10 Ni 12/11
BUNDESPATENTGERICHT Ni 12/11 (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 14. Februar 2013
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In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das deutsche Patent 43 00 181 hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, des Richters Dipl. Ing. Hildebrandt, der Richterin Dr. Kober-Dehm sowie der Richter Dipl.-Ing. Küest und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist Inhaberin des am 7. Januar 1993 angemeldeten deutschen Patents 43 00 181, das ein Bauelement zur Wärmedämmung bei Gebäuden betrifft. Das Streitpatent umfasst 10 Patentansprüche, von denen mit der vorliegenden Klage Patentanspruch 1 sowie die auf ihn unmittelbar rückbezogenen Ansprüche 2, 4, 6 und 9 angegriffen werden.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
„1. Bauelement zur Wärmedämmung zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil bestehend aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper (1) mit integrierten metallischen Bewehrungsstäben (2, 3), die sich quer zum Isolierkörper (1) durch diesen hindurch erstrecken und beidseits vorstehen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Isolierkörper (1) zumindest eine mit ihm fest verbundene Leiste (4, 5) aufweist, die aus einem härteren Material als der Isolierkörper (1) besteht und die an ihren den zu betonierenden Bauteilen zugewandten Seiten Ausnehmungen (4a, 5a) aufweist, und dass in diesen Ausnehmungen (4a, 5a) die Zug- und/oder Druckstäbe fixiert sind.“
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2, 4, 6 und 9 wird auf die Streitpatentschrift DE 43 00 181 C2 Bezug genommen.
Die Klägerin macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang nicht patentfähig sei (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
Sie beruft sich auf folgenden Stand der Technik:
NK2 NK3 NK6 NK10 NK11 NK13 NK14 DE 40 33 505 A1 DE 34 26 538 A1 JP-2-112554 A mit deutscher Übersetzung NK7 DE 82 36 501 U1 DE 34 24 198 A1 DE 37 44 016 A1 DE 39 15 483 A1 Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Entgegenhaltung NK13 neuheitsschädlich getroffen und dem Fachmann überdies durch eine Zusammenschau der gattungsbildenden Schrift NK2 mit einer der Entgegenhaltungen NK6 oder NK10 oder NK11 nahe gelegt sei. Die zusätzlichen Merkmale der angegriffenen Unteransprüche seien der NK6 bzw.
der NK10 oder NK11 zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin außerdem geltend gemacht, dass der Fachmann auch ausgehend von NK13 zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelange.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 43 00 181 im Umfang der Patentansprüche 1, 2, 4, 6 und 9 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage in vollem Umfang, hilfsweise nach Maßgabe des mit Schriftsatz vom 10. Januar 2013 (Bl. 124 ff. d. A.) eingereichten Hilfsantrags, abzuweisen.
Nach dem Hilfsantrag sollen dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 folgende Wörter hinzugefügt werden:
„, und dass die Bewehrungsstäbe mithilfe der Leiste (4, 5) relativ zueinander sowie relativ zum Isolierkörper fixiert sind“.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 22. November 2012 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG übermittelt. In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der Senat an seiner in dem Hinweis geäußerten vorläufigen Auffassung, wonach der Gegenstand des Patentanspruchs 1 von der NK13 in neuheitsschädlicher Weise vorweggenommen sei, nicht festhalte.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe I.
1. Die Klage ist zulässig. Zwar ist die Schutzdauer des Streitpatents am 7. Januar 2013 abgelaufen. Die Klägerin hat jedoch das in diesem Falle erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung des Streitpatents nachgewiesen, nachdem zwischen ihr und der Beklagten ein auf Verletzung des Streitpatents gestützter Rechtsstreit anhängig ist (vgl. Schulte/Kühnen, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 81 Rn. 45).
2. In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg; die angegriffenen Ansprüche des Streitpatents haben in ihrer erteilten Fassung Bestand.
a) Das Streitpatent betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil, bestehend aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper mit integrierten metallischen Bewehrungsstäben, die sich quer zum Isolierkörper durch diesen hindurch erstrecken und beidseits vorstehen.
