2 StR 453/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 453/23 URTEIL vom 3. Juli 2024 in der Strafsache gegen wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ECLI:DE:BGH:2024:030724U2STR453.23.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juli 2024, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges,
die Richter am Bundesgerichtshof Meyberg, Dr. Grube, Schmidt, Dr. Zimmermann,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
– in der Verhandlung –
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17. November 2022, soweit es den Angeklagten M. betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 140.000 Euro angeordnet. Hinsichtlich des Vorwurfs der Steuerhinterziehung hat es das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Den Mitangeklagten H.
hat das Landgericht (rechtskräftig) freigesprochen.
2 Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die unterbliebene tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue und beanstandet die Strafzumessung.
I.
Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Angeklagte war seit 2002 Leiter der Abteilung Technik der G. eG (G. ), die Mietwohnungen im Bonner Stadtgebiet vermietet und verwaltet. Die Abteilung Technik war für die Instandhaltung und den Ausbau der Wohnungen zuständig. Aufgabe des Angeklagten war dabei hauptsächlich, das alltägliche „kurzfristige“ Geschäft um die Bestandsimmobilien abzuwickeln, was insbesondere Mängelbeseitigung, Sanierung und Modernisierung betraf. Er war insofern Ansprechpartner der Mieter, die Beschädigungen und Mängel meldeten, sowie der eingesetzten externen Handwerker, welche die G. mangels eigener Kräfte zur Abwicklung anfallender Arbeiten beauftragte. Ihm oblag dabei die Auswahl der Handwerksbetriebe. Dazu hielt die G. Listen von Handwerksbetrieben vor, mit denen man bereits zusammengearbeitet und gute Erfahrungen gemacht hatte. Dem Angeklagten stand es indessen frei, wen er beauftragte. Darüber hinaus hatte er die Durchführung der Arbeiten zu beaufsichtigen bzw. zu kontrollieren und im Anschluss die Rechnungen auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen. Zum Aufgabenkreis des Angeklagten gehörte außerdem das „langfristige“ Geschäft mit Wohnungen, das größere Baumaßnahmen bis hin zum Neubau betraf, im Tatzeitraum aber insbesondere Modernisierungen und Erweiterungen von Bestandsimmobilien.
5 Mit Renovierungs-, Sanierungs- und Umbaumaßnahmen für den Wohnbestand der G. wurde ab dem Jahr 2009/2010 zunehmend die R GmbH (im Folgenden R ) beauftragt, deren alleiniger Geschäftsführer der Zeuge Rö. war. Im Jahr 2009, spätestens aber 2010, einigte sich der Angeklagte mit Rö. darauf, die Aufträge an die R gegen Zahlung von Bargeld zu vergeben. Auf welche Höhe sich die zu zahlenden Beträge belaufen sollten bzw. woran sich diese orientierten, war nicht festzustellen. Spätestens ab dem Jahr 2011 hatte sich die Zahlungsabwicklung dergestalt etabliert, dass die R zunächst ihre Rechnungen für durchgeführte Aufträge an die G. stellte, wo sie geprüft und zur Zahlung freigegeben wurden. Nach der Freigabe wandte sich der Angeklagte an Rö. , kündigte die Zahlungen an und nannte einen Betrag, den Rö. nach Zahlungseingang bei der R an ihn in bar übergeben sollte. Die Höhe der zu zahlenden Beträge war davon abhängig, wie hoch die Rechnungen waren bzw. wie viele Aufträge die R erhalten hatte bzw. sollte und von welchem Umfang diese waren, ohne dass Näheres zur konkreten Bemessung der Zahlungen festgestellt werden konnte.
Die zu zahlenden Bestechungsgelder hob Rö. von den Geschäftskonten der R , vereinzelt auch von seinen privaten Konten, ab und händigte sie dem Angeklagten einmal oder mehrfach monatlich – je nach dem Stand der Abwicklungen der Aufträge und der Rechnungsstellungen bzw. Zahlungen – jeweils in bar aus. Bei wie vielen Gelegenheiten genau und in welcher Höhe Rö. dem Angeklagten in den Jahren 2011 bis 2014 aufgrund ihrer Vereinbarung Bargeld übergab, konnte die Strafkammer nicht feststellen. Insgesamt erhielt der Angeklagte von Rö. in den Jahren 2011 bis 2014 Schmiergelder in einer Gesamthöhe von mindestens 143.298 Euro. Diese Einkünfte verschwieg er dem Finanzamt. Im Zuge des zwischen Rö. und dem Angeklagten praktizierten Schmiergeldsystems stieg in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum das Auftragsvolumen der R bei der G. bis einschließlich 2013 stetig an. Durch Erweiterung ihrer Angebotspalette auf weitere Gewerke und Einstellung neuer Mitarbeiter konnte sie die meisten bei Wohnungssanierungen der G. anfallenden Aufgaben übernehmen, so dass die Aufträge der G. zeitweise bis zu 50 Prozent des Auftragsvolumens der R ausmachten. Neben den Sanierungen und Renovierungen einzelner Wohnungen übernahm die R auch zwei größere Bauaufträge des „langfristigen Wohnungsgeschäfts“ der G. , die Sanierungen von Mehrfamilienhäusern betrafen, mit einem Volumen von rund 3,4 Millionen Euro.
