, insbesondere der P1 (JP 19858596 vom 29. Juli 1996) nicht wirksam beanspruchen könne, denn • das zumindest teilweise Ersetzen von Aluminium durch Indium gemäß Anspruch 1 sei im Prioritätsdokument P1 nicht offenbart und für eine Inanspruchnahme von Teilprioritäten für die beiden Alternativen (Leuchtstoff mit/ohne Indium) fehle die Voraussetzung, da die verschiedenen Substitutionsgrade von Gallium und/oder Indium eine unbegrenzte Anzahl von Alternativen bildeten, wohingegen die Rechtsprechung die Inanspruchnahme von Teilprioritäten nur dann akzeptiere, wenn damit eine beschränkte Zahl eindeutig definierter alternativer Gegenstände beansprucht werde, • die chemische Formel (Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 des Anspruchs 1 sei in P1 nicht offenbart, • in P1 sei nicht offenbart, in dieser Formel gleichzeitig Aluminium (teilweise) durch Gallium und Yttrium (teilweise) durch Gadolinium zu ersetzen, • nicht die Prioritätsdokumente P1 bis P5 seien die erste Anmeldung für das Streitpatent, sondern die am 6. September 1995 angemeldete und mit der JP 09-73807 A (FROH06) am 18. März 1997 offengelegte japanische Anmeldung, − dass weder die Voranmeldungen P1 bis P5 noch die Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents dem Fachmann eine ausführbare Lehre gäben, denn • den Prioritätsdokumenten könne kein Hinweis entnommen werden, wie von einer GaN-basierten Halbleitersubstanz Licht mit einer Wellenlänge von 400 nm erzeugt werden kann und • die Lehre des Anspruchs 1 sei für die beanspruchten Zusammensetzungen des Leuchtstoffs nicht über den gesamten beanspruchten Bereich der Lichtemission ausführbar, so sei u. a. die beanspruchte Verbindung Y3Ga5O12:Ce nicht fluoreszierend, − dass wegen der unwirksamen Inanspruchnahme der Prioritäten P1 bis P5 die Vorrichtung des Anspruchs 1 nicht neu sei jeweils hinsichtlich der Druckschriften FROH10, FROH11 und FROH12, − dass die Vorrichtung des Anspruchs 1 dem Fachmann durch die Druckschrift FROH13 i. V. m. FROH07 bzw. FROH22 nahegelegt werde − und dass die Vorrichtungen der abhängigen Ansprüche 2 bis 13 hinsichtlich der Druckschriften FROH10, FROH11 und FROH13 bis FROH17 dem Fachmann nahegelegt oder nicht neu seien.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 0 936 682 in vollem Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen, hilfsweise das Streitpatent unter Klageabweisung im Übrigen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig zu erklären, dass seine Ansprüche die Fassung eines der Hilfsanträge 1 und 2 gemäß Anlage zum Schriftsatz vom 14. Mai 2018, in dieser Reihenfolge, erhalten.
Die Beklagte erklärt, dass sie die Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen jeweils als geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht.
