AnwZ (Brfg) 23/25
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 23/25 BESCHLUSS vom
18. August 2025 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache ECLI:DE:BGH:2025:180825BANWZ.BRFG.23.25.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richterinnen Dr. Liebert und Ettl sowie die Rechtsanwälte Dr. Lauer und Prof. Dr. Schmittmann am 18. August 2025 beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2025 wird abgelehnt. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe: I.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2024 widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Eingabe vom 21. Februar 2025, die der Senat als einen - allein statthaften - Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs auslegt.
II.
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen insoweit nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. November 2024 - AnwZ (Brfg) 38/24, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. November 2024 - AnwZ (Brfg) 38/24, aaO).
Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen hat.
a) Das Vorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass er sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 4 mwN) in Vermögensverfall befunden hat.
aa) Nach den unangegriffenen Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs bestand zu diesem Zeitpunkt eine Eintragung des Klägers in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 882b ZPO) wegen einer Forderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Höhe von 76.859,22 €.
Zutreffend ist der Anwaltsgerichtshof davon ausgegangen, dass der Vermögensverfall des Klägers deshalb gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerlegbar vermutet wird. Das Vorbringen des Klägers begründet hieran keine ernstlichen Zweifel. Die Vermutung kommt zwar dann nicht zur Geltung, wenn die der Eintragung zugrundeliegende Forderung bereits im Zeitpunkt des Widerrufs nicht oder nicht mehr bestand (vgl. Senat, Urteil vom 3. Mai 2021 - AnwZ (Brfg) 63/18, juris Rn. 38; Beschluss vom 13. Dezember 2024 - AnwZ (Brfg) 29/24, juris Rn. 8; jeweils mwN). Dies hat der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Kläger jedoch weder schlüssig dargetan noch belegt.
Er hat nicht vorgebracht, dass der Titel des Versorgungswerks, der der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegt, nicht existiert. Seinen innerhalb der Antragsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gehaltenen Vortrag, dass Beitragsrückstände aufgrund der seit März 2016 arbeitgeberseitig im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses ordnungsgemäß und durchgehend abgeführten monatlichen Sozialbeiträge nicht entstanden sein könnten, hat er jedenfalls nicht belegt. Ohnehin geht der Senat in ständiger Rechtsprechung von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus. Diese werden im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Fehler sind vielmehr in dem jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen, nicht jedoch im Widerrufsverfahren (vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 6/22, juris Rn. 10 mwN).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem am 12. August 2025 bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangenen und von diesem an demselben Tag an den Bundesgerichtshof weitergeleiteten, auf den 5. Mai 2025 datierten Schriftsatz, in dem der Kläger unter Vorlage einer korrigierten Beitragsübersicht des Versorgungswerks vom 10. April 2025 vorgetragen hat, dass das Versorgungswerk seine Forderung auf Grund eines von ihm gestellten Antrags auf Niederschlagung auf ein Minimum reduziert habe. Zum einen ist diese neue Begründung des Zulassungsantrags außerhalb der Antragsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO von zwei Monaten nach der am 27. März 2025 erfolgten Zustellung des vollständigen Urteils des Anwaltsgerichtshofs an den Kläger eingegangen und damit nicht mehr berücksichtigungsfähig. Zum anderen ist der Vortrag unerheblich. Zwar dürfte die Forderung des Versorgungswerks, die der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegt, demnach zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung nicht (mehr) in der titulierten Höhe bestanden haben. Aus dem Vorbringen des Klägers, der von einer "auf ein Minimum" reduzierten Forderung spricht, und den vorgelegten Unterlagen, die ein Sollsaldo des korrigierten Beitragskontos und damit eine bestehende offene Forderung gegen den Kläger auch für das Jahr 2024 ausweisen (Sollsaldo zum 31. Dezember 2023 von 265,20 € und Saldovortrag aus 2024 zum 1. Januar 2025 von 394,35 €), ergibt sich jedoch nicht, dass die der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrundeliegende Forderung im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids in ihrer gesamten Höhe nicht bestand. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers zur Reduzierung der Beitragsforderung des Versorgungswerks greift somit die Vermutungswirkung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ein. Eine - nunmehr auf Grund der reduzierten Höhe erleichterte - Begleichung der Restforderung wäre im Rahmen eines Wiederzulassungsverfahrens zu berücksichtigen.
bb) Zur Widerlegung des nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu vermutenden Eintritts des Vermögensverfalls muss der Rechtsanwalt ein auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bezogenes vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen sowie belegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet waren (vgl. nur Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - AnwZ (Brfg) 22/22, ZinsO 2023, 612 Rn. 13 mwN).
Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof festgestellt, dass entsprechender Vortrag nicht vorliegt. Ein solcher ist auch in der Antragsbegründung nicht erfolgt.
b) Das Vorbringen des Klägers begründet auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vorliegt.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen
(vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Februar 2024 - AnwZ (Brfg) 41/23, juris Rn. 18).
Zutreffend ist der Anwaltsgerichtshof davon ausgegangen, dass der Klä- ger die Voraussetzungen dafür, dass ausnahmsweise eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden zu verneinen ist, nicht prüfbar dargetan und belegt hat. Zwar hat er behauptet, dass er weiterhin unter unveränderten Bedingungen im Angestelltenverhältnis für die Kanzlei P.
tätig sei. Dies hat er indes - trotz Aufforderung hierzu bereits im Verwaltungsverfahren - nicht belegt.
Auch ist er in seiner Begründung des Zulassungsantrags den Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs, weshalb sich Zweifel an dem unveränderten Fortbestand des Anstellungsverhältnisses ergeben, nicht entgegengetreten.
2. Dem Anwaltsgerichtshof ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, der Anwaltsgerichtshof habe sein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem er am 14. Februar 2025 in seiner Abwesenheit verhandelt und anschließend die Klage abgewiesen habe, obwohl der Kläger einen begründeten Verlegungsantrag gestellt habe. Ein Verfahrensfehler liegt insoweit nicht vor. Vielmehr ist es nicht zu beanstanden, dass der Anwaltsgerichtshof in Abwesenheit des Klägers, der auf diese Möglichkeit bereits mit der Ladung hingewiesen worden war, verhandelt hat.
Nach § 227 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 112c Abs. 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO ist Voraussetzung einer Terminverlegung, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht unterbreitet wird. Dies war hier nicht der Fall.
a) Der Kläger hat in seinem Verlegungsantrag vom 14. Februar 2025 bereits seine Verhandlungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, so dass eine Verlegung wegen der dort behaupteten Erkrankung nicht geboten war.
Eine Partei ist bei einem mit einer Erkrankung begründeten Verlegungsantrag verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und durch Vorlage eines substantiierten ärztlichen Attests zu untermauern, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen vermag (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Februar 2025 - AnwZ (Brfg) 40/24, juris Rn. 13 mwN). Diesen Anforderungen hat der Kläger mit seinem am Verhandlungstag bei Gericht eingegangenen Verlegungsantrag nicht genügt. Der Kläger hat dort lediglich behauptet, arbeits- und verhandlungsunfähig erkrankt zu sein. Schon dieses Vorbringen erfüllte die oben genannten Anforderungen an einen begründeten Verlegungsantrag nicht. Es fehlt jede prüfbare Angabe, die dem Anwaltsgerichtshof die Beurteilung der Verhandlungsunfähigkeit ermöglichte. Überdies hat er seine Behauptung auch nicht - wie erforderlich - belegt. Ein ärztliches Attest war dem Antrag nicht beigefügt, sondern wurde erst mit der Rechtsmittelbegründung nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils vorgelegt.
b) Eine Gehörsverletzung durch die Ablehnung des Verlegungsantrags und die Verhandlung und Entscheidung in Abwesenheit des Klägers scheidet zudem - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - auch deshalb aus, weil der Kläger anwaltlich vertreten war und nicht dargetan hat, dass und aus welchen Gründen auch sein Prozessbevollmächtigter an der Teilnahme am Termin verhindert war oder dass ausnahmsweise ein gewichtiger Grund gegeben war, der seine persönliche Anwesenheit erforderte. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich vertretenen Partei nicht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. Februar 2025 - AnwZ (Brfg) 40/24, juris Rn. 17; vom 30. Juli 2024 - AnwZ (Brfg) 48/23, juris Rn. 10). Die Verhinderung eines durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten ist deshalb in der Regel kein Grund für eine Terminverlegung, wenn nicht substantiiert gewichtige Gründe vorgetragen werden, weshalb die persönliche Anwesenheit des Betroffenen erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juli 2024 - AnwZ (Brfg) 48/23, aaO). Derartige Gründe sind nicht dargetan.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Guhling Lauer Liebert Schmittmann Ettl Vorinstanzen: AGH Hamm, Entscheidung vom 14.02.2025 - 1 AGH 45/24 -