AK 11/22
BUNDESGERICHTSHOF AK 11/22 BESCHLUSS vom 6. April 2022 in dem Strafverfahren gegen wegen versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2022:060422BAK11.22.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidigerin am 6. April 2022 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.
Gründe: I.
Der Angeschuldigte ist am 16. September 2021 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Kassel vom 17. September 2021 (200 Gs 3420/21) und nunmehr aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. Dezember 2021 (3 BGs 483/21).
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in der Zeit von Mai 2021 bis zu seiner vorläufigen Festnahme am 16. September 2021 in S.
als Heranwachsender versucht, eine Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB zu gründen, deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sei, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Tatmehrheitlich hierzu habe er eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er Gegenstände und Stoffe, die für die Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen wesentlich sind, sich verschafft und verwahrt habe; zudem habe er durch dieselbe Handlung vorsätzlich entgegen § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 Gegenstände, in denen unter Verwendung explosionsgefährlicher oder explosionsfähiger Stoffe eine Explosion ausgelöst werden kann (unkonventionelle Sprengvorrichtungen), hergestellt und besessen und sei vorsätzlich ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen
§ 27 Abs. 1 SprengG mit explosionsgefährlichen Stoffen umgegangen. Der Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Angeschuldigten gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3, § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1,
§§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 27 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG, § 2 Abs. 3, § 52 Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 und 7 WaffG, § 105 JGG aus.
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 31. März 2022 wegen der Sachverhalte, die dem aktuell vollzogenen Haftbefehl zugrunde liegen, Anklage zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhoben.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeschuldigte ist der ihm in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Der Angeschuldigte zeigte jedenfalls seit Mitte 2021 ein starkes Interesse an der gewaltbereiten Gruppierung "Atomwaffen Division" (AWD).
(1) Die AWD ist eine im Jahr 2015 in den USA gegründete rechtsextremistische Organisation, welche die "weiße Vorherrschaft" propagiert und sich dementsprechend rassistisch, antisemitisch und nationalsozialistisch darstellt. Ihre Mitglieder treten nach außen mit militärischer Kampfkleidung sowie schwer bewaffnet in Erscheinung und bereiten sich auf einen "Rassen"- und Bürgerkrieg vor, den sie als Ziel und Zweck ihres Handelns anstreben. In diesem Krieg sollen alle in der westlichen Welt lebenden Juden, Muslime und anderen Personen getötet werden, die nach dem Weltbild der AWD nicht der "weißen Rasse" angehören. Die AWD forderte ihre Anhänger auf, sich zur Begehung von Anschlägen und Morden in kleinen, klandestinen Zellen zu organisieren oder als Einzeltäter zu agieren. Von der AWD ausgehend und diesem Konzept folgend entwickelte sich weltweit ein Netzwerk verschiedener Ableger der Gruppierung mit gleichgerichteter Zielsetzung.
Seit Mitte 2018 trat unter der Bezeichnung "Atomwaffen Division Deutschland" (AWDD) eine deutsche Untergruppierung im Internet und in der realen Welt öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Beginnend mit einem im Juni 2018 im Internet veröffentlichten und in den sozialen Netzwerken weiterverbreiteten Gründungsvideo mit dem Titel " " sowie anschließend ab November 2018 bis Sommer 2019 durch Flugblätter rief die AWDD in verschiedenen Orten Deutschlands zum Mord an Juden und Muslimen sowie dazu auf, ihrer Organisation beizutreten und im bevorstehenden "Rassenkrieg" zu kämpfen. Ende Oktober 2019 wurden unter der Bezeichnung "Atomwaffen Division Deutschland" schließlich E-Mails versandt, in denen Mitgliedern des Deutschen Bundestages ihre Hinrichtung angekündigt wurde.
(2) Dieses rechtsextreme, rassistische, staatsfeindliche und gewalttätige, bis hin zur Begehung von Tötungsverbrechen reichende Erscheinungsbild der AWD und ihre Ausrichtung waren dem Angeschuldigten bewusst. Er verschaffte sich ab Anfang Juli 2021 im Internet Informationen über sie. Insbesondere lud er sich Programme der AWD und AWDD, in Kreisen der AWD als Standardliteratur angesehene Bücher ("Mein Kampf" und die "Turner Diaries") sowie Propagandavideos herunter, unter anderem am 15. Juli 2021 das Gründungsvideo der AWDD. In weiteren von ihm zuvor am 11. und 12. Juli 2021 abgerufenen Videos der AWD werden James Mason und sein Buch "Siege" vorgestellt; es wird dazu eingeladen, der "Siegeculture" beizutreten und das Werk sowie diese Kultur fortzuführen.
Der Angeschuldigte zeigte sich von der AWD fasziniert, übernahm deren Weltbild und sah die Aufforderung, bewaffnete Zellen zur Begehung von tödlichen Anschlägen zu bilden, als Auftrag an. Er hatte sich ab Anfang Juli 2021 zum Ziel gesetzt, eine eigene schlagkräftige und bewaffnete Gruppe nach den Vorgaben der AWD mit der Bezeichnung "AWDD H. " aufzubauen, die unter Verwendung von Sprengsätzen und Schusswaffen Gewalttaten bis hin zu tödlichen Anschlägen begehen sollte.
