23 W (pat) 12/15
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 12/15 Verkündet am 31. Januar 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 051 638.3-52 hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner sowie der Richter Brandt, Dr. Zebisch und Dr. Himmelmann BPatG 154 05.11 beschlossen:
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2015 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 23. Oktober 2004 mit der Bezeichnung „Verfahren zum Betreiben eines Sensors in einem Sicherheitssystem“ unter Inanspruchnahme der inneren Priorität 103 57 551.0 vom 10. Dezember 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Gleichzeitig mit der Anmeldung wurde Prüfungsantrag gestellt.
Die Prüfungsstelle für Klasse G01D hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den folgenden vorveröffentlichten Druckschriften verwiesen:
D1 WO 2003/062 780 A1, D2 DE 197 57 118 A1, D3 DE 44 39 886 A1, D4 DE 35 42 397 A1, D5 DE 40 25 564 C1 D6 DE 199 57 187 A1.
und Sie hat in zwei Bescheiden vom 13. Juni 2008 und vom 15. Februar 2012 ausgeführt, dass die Verfahren der jeweils geltenden Ansprüche 1 wie auch die Gegenstände der jeweils geltenden nebengeordneten Ansprüche 10 nicht neu seien (§ 3 PatG), so dass sie nicht patentfähig seien. Auch die Unteransprüche könnten nichts zur Patentfähigkeit des Gegenstandes der Anmeldung beitragen.
Die Anmelderin hat in ihren Eingaben vom 21. November 2008 und 27. April 2012 der Ansicht der Prüfungsstelle widersprochen und mit ihrer zweiten Eingabe einen Anspruchssatz eingereicht, dessen Anspruch 1 aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 und dessen Anspruch 8 aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 10 und 11 bestanden hat.
In der Folge hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit Beschluss vom 15. April 2015 zurückgewiesen, da das Verfahren des zu diesem Zeitpunkt geltenden Anspruchs 1 aus der Druckschrift D4 bekannt sei, so dass die Anmeldung wegen fehlender Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 (§ 3 PatG) zurückzuweisen sei. Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 8, für den es eigentlich keiner eigenen Entscheidung bedürfe, ergebe sich bei der Zusammenschau der Druckschriften D4 und D5, so dass dessen Gegenstand durch den Stand der Technik nahegelegt sei (§ 4 PatG).
Gegen diesen, der Anmelderin eigenen Angaben zufolge am 17. April 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 30. April 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde, welche die Anmelderin mit Schriftsatz vom 27. Mai 2015 begründet hat.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2017 wurde die Anmelderin noch auf den Stand der Technik gemäß der Druckschrift D7 US 6 370 964 B1 hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2017 hat die Anmelderin zuletzt einen neuen Anspruch 1 eingereicht und beantragt,
1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2015 aufzuheben.
2. Ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung „Sicherheitssystem“, dem Anmeldetag 23. Oktober 2004 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität 103 57 551.0 vom 10. Dezember 2003 auf der Grundlage folgender Unterlagen: - Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2017; - noch anzupassende Beschreibung und Zeichnungen.
Der in der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2017 überreichte Anspruch 1 lautet mit bei unverändertem Wortlaut hinzugefügter Gliederung:
„1. Sicherheitssystem 1.1 mit einer zentralen Systemeinheit (5) und 1.2 mit einem Netzwerk von Sensoren (2) in Form reziprok wirkender elektromechanischer Wandler, die mit einem jeweiligen Überwachungsbereich (11) starr gekoppelt sind, 1.3 wobei die Sensoren (2) in verschiedenen Überwachungsbereichen (11) angeordnet sind und 1.4 wobei die Sensoren der verschiedenen Überwachungsbereiche (11) jeweils eine Gruppe (13) bilden, 1.5 wobei die Sensoren jeder Gruppe (13) mit einer zugehörigen Vorelektronik (5a, 5b) ein Teilsystem (14) bilden,
1.6 wobei die Vorelektroniken (5a, 5b) in der Lage sind, eine Sicherheitseinrichtung (12) direkt auszulösen, indem die Reaktionssignale (7) der Sensoren (2) für jedes Teilsystem (14) separat unter Rückgriff auf jeweils zugeordnete Datenbanken (9) und ein dem jeweiligen Überwachungsbereich (11) entsprechend abgeglichenes Modell (10a, 10b) ausgewertet werden, und
1.7 zusätzlich die zentrale Systemeinheit (5) die vorausgewerteten Signale diverser Teilsysteme (14) gemeinsam auswertet und in der Lage ist, diverse Sicherheitseinrichtungen (12) auszulösen, so dass es zu einer den Erfordernissen eines Unfalls entsprechenden Gesamtantwort verschiedener Sicherheitseinrichtungen (12) kommt.“
Hinsichtlich der weiteren Unterlagen und Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und erweist sich hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2017 eingereichten Anspruchs 1 insoweit als begründet, als der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01D aufzuheben ist, denn der Anspruch 1 ist zulässig, und das Sicherheitssystem nach dem geltenden Anspruch 1 ist durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§§ 1 – 5 PatG). Da jedoch eine Recherche zu dem nunmehr beanspruchten Gegenstand noch nicht stattgefunden hat, so dass möglicherweise weiterer Stand der Technik zu berücksichtigen ist, wird die Anmeldung zur weiteren Recherche und Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG).