Die Beklagte, die sich in vollem Umfang und mit den Hilfsanträgen 1 und 2 beschränkt verteidigt, tritt dem Vortrag der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie vertritt die Auffassung, dass die Anmeldung JP 09-73807 A (FROH06) nicht die erste Anmeldung des Streitpatents darstelle, da ihr nicht sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen seien, wohingegen das Streitpatent die Prioritäten der Voranmeldungen P1 bis P5 wirksam beanspruchen könne. Auch die Ausführbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre sei gegeben und wegen der wirksamen Inanspruchnahme der Prioritäten seien die als neuheitsschädlich angesehenen Druckschriften FROH10 bis FROH12 nachveröffentlicht. Zudem könnte auch eine Kombination der Druckschrift FROH13 mit dem Datenblatt FROH07 bzw. dem Lehrbuch FROH22 die Vorrichtung des Anspruchs 1 nicht nahelegen. Zur Erläuterung hat sie ergänzend folgende Dokumente vorgelegt:
NB1 NB2 NB3 NB4 NB5 NB6 NB7 NB8 Berufungsurteil X ZR 96/14 des BGH vom 16. August 2016 im ersten Nichtigkeitsverfahren Beschluss G1/15 der Großen Beschwerdekammer vom 29. November 2016 Beschluss der Einspruchsabteilung des EPA vom 26.2.2007 Shuji Nakamura: „InGaN/AlGaN blue-light-emitting diodes"; In: J. Vac. Sci. Technol. A 13(3), Mai/Juni 1995 Anspruchssätze nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 in deutscher Sprache Anspruchssätze nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 in englischer Sprache EP 0 936 682 A1, Offenlegungsschrift des Streitpatents D. B. Eason u. a.; High-brightness blue and green light-emitting diodes; In: Appl. Phys. Lett. 66 (2), 9 January 1995, S. 115 – 117.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstands (Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IntPatÜG) sowie der unzulässigen Erweiterung (Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜG) und der mangelnden Ausführbarkeit (Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IntPatÜG) geltend gemacht werden, ist zulässig.
Sie ist aber nicht begründet. Das Streitpatent hat bereits in der im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt aufrechterhaltenen und vom Bundesgerichtshof durch Urteil vom 16. August 2016 (X ZR 96/14) bestätigten Fassung nach Hauptantrag Bestand, da dem Gegenstand des Patents in der Fassung des Hauptantrags weder der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit noch die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Ausführbarkeit oder unzulässigen Erweiterung entgegenstehen.
I.
1. Das Streitpatent betrifft eine lichtemittierende Vorrichtung, die ein lichtemittierendes Bauteil (Licht emittierende Diode LED) und einen Leuchtstoff enthält, der in der Lage ist, das von dem lichtemittierenden Bauteil ausgesandte Licht in Licht mit einer anderen Wellenlänge zu konvertieren. Bei einer LED handelt es sich üblicherweise um ein optoelektronisches Halbleiterbauelement, das elektrischen Strom direkt in Licht umwandeln kann und aufgrund seiner Energieeffizienz und Zuverlässigkeit in der lnnen- und Außenbeleuchtung sowie als Lichtquelle für die Hintergrundbeleuchtung oder allgemein in Anzeigeelementen eingesetzt wird. Aufgrund ihrer physikalischen Wirkungsweise senden lichtemittierende Halbleiterbauteile das Licht nur in einem eng begrenzten, bspw. im roten, grünen oder blauen Wellenlängenbereich in effizienter Weise aus. Nach den Ausführungen in der Patentbeschreibung seien vor dem Prioritätszeitpunkt Versuche unternommen worden, Weißlichtquellen auf Basis lichtemittierender Dioden aus einer additiven Mischung von rotem, grünem und blauem Licht herzustellen. Dazu seien lichtemittierende Rot-, Grün- und Blau-Komponenten dicht beieinander angeordnet und das von diesen ausgesendete Licht gestreut und zu weißem Licht additiv gemischt worden. Die Nachteile einer derartigen Anordnung seien aber darin zu sehen, dass die drei Farbkomponenten wegen ihrer unterschiedlichen Materialien über komplexere Ansteuerungen mit verschiedenen Spannungen betrieben werden müssten, und die Änderung bereits einer einzigen der drei Farbkomponenten, die ihrerseits zudem ein unterschiedliches Temperatur-, Zeit- und Betriebsverhalten hätten, zu Fehlern bei der Mischfarbe führe.
