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11 W (pat) 20/10

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 20/10

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

betreffend die Patentanmeldung 10 2004 027 223.9 hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr.-Ing. Höchst sowie die Richter v. Zglinitzki, Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. Univ. Fetterroll BPatG 152 08.05 beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2007 aufgehoben und das Patent 10 2004 027 223 mit den Patentansprüchen 1 bis 28 vom 15. Mai 2007 (Eingang 16. Mai 2007), den Patentansprüchen 29 bis 35 und den Beschreibungsseiten 6, 11, 13 bis 15 vom 14. März 2014 (Eingang 17. März 2014) sowie mit den Beschreibungsseiten 1 bis 5, 7 bis 10, 12, 16 und 17 und der Bezugszeichenaufstellung sowie den Figuren 1 bis 3 der ursprünglichen Unterlagen erteilt.

Gründe I.

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der am 3. Juni 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität der österreichischen Anmeldung Nr. A 1001/2003 vom 1. Juli 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Schichtwerkstoff“.

Durch Beschluss vom 15. März 2007 hat die Prüfungsstelle für Klasse F16C die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei. Entscheidungsgrundlage bildete die Druckschrift D1 DE 26 13 318 A1.

Des Weiteren ermittelte die Prüfungsstelle die Druckschriften D2 DE 199 63 385 C1 D3 DE 100 56 579 C1 D4 Zimmermann, R.; Günther, K.: Metallurgie und Werkstofftechnik - ein Wissensspeicher, Band 1, 1. Aufl., Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, 1977, S. 293, 352.

Berücksichtigt wurden zudem die von der Anmelderin selbst genannten Druckschriften D5 EP 0 435 980 B2 und D6 AT 408 102 B.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Mit der Begründung ihrer Beschwerde hat sie ein neues Schutzbegehren vorgelegt. Auf die Zwischenverfügung des Berichterstatters sind von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 14. März 2014 geänderte Anspruchsseiten 24 und 24a mit einem korrigierten Anspruch 35 sowie korrigierte Beschreibungsseiten 6 und 11 sowie 13 bis 15 eingereicht worden.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der geltenden Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

„Gleitschicht (4), insbesondere Gleitlagerlaufschicht, aus einer Legierung, bestehend aus zumindest drei Komponenten A, B, C, wobei A eine erste Matrix bildet, in der B als Weichphase und C als Hartphasenbildner dispergiert sind, mit einer ersten Oberfläche (5) und einer zweiten, dieser gegenüberliegenden Oberfläche (8), wobei die Anteile der Komponenten A, B, C an der Legierung in den Bereichen der ersten (5) und der zweiten Oberfläche (8) zueinander verschieden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Komponente B eine weitere, zur ersten Matrix unterschiedliche Matrix bildet, wobei die erste Matrix zumindest im Bereich der ersten Oberfläche (5) und die weitere Matrix zumindest im Bereich der zweiten Oberfläche (8) vorliegen, und die Hartphase auch in der weiteren Matrix dispergiert ist.“

Der erste nebengeordnete Anspruch 19 lautet

„Verbundwerkstoff aus zumindest zwei unterschiedlichen Schichten, beispielsweise Gleitlager (2) oder Anlaufring, dadurch gekennzeichnet, dass eine der beiden Schichten durch eine Gleitschicht (4) nach einem der vorhergehenden Ansprüche gebildet ist.“

Der zweite nebengeordnete Anspruch 20 lautet:

„Verfahren zur Herstellung einer Gleitschicht (4), insbesondere Gleitlagerlaufschicht, mit einer ersten Oberfläche (5) und einer dieser gegenüberliegenden zweiten Oberfläche (8), wobei die Gleitschicht (4) aus einer Legierung aus zumindest drei Komponenten A, B, C besteht, wobei A eine erste Matrix bildet, in der B als Weichphase und C als Hartphasenbildner dispergiert sind, wobei die Anteile der Komponenten A, B, C an der Legierung in den Bereichen der ersten und der zweiten Oberfläche (5; 8) zueinander verschieden sind, bei dem die Komponenten A, B, C auf einem Substrat abgeschieden werden, wobei die Abscheidemenge der einzelnen Komponenten durch die Steuerung der Abscheideleistung eingestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Abscheideleistung für jede Komponente unabhängig gesteuert wird und derart erfolgt, dass die Komponente C eine Hartphase und die Komponente B eine weitere, zur ersten Matrix unterschiedliche Matrix bilden, wobei die erste Matrix zumindest im Bereich der ersten Oberfläche (5) und die weitere Matrix zumindest im Bereich der zweiten Oberfläche (8) vorliegen, und die Hartphase sowohl in der ersten als auch in der weiteren Matrix dispergiert wird.“

Den Ansprüchen 1 und 20 schließen sich rückbezogene Ansprüche 2 bis 18 bzw. 21 bis 35 an.

Zum Wortlaut der abhängigen Ansprüche sowie weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Anmeldung betrifft - hier zusammenfassend dargelegt - eine Gleitschicht aus einer Legierung bestehend aus zumindest drei Komponenten, des Weiteren einen Verbundwerkstoff aus zumindest zwei unterschiedlichen Schichten, wovon eine gemäß der vorstehend angegebenen Gleitschicht ausgebildet ist, und zudem ein Verfahren zur Herstellung dieser Gleitschicht. Zum Stand der Technik ist die EP 0435 980 B2 angegeben. Darin sei ein Achslager vorgeschlagen, bei dem durch Kathodensputtern eine Beschichtung auf einem Versteifungsmaterial abgeschieden werde, wobei die Beschichtung ein erstes Material umfasse, welches die Beschichtungsmatrix darstelle, sowie eine darin dispergierte Weichphase aus einem zweiten Material. Der Gehalt an dispergierter Weichphase ändere sich kontinuierlich von einem geringen Gehalt an der Schnittfläche zum Lagermaterial zu einem hohen Gehalt an der Beschichtungsoberfläche (vgl. Anmeldungsbeschreibung S. 1, erster und zweiter Abs. sowie S. 2, zweiter Abs.).

Aufgabe sei es, eine Legierung bzw. eine Schicht für ein Lagerelement, insbesondere eine Sputterschicht für ein Gleitlager mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere verbesserter Verschleißresistenz, bereitzustellen (vgl. S. 2, dritter Abs.).

Als Fachmann für dieses Problem ist ein Universitätsabsolvent der Fachrichtung Werkstoffkunde anzusehen, der mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Legierungen, insbesondere für Gleitlager, hat.

Die Anmelderin sieht die Lösung in einer Gleitschicht und in einem Verbundwerkstoff sowie in einem Verfahren zur Herstellung einer Gleitschicht mit den in den Ansprüchen 1, 19 bzw. 20 angegebenen Merkmalen. Die Unteransprüche 2 bis 18 sowie 21 bis 35 betreffen Ausgestaltungen der Gleitschicht und des Verfahrens nach dem Anspruch 1 bzw. 20.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Anspruch 1 beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 17. Er richtet sich nicht mehr allgemein auf eine Legierung, sondern nunmehr auf eine Gleitschicht aus einer Legierung. Die Eigenschaften der Gleitschicht wurden gegenüber dem ursprünglichen Schutzbegehren insoweit präzisiert, dass von den zumindest drei Komponenten A, B, C, die Komponente A eine erste Matrix bildet, in der B als Weichphase und C als Hartphasenbildner dispergiert sind. Im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 wurde ergänzt, dass die Komponente B eine weitere, zur ersten Matrix unterschiedliche Matrix bildet.

Der neue unabhängige Anspruch 19 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 20.