In der Streitpatentschrift ist ausgeführt, dass durch derartige Bauelemente vorkragende Betonteile, insbesondere Balkonplatten, mit der entsprechenden Zwischendecke eines Gebäudes verbunden werden könnten, wobei die sonst üblichen Kältebrücken weitestgehend eliminiert würden. In der Praxis seien bereits zahlreiche Ausführungsformen solcher Bauelemente bekannt. Im allgemeinen sei jeder Isolierkörper mit mehreren horizontal durchlaufenden Zug- und Druckstäben und ggf. noch mit Querkraftstäben bestückt, wobei die Anzahl der Bewehrungsstäbe von der Länge des Isolierkörpers und von den zwischen den anschließenden Betonbauteilen zu übertragenden Kräften abhängig sei. Dabei stünden insbesondere die Zugstäbe relativ weit aus dem Isolierkörper vor, damit eine ausreichende Überdeckung mit der Anschlussbewehrung der beidseits zu betonierenden Bauteile gewährleistet sei. An ihrem Ende seien die Zugstäbe meist mit einem gemeinsamen Querstab verschweißt, um ihre Position relativ zueinander und relativ zum Isolierkörper zu fixieren (Beschr. Abs. 2).
Dem Streitpatent liege demnach die Aufgabe zugrunde, einen derartigen Isolierkörper hinsichtlich seiner Gebrauchseigenschaften und seiner Herstellungskosten weiter zu optimieren (Beschr. Abs. 3).
b) Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ein Bauelement mit folgenden Merkmalen (gemäß einer von der Klägerin eingereichten Gliederung) vor:
1.1 Bauelement zur Wärmedämmung zwischen einem Gebäudeteil und einem vorkragenden Außenteil,
1.2 bestehend aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper mit integrierten metallischen Bewehrungsstäben,
1.2.1 die sich quer zum Isolierkörper durch diesen hindurch erstrecken und
1.2.2 beidseits vorstehen,
wobei
- Oberbegriff -
1.3. der Isolierkörper zumindest eine mit ihm fest verbundene Leiste aufweist,
1.3.1 die aus einem härteren Material als der Isolierkörper besteht und
1.3.2 die an ihren den zu betonierenden Bauteilen zugewandten Seiten Ausnehmungen aufweist und
1.3.3. in diesen Ausnehmungen die Zug- und/oder Druckstäbe fixiert sind.
- Kennzeichen - c) Zuständiger Fachmann ist ein Dipl.-Bauingenieur (FH) der Fachrichtung Konstruktiver Ingenieurbau, mit Spezialkenntnissen in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Bauelementen im Massivbaubereich.
d) Folgende Merkmale bedürfen näherer Erläuterung:
aa) Merkmal 1.2, wonach das Bauelement aus einem Isolierkörper mit integrierten metallischen Bewehrungsstäben besteht, ist so zu verstehen, dass die Bewehrungsstäbe bereits ab Werk, d. h. schon vor der Verlegung des Bauelements in den Isolierkörper integriert sein müssen. Es reicht also nicht aus, wenn die Bewehrungsstäbe erst bei der Verlegung eingefügt werden.
bb) Nach Merkmal 1.3 weist der Isolierkörper zumindest eine mit ihm fest verbundene Leiste auf, die gemäß Merkmal 1.3.1 aus einem härteren Material als der Isolierkörper besteht. Der Begriff „Isolierkörper“ impliziert, dass das Isoliermaterial auch ohne die mit ihm verbundene Leiste eine körperliche Struktur aufweisen muss. Dies gilt auch dann, wenn das Isoliermaterial keine hohe Festigkeit hat (vgl. Beschr. Abs. 16).
cc) Nach Merkmal 1.3.3 sind die in Merkmal 1.2 als integrierte metallische Bewehrungsstäbe bezeichneten Zug- und/oder Druckstäbe in den seitlichen Ausnehmungen der Leiste fixiert. Damit ist gemeint, dass die Stäbe in den Ausnehmungen so festgehalten werden, dass sie sich weder im Verhältnis zueinander noch relativ zum Isolierkörper verschieben lassen. Die Bedeutung dieses Merkmals ist darin zu sehen, dass sich damit eine zum Zwecke einer exakten Ausrichtung der Bewehrungsstäbe sonst notwendige Fixierung durch Querstäbe oder Querkraftstäbe erübrigt. Solche Quer(kraft)stäbe verursachen einen höheren Herstellungsaufwand und behindern den Einbau der Dämmung, weil sie häufig der Anschlussbewehrung für die angrenzenden Bauteile im Weg stehen (vgl. Beschr. Abs. 5 und 17).