1. Die Anmeldung betrifft ein Sicherheitssystem mit Sensoren, die in einer bestimmten Weise betrieben werden. Im Stand der Technik ist es bekannt, dass Sensoren, so beispielsweise piezoelektrische Sensoren, als Signalgeber in Sicherheitssystemen eingesetzt werden. Im Rahmen der vorliegenden Anmeldung betrachtete Sensoren dienen der Wahrnehmung mindestens einer Form von Materialbeanspruchung, wie sie durch Zug- und/oder Druckkräfte bei der Verformung von Material, aber auch bei der Übertragung von Körperschall auftreten. Verwendung finden derartige Sensoren und zugehörige Sicherheitssysteme unter anderem in der Luft- und Raumfahrt, jedoch auch in der Kraftfahrzeugindustrie als Unfallmelder (vgl. S. 1, Z. 6 bis 14 der geltenden Beschreibung).
Vor diesem Hintergrund gibt die Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe an, ein hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit verbessertes Verfahren zum Betreiben mindestens eines Sensors in einem Sicherheitssystem sowie ein dementsprechendes Sicherheitssystem zu schaffen (vgl. S. 1, Z. 16 bis 18 der geltenden Beschreibung). Objektiv besteht die Aufgabe darin, ein Sicherheitssystem zu schaffen, das mehrere Sensoren umfasst und in der Lage ist, im Falle eines Unfalls sowohl schnell zu reagieren als auch komplexe Reaktionen auszulösen.
Diese Aufgabe wird durch das Verfahren des geltenden Anspruchs 1 gelöst.
Wesentlich für das beanspruchte Verfahren ist somit, dass es eine zentrale Systemeinheit und ein Netzwerk von Sensoren umfasst. Die Sensoren sind dabei in Form reziprok wirkender elektromechanischer Wandler, also beispielsweise piezoelektrischer Wandler, ausgebildet und mit einem jeweiligen Überwachungsbereich starr gekoppelt. Sie sind dabei in verschiedenen Überwachungsbereichen angeordnet, wobei die Sensoren der verschiedenen Überwachungsbereiche jeweils eine Gruppe bilden. Jede dieser Gruppen bildet mit einer ihr zugehörigen Vorelektronik ein Teilsystem.
Diese Teilsysteme sind nun in der Lage, eine Sicherheitseinrichtung, wie beispielsweise einen Airbag oder eine aktive Motorhaube, direkt auszulösen. Dazu wertet die Vorelektronik Reaktionssignale der Sensoren ihrer Gruppe unter Rückgriff auf eine zugeordnete Datenbank und ein ihrem Überwachungsbereich entsprechend abgeglichenes Modell aus.