Der neue unabhängige Anspruch 20 geht auf den ursprünglichen Anspruch 24 zurück. Im Oberbegriff des neuen Anspruchs 20 wurden Änderungen wie in dem des geltenden Anspruchs 1 vorgenommen. Der kennzeichnende Teil enthält ebenfalls zusätzliche Präzisierungen des Anspruchsgegenstandes. Diese sind auf S. 10, Z. 16 bis 26, der Anmeldungsbeschreibung ursprünglich offenbart.

Die geltenden Unteransprüche 2 bis 16 entsprechen, abgesehen von dem jeweils angepassten Oberbegriff, inhaltlich den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 16, die Ansprüche 17 und 18 den ursprünglichen Ansprüchen 18 bzw. 19 und die geltenden Ansprüche 21 bis 35 den ursprünglichen Ansprüchen 25 bis 39, jeweils mit angepasstem Rückbezug.

Mit dem in den Ansprüchen und übrigen Unterlagen durchgängig verwendeten Begriff Komponenten werden nicht ausschließlich Reinelemente, sondern auch Verbindungen bzw. Legierungen von Reinelementen verstanden (vgl. S. 9, dritter Abs.). Dieser Ausdruck wird demnach im Sinne von Phase verwendet; darunter sind also Werkstoffbereiche zu verstehen, die von den anderen Bestandteilen physikalisch-chemisch abgrenzbar sind. Die Prozentangaben sind alle in Gewichtsprozent aufzufassen (vgl. S. 9, vorletzter Abs.). Die Begriffe Hartphase bzw. Hartphasenbildner sind Komponenten im Sinne der Anmeldung, deren Eigenschaften aus allen bekannten Härtungs- bzw. Verfestigungsmechanismen resultieren, wie beispielsweise Mischkristallverfestigung oder Teilchenverfestigung, inklusive der Bildung von intermetallischen Phasen (vgl. S. 11, vierter Abs.).

2. Die Gegenstände des Anspruchs 1 und der weiteren unabhängigen Ansprüche 19 und 20 sind neu.

Die Druckschrift D1 befasst sich allgemein mit Legierungen. Gleitschichten, Verbundwerkstoffe und Verfahren zur Herstellung einer Gleitschicht werden darin nicht offenbart.

Druckschrift D2 betrifft zwar wie die Anmeldung einen Schichtverbundwerkstoff für Gleitlager, dort weist die Gleitschicht aber lediglich zwei Komponenten auf, nämlich erstens eine Zinnmatrix und zweitens Bronzepartikel, die darin eingelagert sind (vgl. Anspruch 1 und Sp. 2, Z. 18 und 19). Es fehlt somit bereits das Merkmal der Anspruchsgegenstände, wonach die Gleitschicht aus einer Legierung mit mindestens drei Komponenten besteht.

Druckschrift D3 beschreibt eine Kurbelwellenlagerschale eines Verbrennungsmotors. Die Gleitschicht besteht dort zwar, wie anmeldungsgemäß vorgesehen, bereits aus drei Komponenten, nämlich Aluminium, Zinn und Kupfer. Die Zinn- und Kupferanteile sind jedoch über die gesamte Dicke der Gleitschicht gleichmäßig verteilt (vgl. Fig. 4 und Abs. [0029]). Folglich ändert sich auch nicht die vom Aluminium gebildete Matrix; dagegen sind die Anteile der Komponenten A, B, C in der von der Anmelderin beanspruchten Gleitschicht in bestimmten Bereichen zueinander verschieden.

Die von der Prüfungsstelle zum Nachweis des präsenten allgemeinen Fachwissens herangezogenen Seiten aus dem Lehrbuch D4 befassen sich zum einen mit Härteprüfverfahren (vgl. S. 352) und zum anderen mit dem Zusammenhang zwischen der Korngröße und der Streckgrenze bei polykristallinen Werkstoffen (vgl. S. 293). Gleitschichten, insbesondere Gleitlagerlaufschichten, Verbundwerkstoffe und Verfahren zur Herstellung von Gleitschichten sind dort nicht offenbart.

