35 W (pat) 8/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 8/12
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(Aktenzeichen)
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache BPatG 152 08.05
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betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Kostenfestsetzung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. Mai 2015 durch die Vorsitzende Richterin Werner, den Richter Eisenrauch und die Richterin Bayer beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragsgegnerin und die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts in Sachen Lö I 171/06 vom 18. Juli 2012 aufgehoben.
Die der Löschungsantragstellerin von der Löschungsantragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden auf
1.751,00 €
(in Worten: eintausendsiebenhunderteinundfünfzig)
festgesetzt.
Der festgesetzte Betrag ist ab dem 19. November 2010 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
2. Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe I.
Die Löschungsantragsgegnerin, Beschwerdeführerin I und Beschwerdegegnerin II (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 27. Oktober 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter Inanspruchnahme der Priorität der dänischen Patentanmeldung … vom 21. Juli 2004 angemeldeten und am 24. März 2005 in das Gebrauchsmusterregister eingetragenen Gebrauchsmusters … (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „…“.
Die Löschungsantragstellerin, Beschwerdeführerin II und Beschwerdegegnerin I (im Folgenden: Antragstellerin) hatte am 14. September 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt die vollumfängliche Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Die Antragsgegnerin hatte auf die Zustellung des Löschungsantrags mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2006 ausdrücklich auf Widerspruch verzichtet. Nach Durchführung eines Beschwerdeverfahrens hat der erkennende Senat mit rechtskräftigem Beschluss vom 7. Oktober 2010 der Antragsgegnerin die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens auferlegt.
Auf der Grundlage der genannten Kostengrundentscheidung hat die Antragstellerin ursprünglich mit Eingabe vom 20. Oktober 2010 beantragt, die ihr von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten in Höhe von 2.026,69 € festzusetzen und „deren 4%ige Verzinslichkeit auszusprechen“. Der geltend gemachte Betrag setzte sich zusammen aus einer 1,0-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV in Höhe von 1.431,00 € (Gegenstandswert: 125.000 €), einem pauschalem Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 RVG-VV in Höhe von 20,00 €, Mehrwertsteuer in Höhe von 275,69 € sowie der amtlichen Gebühr für den Löschungsantrag (300,00 €). Später war von der Antragstellerin mit Eingabe vom 23. Dezember 2010 noch ein weiterer, korrigierter Kostenfestsetzungsantrag gestellt worden, der zwar dem DPMA nachweislich auch am 23. Dezember 2010 zugegangen war, aber offensichtlich nie zur den Akten der Gebrauchsmusterabteilung gelangte. Mit diesem Schriftsatz hatte die Antragstellerin zwar auf die Geltendmachung der Mehrwertsteuer verzichtet, jedoch eine 1,3-fache Geschäftsgebühr und eine Verzinsung in Höhe von fünf Prozentpunkten verlangt.
Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA hat sodann mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2012 den zu erstattenden Betrag in Höhe von 2.026,69 € festgesetzt und - ebenfalls aus ihrer Sicht antragsgemäß - eine Verzinsung dieses Betrages in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20. Oktober 2010 ausgesprochen.
Sowohl die Antragsgegnerin als auch die Antragstellerin haben gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und die entsprechende Beschwerdegebühr entrichtet.
Zwischen den beiden Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass die Antragstellerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der angefochtene Beschluss daher insoweit einer Abänderung bedarf, als zugunsten der Antragstellerin eine Mehrwertsteuer in Höhe von 275,69 € festgesetzt worden ist.
Darüber hinaus ist die Antragsgegnerin der Auffassung, dass in Anbetracht der mittlerweile erheblichen Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens zu ihren Gunsten der Beginn des Verzinsungsausspruchs geändert werden müsse.
Sie beantragt (sinngemäß),
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Juli 2012 insoweit abzuändern, als von einem Verzinsungsausspruch gänzlich abgesehen oder hilfsweise ein deutlich späterer Verzinsungsbeginn festgelegt wird.
Die Antragstellerin verweist auf ihren Festsetzungsantrag vom 23. Dezember 2010 indem sie vorträgt, statt einer 1,0-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV (1.431,00 €) hätte eine 1,3-fache Geschäftsgebühr berücksichtigt werden müssen, und außerdem sei eine Verzinsung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt gewesen.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Juli 2012 aufzuheben und den zu erstattenden Betrag auf 2.180,30 € festzusetzen sowie diesen Betrag ab dem 20. Oktober 2010 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Zur Angemessenheit eines 1,3-fachen Satzes der Geschäftsgebühr hat die Antragstellerin lediglich vorgetragen, diese sei dadurch belegt, dass auch die Gebrauchsmusterabteilung von einer solchen Angemessenheit ausgegangen sei. Dies ergebe sich aus einem Hinweis, der in der Begründung zum angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses selbst enthalten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 PatG (in Verbindung mit § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG) eingelegt worden. Auch die Antragstellerin hat gegen den angegriffenen Beschluss eine zulässige Beschwerde eingelegt. Bei ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 22. November 2012, der am selben Tag dem DPMA zugegangen war, ist zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass dieser der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht förmlich zugesellt worden war und die Rechtsmittelfrist insoweit nie zu laufen begonnen hatte. Die im selben Schriftsatz vorsorglich erklärte, unselbständige Anschlussbeschwerde kommt daher wegen der Vorrangigkeit der unbedingten Beschwerde als weitergehendem Rechtsbehelf nicht zum Zuge.