II.
1. Patentanspruch 1 erweist sich als patentfähig.
a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (§ 3 Abs. 1 Satz 1 PatG).
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin weist die Offenlegungsschrift DE 37 44 016 A1 (NK13) nicht alle Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch 1 auf.
(1) Offenbart sind die Merkmale 1.1, 1.3, 1.3.1 sowie 1.3.2.
Figur 16 der NK13 zeigt eine Fugenplatte (8) und damit ein Bauelement, das zum Einbau zwischen einer Decke eines Gebäudes (26) und einer vorkragenden Balkonplatte (24), d. h. einem Außenteil, vorgesehen ist und u. a. auch der Wärmedämmung dient. Damit ist Merkmal 1.1 des Streitpatents erfüllt.
Merkmal 1.3 ist ebenfalls offenbart. Der in der NK13 offenbarte Isolierkörper ist in ein kastenförmiges Hohlprofil eingeschäumt oder eingepresst. Er weist damit eine Umgrenzung auf, die der den Isolierkörper des Streitpatents umgebenden Leiste vergleichbar ist. Das kastenförmige Hohlprofil der NK13 besteht aus Kunststoff und damit wie die Leiste des Streitpatents aus einem härteren Material als der Isolierkörper, womit auch Merkmal 1.3.1 erfüllt ist. In der NK13 ist zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dass das den Isolierkörper umgebende Profil an den den zu betonierenden Bauteilen zugewandten Seiten Ausnehmungen aufweist. Davon ist jedoch auch ohne ausdrückliche Erwähnung auszugehen, da ansonsten die in Figur 16 der NK13 gezeigten Bewehrungsstäbe das Bauelement (8) nicht durchgreifen könnten. Somit ist auch Merkmal 1.3.2 gegeben.
(2) Merkmal 1.2 ist insofern offenbart, als die Fugenplatte nach der NK13 aus einem kastenförmigen Hohlprofil besteht, das beispielsweise mit geschäumtem oder mit faserigem (Dämm-)Material gefüllt werden kann (Sp. 2 Z. 25 f. und Z. 33 ff.).
Dadurch entsteht bei ausreichender Festigkeit des (Dämm-)Materials ein Isolierkörper, der demjenigen in Merkmal 1.2 des Streitpatents entspricht. Bei der Fugenplatte nach der NK13 erstrecken sich, wie sich aus der Beschreibung (Sp. 4 Z. 54) und der Figur 16 entnehmen lässt, metallische Bewehrungsstäbe quer zum Isolierkörper durch diesen hindurch und stehen beidseits vor. Damit sind die Merkmale 1.2.1 und 1.2.2 des Streitpatents insoweit erfüllt, als die Positionierung der Bewehrungsstäbe in Bezug auf den Isolierkörper in Rede steht.