Auch gegenüber den in der Anmeldungsbeschreibung erwähnten Druckschriften D5 und D6, die ein Lager bzw. ein Verfahren zur Herstellung eines Gleitelements sowie eine Vorrichtung zur Beschichtung eines Gleitelementes betreffen, sind die Anspruchsgegenstände neu. Die in D5 beschriebene Gleitschicht eines Achslagers besteht lediglich aus zwei Komponenten (a first material constituting the coating matrix... having therein a dispersed phase of a second material, vgl. Sp. 1, Z. 45 bis 47) und nicht wie die Gleitschicht gemäß der Anmeldung aus mindestens drei Komponenten. Druckschrift D6 offenbart eine Gleitschicht, die mittels an sich bekanntem Elektronenstrahlbedampfen erzeugt wird. Diese kann zwar aus mehr als drei Komponenten bestehen (vgl. S. 4, Z. 11 bis 13 bzw. Z. 31 bis 38), eine Änderung der Komponentenanteile innerhalb der Schicht wird in D6 jedoch nicht beschrieben.

3. Die Gleitschicht, der Verbundwerkstoff und das Verfahren mit den im Anspruch 1, im Anspruch 19 bzw. im Anspruch 20 angegebenen Merkmalen beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der aus den Druckschriften D1 bis D6 jeweils allein oder aus der Zusammenschau der daraus entnehmbaren Merkmale sich ergebende Stand der Technik legt die von der Anmelderin als Erfindung beanspruchten Gegenstände nicht nahe.

Den geeigneten Ausgangspunkt bildet der aus der Druckschrift D3 hervorgehende Stand der Technik. Danach ist eine Gleitschicht als Bestandteil eines Verbundwerkstoffs für eine Kurbelwellenlagerschale aus einem Stahl/Aluminium-Verbundwerkstoff bereits bekannt (vgl. Absatz [0001]). Die Matrix dieser Gleitschicht besteht aus Aluminiumlegierungsmaterial, Zinn bildet die Weichphase, und Kupfer stellt den Hartphasenbildner dar. Während die Aluminiumkomponente über den gesamten Querschnitt die Matrix für die weiteren Bestandteile der Gleitschicht bildet und auch die Anteile und der übrigen Komponenten über den gesamten Querschnitt gleich verteilt im Gefüge vorliegen, erfolgen im Gegensatz dazu in der anmeldungsgemäßen Gleitschicht Konzentrationsänderungen. Dabei findet ein Übergang in der chemischen Zusammensetzung von einer zur anderen Oberfläche der Gleitschicht statt, beispielsweise ausgehend von einer Aluminiumlegierungsmatrix mit Kupfer als Härterelement zunächst noch ohne Zinn als Weichanteil auf der einen Seite hin zu einer Zinnlegierungsmatrix mit Kupfer als Härterelement ohne Aluminiumanteile zur gegenüber liegenden Seite gezielte sukzessive Verringerung der Aluminiumabscheidung bis auf null und gleichzeitig eine kontinuierliche Erhöhung der Zinnabscheidung (vgl. S. 13, Z. 27, bis S. 14, Z. 24). Der Hartphasenanteil verändert sich ebenfalls, ist dabei aber immer sowohl in der Aluminiumlegierungsmatrix als auch der Zinnlegierungsmatrix vorhanden. Hinweise darauf, dass der von der Anmelderin beanspruchte Matrixwechsel unter Beibehaltung der Hartphase die hier zugrunde liegende Aufgabe lösen könnte,

sind der Druckschrift D3 nicht zu entnehmen. Diese Maßnahme ist daraus auch nicht ableitbar, denn dort besteht die Lösung in einer legierungstechnischen Maßnahme in Verbindung mit einer Wärmebehandlung, mit dem Ziel, eine gleichmäßig feine Verteilung der Weichphase Zinn in der Matrix aus einer Aluminium-Kupfer Gleitschicht zu erreichen. Die Bestandteile werden zunächst in Form einer Legierung auf Stahl plattiert und anschließend das Werkstoffgefüge der Gleitschicht durch Wärmebehandlung entwickelt (vgl. Abs. [0011], Zeilen 61 bis 65 und die Abs. [0015] und [0016] und Fig. 4). Betrachtet der Fachmann allein die Druckschrift D3, gelangt er somit nicht ohne erfinderisches Zutun zu der anmeldungsgemäßen Gleitschicht und folglich auch nicht zu dem Verbundwerkstoff gemäß Anspruch 19 und dem Verfahren gemäß Anspruch 20.