Eine weitere nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung von der Patentinhaberin in mehreren Publikationen vorgestellte Möglichkeit, weißes Licht emittierende Vorrichtungen bereit zu stellen, bestehe darin, ein blaues Licht emittierendes Halbleiterbauteil in einer an der Spitze eines Leiterrahmens befindlichen Schale anzubringen und mit einem Harz zu vergießen, das einen Leuchtstoff enthält, der das blaue Licht absorbiert und in gelbes Licht konvertiert, das sich zusammen mit dem nicht absorbierten blauen Licht zu weißem Licht additiv mischt. Nachteilig bei den dort verwendeten Leuchtstoffen sei aber deren schnelle Degradation, insbesondere bei der Verwendung von Halbleiterleuchtdioden mit großer Bandlücke, und deren Temperaturempfindlichkeit, was in Summe die Lebensdauer der Weißlichtquelle stark verkürze, vgl. die Abs. [0001] bis [0010] der Streitpatentschrift EP 0 936 682 B9.
2. Ausgehend davon liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine lichtaussendende Vorrichtung bereitzustellen, bei der die Intensität, der Wirkungsgrad und die Farbverschiebung des emittierten Lichts nicht oder nur in geringem Umfang abnehmen und die Vorrichtung über einen langen Benutzungszeitraum eine hohe Leuchtdichte aufweist, vgl. die Abs. [0013] und [0014] der Streitpatentschrift EP 0 936 682 B9.
3. Diese Aufgabe wird durch die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags gelöst, die sich in funktionaler Hinsicht folgendermaßen gliedern lässt:
1. Die lichtemittierende Vorrichtung enthält a) ein lichtemittierendes Teil und b) einen Leuchtstoff (phosphor).
2. Das lichtemittierende Teil (102) a) ist eine blaues Licht emittierende Diode (LED), b) die einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von Galliumnitrid (GaN) enthält.
3. Der Leuchtstoff a) ist in der Lage, einen Teil des von der Diode ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszu- senden, die sich von derjenigen des absorbierten Lichtes unterscheidet, b) enthält ein Granat-Fluoreszenzmaterial der Formel
(Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce (Zer-aktiviertes Yttrium-Aluminium-Granat) mit 0≤r≤1, wobei Aluminium (Al) mindestens teilweise durch Gallium (Ga) und/oder Indium (In) ersetzt sein kann, und c) befindet sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der Diode.
4. Ein Hauptemissionspeak der Diode liegt innerhalb des Bereichs von 400 bis 530 nm.
5. Eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstoffs ist länger als die Wellenlänge des Hauptemissionspeaks des lichtemittierenden Teils.
Für die lichtemittierende Vorrichtung des Anspruchs 1 ist wesentlich, dass sie eine blaues Licht emittierende Diode (LED) auf der Grundlage von GaN mit einem Hauptemissionspeak innerhalb des Bereichs von 400 bis 530 nm, d. h. im blauvioletten bis grünen Lichtbereich, enthält, und zudem einen Leuchtstoff in direktem oder indirektem Kontakt mit der LED umfasst, der in der Lage ist, einen Teil des von der LED ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet. Wie in Abs. [0076] der Streitpatentschrift erläutert bedeutet direkter Kontakt, dass der Leuchtstoff angrenzend zu der lichtemittierenden Diode angeordnet ist. Indirekter Kontakt ist in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass der Leuchtstoff in der Nähe der Diode, aber nicht an sie angrenzend angeordnet ist. Der Leuchtstoff enthält als Fluoreszenzmaterial ein mit dem Element Zer (Ce), einem Metall aus der Gruppe der Seltenen Erden, aktiviertes Yttrium-Gadolynium-Aluminium-Granat entsprechend der Formel (Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1, in der Al mindestens teilweise durch Ga und/oder In ersetzt sein kann, und dessen Hauptemissions- wellenlänge so liegt, dass sie länger als die Wellenlänge des Hauptemissionspeaks des lichtemittierenden Teils ist.
Bei einer bevorzugten Vorrichtung absorbiert der Leuchtstoff teilweise das von der lichtemittierenden Diode (LED) ausgesandte blaue Licht und gibt Licht mit größerer Wellenlänge, insbesondere gelbes Licht, ab. Die additive Mischung der Lichtemissionen von LED und Leuchtstoff im blauen und gelben Lichtspektrum ergibt weißes Licht.
