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XII ZB 528/11

BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 528/11 BESCHLUSS vom 12. September 2012 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja ZPO § 233 Fc Ein Rechtsanwalt ist zur gesonderten Überprüfung der weisungsgemäßen Erstellung, Vorlage und Absendung eines fristgebundenen Schriftsatzes durch qualifizierte Mitarbeiter nur verpflichtet, wenn ihm aufgrund der ihm bekannten Umstände ein von diesen begangener Fehler offenbar wird.

BGH, Beschluss vom 12. September 2012 - XII ZB 528/11 - OLG Oldenburg LG Osnabrück Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 4. August 2011 im Ausspruch zu 1 und 2 aufgehoben.

Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 21. März 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 21.991 €

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Geschäftsraummietverhältnis. Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts unter anderem zur Räumung verurteilt worden. Dagegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt, die mit dem 24. Mai 2011 ablaufende Frist zur Berufungsbegründung hingegen versäumt.

Die Beklagte hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dies damit begründet, ihr Prozessbevollmächtigter habe an einem zunächst erstellten Entwurf der Berufungsbegründung am 23. Mai 2011 noch eigenhändig am PC eine Ergänzung vorgenommen. Anschließend habe er eine Mitarbeiterin angewiesen, die Berufungsbegründung "auszufertigen", d.h. die Datei in dreifacher Ausfertigung auszudrucken und zur Unterschrift vorzulegen, und mit der zur Einsicht überlassenen Gerichtsakte an das Gericht abzusenden. Das Anschreiben vom 23. Mai 2011, mit dem die Akte zurückgesandt wurde, sei am Nachmittag gefertigt und ihm nach Rückkehr von Mandantengesprächen am Abend des 23. Mai 2011 zur Unterschrift vorgelegt worden. Er sei davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung bereits versandt gewesen und die Unterschrift von seinem Vertreter geleistet worden sei. Entgegen seiner Anweisung sei die Berufungsbegründung hingegen nicht ausgefertigt worden. Vielmehr sei nur die Gerichtsakte mit einem Anschreiben am 24. Mai 2011 eingereicht worden. Seine Mitarbeiterin habe die Berufungsbegründungsfrist aufgrund des Eingangsstempels "24.5.2011" auf dem Aktenrücksendungsschreiben am selben Tag gelöscht.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN).

1. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts schließt der beschriebene Ablauf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht aus. Denn er habe sich angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache vergewissern müssen, dass die Berufungsbegründung tatsächlich ausgefertigt und unterschrieben worden sei. Ihm habe bei der Vorlage des Anschreibens bewusst sein müssen, dass er die Berufungsbegründung noch nicht unterschrieben habe. Wenn die Mitarbeiterin tatsächlich auch die Berufungsbegründung ausgefertigt hätte, hätte es nahe gelegen, dass beides zeitgleich zur Unterschrift vorgelegt worden wäre. Da dem nicht so gewesen sei, habe er sich vergewissern müssen, dass die Berufungsbegründung tatsächlich ausgefertigt und von seinem Kollegen unterschrieben worden sei.

2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war zunächst nicht gehalten, die Ausführung der von ihm erteilten Weisung, die Berufungsbegründung auszufertigen, zu überprüfen oder die Ausführung durch organisatorische Vorkehrungen zu sichern. Denn es handelte sich um eine Anweisung im Rahmen der Anfertigung fristgebundener Schriftsätze, deren Ausführung von der allgemeinen Fristen- und Ausgangskontrolle umfasst wird. Anders als die mündliche Anweisung zur Eintragung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist wies die Weisung keine besondere Schwierigkeit auf und bedurfte die Ausführung der Weisung keiner besonderen Kontrolle.

b) Auch aufgrund der Vorlage des Anschreibens zur Rücksendung der Akten trafen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten keine weiteren Überprüfungspflichten.

aa) Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats vom Rechtsanwalt regelmäßig zu überprüfen, ob die Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist korrekt eingetragen sind, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435; vom 19. Oktober 2011 - XII ZB 250/11 - FamRZ 2012, 106 Rn. 9 und vom 2. November 2011 - XII ZB 317/11 - FamRZ 2012, 108 Rn. 11). Daran mangelte es indessen im vorliegenden Fall nicht, weil die Frist zur Berufungsbegründung zutreffend eingetragen war.