2. In der Sache haben beide Beschwerden nur in geringem Umfang Erfolg.
Zu den Kosten, die der erkennende Senat mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 der Antragsgegnerin auferlegt hat, gehören die der Antragstellerin erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren (§ 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 PatG).
a) Der angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss war hinsichtlich des unstreitig zu Unrecht in Höhe von 275,69 € festgesetzten Mehrwertsteuerbetrages ohne weiteres zugunsten der Antragsgegnerin abzuändern.
b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfüllt das hier in Rede stehende Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nicht die Voraussetzungen eines durchschnittlichen Verfahrens, mit dem der Regelsatz von 1,3 gemäß RVG-VV Nr. 2300 verdient wird.
Die Antragstellerin hat zur Begründung ihres Begehrens im Wesentlichen nur vorgetragen, dass die Gebrauchsmusterabteilung im angefochtenen Kostenfeststellungsbeschluss selbst einen Hinweis gegeben habe, wonach sie einen 1,3-fachen Satz für angemessen erachte. Ob eine solche Aussage den Gründen des angefochtenen Beschlusses tatsächlich zu entnehmen ist, kann indessen dahingestellt bleiben, da sich eine solche Bewertung jedenfalls inhaltlich nicht überzeugend vertreten lässt.
Im Zusammenhang mit der noch streitig gebliebenen Höhe des Gebührensatzes gemäß RVG-VV Nr. 2300 ist zu beachten, dass für die Vertretung in einem Verwaltungsverfahren, worunter das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren fällt, eine Geschäftsgebühr im Rahmen eines 0,5- bis 2,5-fachen Satzes vorgesehen ist, wobei eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und/oder schwierig war. Demnach stellt der 1,3-fache Satz den Regelsatz für ein durchschnittliches Gebrauchsmusterlösungsverfahren dar.
Gegen die Einordnung als ein durchschnittliches Löschungsverfahren spricht vorliegend zum einen, dass der Löschungsantrag nur auf einen Löschungsgrund, nämlich auf den einer mangelnden Schutzfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG gestützt war und hierbei lediglich fünf druckschriftliche Entgegenhaltungen genannt wurden. Eine Anzahl von weniger als sechs Druckschriften lässt im Zweifel nicht den Schluss auf ein schwieriges Verfahren zu (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rdn. 154), jedenfalls dann nicht wenn - wie hier - der Löschungsantrag selbst auch nur fünf Seiten umfasst hatte. Zum anderen hat die Antragsgegnerin dem Löschungsantrag nicht widersprochen und hierdurch gerade ein streitiges und umfangreiches Löschungsverfahren vermieden. Insgesamt lassen somit die dargelegten Umstände nur die Bewertung zu, dass es sich vorliegend um eine sowohl unterdurchschnittlich umfangreiche als auch unterdurchschnittlich schwierige anwaltliche Tätigkeit gehandelt hat, für die lediglich eine 1,0-fache Gebühr verdient wurde.
c) Danach errechnen sich die für das patentamtliche Löschungsverfahren entstandenen Kosten, deren Erstattung die Antragstellerin von der Antragsgegnerin verlangen kann, wie folgt:
Gebührentatbestand Gegenstandswert: 125.000 € (§§ 2 Abs. 1, 23, 33 RVG)
1. Geschäftsgebühr 2. Pauschale Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 3. Gebühr für das Löschungsverfahren Gesamtkosten der Antragstellerin:
RVG- Satz Betrag VV Nr.
in €
1,0 1.431,00
7002
20,00 300,00
1.751,00 =======
d) Die festgesetzten Kosten sind antragsgemäß nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m. § 247 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Eine Verzinsung war ab dem 19. November 2010 auszusprechen, da die Kostengrundentscheidung des erkennenden Senats vom 7. Oktober 2010 erst mit Ablauf des 18. November 2010 in Rechtskraft erwachsen war. Zu beachten ist hierbei, dass sich die Verzinsung zwar grundsätzlich nach dem Eingangstag des (ersten) Festsetzungsantrags richtet, jedoch nicht für einem Zeitraum vor der Bestandsbzw. Rechtskraft der Kostengrundentscheidung ausgesprochen werden kann (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rdn. 140).
Einen Grund dafür, hier aus Gründen der Billigkeit von einer Verzinsung - wie von der Antragsgegnerin beantragt – völlig abzusehen, sieht der erkennende Senat nicht. Jedenfalls kann die lange Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens hierfür nicht bemüht werden. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 selbst mitgeteilt, dass sie auf die vorliegende Kostenschuld bereits im August 2012 abschlagshalber einen größeren als den hier festgesetzten Betrag an die Antragstellerin geleistet habe. Damit dürfte der hier getroffene Verzinsungsausspruch für die Antragsgegnerin zu keiner nennenswerten, wirtschaftlichen Belastung mehr führen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG billigerweise gegeneinander aufzuheben. Der im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Unrecht in Höhe von 275,69 € festgesetzte Mehrwertsteuerbetrag bleibt bei der Beurteilung der Unterliegensund Obsiegensanteile der Verfahrensbeteiligten außer Betracht. Da diese Festsetzung offensichtlich nicht dem später korrigierten, maßgeblichen Festsetzungsantrag der Antragstellerin vom 23. Dezember 2010 entsprach, kann die mit der vorliegenden Entscheidung erfolgte Herausnahme der Mehrwertsteuer aus den festgesetzten Kosten, der Antragstellerin nicht als Unterliegen zugerechnet werden. Die Antragstellerin ist allerdings mit ihrer Beschwerde insoweit nicht durchgedrungen, als sie 429,30 € zu viel Geschäftsgebühr gefordert hat. Diesem Betrag entspricht jedoch auf Seiten der Antragsgegnerin wertmäßig das Unterliegen, das darin zu sehen ist, dass diese vergeblich versucht hat, von einer Verzinsung der festgesetzten Kosten völlig freigestellt zu bleiben, sodass sich vorliegend die Unterliegens- und Obsiegensanteile der Verfahrensbeteiligten in etwa wieder ausgleichen.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Werner Eisenrauch Bayer Bb