4. Als hier zuständiger Fachmann ist demnach ein Diplomphysiker auf dem Gebiet der Halbleitertechnologie oder ein Chemiker auf dem Gebiet der physikalischen Chemie zu definieren, der über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung von Halbleiterleuchtdioden verfügt und speziell mit der Entwicklung weißer Leuchtdioden betraut ist.
II.
1. Abgesehen von der Merkmalsalternative, dass Aluminium zumindest teilweise durch Indium ersetzt sein kann, ist für die Ansprüche 1 und 2 die Priorität der ersten Prioritätsanmeldung (Prioritätsdokument P1 mit Prioritätsdatum 29. Juli 1996) wirksam, denn dieses Dokument offenbart die entsprechenden Merkmale unmittelbar und eindeutig und stellt auch die erste Anmeldung des Streitpatents dar.
1.1 Der für das Merkmal „direkter und indirekter Kontakt“ relevante Absatz [0053] der Offenlegungsschrift bzw. [0076] der Streitpatentschrift findet sich in Absatz [0020] der prioritätsbegründenden Anmeldung P1 wieder, und die übrigen Merkmale sind dort durch
• den Anspruch 1 mit der Formel RE3(Al,Ga)5O12:Ce, wobei RE mindestens eines der Elemente Yttrium (Y), Gadolinium (Gd) und Samarium (Sm) umfasst, was dem Fachmann die unmittelbare und eindeutige Lehre gibt dass die Elemente Y, Gd und Sm alleine oder in Kombination enthalten sein können, • den Rückbezug des Anspruchs 3, in dem der (Al,Ga)-Anteil als (AlsGa1-s) mit 0≤s≤1 beschrieben ist (dort anders als in der Beschreibung in der Formel von Abs. [0012] fehlerhafterweise als AlyGa1-y bezeichnet), auf Anspruch 1, woraus folgt, dass die Formel RE3(Al,Ga)5O12:Ce so zu lesen ist, dass entweder nur Al oder nur Ga oder beides enthalten ist, • und die Absätze [0021] bis [0023] offenbart.
Die beiden Alternativen, wonach Aluminium nicht (Alternative 1) oder zumindest teilweise (Alternative 2) durch Indium ersetzt ist, stellen zudem zwei eindeutig voneinander zu unterscheidende Varianten dar, weswegen die Inanspruchnahme von Teilprioritäten zulässig ist.
Die Offenbarung von InGaN als Verbindungshalbleiter für die lichtemittierende Diode mit einem Hauptemissionspeak von 400 bis 530 nm gemäß Anspruch 2 des Streitpatents findet sich in der ersten Prioritätsanmeldung P1 bspw. in den Absätzen [0029] und [0032].
1.2 Die bereits am 6. September 1995 angemeldete und im Prioritätsintervall mit der FROH06 (JP 09-73807 A) offengelegte japanische Patentanmeldung 7-228831 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig das Merkmal des Anspruchs 1, wonach das lichtemittierende Teil einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN enthält. An keiner Stelle dieser Druckschrift findet sich eine Angabe, dass die verwendeten LEDs einen GaN-Verbindungshalbleiter umfassen. Denn das eingesetzte lichtemittierende Teil wird durchgehend lediglich als „blaue LED (blue LED lamps)“ bzw. „blaue LED mit hoher Leuchtkraft (high luminance blue light LED lamps)“ beschrieben, insbesondere auch in der Beschreibung der beiden Ausführungsbeispiele in den Abs. [0018] bis [0022], von denen speziell das zweite Ausführungsbeispiel mit dem Leuchtstoff NP-204, der nach Dokument FROH07 unter den beanspruchten Leuchtstoff fällt, relevant ist.