Nach Streitigkeiten mit dem Angeklagten beendete Rö. mer/Herbst 2014 das „System“ mit den Bestechungsgeldern.
im Spätsom-
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt als Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 StGB (in der Fassung vom 22. August 2002)
gewürdigt. Eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue gemäß § 266 StGB hat es mit der Begründung abgelehnt, die Beweisaufnahme habe keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Nachteils ergeben. Es habe weder festgestellt werden können, dass Rö. der G. in Absprache mit dem Angeklagten in Höhe der gezahlten Schmiergelder überhöhte Rechnungen ausgestellt habe, noch habe die Beweisaufnahme Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte bewusst Minder- oder Schlechtleistungen der R abgenommen habe.
II.
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Untreue gemäß § 266 StGB verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei der Vereinbarung von Schmiergeldern regelmäßig ein Nachteil i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB nahe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, juris Rn. 31). Dies beruht auf der Erwägung, dass jedenfalls mindestens der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder aufwendet, auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn des Empfängers hätte gewährt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NStZ 2006, 210, 213; vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 234/17, juris Rn. 39; Beschluss vom 2. Februar 2021 – 2 StR 155/20, juris Rn. 15). Eine Ausnahme gilt insbesondere dann, wenn Umstände erkennbar sind, die es nicht nahelegen, dass die Leistungen in die Kalkulation zu Lasten des Geschäftsherrn eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 13. März 2001 – 5 StR 454/00, juris Rn. 41; Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 332 f.; SSW-StGB/Saliger, 6. Aufl., § 266 Rn. 84 mwN).
Ein Nachteil i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB liegt danach vor, wenn ein Vermögensbetreuungspflichtiger die Erteilung eines Auftrags von der Zahlung eines Schmiergelds abhängig macht und der Vertragspartner dem Treugeber zur Finanzierung des Schmiergelds einen um diesen Betrag erhöhten Preis in Rechnung stellt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NStZ 2006, 210, 213; vom 10. Juli 2013 – 1 StR 532/12, NJW 2013, 3590, 3592). Gleiches gilt, wenn zwar ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht feststellbar ist, der Vertragspartner aber bereit gewesen wäre, seine Leistung auch zu einem um das Schmiergeld gekürzten Betrag zu erbringen und der Treupflichtige die konkrete und sichere Möglichkeit eines günstigeren Abschlusses nicht für seinen Geschäftsherrn realisiert hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Januar 1983 – 1 StR 820/81, NJW 1983, 1807, 1808; vom 29. Juni 2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864, 2867; Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 345/09, juris Rn. 20; MüKo-StGB/Dierlamm/Becker, 4. Aufl. § 266 Rn. 307 mwN).
b) Daran gemessen hat die Strafkammer zwar tragfähig ausgeschlossen, dass wegen der Schmiergeldzahlungen zwischen dem Angeklagten und Rö.
Preise vereinbart wurden, die den Wert der jeweiligen Gegenleistung überstiegen. Sie hat es jedoch rechtsfehlerhaft unterlassen, Feststellungen dazu zu treffen, ob die Aufträge an die R zu einem überhöhten Preis vergeben worden sind, obwohl die konkrete Möglichkeit des Abschlusses zu einem niedrigeren Preis bestanden hätte. Dass zu dieser Frage Feststellungen getroffen werden können, erscheint trotz der in der Beweiswürdigung beschriebenen widersprüchlichen Angaben des Zeugen Rö. nicht ausgeschlossen.
2. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil (§ 337 StPO). Er zieht die Aufhebung der für sich genommen rechtsfehlerfreien Verurteilung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach sich. Da die getroffenen Feststellungen vom Rechtsfehler nicht betroffen sind, können sie bestehen bleiben. Die vom neuen Tatgericht ergänzend zu treffenden Feststellungen dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Vorteil oder zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten ergeben. Auch die Strafzumessungserwägung des Landgerichts, die kriminelle Energie für das Steuerdelikt sei mit Blick auf das hohe Entdeckungsrisiko vergleichsweise niedrig einzustufen, ist entgegen der Auffassung der Revisionsführerin revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Anders als die Revisionsführerin meint, hat das Landgericht damit nicht die Reichweite des Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO verkannt. Denn gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 3 EStG, der die Offenbarungsbefugnis aus
§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b AO konkretisiert, sind die Finanzbehörden zur Weitergabe von Informationen über Schmiergeldzahlungen an die Staatsanwaltschaft verpflichtet.
Menges Schmidt Meyberg Zimmermann Grube Vorinstanz: Landgericht Bonn, 17.11.2022 - 27 KLs-430 Js 1285/16-9/21