Paragraphen in 17 W (pat) 23/14
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 23/14
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2009 044 606.0 - 53 …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann BPatG 152 08.05 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. März 2014 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 15, Beschreibung Seiten 1 bis 11 und Bezugszeichenliste Seite 12 jeweils vom 11. September 2014, eingegangen am 12. September 2014,
sowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 vom 20. November 2009 (Anmeldetag).
Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 20. November 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt inzwischen die Bezeichnung:
„Tastatur“.
Die Anmeldung war durch den Senatsbeschluss 17 W (pat) 9/12 vom 25. Oktober 2012 nach einer ersten Anmelder-Beschwerde an die Prüfungsstelle zurückverwiesen worden, weil einige i. W. auf Grundlage von Passagen aus der Beschreibung neu formulierte Anspruchsmerkmale zuvor nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens gewesen waren. Die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts hat daraufhin eine weitere Druckschrift (s. u. D9)
ermittelt und die Anmeldung durch Beschluss vom 26. März 2014 erneut zurückgewiesen mit der Begründung, dass im Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 insbesondere im Hinblick auf diese neue Entgegenhaltung D9 eine patentbegründende Erfindung nicht gesehen werden könne. Alltagswissen sei den bekannten Entgegenhaltungen D2 und D3 entnehmbar; für die Stellungnahme der Prüfungsstelle zur anmelderseitigen Argumentation sei ferner eventuell die Druckschrift D10 anschaulich.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde des Anmelders gerichtet. Er hat sein Patentbegehren im Beschwerdeverfahren weiter konkretisiert und klargestellt und die Beschreibung angepasst. Nunmehr stellt er (sinngemäß, siehe Beschwerdeschriftsatz vom 22. April 2014 und Eingabe vom 11. September 2014) den Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 15,
Beschreibung Seiten 1 bis 11 und Bezugszeichenliste Seite 12 jeweils vom 11. September 2014, eingegangen am 12. September 2014,
sowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 vom 20. November 2009 (Anmeldetag).
Das geltende Patentbegehren, hier bezüglich des Hauptanspruchs mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:
„ 1. Tastatur
(a) mit einem Gehäuse, welches einen transparenten Tastenblock bestehend aus einer Mehrzahl transparenter Tasten (1) und ein darunter angeordnetes plattenförmiges elektronisches Displaymodul (3) aufweist, welches den Tasten (1) des Tastenblocks zugeordnete Funktionen innerhalb eines der jeweiligen Taste zugeordneten Bereichs des Displaymoduls (3) mithilfe von unter der jeweiligen Taste (1) dargestellten Zeichen (5) anzeigt,
dadurch gekennzeichnet, dass
(b) - das Displaymodul (3) mittels einer im Gehäuse zwischen einem Gehäuseboden (4) und einem unterseitig des transparenten Tastenblocks mit diesem verbundenen Kontaktmodul (2) freigehaltenen Aufnahme zum Einschieben des Displaymoduls (3) lösbar und von einem Benutzer austauschbar mit dem Gehäuse verbunden ist,
(c) wobei das Gehäuse eines aus einer Mehrzahl unterschiedlicher Gehäuse für unterschiedliche Tastaturen ist, die derart ausgebildet sind, dass ein- und dasselbe Displaymodul (3) in sie einsetzbar ist, und
(d) - den unterschiedlichen Gehäusen jeweils ein Klassifikationsmodul (9) zugeordnet ist, welches Informationen speichert, aus welchen sich für das jeweilige Gehäuse die Darstellung einer Tastenbelegung und die Bereichsgröße der einzelnen Tasten (1) ableiten lassen, und
(e) - das Klassifikationsmodul (9) mit einer Steuereinheit (8) kommuniziert, welche Befehle zur Darstellung der Tastenbelegung und Bereichsgröße der einzelnen Tasten (1) gemäß den in dem Klassifikationsmodul (9) gespeicherten Informationen an das Displaymodul (3) weitergibt.
