Paragraphen in 6 StR 148/20
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 148/20 URTEIL vom 2. Dezember 2020 in der Strafsache gegen
1. 2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:021220U6STR148.20.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember 2020, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider als Vorsitzende,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Feilcke, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Richterin am Bundesgerichtshof von Schmettau als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt B. als Verteidiger des Angeklagten J. ,
Rechtsanwalt M. als Verteidiger des Angeklagten R.
,
Rechtsanwalt T. als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 17. Januar 2020 jeweils mit den zugehörigen Feststellungen im Fall 1.6 der Urteilsgründe sowie in den Aussprüchen über die jeweilige Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen - Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten J. im Fall 1.6 der Urteilsgründe der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl mit Waffen und die Angeklagten R.
sowie H. der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen. Aufgrund jeweils hinzutretender Straftaten hat es den Angeklagten J.
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten sowie die Angeklagten R.
und H. – beide unter Strafaussetzung zur Bewährung – zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. sieben Monaten verurteilt. Mit ihren hierauf beschränkten Revisionen erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen eines Raubdelikts sowie die Aufhebung der Gesamtstrafaussprüche. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
1. Das Landgericht hat zum Fall 1.6 der Urteilsgründe festgestellt:
Am 9. April 2019 begaben sich die Angeklagten zur Wohnung der S. und des G. . Der Angeklagte J. wollte G. dort durch körperliche Misshandlungen einen „Denkzettel verpassen“, weil dieser seiner Freundin eine mehrdeutige Nachricht hatte zukommen lassen. Die Mitangeklagten wollten ihn hierbei unterstützen.
Die Zeugin S. öffnete die Tür. Der Angeklagte Jäckel ging schnell an ihr vorbei auf G. zu und schrie: „Du blöde Fotze, was hast du meiner Freundin geschrieben?“ Dann schlug er ihm mit seinen mit Quarzhandschuhen überzogenen Fäusten ins Gesicht. Der Zeuge war schon aufgrund des ersten wuchtigen Schlags benommen und kippte zur Seite. Der Angeklagte J. stellte sich über ihn und schlug ihm mindestens fünfmal kräftig ins Gesicht.
Die Zeugin S. schrie laut, dass J. aufhören solle, und wollte dazwischengehen. Daran hinderte sie der Angeklagte R. , indem er sie festhielt und sie aufforderte, ruhig zu bleiben. Der Angeklagte H. stand dahinter, ohne in das Geschehen einzugreifen.
Der Angeklagte J. forderte vom weiterhin benommenen G. : „Her mit der Kohle.“ Eine auf dem Tisch stehende Geldkassette hob er an und schüttelte sie. Da sie leer war, stellte er sie wieder hin. „Unter Ausnutzung der von ihm herbeigeführten Lage“ nahm er ein Mobiltelefon im Wert von etwa 200 Euro und eine Bauchtasche im Wert von 10 Euro an sich, in der sich 350 Euro befanden.
Zumindest die Tasche und das Bargeld wollte er für sich behalten. Anschließend verließen die Angeklagten die Wohnung. Beim Weggehen sagte R. gin S. : „Denk dran, keine Polizei!“
zur Zeu-
2. Das Landgericht vermochte sich von einem Raubmotiv des Angeklagten J. bzw. einer finalen Verknüpfung der Gewalthandlungen mit der Wegnahme der Wertgegenstände ebenso wenig zu überzeugen wie davon, dass die Mitangeklagten die Wegnahme wahrnahmen und billigten.
3. Die Beweiswürdigung hält auch eingedenk des hierbei beschränkten revisionsgerichtlichen Beurteilungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand; sie ist in mehrfacher Hinsicht lückenhaft (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387; Beschluss vom 14. März 2012 – 5 StR 8/12, NStZ-RR 2013, 21, 22).
a) Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass sich das Landgericht bei seinen Wertungen nicht hinreichend mit dem äußeren Geschehen auseinandergesetzt hat. Die Tat ist nach den Feststellungen rasch abgelaufen. Den Faustschlägen folgten unmittelbar die Forderung nach Geld und die Wegnahme des Mobiltelefons sowie der Tasche mit Bargeld. Den Urteilsgründen ist dabei kein Umstand zu entnehmen, der darauf hindeutet, dass der Angeklagte J. erst nach Beendigung der Faustschläge – einer plötzlichen Eingebung folgend – den Entschluss gefasst haben könnte, die Situation für die Wegnahme von Wertgegenständen auszunutzen.
Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der Einlassung des Angeklagten selbst. Dieser hat sich nicht etwa auf den durch die Strafkammer unterstellten Wechsel seiner Motivation berufen. Er ließ vielmehr in einer Verteidigererklärung in Abrede stellen, überhaupt etwas weggenommen zu haben. Soweit ihm das Landgericht seine weitere Behauptung geglaubt hat, es sei ihm um einen „Denkzettel“ gegenüber dem Zeugen G.
gegangen, stünde dies der Verfolgung finanzieller Interessen schon grundsätzlich nicht entgegen. Vorliegend kommt hinzu, dass der Angeklagte im Zuge der Tat tatsächlich Wertgegenstände wegnahm.
b) Ferner hat das Landgericht den während der Tat durch den Angeklagten R.
geleisteten aktiven Beitrag nicht gewürdigt. Dieser Angeklagte hat die Zeugin S. festgehalten, um deren „Dazwischengehen“ zu verhindern. Es stellt einen Erörterungsmangel dar, dass das Landgericht nicht dargelegt hat, ob die gegenüber der Zeugin hierdurch verübte, jedoch von ihm rechtsfehlerhaft nicht ausgeurteilte Nötigung – worauf die Feststellungen hindeuten – im Zeitpunkt der Wegnahmehandlungen des Angeklagten J. noch andauerte. Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts kann gegebenenfalls Gewalt zum Zweck der Wegnahme (auch) deswegen zu bejahen sein (vgl.
MüKo-StGB/Sander, 3. Aufl., § 249 Rn. 17 mwN).
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die in diesem Zusammenhang erfolgte Feststellung des Landgerichts, die Mitangeklagten hätten die Wegnahmehandlungen des Angeklagten J. nicht „mitbekommen“.
Nach deren Einlassungen haben beide die Gewalttaten dieses Angeklagten beobachtet. Es erschließt sich ohne nähere Erläuterung nicht, aus welchem Grund den in demselben überschaubaren Raum befindlichen Mitangeklagten die unmittelbar darauf folgenden weiteren Einzelakte (Ausruf „Geld her“, Schütteln der Kassette, Wegnahme des Beutels) verborgen geblieben sein könnten. Dass sich der Angeklagte J. „der – wenn auch nur psychischen – Unterstützung der Mitangeklagten R.
und H. sicher sein“ konnte, hat das Landgericht festgestellt (UA S. 29).
4. Aufgrund der genannten Rechtsfehler ist zugleich den Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung (Angeklagter J. ) und der Beihilfe hierzu
(Angeklagte R.
und H. ) die Grundlage entzogen. Der Wegfall der im Fall 1.6 ausgeurteilten Strafen bedingt die Aufhebung der gegen die Angeklagten verhängten Gesamtstrafen. Der Senat hebt auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Die Sache bedarf daher zu Fall 1.6 der Urteilsgründe insgesamt nochmaliger Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird auch zu erörtern sein, ob beim Angeklagten R.
im Blick auf dessen gewaltsamen Beitrag (Mit-)Täterschaft in Betracht kommt.
Schneider König Feilcke Tiemann von Schmettau Vorinstanz: Schwerin, LG, 17.01.2020 - 121 Js 10032/19 34 KLs 16/19
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