Erfinderisches Zutun bleibt auch weiterhin erforderlich, wenn Kenntnisse aus dem übrigen Stand der Technik mit einbezogen werden. Weder legen die im Beschluss der Prüfungsstelle außer der D3 genannten Druckschriften D1, D2 und D4 noch die bereits von der Anmelderin benannten Druckschriften D6 und D5 den das Vorliegen einer Erfindung begründenden wesentlichen Gedanken nahe, innerhalb einer Gleitschicht Konzentrationsgradienten der Komponenten auszubilden, um von der ersten bis zur zweiten Oberfläche unterschiedliche Matrices und Hartphasenverteilungen in der Gleitschicht herbeizuführen.

Von den den Stand der Technik bildenden Druckschriften befasst sich neben der D3 allein Druckschrift D6 noch mit einer Gleitschicht aus einer Legierung gebildet aus zumindest drei Komponenten. Diesen Stand der Technik wird der Fachmann daher vorrangig zur Problemlösung beiziehen. Die dort beschriebene Gleitschicht umfasst Aluminium als Matrix, Zinn als Weichphase und Mangan, Eisen oder weitere Komponenten zur Bildung von Hartphasen (vgl. S. 4, Z. 15 bis 38) und entspricht insoweit dem Anmeldungsgegenstand. Die Aufgabe ist jedoch dort bereits eine andere. Sie besteht darin, eine Vorrichtung und ein Verfahren zu schaffen, bei dem bzw. der auf konstruktive Maßnahmen im Partikelstrom zur Erzeugung von Schichten mit bestimmtem Schichtdickenverlauf verzichtet werden kann.

Dabei kommt es auf gleichmäßige Schichtdicken an, wobei auch ein mehrschichtiger Aufbau des Gleitelements 6 möglich ist (vgl. S. 4, Z. 39 bis 48), die chemische Zusammensetzung der für die Schichten jeweils vorgelegten Legierungen bleibt im Zuge des Aufdampfprozesses aber stets gleich. Somit geht diese Druckschrift in ihrem Offenbarungsumfang nicht über den der nächstkommenden Druckschrift D3 hinaus. Im Ergebnis fehlen hier wie dort zum einen bereits das Merkmal aus dem Oberbegriff der nebengeordneten Ansprüche, wonach die Anteile der Komponenten an der Legierung in den Bereichen der ersten und der zweiten Oberfläche zueinander verschieden sind, und zum anderen sämtliche die anmeldungsgemäß beanspruchte Gleitschicht bzw. den Verbundwerkstoff bzw. das Verfahren zur Herstellung der Gleitschicht kennzeichnenden Merkmale.