Zusätzlich wertet die zentrale Systemeinheit die vorausgewerteten Signale diverser Teilsysteme gemeinsam aus und ist in der Lage, diverse Sicherheitseinrichtungen auszulösen, so dass es zu einer den Erfordernissen eines Unfalls entsprechenden Gesamtantwort verschiedener Sicherheitseinrichtungen kommt.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ursprünglich offenbart (§ 38 PatG). So enthält die ursprüngliche Offenbarung der Anmeldung vier verschiedene Aspekte des Einsatzes eines Sicherheitssystems. Der erste besteht in einer für einen Selbsttest geeigneten Ausführung der einzelnen Sensoren. Diesen Aspekt hat der ursprüngliche Anspruch 1 aufgegriffen. Auf ihn ist auch die in der Beschreibung angegebene Aufgabe abgestellt. Der zweite Aspekt besteht in der Materialüberwachung (vgl. beispielsweise S. 8, Z. 6 bis 23 der ursprünglichen Beschreibung), der dritte in der Reaktion auf Unfälle (vgl. S. 9, Z. 1 bis S. 10, Z. 2 der ursprünglichen Beschreibung) und der vierte in der Produktion von „Antischall“, um den Lärmpegel zu verringern oder aber auch durch Vibrationen verursachte Schäden zu vermeiden (vgl. S. 10, Z. 4 bis 24 der ursprünglichen Beschreibung). Der geltende Anspruch 1 ist nunmehr auf den dritten Aspekt, also die Reaktion im Falle eines Unfalls gerichtet.
Dabei geht der geltende Anspruch 1 von der Fig. 3 aus. Diese Figur zeigt ein Sicherheitssystem (vgl. S. 6, Z. 10 bis 17 der ursprünglichen Beschreibung) mit einer zentralen Systemeinheit (5, vgl. die Bezugszeichenliste auf S. 21) und einem Netzwerk von Sensoren (2, vgl. den ursprünglichen Anspruch 13 und S. 7, Z. 34 bis S. 8, Z. 4 der ursprünglichen Beschreibung). Diese Sensoren sind als reziprok wirkende Wandler (vgl. S. 7, Z. 6 bis 7), nämlich piezoelektrische Wandler ausgebildet und starr mit einem jeweiligen Überwachungsbereich gekoppelt (vgl. S. 7, Z. 21 bis 24 der ursprünglichen Beschreibung). Eine zulässige Zwischenverallgemeinerung zu reziprok wirkenden elektromechanischen Wandlern ist dabei im ursprünglichen Anspruch 1 gegeben. Damit sind die Merkmale 1.1 und 1.2 ursprünglich offenbart.
Die Merkmale 1.3 und 1.4 und 1.5 definieren den „Überwachungsbereich“ (11), die „Gruppe“ von Sensoren (13) und das „Teilsystem“ (14) entsprechend der Beschreibung zu Fig. 3 (vgl. S. 11, Z. 14 bis 19 der ursprünglichen Beschreibung), so dass diese Merkmale ebenfalls offenbart sind. Dabei sind die Vorelektroniken (5a, 5b) wiederum aus Fig. 3 ersichtlich.
Die im Merkmal 1.6 enthaltene Fähigkeit der Vorelektroniken (5a, 5b), ein Sicherheitssystem (12) unter Rückgriff auf jeweils zugeordnete Datenbanken (9) und ein dem jeweiligen Überwachungsbereich (11) entsprechend abgeglichenes Modell (10a, 10b) direkt auszulösen, ist dann im Abschnitt auf S. 11, Z. 29 bis S. 12, Z. 2 offenbart.
Die im Merkmal 1.7 beanspruchte Fähigkeit der zentralen Systemeinheit (5), die vorausgewerteten Signale diverser Teilsysteme (14) gemeinsam auszuwerten und diverse Sicherheitseinrichtungen (12) auszulösen, so dass es zu einer den Erfordernissen eines Unfalls entsprechenden Gesamtantwort verschiedener Sicherheitseinrichtungen (12) kommt, ist auf S. 12, Z. 2 bis 7 der ursprünglichen Beschreibung offenbart.
Damit ist das in Anspruch 1 beanspruchte Sicherheitssystem ursprünglich offenbart, so dass Anspruch 1 zulässig ist.
3. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG) und beruht gegenüber den Lehren der als Stand der Technik bisher ermittelten Druckschriften auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des Fachmanns.
Als zuständiger Fachmann für die vorliegende Anmeldung ist ein Team aus Physikern und/oder Ingenieuren der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschulabschluss zu definieren, das zumindest einen Fachmann für Sicherheitssysteme in Verkehrsmitteln, wie beispielsweise Fahrzeugen, einen Fachmann für zerstörungsfreie Materialprüfung mit Kenntnissen insbesondere auf dem Gebiet der Prüfung mit Schall oder Ultraschall und einen Fahrzeugakustiker umfasst. Je nach dem welcher der vier genannten Aspekte im Vordergrund steht, wendet sich die Anmeldung dabei in erster Linie an einen anderen der im Team mitwirkenden Fachmänner. So ist für den geltenden Anspruchssatz insbesondere der Fachmann für Sicherheitssysteme zuständig.