2. Tastatur gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Tastenblock auf dem Kontaktmodul (2) aufgesetzt ist, wobei die einzelnen Tasten (1) über eine Federung der Tasten (1) realisierende Kontaktschalter (7) mit dem Kontaktmodul (2) verbunden sind.
3. Tastatur gemäß Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kontaktschalter (7) in Silikon gekapselt sind.
4. Tastatur gemäß Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen Tasten (1) ausschließlich entlang ihrer Tastenränder mit dem Kontaktmodul (2) verbunden sind.
5. Tastatur gemäß einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Kontaktmodul (2) als bereichsweise transparente, definierte Bereiche des darunterliegenden Displaymoduls (3) freigebende Platte ausgebildet ist.
6. Tastatur gemäß einem der Ansprüche 2 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Kontaktmodul (2) über ein Anschlussmodul (10) mit der Steuereinheit (8) datenverbunden ist, welche Informationen über die Betätigung von Tasten (1) des Tastenblocks vom Kontaktmodul (2) empfängt und an ein System weiterleitet, an das die Tastatur als Eingabevorrichtung angeschlossen ist.
7. Tastatur gemäß Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass dem Anschlussmodul (10) Anschlussmittel zur Erweiterung der Funktionalität durch zusätzliche Geräte anverbindbar sind.
8. Tastatur gemäß Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Anschlussmitteln um Anschlussmittel für einen zweiten Nummernblock oder USB-Anschlussmittel (11) handelt.
9. Tastatur gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, bei welcher entweder das Kontaktmodul (2) als Gehäusedeckel fungiert oder ein zumindest bereichsweise transparenter Gehäusedeckel aufgesetzt ist.
10. Tastatur gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinheit (8) bei einem Tastendruck und/oder bei Anforderungen aus einem mit der Tastatur verbundenen System prüft, ob sich die Funktion der Tasten (1) dadurch ändern soll, und in diesem Fall das Displaymodul (3) zur Darstellung eines diese geänderte Funktion repräsentierenden Zeichens (5) in dem der betroffenen Taste (1) zugeordneten Bereich des Displaymoduls (3) angesteuert wird.
11. Tastatur gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine Computertastatur handelt, wobei das Kontaktmodul (2) einen Anzeigebereich (13) des Displaymoduls (3) freigibt und Tasten (1) des Tastenblocks als Taschenrechner einsetzbar sind, dessen Operationen auf dem genannten Anzeigebereich (13) des Displaymoduls (3) dargestellt werden.
12. Tastatur gemäß Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Anzeigebereich (13) im Bereich eines im Tastenblock enthaltenen Nummernblocks (12) angeordnet ist.
13. Tastatur gemäß Anspruch 11 oder 12, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest die als Taschenrechner verwendeten Tasten (1) des Tastenblocks eine von dem Betrieb des Computers unabhängig zur Verfügung stehende Energieversorgung aufweisen.
14. Tastatur gemäß Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die unabhängig zur Verfügung stehende Energieversorgung über einen auch bei abgeschaltetem Computer versorgten USB-Anschluss erfolgt.
15. Tastatur gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die transparenten Oberflächen der Tasten (1) des Tastenblocks zur Ausbildung eines optischen Effekts, um die Sichtbarkeit für den Benutzer zu verbessern, ausgebildet sind.“
Dem Patentbegehren soll die Aufgabe zugrunde liegen, eine Tastatur zu schaffen, welche in hohem Maße an die Bedürfnisse des Benutzers anpassbar und zugleich kostengünstig ist (siehe geltende Beschreibung Seite 3 Absatz 4).
II.
Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat Erfolg, da das nunmehr geltende Patentbegehren durch den bekannt gewordenen Stand der Technik nicht vorweggenommen oder nahegelegt ist und auch die übrigen Kriterien für eine Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5, § 34).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft nunmehr eine Tastatur, bei welcher die Tastenbelegung geändert und die jeweilig zugeordnete Tastenfunktion auf der Taste angezeigt werden kann.