bb) Die Fristen- und Ausgangskontrolle darf ein Rechtsanwalt in zulässiger Weise seinen Büroangestellten übertragen (Musielak/Grandel ZPO 9. Aufl. § 233 Rn. 22 mwN). Der Rechtsanwalt genügt in diesem Fall seinen Pflichten, indem er eine fachlich einwandfreie Kanzleiorganisation sicherstellt und seine mit der Fristen- und Ausgangskontrolle betrauten Angestellten sorgfältig aussucht und etwa durch Stichproben kontrolliert. Wird er diesen Anforderungen gerecht, so ist es ihm nicht als eigenes Verschulden anzulasten, wenn seine Angestellten im Einzelfall die Fristen- oder die Ausgangskontrolle nicht oder nicht sorgfältig durchführen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. April 2009 - XII ZB 167/08 - NJW-RR 2009, 937 Rn. 15).

Allerdings können besondere Umstände dem Rechtsanwalt Veranlassung dazu geben, die Einhaltung von Fristen und den Postausgang selbst zu kontrollieren, wenn ihm diesbezügliche Fehler seiner Angestellten offenbar werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. November 2002 - XII ZB 104/01 NJWRR 2003, 490 betreffend den Postausgang). Eine derartige besondere Überprüfungspflicht bleibt aber auf den Fall beschränkt, dass dem Rechtsanwalt ein Versäumnis seiner Angestellten offenbar wird. Zu einer allgemeinen Überwachung seiner Angestellten darauf, ob seine Anweisungen ausgeführt werden, ist der Rechtsanwalt dagegen nicht verpflichtet (Musielak/Grandel ZPO 9. Aufl. § 233 Rn. 22 mwN).

cc) Nach den aufgeführten Grundsätzen trifft den Prozessbevollmächtigten der Beklagten kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

Nach dem vom Oberlandesgericht als glaubhaft gemacht zugrunde gelegten Sachverhalt konnte der Prozessbevollmächtigte sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts auf die allgemeinen Kontrollmechanismen verlassen, dass eine nicht unterschriebene und abgesandte Berufungsbegründung bei der Fristenüberwachung aufgefallen und die Löschung der Frist dann unterblieben wäre. Aus der alleinigen Vorlage des Anschreibens betreffend die Aktenrücksendung musste er nicht den Schluss ziehen, dass die Berufungsbegründung nicht ausgefertigt und abgesendet worden war. Vielmehr konnte er davon ausgehen, dass die Berufungsbegründung während seiner mehrstündigen Abwesenheit ausgefertigt und dabei von seinem Vertreter im Dezernat unterschrieben worden war. Auch wenn ihm eine isolierte Vorlage des Anschreibens möglicherweise Anlass für eine Rückfrage hätte geben können, war damit jedenfalls ein Fehler der Angestellten für den Prozessbevollmächtigten noch nicht offenbar. Da sich die von ihm erteilte Weisung nach der Glaubhaftmachung allgemein auf die Ausfertigung der Berufungsbegründungsschrift bezog, hätte sie im Übrigen auch in der Weise ausgeführt werden können, dass während seiner Abwesenheit sein Vertreter im Dezernat die Unterschrift leistete. Den Prozessbevollmächtigten traf auch keine weitere Pflicht zur Nachforschung, so dass ihm ein Verschulden an der Fristversäumung nicht vorzuwerfen ist. Vielmehr konnte er sich auf die allgemeine Fristenüberwachung verlassen, die das Versäumnis hätte aufzeigen müssen. Dass seine Mitarbeiterin die Frist zu Unrecht als erledigt gestrichen hat, ist ihm nicht als Verschulden zuzurechnen.

c) Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Der Senat kann hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abschließend entscheiden, weil dazu keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Zur Entscheidung über die Berufung ist das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

Dose Günter Klinkhammer Botur Schilling Vorinstanzen: LG Osnabrück, Entscheidung vom 21.03.2011 - 1 O 2521/10 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 04.08.2011 - 13 U 47/11 -

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