(3) Dagegen ist Merkmal 1.2 hinsichtlich des zweiten dort enthaltenen Kriteriums nicht offenbart. Zwar bildet das (Dämm-)Material, in dem kastenförmigen Hohlprofil einen Isolierkörper, der dem in Merkmal 1.2. genannten vergleichbar ist. Wie ausgeführt, bedeutet der Begriff „integriert“, dass der zu verlegende Isolierkörper schon vor der Verlegung mit metallischen Bewehrungsstäben versehen sein muss (s. o. I. 2. d) aa). In der NK13 wird zwar als Ausführungsbeispiel eine von Bewehrungsstäben durchgriffene Fugenplatte angeführt (Sp. 4 Z. 50 bis 57). Daraus geht jedoch nicht hervor, ob diese Fugenplatte schon vor der Verlegung von den Bewehrungsstäben durchgriffen ist oder ob die Stäbe erst bei bzw. nach Verlegung der Fugenplatte durch diese hindurchgeführt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Offenbarungsgehalt einer bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigenden Vorveröffentlichung das, was aus fachmännischer Sicht dieser Entgegenhaltung „unmittelbar und eindeutig“ zu entnehmen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – X ZR 89/07, GRUR 2009, 382 Rn. 25 - Olanzapin). Ein nicht ausdrücklich offenbartes Merkmal kann nur dann als offenbart gelten, wenn der Fachmann es ohne weiteres „mitliest“, etwa weil das Merkmal im Zusammenhang mit dem betreffenden technischen Gegenstand üblich ist und sich daher sofort als jedenfalls auch gemeint aufdrängt (BGH, a. a. O., Rn. 28 – Olanzapin). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, denn dem Fachmann sind sowohl Fugenplatten mit von vorne herein ab Werk integrierten Bewehrungsstäben als auch solche, bei denen die Bewehrungsstäbe erst vor Ort verlegt werden, bekannt.
(4) Ebenso wenig ist Merkmal 1.3.3 durch die NK13 offenbart. Aus der NK13 geht nicht hervor, ob die Bewehrungsstäbe in der Fugenplatte im Sinne des Merkmals 1.3.3 in der Weise fixiert sind, dass sie sich weder im Verhältnis zueinander noch im Verhältnis zum Isolierkörper verschieben lassen (s. o. I. 2. d) cc)). Auch wenn in der Figur 16 der NK13 das Hohlprofil bis direkt an die Bewehrungsstäbe heranreicht und somit kein Abstand zwischen Bewehrung und Kunststoffhülle besteht, folgt daraus noch nicht zwingend, dass die Stäbe in den Ausnehmungen derart festgehalten werden, dass sie sich in keine der genannten Richtungen verschieben lassen.
bb) Die weiteren Entgegenhaltungen liegen weiter ab vom Streitpatent. Insoweit hat die Klägerin die Neuheit des Streitpatents auch nicht in Frage gestellt.
b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn die Lehre des Streitpatents war dem Fachmann durch den am Prioritätstag bekannten Stand der Technik nicht nahe gelegt.
aa) Die Offenlegungsschrift DE 40 33 505 A1 (NK2) betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil bestehend aus einem länglichen Isolierkörper mit metallischen Bewehrungsstäben, die sich im Wesentlichen quer zum Isolierkörper durch diesen hindurch erstrecken und beidseits vorstehen. Damit sind zwar das Merkmal 1.1 und die Merkmalsgruppe 1.2 des Streitpatents verwirklicht. Jedoch ist der Isolierkörper nach der NK2 anders als im Streitpatent nicht von einer Leiste umgeben, deren Hauptfunktion es ist, die Bewehrungsstäbe fixieren zu können. Damit ist die Merkmalsgruppe 1.3 des Streitpatents nicht gegeben. Die NK2 gibt aus fachmännischer Sicht keinen Anlass zur Anbringung einer derartigen Leiste, die in der vom Streitpatent vorgeschlagenen Weise der Fixierung der Bewehrungsstäbe dient und die beim Einbau hinderlichen Quer(kraft)stäbe entbehrlich macht. In der NK2 ist zwar die Rede von den Isolierkörper umgebenden Bügeln, die als Vorsprünge jedoch in erster Linie die Bewehrungsstäbe vor Korrosion schützen sollen (Sp. 1 Z. 33 bis 38; Sp. 2 Z. 8 bis 12). Zwar soll eine weitere zweckmäßige Ausbildung der erfindungsgemäßen Vorsprünge darin bestehen, dass sie zusätzlich als Verbindungselement zwischen durch den Isolierkörper hindurchlaufenden Bewehrungsstäben einerseits und dazu quer verlaufenden Stäben, insbesondere Lastverteilerstäben andererseits eingesetzt werden können und so eine kostengünstige und schnelle Verbindung zwischen den Bewehrungsstäben und den quer verlaufenden Elementen gewährleistet sein (Sp. 2 Z. 37 bis 45). Das Anliegen des Streitpatents ist, auf Querstäbe gänzlich verzichten zu können. Es ist daher nicht anzunehmen, dass der Fachmann ausgehend von der NK2 zu der streitpatentgemäßen Ausgestaltung der den Isolierkörper umgebenden Leiste gelangt.