Das geltende, eingeschränkte Patentbegehren geht aus von einem Stand der Technik, bei dem für die Anzeige der Tastenfunktion ein elektronisch ansteuerbarer Bildschirm („Display“) vorgesehen ist, über welchem ein Tastenblock mit einer Mehrzahl transparenter Tasten angeordnet ist. Die Tasten geben beim Niederdrücken ein Schaltsignal. Eine Steuerschaltung ordnet dem Schaltsignal die jeweilige Tastenposition zu und erzeugt einen Tastencode, welcher der vom Bildschirm unter der gedrückten Taste angezeigten Tastenfunktion entspricht.
Der Anmelder hatte in der mündlichen Verhandlung zu 17 W (pat) 9/12 vor dem Senat erläutert, dass der Bildschirm in einer solchen Gerätekombination die teuerste Baugruppe darstelle. Die Anmeldung schlägt deshalb vor, diesen Bildschirm als austauschbares Modul auszulegen, wobei ein- und dasselbe Displaymodul in verschiedene Arten von Tastaturen, d. h. in unterschiedliche Tastatur-Gehäuse eingesetzt werden kann. So kann mit einem Displaymodul nur durch Einschub in ein anderes Gehäuse eine Computertastatur, eine Klaviertastatur oder eine Spezialtastatur für Steuergeräte, medizinische Apparate etc. entstehen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0018] erste Hälfte, Absatz [0031]). Dabei wird die Anzeige automatisch an das jeweilige Gehäuse angepasst; hierfür ist jedem der unterschiedlichen Gehäuse ein Klassifikationsmodul zugeordnet, welches Informationen speichert, aus denen sich die für das jeweilige Gehäuse gewünschte Tastenanzeige ableiten lässt (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0018] zweite Hälfte, Absatz [0034]).
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine Tastatur kostengünstig an die Bedürfnisse des Benutzers anzupassen, ist ein Entwicklungsingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich von Tastaturen anzusehen.
2. Das geltende Patentbegehren ist zulässig. Die Patentansprüche und die überarbeitete Beschreibung bleiben innerhalb des Rahmens der ursprünglichen Offenbarung. Auch andere Mängel liegen nicht vor.
2.1 Die wesentlichen Unterschiede zur vormals geltenden Anspruchsfassung (gemäß Senatsbeschluss 17 W (pat) 9/12, identisch mit dem „Hauptantrag“ des Beschwerdeschriftsatzes - die im Zurückweisungsbeschluss abgewiesene Anspruchsfassung ist durch ein paar geringfügige Ergänzungen in den kennzeichnenden Merkmalen noch weiter eingeschränkt) werden vom Anmelder in seiner Eingabe vom 11. September 2014, auf die hier ausdrücklich Bezug genommen wird, erläutert und ihre ursprüngliche Offenbarung nachgewiesen.
Insbesondere
- wurde im Hauptanspruch klargestellt, dass es sich um ein „elektronisches“ Displaymodul handeln soll (basierend etwa auf der ursprünglichen Beschreibung Seite 7 letzter Absatz / Seite 8 Absatz 1) - zur Abgrenzung gegenüber einem lediglich fest bedruckten Materialstreifen, der im Englischen ebenfalls als „display“ bezeichnet werden kann;
- wurde der Begriff „lösbar“ in Merkmal (b) dahingehend ergänzt, dass das Displaymodul „von einem Benutzer austauschbar“ sein soll (basierend etwa auf der ursprünglichen Beschreibung Seite 11 letzter Absatz, insbesondere
„entnehmbar“) - zur Klarstellung, dass eine Lösbarkeit mit wenigen Handgriffen und i. W. ohne besonderes Werkzeug gemeint ist, nicht hingegen die von der Prüfungsstelle postulierte Auswechselbarkeit z. B. durch Auslöten eines defekten Display-Moduls in einer Reparaturwerkstatt;
- wurde Merkmal (c) basierend auf der ursprünglichen Beschreibung Seite 7 letzter Absatz / Seite 8 Absatz 1 sowie Seite 11 letzter Absatz umformuliert, um deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um eine beanspruchte Eigenschaft des Gehäuses der beanspruchten Tastatur handelt;
- wurden die Unteransprüche 3, 8, 12 und 14 ergänzt. Sie gehen zurück auf fakultative Merkmale, die aus den Unteransprüchen 2, 14, 12 und 13 der ursprünglichen Anmeldung gestrichen wurden.