3.1 Einige der im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbaren Sicherheitssysteme, bei denen reziprok wirkende elektromechanische Wandler als Sensoren in Gruppen eingeteilt sind, so beispielsweise die Druckschrift D6. Sie offenbart gemäß dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 ein Sicherheitssystem (vgl. die Bezeichnung: „Verfahren und Vorrichtung zur Crasherkennung“) bekannt (siehe Fig. 1 und 2)
1.1 mit einer zentralen Systemeinheit (Auswerteeinrichtung 4) und
1.2 mit einem Netzwerk von Sensoren (Crashsensoren 2a-2f) in Form reziprok wirkender elektromechanischer Wandler (vgl. Sp. 2, Z. 50 bis 53: „Als Crashsensoren 2a-2f werden hierbei vorzugsweise Piezo-Crashsensoren verwendet, die jeweils ein ihrer mechanischen Belastung proportionales elektrisches Sensorsignal S: 1-S6 erzeugen,…“), die mit einem jeweiligen Überwachungsbereich starr gekoppelt sind (dies folgt aus Sp. 2, Z. 53 bis 59: „… so daß bei einer Deformation des Fahrzeugbauteils, auf dem die Sensoreinheit 2 angeordnet ist, das von der Sensoreinheit 2 gelieferte Sensorsignal S dieser Verformung in seinem Verlauf folgt, so daß die aufgetretene Deformation durch die Ausnutzung des direkten piezo-elektrischen Effekts unmittelbar in eine meßbare elektrische Signalgröße umgesetzt wird.“),
1.3 wobei die Sensoren (2a-2f) in verschiedenen Überwachungsbereichen angeordnet sind (siehe Fig. 2, wo auf jeder Seite des Fahrzeugs ein Überwachungsbereich vorhanden ist.) und
1.4 wobei die Sensoren der verschiedenen Überwachungsbereiche jeweils eine Gruppe (Sensoreinheit 2) bilden (vgl. Sp. 2, Z. 36 bis 44: „Die Fig. 1 zeigt ein Fahrzeug F, das im Seitenbereich der Fahrgastzelle G jeweils mit einer Sensoreinheit 2 ausgerüstet ist, wobei die vorzugsweise identisch aufgebauten Sensoreinheiten 2 jeweils sechs Crashsensoren 2a-2f aufweisen. Dem Fachmann ist klar ersichtlich, daß die hier beschriebene Anordnung von sechs Crashsensoren 2a-2f pro Sensoreinheit 2 nur exemplarischen Charakter besitzt. Es ist auch möglich, mehr oder weniger dieser Crashsensoren 2a-2f vorzusehen.“),
1.5‘ wobei die Sensoren jeder Gruppe (2) ein Teilsystem bilden (dies ist nur eine Definition), und
1.7‘ die zentrale Systemeinheit (4) die Signale diverser Teilsysteme gemeinsam auswertet und in der Lage ist, diverse Sicherheitseinrichtungen (SE) auszulösen, so dass es zu einer den Erfordernissen eines Unfalls entsprechenden Gesamtantwort verschiedener Sicherheitseinrichtungen (SE) kommt (vgl. Sp. 3, Z. 1 bis 9: „In Fig. 2 ist nun das Zusammenwirken dieser einzelnen Komponenten der Vorrichtung 1 dargestellt. Die von den Crashsensoren 2a-2f einer jeden Sensoreinheit 2 erzeugten einzelnen Sensorsignale S1-S6 werden über eine vorzugsweise als ein Sensor-Bus ausgebildete Signalleitung 3 zu einer Auswerteeinrichtung 4 geleitet, durch die dann ein die in Fig. 1 nur schematisch gezeigte Sicherheitseinrichtungen SE des Fahrzeugs F, z. B. Seitenairbags, aktivierendes Steuersignal ST erzeugbar ist.“).
Damit unterscheidet sich das Sicherheitssystem nach Anspruch 1 von dem aus Druckschrift D6 dadurch, dass es in den Teilsystemen Vorelektroniken besitzt, die in der Lage sind, eine Sicherheitseinrichtung direkt auszulösen, indem die Reaktionssignale der Sensoren für jedes Teilsystem separat unter Rückgriff auf jeweils zugeordnete Datenbanken und ein dem jeweiligen Überwachungsbereich entsprechend abgeglichenes Modell ausgewertet werden (Merkmal 1.6), und in der Folge darin, dass die Zentraleinheit vorausgewertete Signale diverser Teilsysteme gemeinsam auswertet (Merkmal 1.7). Druckschrift D6 enthält dahingehend keinen Hinweis.