Auch der Druckschrift D5 sind keine Hinweise auf Gleitschichten, Verbundwerkstoffe und Verfahren entnehmbar, wie sie die Anmelderin als Erfindung beansprucht. Verglichen mit den Druckschriften D3 und D6 ist D5 weiter vom Gegenstand der Anmeldung entfernt. Der Fachmann wird sie schon deshalb nicht in Betracht ziehen, weil – wie der Neuheitsvergleich bereits ergibt – die Gleitschicht (overlay coating 14) allein aus einem Aluminium-Zinn-Verbundwerkstoff (aluminium-tin-composite material) besteht und keine darin dispergierte Hartphase aufweist. Sollte er Druckschrift D5 dennoch berücksichtigen, legt der sich daraus ergebende Stand der Technik die Anspruchsgegenstände nicht nahe. Die bekannte Gleitschicht umfasst lediglich die Aluminiummatrix (aluminium matrix 22) mit darin dispergierten Zinnpartikeln (tin particles 24). Deren Anteile sind in den Bereichen der beiden Oberflächen der Gleitschicht – zum einen eine Berührungsfläche (interface 18) zwischen der Gleitschicht und einer darunter liegenden Bleibronzeschicht (layer 12 of a leaded bronze) und zum anderen eine nicht näher bezeichnete Grenzfläche zwischen der Gleitschicht und der Oberflächenschicht (surface layer 26) - zwar verschieden, jedoch nicht soweit, dass die Zinnkomponente als Matrix angesehen werden könnte. Vielmehr beträgt der Zinnanteil zwischen minimal 10 und maximal annähernd 50 Gew. % (Sp. 3, Z. 41 bis 45). Daraus folgt aufgrund der viel größeren Dichte des Zinns ein im Verhältnis erheblich geringerer Volumenanteil dieser Komponente gegenüber dem Aluminium, so dass das Zinn in der Gleitschicht auch in Gleitschichtbereichen mit hohem Zinnanteil in Form diskreter Partikel verteilt und eingebettet im Aluminium vorliegt (vgl. Fig. 1). Demnach ist kein Wechsel von der Aluminium- zu einer Zinnmatrix gegeben. Auch die dort zusätzlich vorgesehene Oberflächenschicht 26 bildet keine Matrix, da sie im Wesentlichen aus reinem Zinn besteht und folglich keine weitere Komponente in sich aufnimmt.

Die Druckschrift D2 legt einem Fachmann die Anspruchsgegenstände gleichfalls nicht nahe, denn sie betrifft - wie Druckschrift D5 - Gleitschichten, die lediglich aus zwei Komponenten bestehen, so dass er sie - wenn überhaupt - erst nachrangig heranziehen wird. Berücksichtigte der Fachmann die Druckschrift D2 dennoch, wird ihn die daraus entnehmbare Lehre von der Lösung der Anmelderin weg führen, denn danach soll im Gegensatz zur anmeldungsgemäßen Gleitschicht zum Erreichen der gewünschten Eigenschaften die Mitabscheidung weiterer Komponenten und oder Dispersoide nicht erforderlich sein (vgl. Sp. 2, Z. 11 und 12), und der Flächenanteil von in der Gleitschicht eingelagerten Partikeln soll zudem ausdrücklich so bemessen sein, dass diese Komponenten nicht die Rolle der Matrix übernehmen. Aufgrund der großen Härte in der Einlaufphase besitze diese keine ausreichende Einbett- und Anpassungsfähigkeit mehr (vgl. Sp. 2, Z. 47 bis 52).

Die Druckschrift D1, welche die Prüfungsstelle als neuheitsschädlich gegenüber der anmeldungsgemäßen Legierung angesehen hatte, führt einen Fachmann auch nicht zu den nunmehr als patentfähig beanspruchten Gegenständen der Anmeldung. Den Darlegungen der Prüfungsstelle zur Druckschrift D1 ist allenfalls insoweit zuzustimmen, dass bei der daraus bekannten Legierung, die aus einer oder mehreren Komponenten bestehen, die Anteile der einzelnen Komponenten bis 99,9 % betragen und der Anteil einer Komponente somit von 0 bis 99,9 % schwanken kann. Die weiteren im Zurückweisungsbeschluss angeführten Folgerungen der Prüfungsstelle, - erstens - in der bekannten Legierung könne es Berei- che geben, z. B. an der Oberfläche, wo nur eine Komponente vorliege, - zweitens - bei mehr als zwei Komponenten in der bekannten Legierung könnten mindestens zwei Elemente eine intermetallische Phase bilden, die in den verschiedenen Matrizen dispergiert seien, - drittens - Konzentrationsgradienten ergäben sich darin daher von selbst, - viertens - die jeweilige Matrix werde dann immer von der Komponente gebildet, deren Anteil am größten sei, und – fünftens die Legierung gemäß der Druckschrift D1 könne als Komponenten harte Elemente (z. B. Cr, Fr, Ni, Zr) und weiche Elemente (z. B. Sn, Al, Pb) enthalten, so dass harte Phasen in Matrizen dispergiert sein könnten, resultieren dagegen sämtlich aus einer unzulässigen Ex-post-Analyse in Kenntnis des Anmeldungsgegenstandes.