2.2 Die Patentansprüche sind geeignet, klar und deutlich anzugeben, was durch sie unter Schutz gestellt werden soll. Die beanspruchte Lehre ist auch zweifelsfrei ausführbar.
2.2.1 Dabei ist Merkmal (e) genau wörtlich dahingehend zu interpretieren, dass die Steuereinheit (8) „Befehle zur Darstellung der Tastenbelegung und Bereichsgröße der einzelnen Tasten (1) gemäß den in dem Klassifikationsmodul (9) gespeicherten Informationen an das Displaymodul (3) weitergibt“. D. h. dass die Steuereinheit (8) die gesamte Darstellung, insbesondere auch die Tastenbelegungsanzeige, steuert - und zwar aufgrund der Informationen aus dem Klassifikationsmodul (sei es als direkte Information, wenn diese Daten unmittelbar im Klassifikationsmodul gespeichert sind, oder auch in Form eines „Zugriffscodes“, der z. B. eine Referenz, einen Zeiger auf die erforderlichen Daten darstellt). Dies ist in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 8 Absatz 1 und Seite 13 Absatz 1 erläutert.
Die Prüfungsstelle hat im Zurückweisungsbeschluss (Seite 6 untere Hälfte) diesbezüglich ausgeführt: „Falls anmelderseitig gefordert würde, dass die Patentan- spruch 1-Formulierung betreffend die Aspekte (4) [Anm.: damit ist Merkmal (e) gemeint] wörtlich und im Widerspruch zu der Beschreibung zu interpretieren sei, bestünde der Mangel, dass diese … Formulierung ursprünglich nicht offenbart ist.“ Die Prüfungsstelle interpretiert das Merkmal anscheinend dahingehend, dass die mit der Eingabevorrichtung bediente Software eine Anpassung der Anzeige der Tastenbelegung fordere, dass jedoch der Benutzer (dann?) die Tastenbelegung steuere.
Weder ist nachvollziehbar, worauf sich diese Auslegung stützt, noch kann der Senat für die oben gegebene wörtliche Interpretation das Fehlen der ursprünglichen Offenbarung erkennen.
2.2.2 Auf Seite 12 Mitte ihres Beschlusses hat die Prüfungsstelle zum Ausdruck gebracht, dass es der Öffentlichkeit unmöglich gemacht werde, den Schutzbereich des Patentbegehrens genau zu bestimmen, da der Begriff „Mehrzahl“ (in Merkmal (a): „bestehend aus einer Mehrzahl transparenter Tasten“) im Patentwesen zuweilen mit einer falschen Bedeutung verwendet werde.
Diese Beurteilung ist nicht nachvollziehbar.
Zwar geht die Prüfungsstelle zu Recht davon aus, dass im Erteilungsverfahren für Patentansprüche zu sorgen ist, die die unter Schutz gestellte Erfindung klar und deutlich umschreiben (BGH GRUR 1988, 757 - Düngerstreuer, Abschnitt V) und geeignet sind, den Anmeldungsgegenstand eindeutig zu kennzeichnen und vom Stand der Technik abzugrenzen (BGH GRUR 1979, 461 - Farbbildröhre, II. 2d). Der Schutzbereich muss, ggf. unter Auslegung mittels der Beschreibung, so klar und eindeutig definiert sein, dass er „für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist” (BGH GRUR 1989, 903 - Batteriekastenschnur). Die Beseitigung vermeidbarer Unklarheiten hat im Prüfungsverfahren zu erfolgen (BGH GRUR 2013, 1210 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
Allerdings richtet sich die Lehre eines Patents bzw. einer Patentanmeldung an den Fachmann. Maßgeblich ist, welche technische Information diesem aus der Gesamtheit der Unterlagen offenbart wird (vgl. BGH GRUR 2009, 382 - Olanzapin); der Fachmann ermittelt die beanspruchte Lehre nicht aus der Sicht des Semantikers (BGH GRUR 1998, 1003 - Leuchtstoff)! Insoweit ist nicht eine mögliche Begriffsdefinition des „Duden“ oder eine rein theoretisch denkbare Möglichkeit zur Fehlinterpretation entscheidend, sondern die Frage, wie der hier zuständige Fachmann die gegebene Lehre in Zusammenschau mit Beschreibung und Zeichnungen verstehen wird.
