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VIa ZR 998/22

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 998/22 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 5. Dezember 2022 Bachmann Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:051222UVIAZR998.22.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2022 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Krüger, Wille und den Richter Liepin für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 3. Juni 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. Juli 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 4. Oktober 2013 von einem Händler einen gebrauchten VW Touran zum Kaufpreis von 20.500 €. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, der über eine Umschaltlogik verfügte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16 ff.). Am 9. Januar 2017 trat der Kläger seine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an die f.

GmbH (nachfolgend: Inkassodienstleister) ab. Im Mai 2018 verkaufte er das Fahrzeug an einen Dritten.

Der Inkassodienstleister verfügt über eine Registrierung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich Inkassodienstleistungen und bietet Fahrzeugkäufern, die ein mit dem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattetes Fahrzeug erworben haben, gegen Zahlung eines Erfolgshonorars nach treuhänderischer Abtretung die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche im Wege der Anspruchshäufung an. Bei Erfolglosigkeit seiner Bemühungen sollen den Auftraggebern keine Kosten entstehen. Außerdem ist der Inkassodienstleister zum Abschluss eines widerruflichen Vergleichs berechtigt. Im Falle des Vergleichswiderrufs sind die Auftraggeber zur Zahlung der Vergütung verpflichtet, die beim Bestand des Vergleichs angefallen wäre. Zur Absicherung des Prozesskostenrisikos arbeitet der Inkassodienstleister mit einem Prozessfinanzierer zusammen, mit dem er sich unter anderem vor Abschluss eines Vergleichs beraten muss.

Der Inkassodienstleister machte am 6. November 2017 beim Landgericht Braunschweig eine "Sammelklage" (3 O 2423/17) gegen die Beklagte anhängig, mit der er Ansprüche mehrerer tausend Fahrzeugkäufer, darunter auch Ansprüche des Klägers, geltend machte. Unter dem 19. November 2020 erklärte er die Rückabtretung der abgetretenen Ansprüche an den Kläger. Am 5. August 2021 nahm er die Klage betreffend die Ansprüche des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 25. Juni 2021 eine Klage bei dem Amtsgericht anhängig gemacht, mit der er die Beklagte auf Erstattung des Kaufpreises unter Abzug des Weiterverkaufserlöses und einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen sowie Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Anspruch genommen hat. Das Amtsgericht hat am 29. Juni 2021 einen Gerichtskostenvorschuss angefordert, den der Kläger am 8. Juli 2021 eingezahlt hat. Unter dem 21. Juli 2021 hat das Amtsgericht den Kläger aufgefordert, zur örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts Stellung zu nehmen. Der Kläger hat dieser Aufforderung unter dem 10. August 2021 entsprochen. Die Klage ist der Beklagten gemäß Verfügung vom 6. September 2021 am 15. September 2021 formlos übermittelt worden. Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2021 haben die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Übermittlung der Klageschrift bestätigt und auf die Klage erwidert. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB, dessen Durchsetzung jedoch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegenstehe (§ 214 Abs. 1 BGB). Die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB habe mit dem Schluss des Jahres 2016 zu laufen begonnen, sodass sie mit dem Schluss des Jahres 2019 abgelaufen sei. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Verjährung nicht durch die klageweise Geltendmachung der Ansprüche durch den Inkassodienstleister gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden, da der Inkassodienstleister nicht aktivlegitimiert gewesen sei. Die Abtretung der Ansprüche an den Inkassodienstleister sei nichtig gewesen, da sie (jedenfalls) gegen das gesetzliche Verbot aus § 4 RDG verstoßen habe. Die Leistungspflichten des Inkassodienstleisters gegenüber dem Prozessfinanzierer führten zu einer Gefährdung der ordnungsgemäßen Erbringung der Rechtsdienstleistungen, weil der Prozessfinanzierer Einfluss auf die Verfahrensführung und -beendigung habe und ihm eine beratende Funktion zukomme, sodass zwischen seinen Interessen und denjenigen der einzelnen Auftraggeber ein Gegensatz bestehe. Ferner führe die Vielzahl der durch den Inkassodienstleister gemeinsam in einer Klage geltend gemachten Ansprüche zu einer Gefährdung der Interessen der einzelnen Auftraggeber, da sich die einzelnen Ansprüche in nicht unwesentlichen Details unterschieden und ihre Erfolgsaussichten unterschiedlich zu bewerten seien. Durch das Geschäftsmodell des Inkassodienstleisters partizipierten Auftraggeber mit hohen Erfolgsaussichten an Risiken, die mit der Geltendmachung weniger aussichtsreicher Ansprüche anderer Auftraggeber verbunden seien. Ferner müsse der einzelne Auftraggeber im Fall eines Vergleichswiderrufs die volle Vergütung zahlen, sodass unzulässiger wirtschaftlicher Druck auf ihn ausgeübt werde.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Als frei von Rechtsfehlern erweist sich allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe gegen die Beklagte einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und des Erlöses aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.; Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 23 ff., Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 24 ff.). Der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB kann, wie das Berufungsgericht gesehen hat, den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten umfassen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20, VersR 2021, 385 Rn. 21 f.; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 22. Juni 2021 - VI ZR 353/20, NJW-RR 2021, 1070 Rn. 6; Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 12; Urteil vom 22. September 2022 - VII ZR 786/21, juris Rn. 20).