Beim Hinzufügen weiterer Teilsysteme zur Überwachung weiterer Bereiche schlägt Druckschrift D6 dem Fachmann vor, die diesen zugehörigen weiteren Sensoreinheiten (2) ebenfalls auf die in Fig. 1 und 2 bereits gezeigte Weise an die Zentraleinheit (4) anzuschließen (vgl. Sp. 2, Z. 44 bis 50: „Desweiteren ist die Anwendbarkeit des beschriebenen Verfahrens sowie der danach erarbeiteten Vorrichtung nicht auf ein entsprechendes Verarbeitungssystem zur Erkennung eines Seitenaufpralls beschränkt. Es ist z. B. auch möglich, daß eine Sensoreinheit 2 im Front- und/oder im Heckbereich angeordnet ist.“). Insofern besteht hier keine Veranlassung, in den Teilsystemen Vorelektroniken anzuordnen und solche Vorelektroniken Sicherheitseinrichtungen direkt auslösen zu lassen. Auch besteht kein Anlass, das offenbarte Sicherheitssystem dahingehend zu erweitern, dass mehrere der gezeigten Sicherheitssysteme zu einem übergeordneten Ganzen mit einer übergeordneten Zentraleinheit zusammengefasst werden, und auf diese Weise ein Sicherheitssystem geschaffen wird, in dem die Auswerteeinrichtung (4) dann nur eine Vorelektronik und nicht mehr die zentrale Systemeinheit verkörpern würde. Damit kann Druckschrift D6 den Gegenstand des Anspruchs 1 auch nicht nahelegen.
3.2 Druckschrift D7 offenbart in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 ein Sicherheitssystem (siehe Fig. 5B, wo die Funktionen des System aufgeführt sind, darunter auch „Impact Identification“),
1.1 mit einer zentralen Systemeinheit. Zu dieser zählen die Interfaceeinheit (Interface Unit 36) ohne die Speichereinheit (Memory Unit 39), die Signalerzeugungseinheit (signal generating unit 32) und die Signalempfangseinheit (signal receiver unit 34, siehe Fig. 5A i. V. m. Sp. 10, Z. 47 bis Sp. 11, Z. 1: „FIG. 5A schematically represents a diagnostic system 30 for diagnosing changes in, or monitoring the condition of, a diagnostic laminate unit 20. Unit 20 includes diagnostic layer 10 electrically coupled to a signal generating unit 32 for providing input signals to actuators 14a of layer 10. […] Diagnostic system 30 further includes a signal receiver unit 34, electrically coupled to diagnostic layer 10 for receiving output signals from sensors 14b. A data acquisition unit 34a is typically part of signal receiver unit 34. The data acquisition unit 34a is in electrical communication with an interface unit 36 for interfacing with unit 20. Interface unit 36 preferably includes a control unit 37 for controlling signal input to layer 10 via generating unit 32; a processor unit 38 for processing data from receiver unit 34; and a memory unit 39 for storing data received from processor unit 38 or signal receiver unit 34. Processor unit 38 may include a computer and suitable software for signal processing and interpretation routines related to signals received from sensors 14b of layer 10.”).
1.2 Das System besitzt ein Netzwerk von Sensoren in Form reziprok wirkender elektromechanischer Wandler, (diagnostic layer 10; vgl. Sp. 6, Z. 4 bis 10: „With reference to the drawings, FIG. 1A schematically represents a diagnostic layer 10, including a plurality of actuators/sensors 14 arranged on or in a dielectric substrate 12. […] According to a preferred embodiment, actuators/sensors 14 are arranged on diagnostic layer 10 as a network.” und Sp. 6, Z. 39 bis 42: „According to a currently preferred embodiment, each actuator/sensor 14 is a piezoelectric device which may function as both an actuator 14a and as a sensor 14b.”), die mit einem Überwachungsbereich starr gekoppelt sind (vgl. Sp. 4, Z. 32 bis 35: „The diagnos- tic layer may be inside a composite material, or it may be bonded to an external surface of metallic or composite materials.”).