Im Patentwesen ist der Begriff „Mehrzahl“ allgemein gebräuchlich (wie eine einfache Recherche in deutschen Patentansprüchen zeigt) und hat i. d. R. die Bedeutung „mehrere“, „viele“, manchmal ausgeweitet auf „mehr als ein(e)“. Genau das ist auch im vorliegenden Fall gemeint, wie sich zweifelsfrei aus Beschreibung und Zeichnungen ergibt. Es ist kein Grund erkennbar, warum der Ausdruck „eine Mehrzahl von Tasten“ hier das Bestimmen des Schutzbereichs unmöglich machen sollte.
2.3 Die Beschreibung wurde unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Standes der Technik in zulässiger Weise daran angepasst, wobei Beschreibungsteile von solchen Ausführungsformen gestrichen wurden, die nicht mehr unter die Patentansprüche fallen.
3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist durch den bekannt gewordenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt.
Folgende Druckschriften wurden im Laufe des Verfahrens berücksichtigt:
D1 DE 40 17 897 C1 D2 US 4 633 227 D3 DE 690 26 770 T2 D4 DE 20 2007 003 179 U1 D5 DE 196 42 267 A1 D6 DE 199 39 631 A1 D7 DE 103 51 018 A1 D8 US 2003 / 128 191 A1 D9 DE 295 02 204 U1 D10 Wikipedia: 19-inch-Rack. Version vom 10.11.2009
(http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=19-inch_rack &oldid=325096577)
3.1 Die Druckschriften D1 bis D8 sind bereits im vorangegangenen Beschluss 17 W (pat) 9/12 vom 25. Oktober 2012 berücksichtigt und als dem damaligen Hauptanspruch nicht entgegenstehend beurteilt worden. Dies gilt erst recht für den nunmehr vorliegenden, weiter klargestellten Hauptanspruch.
Kurz hingewiesen werden soll hier auf die Druckschriften D5 und D6. D5 beschreibt einen mobilen Rechner, bei welchem das Display abnehmbar ist. In Verbindung mit Bild Nr. 9 (letzte Zeichnungsseite, Mitte) werden in Spalte 2 Zeile 52 ff. die Vorteile eines abnehmbaren Bildschirms beschrieben: dieser kann vielseitig genutzt werden als Funk-Uhr, Kalender, Wecker, elektronisches Notizblatt, Anzeigegerät für persönliche Bilder, Musikabspielgerät, Bildtelefon usw. D6 zeigt ein Bedienteil in Form eines berührungsempfindlichen Bildschirms für eine Multimediaeinheit eines Kraftfahrzeugs. Das Bedienteil ist abnehmbar, um einen Schutz gegen Diebstahl oder Benutzung durch Unbefugte zu gewährleisten (siehe z. B. Spalte 3 Zeile 41 ff.).
Wie jedoch im vorangegangenen Beschluss ausgeführt, gibt keine dieser Druckschriften eine Anregung, dass ein- und dasselbe Displaymodul in unterschiedliche, austauschbare Gehäuse einsetzbar sein sollte (jetzt Teil von Anspruchsmerkmal (c)). Auch fehlt jeder Bezug zur gehäusezugeordneten Speicherung von Informationen, aus welchen sich für das Displaymodul bei unterschiedlichen Gehäusen die jeweilige Darstellung der Tastenbelegung und die Bereichsgröße der einzelnen Tasten ableiten lassen (jetzt Merkmal (d) in Verbindung mit Merkmal (e)).