(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin erhält der Fachmann ausgehend von der NK2 auch in der Zusammenschau mit der japanischen Offenlegungsschrift JP 2 112554 A (NK6 mit Übersetzung in der Anlage NK7) keine Anregung für die streitpatentgemäße Gestaltung des Bauelements. Zwar besteht das in der NK6/NK7 gezeigte Fugenelement aus einem geschäumten Hauptkörper (4) und einer Kappe (5) mit Durchgangslöchern (6), die sich durch diese Teile erstrecken und durch die Stabkörper (7), in einer Ausführungsform auch H-förmig (1), hindurchgeführt sind (Figuren 6 und 7), wobei die Kappe als eine entsprechend der Merkmalsgruppe 1.3 ausgestaltete Leiste angesehen werden könnte. Diese Stabkörper werden beim Einbetonieren im Beton fixiert und verhindern durch ihre Verbindung mit der Kappe (5), die großflächig mit dem eigentlichen Schaumkörper (4) verklebt ist, dass sich zwei Fugenelemente am Stoß auseinanderbewegen und sich dadurch ein Spalt bilden kann. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Fachmann, der ausgehend von der NK2 die Gebrauchseigenschaften und Herstellungskosten des dort gezeigten Bauelements zu optimieren versucht, die NK6 heranzieht. Denn das Fugenelement gemäß NK6 hat eine gänzlich andere Zielrichtung als die streitpatentgemäße Erfindung. Die Stabkörper der NK6 sollen das Verziehen der Enden der Fugenelemente oder die Bildung von Zwischenräumen zwischen den Stoßflächen der Fugenelemente infolge einer durch Sonneneinstrahlung bedingten Ausdehnung oder Kontraktion verhindern. Dadurch soll beim Einbau das Einbringen von Beton erleichtert und das Anstauen von Sickerwasser verhindert werden. Dagegen sollen mit dem streitpatentgemä- ßen Bauelement auskragende Betonteile, insbesondere Balkonplatten, mit der Zwischendecke eines Gebäudes verbunden werden. Das Streitpatent stellt damit im Hinblick auf die hierbei zu berücksichtigenden Kräfte und die daraus resultierenden statischen Vorgaben gänzlich andere Anforderungen an die Tragkraft der Bauteile.
(2) Auch die deutsche Gebrauchsmusterschrift DE 82 36 501 U1 (NK10) und die deutsche Offenlegungsschrift DE 34 24 198 A1 (NK11) geben dem Fachmann keinen Anlass, das Bauelement der NK2 um die fehlende Merkmalsgruppe 1.3 ergänzen.
Die NK10 betrifft eine aus einem Fugenband und einem Halteelement bestehende Vorrichtung zur Herstellung von Fugen insbesondere in Estrichen. Der Profilschenkel des Halteprofils weist lediglich Aussparungen für die Aufnahme von Rohrelementen oder Heizungsschlangen (vgl. Figur 1 und Beschr. S. 6 Z. 3 bis 8), nicht jedoch für Bewehrungselemente auf.
Die NK11 hat eine zweiteilige Bewegungsfugenleiste für Estriche zum Gegenstand, bei der das eine Teil in einer nach oben offenen, U-förmigen Profilschiene besteht, die an ihrer Basis mit einem Standfuß versehen ist. Das andere Teil ist eine in die Profilschiene eingesetzte Einsatzzunge, die höhenverstellbar ist (vgl. Beschr. S. 8, 2. Absatz), und damit gerade nicht – wie die Bewehrungsstäbe beim Streitpatent gemäß Merkmal 1.3.3 – fixiert.
