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X ZR 65/19

BUNDESGERICHTSHOF X ZR 65/19 BESCHLUSS vom 1. Dezember 2020 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2020:011220BXZR65.19.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann, die Richterin Dr. Kober-Dehm und den Richter Dr. Rensen beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. März 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 11. April 2017 abgeändert worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin fordert von ihrem Sohn, dem Beklagten, die Rückzahlung von drei unentgeltlich zugewendeten Geldbeträgen.

Der Beklagte kaufte am 23. März 2010 eine Eigentumswohnung in Augsburg, die zum 1. Mai 2011 bezugsfertig sein sollte. Die Klägerin zahlte an den Beklagten am 23. Juli 2010 einen Betrag von 9.000 Euro und am 30. Juli 2010 einen Betrag von 1.000 Euro. Am 14. April 2011 zahlte sie an ihn weitere 50.000 Euro. Darüber hinaus erbrachte sie ihm weitere Zuwendungen im Wert von insgesamt 107.500 Euro, zu deren Rückzahlung das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt hat.

Die Klägerin wohnte von Juli 2011 bis Juli 2014 in der Wohnung in Augsburg. Anschließend bewohnte sie für etwa ein Jahr ein ihr selbst und ihrem geschiedenen Ehemann je zur Hälfte gehörendes Haus in Montabaur. Der Beklagte vermietete die Wohnung nach ihrem Auszug an Dritte. Nach der Veräußerung des Hauses in Montabaur verweigerte der Beklagte der Klägerin den Wiedereinzug in die Wohnung.

Die Klägerin forderte daraufhin die Rückzahlung aller oben aufgeführten Beträge. Sie hat geltend gemacht, alle diese Zahlungen seien unter der Auflage erfolgt, ihr ein lebenslanges Wohnrecht an der Wohnung in Augsburg einzuräumen.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 167.500 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten verurteilt.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich des auf die Zahlungen von März 2010 bis April 2011 entfallenden Teilbetrags von 60.000 Euro abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

II. Die Beschwerde der Klägerin ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der Berufungsentscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 9 ZPO).

Die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

1. Das Berufungsgericht hat einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der in den Jahren 2010 und 2011 gezahlten Beträge verneint, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe, dem Beklagten diese Beträge zur Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber dessen geschiedener Ehefrau überlassen zu haben. Ein etwaiges Wohnrecht habe damit nicht in Rede gestanden. Von einer Schenkung unter Auflage könne bei diesem Teilbetrag deshalb nicht ausgegangen werden.

2. Hierbei hat das Berufungsgericht Art. 103 Abs.1 GG verletzt, indem es das Vorbringen der Klägerin nicht vollständig für die Entscheidungsfindung in Erwägung gezogen hat.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen.

Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen (BGH, Beschluss vom 28. November 2012 - X ZB 6/11, GRUR 2013, 318 Rn. 9 - Sorbitol). Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Gründen aber verarbeitet werden. Geht ein Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 1 BvR 1999/09, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 12. März 2019 - VI ZR 435/18, NJW 2019, 1754 Rn. 7; Beschluss vom 13. Juli 2020 - X ZB 5/19, Rn. 23).

b) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

Mit ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, wonach der Beklagte ihr erzählt habe, dass er an seine geschiedene Ehefrau 70.000 Euro zahlen solle, dies aber nicht bezahlen könne, ist die Klägerin nach den insoweit nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zwar von ihrem früheren Vortrag abgerückt. Aus den protokollierten Angaben, auf die das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen hat, ergibt sich aber, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht, dass die Klägerin in unmittelbarem Zusammenhang mit der zitierten Äußerung erklärt hat, sie habe alles Geld, was sie aus dem Verkauf einer (anderen) Immobilie bekommen sollte, in die Wohnung in Augsburg stecken wollen, um ein Wohnrecht zu bekommen; ihr Sohn habe alles erben und deswegen unmittelbar als Eigentümer eingetragen werden sollen.

Daraus ergibt sich, dass die Klägerin ungeachtet der aufgezeigten Änderung weiterhin an ihrem Vorbringen festgehalten hat, die Schenkungen seien unter der Auflage der Einräumung eines Wohnrechts erfolgt.

Bei dieser Ausgangslage durfte das Berufungsgericht seiner Beurteilung nicht allein den Vortrag zu den Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau zugrunde legen. Es hätte die Äußerungen der Klägerin vielmehr im Zusammenhang würdigen und insbesondere berücksichtigen müssen, dass die Klägerin an ihrem Vorbringen bezüglich der Auflage festhält.

c) Diese Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich.

aa) Hätte das Berufungsgericht das übergangene Vorbringen in seine Würdigung einbezogen, so hätte es nicht zu der Beurteilung gelangen können, ein etwaiges Wohnrecht habe angesichts der angestrebten Tilgung von Verbindlichkeiten nicht in Rede gestanden. Vielmehr hätte es aufklären müssen, ob die Klägerin die Zuwendung ungeachtet des vom Beklagten beabsichtigten Verwendungszwecks nur unter der Auflage oder zumindest der Zwecksetzung gewährt hat, dass ihr ein Wohnrecht eingeräumt wird.

Eine solche Auflage oder Zwecksetzung kommt grundsätzlich unabhängig davon in Betracht, zu welchem Zweck der Beklagte das Geld verwenden wollte oder verwendet hat. Sie könnte zwar eher fernliegend erscheinen, wenn der Beklagte im Falle der von ihm beabsichtigten und gegenüber der Klägerin angekündigten Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau erkennbar nicht in der Lage gewesen wäre, die Wohnung mit anderen finanziellen Mitteln zu erwerben. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aber weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Vorbringen der Klägerin.

bb) Auf die von den Parteien mit unterschiedlicher Akzentuierung diskutierten Fragen, ob es sich bei der vorgetragenen Zwecksetzung um eine Auflage oder um eine Zweckschenkung gehandelt hat und ob ein nicht der Form des § 528 Abs. 1 BGB entsprechendes Versprechen einer Schenkung unter Auflage mit Zuwendung des geschenkten Gegenstands wirksam wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Sollte die Klägerin eine Schenkung unter Auflage gewährt haben, steht ihr unabhängig von der Wirksamkeit des Schenkungsversprechens ein Rückzahlungsanspruch entweder aus § 527 Abs. 1 oder aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Dass Grund oder Höhe der Klageforderung davon abhängen könnten, welche dieser Vorschriften zur Anwendung gelangt, ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ersichtlich.

cc) Sollte es an der konkludenten Vereinbarung einer Auflage fehlen, kommt ein Rückzahlungsanspruch auch auf der Grundlage von § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein solcher Anspruch um so eher in Betracht, je größer das Interesse des Schenkers an der Zweckerreichung ist (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - X ZR 80/11, NJW-RR 2013, 618 Rn. 21).

Im Streitfall kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Zuwendungen ein ausreichend großes Interesse an einer dauerhaften Nutzung der Wohnung hatte und dies für den Beklagten erkennbar war. Das Berufungsgericht hätte deshalb gegebenenfalls auch hierzu ergänzende Feststellungen treffen müssen.

Bacher Grabinski Hoffmann Kober-Dehm Rensen Vorinstanzen: LG Augsburg, Entscheidung vom 11.04.2017 - 31 O 512/16 OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 27.03.2018 - 30 U 1796/17 -

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