3.2 Im Zurückweisungsbeschluss (Seite 10 unten / Seite 11 oben) vertritt die Prüfungsstelle die Auffassung, die Druckschrift D3 zeige eine Tastatur mit austauschbarem Display, weil die Anzeigestreifen 14 austauschbar seien (D3 Seite 5 Zeile 4 bis 7; Seite 7 Zeile 21 bis 27) und andererseits LCD-Streifen 270 als Anzeigestreifen 14 verwendet werden könnten (Seite 11 letzter Absatz).
Dem kann nicht gefolgt werden.
D3 betrifft eine Computertastatur mit transparenten Tasten 16, 22, welche von einer senkrecht zur Taste angeordneten Anordnung 12 aus Anzeigestreifen 14, 270 „beleuchtet“ werden (siehe Seite 7; Anspruch 10, Anspruch 13). Den Figuren 3 bis 6 sind verschiedene optische Anordnungen zu entnehmen, welche bewirken, dass auf dem Anzeigestreifen 14 dargestellte Tastenbelegungssymbole mittels 90°-Umlenkung auf der Oberfläche der transparenten Taste sichtbar werden (siehe insbesondere Seite 8 unten bis Seite 10 oben). Der Anzeigestreifen kann eine bedruckte Schablone sein, die „manuell ersetzt werden“ kann (Seite 7 Absatz 3; Anspruch 19); alternativ kann der Anzeigestreifen eine LCD-Anzeige sein (Seite 7 Absatz 2, Seite 11 letzter Absatz zu Figur 10; Anspruch 11, Anspruch 22 rückbezogen auf Anspruch 18). Es ist dann auch eine entsprechende Steuereinheit zur Darstellung der den Tasten zugeordneten Funktionen (150, 268) und ein Speicher für die Tastenbelegungsinformationen (156) vorgesehen (Seite 11; Figur 8 bis 10).
Zwar ist einzuräumen, dass in semantischer Auslegung über die Abstrahierung des Begriffes „Anzeigestreifen“ der Eindruck entstehen könnte, dass hier „auch“ eine austauschbare LCD-Anzeige beschrieben sei.
Wie aber bereits ausgeführt, richtet sich die Lehre von Patentdokumenten an den Fachmann, der sie nicht semantisch interpretiert, sondern sein Verständnis nach Sinn und Zweck, nach Aufgabe und gegebener technischer Lösung ausrichtet.
Im Falle der D3 werden zur Lösung der Aufgabe, bei Änderung der Tastenbelegung eine sich entsprechend ändernde Tastenbeschriftung anzuzeigen, zwei Lösungsalternativen angeboten: Entweder eine bedruckte Schablone, die „manuell ersetzt werden“ kann, oder ein elektronisches Display, dessen Anzeige sich steuern und somit auch ändern lässt. Es ist kein Grund erkennbar, warum dieses elektronische Display so wie die bedruckte Schablone austauschbar sein sollte - ein Austausch ist gar nicht erforderlich, weil die Belegungsanzeige bei dieser Lösungsalternative ja eben durch die elektronische Ansteuerung geändert werden kann. Ferner wäre ein Austauschen des elektronischen Displays nur mittels einer aufwendigen Schnittstelle möglich, welche ein Lösen und Wieder-Verbinden der elektrischen Verbindungsleitungen erlaubte. Eine explizite Offenbarung oder wenigstens einen Hinweis auf eine solche mechanisch-elektrische Schnittstelle liefert die gesamte Druckschrift D3 jedoch nicht (vgl. ganz im Gegenteil den „festen“ Anschluss des Displays 270 bzw. des ganzen Schaltungskomplexes in Figur 10). Dass irgendein Anlass bestünde, das elektronische Display austauschbar zu machen, lässt sich durch Ansprüche, Beschreibung und Zeichnungen der D3 nicht im Geringsten stützen. Der Fachmann, der - ohne Kenntnis der vorliegenden Anmeldung - die Druckschrift D3 las, wäre niemals auf die Idee gekommen, dass dort austauschbare elektronische Display-Streifen beschrieben sind. Derartiges in die Lehre der D3 hineinzulesen stellt eine Fehlinterpretation dar.