Da sich diese Schriften somit auf den Innenausbau von Gebäuden beziehen, hat der Fachmann keinen Anlass diese heranzuziehen, um zu der streitgemäßen Erfindung zu gelangen, die für den konstruktiven Massivbau bestimmt ist und zur Abtragung der auftretenden Lasten die statisch erforderliche Bewehrung und Bewehrungsführung aufweisen muss.
(3) Die Offenlegungsschrift (NK14), die ebenfalls ein Fugenelement betrifft, liegt noch weiter ab. Sie zeigt ein als Mehrkammerprofil ausgebildetes Fugenelement, das im Bereich der Seitenwände ausbrechbare, gegebenenfalls durch eine Sollbruchlinie abgegrenzte, Bereiche zur Bildung von Öffnungen aufweisen kann, durch die Stäbe oder Dübel ein- oder durchgeführt werden können, um benachbarte Bodenplatten zu verbinden und die Querkräfte zwischen den Bodenplatten aufzunehmen (Sp. 3 Z. 32 bis 41; Sp. 5 Z. 30 bis 37). Die Aufnahme von Verbindungsstäben ist hier demnach fakultativ, so dass von einer Fixierung im Sinne des Merkmals 1.3.3 des Streitpatents keine Rede sein kann.
(4) Die Offenlegungsschrift DE 34 26 538 A1 (NK3) betrifft zwar wie das Streitpatent ein Bauelement zur Wärmedämmung bei Gebäuden, insbesondere bei vorkragenden Wandteilen. Jedoch gibt auch diese Schrift dem Fachmann keinen Anhaltspunkt, zu einer Fixierung der Bewehrungsstäbe gemäß Merkmal 1.3.3 des Streitpatents zu gelangen. Zwar weist das Bauelement nach der NK3 Aussparungen für die Aufnahme von Zugbewehrungsstäben auf (vgl. S. 3 Z. 29 bis 32). Jedoch wird das Bauelement nach der Beschreibung ausdrücklich ohne querliegende Bewehrungsstäbe und ohne eingebaute Druckelemente an die Baustelle geliefert (vgl. S. 3 Z. 36 bis 38). Im Übrigen sollen die bauseits zu verlegenden Bewehrungsstäbe vollständig vom Beton umschlossen werden (S. 5 Z. 14 bis 17). Damit besteht zwischen den Bewehrungsstäben und dem Isolierkörper kein Kontakt, so dass sich eine streitpatentgemäße Fixierung von vornherein verbietet.
bb) Die Entgegenhaltung NK13 kommt dem Streitpatent – wie die Neuheitsprüfung ergeben hat – zwar sehr nahe. Dennoch ist ihr eine Anregung für die Auffindung der Lehre von Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen.
(1) Die Berücksichtigung dieser Entgegenhaltung bei der Prüfung, ob erfinderische Tätigkeit zu verneinen ist, ist nicht gemäß § 83 Abs. 4 PatG ausgeschlossen; der von der Beklagten insoweit erhobene Präklusionseinwand ist unberechtigt. Zwar hat die Klägerin die NK13 ausschließlich als neuheitsschädlichen Stand der Technik abgehandelt. Nachdem der Senat in seinem frühen gerichtlichen Hinweis die Auffassung der Klägerin, dass der Gegenstand des Streitpatents durch die NK13 neuheitsschädlich getroffen sei, geteilt hat, hatte die Klägerin jedoch keinen Anlass, die Entgegenhaltung im weiteren Verlauf des Verfahrens darüber hinaus auch unter dem Gesichtspunkt fehlender erfinderischer Tätigkeit zu würdigen. Die Klägerin brauchte somit keinen Entschuldigungsgrund für ihre erst in der mündlichen Verhandlung geänderte Argumentation in Bezug auf die NK13 glaubhaft zu machen. Der Nichtigkeitskläger ist grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen, insbesondere mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei. Hierdurch würde eine sinnvolle Konzentration des Verfahrens auf diejenigen Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Nichtigkeitsklägers besonders geeignet sind, dem Klagebegehren zum Erfolg zu verhelfen, behindert. Vielmehr dient der Hinweis, den das Patentgericht nach § 83 Abs. 1 PatG gibt, auch dazu, die sich aus der Klagebegründung ergebende Fokussierung der Argumentation entweder als nach der vorläufigen Sicht des Patentgerichts sachgerecht zu bestätigen oder aber als nicht angemessen oder jedenfalls nicht zulänglich aufzuzeigen (BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11, GRUR 2012, 1236 Rn. 38 - Fahrzeugwechselstromgenerator).