2. Einer rechtlichen Überprüfung nicht stand halten dagegen die Erwägungen, auf die das Berufungsgericht seine Annahme einer Verjährung des Anspruchs des Klägers aus §§ 826, 31 BGB gestützt hat.

a) Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die dreijährige Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB habe mit dem Schluss des Jahres 2016 zu laufen begonnen, sodass die Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Klägers aus §§ 826, 31 BGB eine rechtzeitige Hemmung der Verjährung vor Ablauf des Jahres 2019 vorausgesetzt habe.

b) Rechtsfehlerhaft sind indessen die Gründe, aus denen das Berufungsgericht der am 6. November 2017 anhängig gemachten Klage des Inkassodienstleisters verjährungshemmende Wirkung abgesprochen hat. Dabei trifft zwar die Prämisse des Berufungsgerichts zu, eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB setze eine Klage des Anspruchsinhabers voraus (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - III ZR 56/10, NJW 2011, 2193 Rn. 9). Unzutreffend ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Abtretung der Ansprüche an den Inkassodienstleister sei wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig gewesen.

aa) Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, dass das Geschäftsmodell des Inkassodienstleisters, sich massenhaft Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der in den Motor der Baureihe EA 189 implementierten Software treuhänderisch abtreten zu lassen und diese in einer "Sammelklage" nach § 260 ZPO gerichtlich geltend zu machen, von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG umfasst und erlaubt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 418/21, NJW 2022, 3350 Rn. 11 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 184/22, WM 2022, 2240 Rn. 19 ff. mwN) und nicht gegen § 4 RDG in der bis zum 30. September 2021 geltenden Fassung (nachfolgend: aF; nunmehr: § 4 Satz 1 RDG) verstößt, soweit der Inkassodienstleister gegenüber allen Auftraggebern jeweils zur bestmöglichen Durchsetzung der abgetretenen Forderungen verpflichtet ist, heterogene Ansprüche bündelt und sich zur Durchsetzung der abgetretenen Forderungen der Unterstützung eines externen Prozessfinanzierers bedient (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2022, aaO, Rn. 48 ff.; Urteil vom 10. Oktober 2022, aaO, Rn. 22 mwN).

bb) Danach war die Tätigkeit des Inkassodienstleisters durch die ihm nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG und § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG in der Fassung vom 12. Dezember 2007 erteilte Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich Inkassodienstleistungen gedeckt und die Abtretung der Ansprüche des Klägers an den Inkassodienstleister weder nach § 3 RDG iVm § 134 BGB noch nach § 4 RDG aF iVm § 134 BGB nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 418/21, NJW 2022, 3350 Rn. 11 ff., 50 ff.; Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 184/22, WM 2022, 2240 Rn. 10 ff., 22; Urteil vom 24. Oktober 2022 - VIa ZR 162/22, zVb).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt danach der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Insbesondere dauert die Hemmung der Verjährung der Ansprüche des Klägers nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB weiter an, weil der von ihm am 25. Juli 2021 anhängig gemachten Klage ebenfalls verjährungshemmende Wirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO zukommt. Dass die Klage entgegen § 253 Abs. 1 ZPO nicht förmlich zugestellt worden ist, steht ihrer Eignung zur Verjährungshemmung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - VII ZR 186/09, BGHZ 188, 128 Rn. 43 ff.).

IV.

Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, in welchem Umfang ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB besteht. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die noch erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

Menges Möhring Krüger Wille Liepin Vorinstanzen: AG Altena, Entscheidung vom 19.01.2022 - 2 C 164/21 LG Hagen, Entscheidung vom 03.06.2022 - 7 S 12/22 -

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