3.3 Die Prüfungsstelle hat sich in ihrem Zurückweisungsbeschluss auf die neu ermittelte Druckschrift D9 (DE 295 02 204 U1) gestützt. Diese Druckschrift zeigt jedoch nicht mehr als die bereits bekannten (vgl. etwa D1, D3) und legt dem Fachmann den Gegenstrand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht nahe.
3.3.1 D9 beschreibt eine Tastatur mit einem Gehäuse, welches einen transparenten Tastenblock (1) bestehend aus einer Mehrzahl transparenter Tasten (4) und ein darunter angeordnetes plattenförmiges elektronisches Display-Modul (3) aufweist, welches den Tasten des Tastenblocks zugeordnete Funktionen innerhalb eines der jeweiligen Taste zugeordneten Bereichs des Displaymoduls mithilfe von unter der jeweiligen Taste dargestellten Zeichen anzeigt (siehe Beschreibung Seite 1), d. h. im Sinne des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 (Merkmal (a)).
Ferner wird der Fachmann erwarten, dass ein Speicher vorgesehen ist, aus welchem sich die Tastenbelegung und die Bereichsgröße der einzelnen Tasten ableiten lassen (teilweise Merkmale (d), (e)). Jedoch fehlt jeder Hinweis auf eine Aufnahme zum Einschieben des Displaymoduls und eine Auswechselbarkeit durch den Benutzer.
3.3.2 Die Prüfungsstelle findet in D9 ferner noch das Merkmal, dass ein- und dasselbe Displaymodul in unterschiedliche kompatible Gehäuse einsetzbar sein soll (Zurückweisungsbeschluss Seite 4 oben). Dazu verweist sie auf Seite 1 Mitte: „Bankautomaten … Fahrscheinautomaten“.
An dieser Fundstelle sind die genannten Geräte jedoch lediglich unter dem Stichwort „Anwendungsgebiete“ aufgezählt. Dass diese unterschiedlichen Geräte so ausgebildet sein sollten, dass ein- und dasselbe Displaymodul in sie einsetzbar wäre, ist nirgendwo beschrieben noch irgendwie durch Auslegung entnehmbar. Insoweit handelt es sich auch hierbei um eine Fehlinterpretation dessen, was der Fachmann der Druckschrift entnehmen kann.
3.3.3 Die Argumentation der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss ist für den nunmehr geltenden Anspruchssatz nicht mehr relevant und im Übrigen nicht tragfähig.
Gemäß Zurückweisungsbeschluss Seite 4 unten erkennt die Prüfungsstelle vier Unterschiede zwischen dem damals geltenden Hauptanspruch und der Lehre der Druckschrift D9 und führt aus, dass sich mit diesen Unterschieden das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen lasse.
Diese Argumentation ist teilweise durch die nun geltende Anspruchsfassung überholt. Unabhängig davon ist jedoch festzustellen, dass es nicht genügt, mehrere Merkmale jeweils für sich allein als „naheliegend“ zu beurteilen. Im vorliegenden Fall ist bereits nicht nachvollziehbar, welche Veranlassung der Fachmann überhaupt hatte, ausgehend von Druckschrift D9 Änderungen in Richtung auf die einzelnen Merkmale vorzunehmen (vgl. BGH GRUR 2010, 407 - Einteilige Öse; GRUR 2009, 743 - Airbag-Auslösesteuerung; u. a.). Darüber hinaus ist aber auch die Gesamtheit der Merkmale zu betrachten (vgl. BGH GRUR 2007, 1055 – Papiermaschinengewebe). Wenn der Fachmann mehrere gedankliche Schritte vollziehen musste, um ausgehend von der Lehre der Druckschrift D9 zu der Merkmalskombination nach Patentanspruch 1 zu gelangen, ist dies bereits ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Weg nicht nahelag.