1.3 Die Sensoren (14) sind in verschiedenen Überwachungsbereichen angeordnet. Wie aus Fig. 1A ersichtlich, sind die Sensoren über eine Fläche verteilt. Es ist nun möglich, diese Fläche virtuell in verschiedene Teilflächen zu unterteilen, die dann jeweils als ein Überwachungsbereich bezeichnet werden.
1.4 Die Sensoren (14) der verschiedenen Überwachungsbereiche bilden jeweils eine Gruppe. Auch dies ist nur eine virtuelle Einteilung, die passend zur Einteilung in Überwachungsbereiche erfolgt.
1.5‘ Die Sensoren jeder Gruppe bilden ein Teilsystem. Dies ist lediglich eine Definition des Begriffs Teilsystem.
1.7‘ Die zentrale Systemeinheit wertet die Signale diverser Teilsysteme gemeinsam aus (siehe Fig. 13 i. V. m. Sp. 14, Z. 55 bis Sp. 15, Z. 4: „FIG. 13 outlines a series of steps involved in a method of detecting a physical deformation of a structure having a diagnostic layer incorporated therein, according to another embodiment of the invention. The diagnostic layer may have a plurality of actuators/sensors in the form of a network or array. Preferably, the plurality of actuators/sensors are piezoelectric devices, such as piezoceramic actuators/sensors. A piezoelectric sensor in a diagnostic layer having undergone physical deformation emits a diagnostic signal which may be received by, for example, a signal receiving unit. Step 1300 involves the reception of the signal from at least one sensor located in the diagnostic layer. A signal received from the sensor may be in the form of voltage readings. Step 1302 involves processing the signal to generate diagnostic data representative of the physical deformation of the diagnostic layer. Step 1304 involves interpreting the set of diagnostic data as a force and location of the impact.”).
Eine Reaktion auf die Auswertung durch die zentrale Systemeinheit wird nicht angegeben, jedoch ist es für den Fachmann naheliegend, als Reaktion Sicherheitssysteme auszulösen. Jedoch unterscheidet sich das mit Anspruch 1 beanspruchte Sicherheitssystem von dem aus Druckschrift D7 dadurch, dass jedes Teilsystem eine Vorelektronik besitzt (Merkmal 1.5), wobei die Vorelektroniken in der Lage sind, eine Sicherheitseinrichtung direkt auszulösen, indem die Reaktionssignale der Sensoren für jedes Teilsystem separat unter Rückgriff auf jeweils zugeordnete Datenbanken und ein dem jeweiligen Überwachungsbereich entsprechend abgeglichenes Modell ausgewertet werden (Merkmal 1.6) und in der Folge darin, dass die Zentraleinheit vorausgewertete Signale diverser Teilsysteme gemeinsam auswertet (Merkmal 1.7). Zwar ist auch im Sicherheitssystem aus Druckschrift D7 eine Datenbank (siehe die Speichereinheit 39 in Fig. 5A) und ein Modell der Überwachungsbereiche (dies ergibt sich zwingend aus der Tatsache, dass Ort und Intensität des Aufpralls im Schritt 1304 bestimmt werden) vorhanden, doch sind diese mit der zentralen Systemeinheit verbunden.
Für den Fachmann ist es nun naheliegend, das in Druckschrift D7 offenbarte Sicherheitssystem mehrfach in ein Verkehrsmittel, so z. B. einen PKW oder ein Flugzeug einzubauen. Zudem ist es naheliegend, das Sicherheitssystem mit einem zentralen Computer zu verbinden, um Vorfälle dort zumindest zu protokollieren. In diesem Fall werden die zentralen Systemeinheiten zu Vorelektroniken, für die die Möglichkeit eines direkten Auslösens eines Sicherheitssystems naheliegt. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass der zentrale Computer dann die Fähigkeit hat, gemäß Merkmal 1.7 diverse Sicherheitseinrichtungen auszulösen, so dass es zu einer den Erfordernissen eines Unfalls entsprechenden Gesamtantwort verschiedener Sicherheitseinrichtungen kommt.
Damit kann auch Druckschrift D7 den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 weder vorwegnehmen noch nahelegen.
3.3 Auch der übrige ermittelte Stand der Technik zeigt keinen Aufbau eines Sicherheitssystems, bei dem es mehrere Teilsysteme mit einer die Signale auswertenden Vorelektronik und eine zentralen Systemeinheit gibt, die die vorausgewerteten Signale gemeinsam auswertet und in der Lage ist, diverse Sicherheitseinrichtungen auszulösen.