Aus dem in den Abs. [0004] bis [0007] im Rahmen der Darstellung des Stands der Technik erfolgten Verweis auf die beiden Dokumente FROH15 und FROH17 ergibt sich ebenfalls keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals, dass der Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN gebildet ist. Denn diesen beiden Absätzen kann der Fachmann keinen Hinweis entnehmen, dass bestimmte technische Merkmale der Dokumente FROH15 und FROH17 zur Lehre der Druckschrift FROH06 gehören sollen. Vielmehr wird auf diese beiden Dokumente lediglich insofern Bezug genommen, als die dort eingesetzten und als lichtstarke blaue LEDs verwendenden folienartigen Lichtquellen nachteilig hinsichtlich der Größe, der Gleichmäßigkeit der Lichtabstrahlung und des äußeren Erscheinungsbildes seien, weshalb die Aufgabe der FROH06 darin bestehe, eine weißes Licht abstrahlende folienartige Lichtquelle bereitzustellen, die diese Nachteile nicht aufweise und zuverlässig funktioniere. So ist den Abs. [0004] bis [0007] der FROH06 auch kein deutlicher Hinweis zu entnehmen, für die blauen LEDs solche wie in den Dokumenten FROH15 und FROH17 einzusetzen, denn im Vordergrund der Druckschriften FROH06, FROH15 und FROH17 steht nicht die Art der einzusetzenden LED, sondern die geometrische Ausgestaltung der folienartigen, planaren Lichtquelle, zumal die Lehren der FROH06, FROH15 und FROH17 grundsätzlich unabhängig vom verwendeten LED-Typ sind.
Den in Druckschrift FROH06 verwendeten Begriff „high luminance blue light LED lamps“ verstand der Fachmann an deren Anmeldetag auch nicht als Synonym für blaues Licht emittierende LEDs auf der Grundlage von GaN. Denn wie durch Druckschrift NB8 belegt, wurden zu diesem Zeitpunkt zumindest blaues Licht emittierende LEDs basierend auf II-VI-Halbleiter-ZnSe/ZnCdSe-Heterostrukturen ebenfalls als „high-brightness blue light-emitting diodes (LEDs)“ bezeichnet.
Daher ist der Verweis auf die hohe Leuchtkraft der LEDs in der nicht speziell auf die LED selbst gerichteten und nicht auf einen bestimmten LED-Typ beschränkten FROH06 keine Offenbarung für eine bestimmte chemische Zusammensetzung der LEDs, sondern lediglich ein Hinweis, unabhängig vom Material lichtstarke blaue LEDs einzusetzen, was auch für die in FROH06 erläuterten Ausführungsbeispiele gilt.
Die Umschreibung „high luminance blue light LED lamps“ in FROH06 ist folglich keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für das Merkmal des Anspruchs 1, wonach das lichtemittierende Teil einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN enthält.
Somit sind in der japanische Patentanmeldung FROH06 nicht sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag unmittelbar und eindeutig offenbart, weshalb die Patentanmeldung FROH06 die Prioritätsanmeldung P1 des Konvoluts FROH05 als erste Anmeldung des Streitpatents nicht in Frage stellen kann.
2. Sowohl das Streitpatent als auch das Prioritätsdokument P1 offenbaren die Lehre des Anspruchs 1 nach Hauptantrag so deutlich und vollständig, dass der Fachmann sie ausführen kann.
Nach den Ausführungen der Klägerin enthalte die in der Prioritätsanmeldung P1 beanspruchte Zusammensetzung des fluoreszierenden Materials auch das nicht fluoreszierende Granatmaterial Y3Ga5O12:Ce, weshalb die technische Lehre der P1 nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei. Zudem umfasse Anspruch 1 des Streitpatents auch einen Leuchtstoff mit der Zusammensetzung Y3Al2,5Ga2,5O12:Ce, der aber gemäß Anlage FROH10 bei 530 nm nicht anregbar sei, so dass die Lehre des Streitpatents nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausgeführt werden könne.