(2) Indessen gibt die Entgegenhaltung NK13 dem Fachmann keine ausreichende Anregung, zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen.
Die NK13 betrifft eine Fugenplatte, die der Vermeidung der Übertragung von Kräften zwischen Gebäuden oder Gebäudeteilen, der Schall- und/oder Wärmedämmung oder dem Brandschutz dienen soll (Beschr. Sp. 1 Z. 3 bis 6, Sp. 2 Z. 53), wobei es als Aufgabe der Erfindung bezeichnet wird, dass die Fugenplatte neben den genannten Zwecken bei ihrem Einbau eine weitere Funktion im Rahmen des Baufortschritts, beispielsweise als Abschalung, übernehmen soll (Beschr. Sp. 1 Z. 31 bis 35, Sp. 2 Z. 62 bis 64).
Außerdem lässt die NK13 bei der Verarbeitung der Fugenplatte die Möglichkeit offen, bei Bedarf Bewehrungselemente in der Fugenplatte vorzusehen (Beschr. Sp. 3, Z.1 bis 6). Damit kann die Fugenplatte beispielsweise in dem Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 16 auch für die Trennfuge zwischen einer Decke und einer auskragenden Balkonplatte verwendet werden. Jedoch kann der Fachmann der NK13 keine Hinweise auf in der Fugenplatte schon werksseitig integrierte Bewehrungsstäbe im Sinne des Merkmals 1.2 und auf die Fixierung der Bewehrungsstäbe in seitlichen Ausnehmungen des Hohlprofils gemäß Merkmal 1.3.3 entnehmen. Da der NK13 das Konzept einer universellen Fugenplatte, die für möglichst viele Arten von Trennfugen bzw. Anwendungsfällen verwendbar ist, zu Grunde liegt, wird der Fachmann durch diese Schrift auch nicht zur Schaffung einer auf einen speziellen Anwendungsfall ausgerichteten Fugenplatte angeregt. Die Nk13 führt eher weg von der dem Streitpatent zugrundeliegenden Lehre, wonach Bewehrungsstäbe bereits ab Werk in den Isolierkörper eingelassen und darin fixiert sein sollen.
Auch aus der Offenlegungsschrift DE 40 33 505 A1 (NK2) ergibt sich für den Fachmann – wie bereits ausgeführt - keine Anregung zur Anbringung einer Leiste, die in der vom Streitpatent vorgeschlagenen Weise der Fixierung der Bewehrungsstäbe dient (s. o. II. 1. b) aa)). Aus dieser Schrift ist dem Fachmann zwar ein Isolierkörper mit integrierten metallischen Bewehrungsstäben bekannt. Jedoch weist dieser Isolierkörper keine Leiste auf, die eine Fixierung der Bewehrungsstäbe in der Weise erlaubt, dass sie in keiner Richtung verschoben werden können.
Dass die Ausgestaltung gemäß Merkmal 1.3.3 keine Selbstverständlichkeit oder eine dem Fachmann allein auf Grund seines Fachwissens geläufige Maßnahme darstellt, zeigt gerade das in NK2 offenbarte Bauelement, bei dem die Ausrichtung der integrierten Bewehrungsstäbe und der zwischen ihnen erforderliche Abstand gegebenenfalls durch zusätzliche, die Bewehrungsstäbe verbindende und parallel zum Isolierkörper verlaufende Stäbe sichergestellt werden muss.
2. Die mit der Klage ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2, 4, 6 und 9 werden vom Patentanspruch 1 mitgetragen. Die Klage war somit insgesamt abzuweisen, ohne dass es auf den Hilfsantrag der Beklagten angekommen wäre.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Rauch Hildebrandt Dr. Kober-Dehm Küest Richter prö