So beschreibt Druckschrift D1 neben einem einzelnen Sensor ein Sicherheitssystem mit mehreren Sensoren, dessen weiterer Aufbau aber nicht näher geschildert wird.
Druckschrift D2 beschäftigt sich mit dem Testen der Funktionsfähigkeit eines Sensors in einem Sicherheitssystem und schlägt einen Selbsttest vor. Der Aufbau eines Sicherheitssystems mit die Signale auswertenden Vorelektroniken und einer zentralen Steuereinheit wird dabei nicht beschrieben.
Die Druckschriften D3 und D4 offenbaren jeweils ebenfalls einen Selbsttest eines reziprok wirkenden elektromechanischen Sensors. Auf einen Aufbau eines Sicherheitssystems gemäß Anspruch 1 gibt es dabei keinen Hinweis.
Druckschrift D5 offenbart wiederum ein Sicherheitssystem mit mehreren Sensoren (siehe Fig. 1). Jedoch gibt es auch hier keinen Hinweis auf die Ausbildung des Systems mit die Signale auswertenden Vorelektroniken und einer zentralen Steuereinheit, die in der Lage ist, Sicherheitssysteme auszulösen.
In der Folge ist der im Verfahren befindliche Stand der Technik weder geeignet, eine fehlende Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 noch das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit nachzuweisen.
4. Dennoch war kein Patent zu erteilen und die Anmeldung stattdessen nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. Es steht im Ermessen des Senats, ob eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt erfolgt. Sie sollte aber regelmäßig erfolgen, wenn zur Klärung eines Sachverhalts noch weitere, umfangreichere Recherchen notwendig sind, denn das Bundespatentgericht ist vorrangig für die Rechtskontrolle und nicht für die Ausführung von dem Patentamt als Verwaltungsbehörde kraft Gesetzes übertragenen exekutiven Aufgaben zuständig, wie es die Recherche ist. Zwar führt die Zurückverweisung zu einem Zeitverzug bis zur endgültigen Entscheidung über eine Anmeldung, doch ist, wenn zur Klärung eines Sachverhaltes dem entscheidenden Senat eine umfangreichere Recherche notwendig erscheint, die Anmeldung auch dann an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen, wenn es dem Senat möglich wäre, diese Recherche selbst durchzuführen. Denn auf diese Weise wird für den Anmelder der Verlust einer Instanz vermieden (vgl. Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage, § 79 Rdn. 41 und 50 und Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 79 Rdn. 16 und 27).
Im vorliegenden Fall ist der nunmehr geltende Anspruch 1 gegenüber dem Anspruch 1, der dem Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01D zugrunde liegt, vollständig neu formuliert worden. Hierzu wurde von einer in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen enthaltenen Figur ausgegangen und die zugehörige Beschreibung zur Formulierung eines Anspruches verwendet. Wie bereits dargestellt, enthält die Anmeldung vier unterschiedliche Aspekte. Zum Zeitpunkt der Zurückweisung stand dabei der erste Aspekt, nämlich die Verwendung von zu einem Selbsttest fähigen Sensoren in einem Sicherheitssystem im Vordergrund. Zwischenzeitlich trat der zweite Aspekt, nämlich die Materialüberwachung in den Vordergrund. Zu diesem Aspekt hat der Senat neuen Stand der Technik, nämlich die Druckschrift D7 eingeführt. Beim nunmehr geltenden Anspruch 1 steht jetzt der dritte Aspekt, die Reaktion auf Unfälle im Vordergrund. Zu diesem Aspekt, der bisher für die Beurteilung der Anmeldung nicht von Bedeutung war, hat weder die Prüfungsstelle noch der Senat in ausreichendem Umfang recherchiert. Diese nunmehr notwendige Recherche ist deshalb von der dafür vorgesehenen Behörde, dem Deutschen Patent- und Markenamt, durchzuführen.
5. Es ist deshalb derzeit ohne Bedeutung, dass auch die Beschreibung noch nicht an den derzeit geltenden Anspruch 1 angepasst ist.
6. Bei dieser Sachlage war der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01D vom 15. April 2015 aufzuheben und die Anmeldung zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 79 Rdn. 27).
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht dem Anmelder das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner Brandt Dr. Zebisch Dr. Himmelmann prö