Die Klägerin hat darüber hinaus angeführt, dass der auf Anspruch 1 rückbezogene Anspruch 2 des Streitpatents fordere, dass die Halbleitersubstanz auf GaN-Basis Indium enthalte und einen Hauptemissionspeak im Bereich von 400 nm bis 530 nm aufweise. Im Prioritätsdokument P1 sei in den Abs. [0047] und [0055] aber lediglich offenbart, dass GaInN-basierte Halbleiter Licht mit einer Wellenlänge von 450 nm emittierten und die Wellenlänge durch Anhebung des Indiumanteils im Halbleiter auf 460 nm erhöht werden könne, jedoch gebe es in P1 keine ausführbare Lehre, wie der Emissionspeak auf eine niedrigere Wellenlänge von 400 nm gebracht werden könne.
Die von der Klägerin vorgetragenen Einwände sind jedoch unbegründet. Denn eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Es ist nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist. Insbesondere reicht es aus, wenn der Fachmann ohne eigenes erfinderisches Bemühen Unvollständigkeiten ergänzen und sich notfalls mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit verschaffen kann (vgl. dazu etwa BGH GRUR 2010, 916-918 Rn. 17 – Klammernahtgerät; BGH GRUR 2010, 901, Rn. 31 – Polymerisierbare Zementmischung; BGH GRUR 2016, 361-365 Rn. 45f. – Fugenband).
Im vorliegenden Fall geben bereits die von der Klägerin genannten Absätze [0047] und [0055] der Prioritätsanmeldung P1 dem Fachmann die technische Information, dass sich bei GaInN-basierten Verbindungshalbleitern die Wellenlänge des durch die Bandlückenenergie vorgegebene Emissionspeaks durch Variation der Materialzusammensetzung dahingehend ändern lässt, dass die Wellenlänge mit steigendem Indiumgehalt zu- und mit fallendem Indiumgehalt abnimmt. Dies ist auch in Übereinstimmung mit seinem durch Druckschrift NB4 belegten Fachwissen, die bspw. in den Figuren 3 bzw. 4 die Emissionsspektren von GaInN-basierten Verbindungshalbleitern mit unterschiedlichem Indiumgehalt (13%, 18%, 33%) und mit Emissionspeaks bei Wellenlängen von 400 nm, 420 nm und 465 nm bzw. die Abhängigkeit der Bandlücke und damit der Wellenlänge des Emissionspeaks vom Indiumgehalt zeigt, und die auf Seite 707 eine bekannte Formel (1) für die Berechnung der Bandlückenenergie bzw. der Wellenlänge des Emissionspeaks auch für einen höheren Indiumgehalt angibt.
Die Prioritätsanmeldung P1 vermittelt dem Fachmann somit so viel an technischer Information, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen, indem er bei InGaN-LEDs die Wellenlänge des Hauptemissionspeaks durch Variation des Indiumgehalts im Bereich von 400 bis 530 nm ändert.
Zudem bezieht sich die beanspruchte Lehre bzw. der Anspruch 1 ersichtlich nicht auf die Fälle, bei denen das Granat-Fluoreszenzmaterial nach Anspruch 1 bzw. gemäß dem Prioritätsdokument P1 nicht fluoreszierende oder bei 530 nm nicht anregbare Zusammensetzungen enthält, was der Fachmann auch erkennt, weshalb er solche Stoffe aufgrund der fehlenden Fluoreszenz oder fehlenden Anregbarkeit durch blaues Licht als untauglich für die beanspruchte Lehre ausschließt. Ein Hemmnis, die beanspruchte Lehre auszuführen, stellt dies nicht dar: Die beanspruchte Lehre ist somit im Streitpatent und im Prioritätsdokument P1 ausführbar offenbart.