Kurz zusammengefasst offenbart die Druckschrift D1 alle Legierungen, die aus sämtlichen Elementen des Periodensystems außer Wasserstoff, Helium, den Edelgasen sowie den natürlichen und synthetischen radioaktiven Elementen bestehen könnten und zwar in allen hinsichtlich der Komponentenanzahl und jeweiligen Anteilen theoretisch denkbaren Zusammensetzungskombinationen (vgl. Ansprüche 1 und 2). Damit soll allgemein die Aufgabe gelöst werden, Legierungen zu schaffen, die dem vorgesehenen Anwendungszweck in optimaler Weise angepasst sind (vgl. S. 3, vorletzter Abs.). Ferner enthält Druckschrift D1 die Anweisung, dass die Herstellung der Legierungen unter Anwendung von an sich bekannten Herstellungs- und/oder Behandlungsverfahren geschehe (vgl. S. 5, letzter Abs.).

Somit steht der Fachmann vor einer unüberschaubaren Zahl von auswählbaren Werkstoffen, die für jeglichen Zweck geeignet sein sollen. Ebenso ist es in sein Belieben gestellt, aus einer Unzahl von bekannten Verfahren ein zur Herstellung geeignetes auszuwählen. Eine klare Lehre zum technischen Handeln ist aus Druckschrift D1 also nicht entnehmbar und ebenso wenig ein Hinweis, der zur Lösung des hier konkret zugrunde gelegten Problems führen könnte, eine Legierung bzw. eine Schicht für ein Lagerelement, insbesondere eine Sputterschicht für ein Gleitlager mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere verbesserter Verschleißresistenz, bereitzustellen.

Vielmehr ist ein Bezug zu Gleitschichten, insbesondere Gleitlagerlaufschichten, zu Verbundwerkstoffen und Verfahren zur Gleitschichtherstellung ersichtlich nicht gegeben, so dass von vorneherein kein Anlass für den Fachmann besteht, die Druckschrift D1 aufzugreifen. Abgesehen davon führt Druckschrift D1 den Fachmann jedenfalls nicht zu der von der Anmelderin als Erfindung beanspruchten Lösung, denn eine gezielte Veränderung der Matrixzusammensetzung in einer Gleitschicht von einer ersten Oberfläche ausgehend zur einer zweiten Oberfläche, wie sie durch die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale zum Ausdruck kommt, ist darin nicht offenbart.

Die Druckschrift D4 ist - wie der Neuheitsvergleich bereits ergibt - bezüglich der Gegenstände der geltenden Ansprüche offensichtlich ohne Relevanz. Näher darauf einzugehen, erübrigt sich daher.

Die Gegenstände der nunmehr geltenden Patentansprüche 1, 19 und 20 erweisen sich somit als patentfähig.

Die Ansprüche 1 und 20 stützen die Ansprüche 2 bis 18 bzw. 21 bis 35, welche keine selbstverständlichen Ausgestaltungen der Gleitschicht nach Anspruch 1 bzw. des Verfahrens nach Anspruch 20 betreffen. Da die Gegenstände der Patentansprüche zweifellos gewerblich anwendbar sind und die Patentanmeldung auch im Übrigen die formalen Erfordernisse erfüllt, ist dem Antrag der Beschwerdeführerin somit stattzugeben und das Patent mit den geltenden Unterlagen zu erteilen.

III.

Rechtsmittelbelehrung Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden, wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Dr. Höchst v. Zglinitzki Dr. Fritze Fetterroll Bb

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