3.4 Die lediglich als „anschaulich für die Stellungnahme der Prüfungsstelle zur anmelderseitigen Argumentation“ neu benannte Druckschrift D10 steht ebenfalls nicht entgegen.
D10 beschreibt 19-Zoll-Racks, wie sie in vielen Geräteschränken für Elektronikmodule eingesetzt werden. Die Prüfungsstelle verweist im Zurückweisungsbeschluss Seite 10 Mitte besonders auf zwei Passagen, welche konkrete Konstruktionsdetails für eine leichte Auswechselbarkeit von Modulen geben. Sie können günstigstenfalls belegen, dass der Durchschnittsfachmann imstande war, auswechselbare Display-Module zu bauen. Das stand aber nie in Frage, und Konstruktionsdetails sind gerade nicht Gegenstand der Anmeldung. Dass ausgerechnet D10 eine Anregung gegeben haben könnte, das Display einer Tastenbelegungsanzeige von Tastaturen austauschbar zu gestalten, ist hingegen kaum nachvollziehbar.
3.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass keine der in Betracht gezogenen Druckschriften eine Tastatur beschreibt, bei welcher das elektronische Display zur Anzeige der Tastenbelegung durch den Benutzer austauschbar ist.
Es ist zunächst auch nichts ersichtlich, was den Fachmann bewegt haben könnte, ein solches zur Anzeige der Tastenbelegung eingesetztes elektronisches Display austauschbar zu gestalten. Um bei einer Tastatur die Tastenbelegung änderbar zu machen und die jeweilige Tastenfunktion auf der Taste anzuzeigen, wird der Fachmann entweder fest bedruckte, austauschbare Belegungsanzeigen in Form bedruckter Folien o. ä. verwenden, oder ein fest montiertes Display einsetzen, welches die Änderbarkeit durch die elektronische Bilderzeugung bietet und deshalb gerade nicht mehr austauschbar sein muss (vgl. die Lösungsalternativen der D3). Allein im Kontext einer variablen Tastaturbelegungsanzeige macht ein austauschbares Display keinen Sinn.
Allenfalls ließe sich argumentieren, dass ein abnehmbares Display im Sinne der Lehre der Druckschriften D5 bzw. D6 aus anderen Gründen, nämlich wegen Vielseitigkeit oder zum Schutz vor Diebstahl oder unbefugter Benutzung, von Vorteil sein könnte.
Damit ergibt sich aber noch nicht das Merkmal (c), dass das Gehäuse eines aus einer Mehrzahl unterschiedlicher Gehäuse für unterschiedliche Tastaturen ist, die derart ausgebildet sind, dass ein- und dasselbe Displaymodul in sie einsetzbar ist. Eine solche Maßnahme liegt etwa zum Schutz vor Diebstahl oder im Rahmen der andren genannten Gründe für Austauschbarkeit keinesfalls auf der Hand.
Auch eine gehäusezugeordnete Speicherung von Informationen, aus welchen sich für das Displaymodul bei unterschiedlichen Gehäusen die jeweilige Darstellung der Tastenbelegung und die Bereichsgröße der einzelnen Tasten ableiten lassen (Merkmal (d) in Verbindung mit Merkmal (e)), wurde im Stand der Technik nicht nachgewiesen, noch konnte eine Veranlassung aufgezeigt werden, im vorliegenden Zusammenhang in dieser Weise vorzugehen.
Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 für den Fachmann nahelag.
4. Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 ist sonach gewährbar. Die Unteransprüche 2 bis 15 sind in Verbindung mit Anspruch 1 ebenfalls gewährbar.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann Fa
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