3. Die nach dem frühesten Prioritätsdatum aber vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlichten Druckschriften gemäß den Anlagen FROH10 bis FROH12 stehen dem Streitpatent nicht patenthindernd entgegen. Wie vorstehend dargelegt, ist für die Alternative des erteilten Anspruchs 1, wonach der Leuchtstoff (Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 enthält, und bei dem Al mindestens teilweise durch Ga ersetzt sein kann, die Priorität vom 29. Juli 1996 wirksam, wohingegen für die Alternative, wonach der Leuchtstoff (Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 enthält, und bei dem Al mindestens teilweise durch In oder durch In und Ga ersetzt sein kann, lediglich der Anmeldetag 29. Juli 1997 gilt.
Da in den Anlagen FROH10 bis FROH12 zwar der Leuchtstoff (Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1, wobei Al mindestens teilweise durch Ga ersetzt sein kann, offenbart ist (vgl. FROH10a, Kap. 4.2 // FROH11a (Anmeldetag 20.9.96), Sp. 2, erster Absatz // FROH12, Abstract), es in diesen Dokumenten aber keinen Hinweis gibt, das Aluminium des Leuchtstoffs mindestens teilweise durch Indium zu ersetzen, stehen diese Druckschriften dem Streitpatent nicht patenthindernd entgegen, denn hinsichtlich der ersten Variante sind sie nachveröffentlicht, und hinsichtlich der zweiten Variante können sie den Gegenstand des Anspruchs 1 weder neuheitsschädlich vorwegnehmen noch nahelegen.
4. Ausgehend von Druckschrift FROH13 beruht die Vorrichtung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Die vorveröffentlichte Druckschrift FROH13 offenbart eine mit einem Wellenlängenkonversionsmaterial versehene Leuchtdiode, nennt aber weder das Halbleitermaterial des LED-Chips noch das Material des Leuchtstoffes. Vielmehr steht bei diesem Dokument die allgemeine Aufgabe im Vordergrund, wie die Leuchtdiode auszugestalten ist, um einerseits die gegenseitige Beeinflussung benachbarter Leuchtdioden zu verringern und andererseits die Leuchtstärke und Fokussierung der Leuchtdioden zu erhöhen, wobei insbesondere auf die Problemstellung zweier benachbarter Leuchtdioden eingegangen wird, die beide auf blaues Licht emittierenden LED-Chips basieren, von denen eine Leuchtdiode zusätzlich ein Konversionsmaterial enthält, das blaues Licht in grünes Licht umwandelt, und bei denen es zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den beiden Leuchtdioden kommt. Als Lösung schlägt die FROH13 vor, den LED-Chip (1), wie in Fig. 3 und 4 gezeigt, in einem schalenförmigen Reflektor (3) anzuordnen, in den Reflektor das Kunstharz (11) mit dem Wellenlängenkonversionsmaterial (5) so einzubringen, dass es nicht über den Rand des Reflektors reicht, und schließlich, wie in Fig. 1 dargestellt, den Reflektor mit dem Chip in ein zweites Kunstharz einzubetten. Mit diesen Maßnahmen soll zum einen erreicht werden, dass das vom Leuchtstoff generierte Licht über den Reflektor fokussierter abgegeben und insgesamt eine größere Helligkeit der Leuchtdiode erhalten wird, und dass zum anderen das Wellenlängenkonversionsmaterial durch die Reflektorwände vor der Lichtstrahlung benachbarter Leuchtdioden geschützt wird und es zu keiner unerwünschten Fluoreszenz aufgrund benachbarter LED-Chips kommt.
Somit ist Druckschrift FROH13 eine Vorrichtung zu entnehmen, die bis auf die Merkmale 2b) und 3b) sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 aufweist.
Aufgrund der dem Fachmann bspw. aus Druckschrift NB4 bekannten Vorteile von auf GaN-Halbleitermaterial basierenden LEDs wird der Fachmann solche auch in naheliegender Weise bei der in Druckschrift FROH13 beschriebenen Vorrichtung einsetzen, weshalb das Merkmal 2b) von Anspruch 1 als für den Fachmann naheliegend anzusehen ist.
Die Frage, ob es für den Fachmann naheliegend ist, entsprechend dem verbleibenden Merkmal 3b) Zer-dotiertes Yttrium-Aluminium-Granat bei einer Vorrichtung, wie sie in der FROH13 beschrieben ist, als Leuchtstoff einzusetzen, wenn dem Fachmann dieses Material als Leuchtstoff aus anderen Dokumenten prinzipiell bekannt ist, – vorliegend sind dies die Dokumente FROH07, FROH22 und FROH27 – ist in der BGH-Entscheidung X ZR 96/14 (Anlage NB1) verneint worden, sofern der Fachmann keine konkreten Anhaltspunkte dafür hat, vgl. dort die Ausführungen auf den Seiten 22 bis 26.
An solchen konkreten Anhaltspunkten fehlt es in Druckschrift FROH13.
So finden sich in der deutschen Übersetzung FROH13b in Abs. [0010] lediglich folgende allgemeine Ausführungen zum einzusetzenden Leuchtstoff: „[…] Des Weiteren kann das Wellenlängen-Konversionsmaterial 5, wenn es sich dabei um einen fluoreszierenden Stoff handelt, aus jedem beliebigen Material hergestellt werden, das in der Lage ist, die Wellenlänge des von dem Licht emittierenden Chip emittierten Lichts in eine andere Wellenlänge zu konvertieren, und kann beispielsweise ein fluoreszierender Farbstoff, ein fluoreszierendes Pigment oder ein Leuchtstoff sein. Wenn das Wellenlängen-Konversionsmaterial ein Filterstoff, ist, wird ein Material gewählt, das die Farbreinheit durch Absorption einer unnötigen Wellenlänge des von dem Licht emittierenden Chip emittierten Lichts verbessert, und gewöhnlich wird ein anorganisches oder organisches Filterpigment verwendet, das dieselbe Farbe wie die Emissionsfarbe des Licht emittierenden Chips hat.“
Da zudem bei dem einzigen in Druckschrift FROH13 konkret beschriebenen Ausführungsbeispiel durch den Leuchtstoff eine Lichtkonversion von blauem in grünes Licht erfolgt, kann der Fachmann diesen Fundstellen lediglich einen Hinweis bezüglich eines grünes Licht emittierenden Leuchtstoffs entnehmen.
Im Gegensatz dazu konvertiert der beanspruchte Zer-dotierte Yttrium-AluminiumGranat-Leuchtstoff das von der LED emittierte blaue Licht jedoch nicht in grünes, sondern in grünlich-gelbes Licht, vgl. FROH27a, Tabelle 11 auf S. 394.
Daher können weder das Ausführungsbeispiel noch obige Ausführungen der Druckschrift FROH13 dem Fachmann eine konkrete Anregung geben, ein GranatFluoreszenzmaterial entsprechend der Formel (Y1-r Gdr)3 Al5 O12: Ce mit 0 ≤ r ≤ 1 als Leuchtstoff bei der dort beschriebenen Vorrichtung einzusetzen. Zu den weiteren Druckschriften FROH14 und FROH15 hat die Klägerin nichts vorgetragen und auch dem Senat ist nicht ersichtlich, dass diese der Patentfähigkeit von Anspruch 1 des Streitpatents entgegenstehen könnten.
Die ebenfalls angegriffenen direkt oder indirekt auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 beinhalten Ausgestaltungen der Vorrichtung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und werden von dem bestandsfähigen Anspruch 1 getragen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
V.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG gegeben.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung. Die Berufung ist durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Die Berufungsschrift muss - die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie - die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Guth Dr. Friedrich Dr. Zebisch Dr. Himmelmann Dr. Kapels Pr