Seinem Vorhaben entsprechend legte er am 10. Juli 2021 auf der Social- Media Plattform "Instagram" ein Profil für die "
" an und registrierte unter Verwendung dieser Bezeichnung am 11. Juli 2021 zwei E-Mailadressen, um etwa mit Bewerbern in Kontakt treten zu können. Zudem war er bei zwei Instant-Messaging-Diensten in Chatgruppen unter der Bezeichnung "AWDD H. " aktiv.
Am 15. Juli 2021 fragte der Angeschuldigte einen Freund per WhatsAppChat, ob dieser Mitglied der AWD werden wolle. Mit der Frage zielte der Angeschuldigte darauf ab, seinen Freund für seine Zelle "AWDD H. " zu rekrutieren. Dieser willigte zwar zunächst ein, antwortete aber auf eine spätere Anfrage nicht mehr.
Inspiriert von den Propagandavideos sowie den Programmen der AWD und AWDD formulierte der Angeschuldigte am 22. Juli 2021 eine eigene Schmähschrift, die er mit dem Kennzeichen der AWD und der Überschrift " " versah und in der er einen "totalen Rassenkrieg" als Ziel formulierte. Dieses sollte innerhalb von drei Jahren erreicht, Migranten und Juden sollten hiernach aus dem Lebensraum der "weißen Rasse" verjagt und dezimiert werden.
In einer internationalen Chat-Gruppe des Instant-Messenger-Dienstes
"Telegram" mit der Bezeichnung "AWD-Chat" erklärte der Angeschuldigte unter seinem Chatnamen "AWDD H.
" am 26. August 2021, dass die
"AWDD H. " existiere. Er beklagte, dass es für sie schwierig sei, neue Leute zu gewinnen oder Waffen zu bekommen. An die Chat-Teilnehmer gewandt, bat er um Hilfe bei der Waffenbeschaffung. Daraufhin riet ihm ein Chat-Teilnehmer dazu, Waffen mit 3-D-Druckern herzustellen.
Der Angeschuldigte fertigte als Erkennungsmerkmal dienende Abzeichen der AWD, ein in einem Schutzschild eingebettetes Strahlenwarnzeichen (Flügelrad), sowohl in Stoff mit Klettverschluss für Uniformen als auch ausgedruckt mit der Bezeichnung "Atomwaffen Division" mit dem Zusatz "Made in Germany" und
"AWD H. " an. Zudem druckte er Flugblätter der AWD mit antisemitischen und rassistischen Slogans sowie dem Aufruf zur Tötung von Bürokraten aus, die er zwischen dem 17. und 19. September 2021 in K. zur Mitgliederwerbung aufhängen wollte. Dazu hatte er sich mit "drei, vier, fünf Mann" verabredet, zu denen bislang nichts Näheres bekannt ist. Kontakte zu den Mitgliedern der AWDD hatte er nicht.
bb) Jedenfalls ab Mai 2021 verschaffte sich der Angeschuldigte über die Online-Plattform Amazon Bestandteile für den Bau von (unkonventionellen) Sprengvorrichtungen, darunter Schwefel, Magnesiumpulver, Zündschnur, mindestens 33 Brückenzünder sowie eine Funkauslösung zur Fernzündung. Mit diesen Stoffen erstellte er Gemische, die er in Papprollen unterschiedlichen Durchmessers und unterschiedlicher Länge füllte und daraus unter Verwendung von Gips als Stopfmittel sowie Folie als Isoliermaterial, Lunten und in einem Fall eines Brückenzünders unter anderem acht größere unkonventionelle Sprengvorrichtungen herstellte. Daneben hatte er für die Herstellung weiterer Sprengsätze noch 470 Gramm Schwefel-Magnesiumgemisch, 290 Gramm Schwefel und 295 Gramm Magnesiumpulver vorrätig. Die für den Zusammenbau der Sprengvorrichtungen und Zünder notwendigen Kenntnisse hatte sich der Angeschuldigte über Anleitungen aus dem Internet verschafft.
Der von dem Angeschuldigten hergestellte Sprengstoff in den vorgenannten Sprengvorrichtungen weist eine Sprengkraft auf, die in ihrem Wirkungsgrad nur wenig unterhalb von militärischem Sprengstoff liegt. Insbesondere eine größere unkonventionelle Sprengvorrichtung, die er mit Stahlkugeln und Fernzündung versah, ist geeignet, enorme Sach- und Personenschäden anzurichten. Eine solche Folge bis hin zu tödlichen Verletzungen, die neben dem erzeugten Druck insbesondere durch die als Geschosse wirkenden und gedachten Stahlkugeln verursacht werden konnten, waren ihm bekannt und von ihm gewollt. Er hatte vor, diese Sprengvorrichtungen für Anschläge im Sinne der Ideologie und Ziele der AWD zu verwenden und damit gegen Menschen jüdischen Glaubens, Muslime und sonstige aus seiner Sicht nicht der "weißen Rasse" zugehörige Personen in Deutschland sowie gegen Personen, die den Staat repräsentieren, einzusetzen. In Anwesenheit eines Freundes zündete der Angeschuldigte am 17. Juli 2021 einen der Sprengsätze und verschaffte sich so ein Bild von dessen Sprengkraft.
Am 11. September 2021 suchte der Angeschuldigte in einer InternetSuchmaschine neben Artikeln zu dem Sturmgewehr G36 und den Begriffen "Grundschule E. " und "B. " nach Grundrissen des Bundestagsgebäudes.
Sowohl bei der Beschaffung der notwendigen Materialien als auch bei der Herstellung der vorgenannten Sprengvorrichtungen war der Angeschuldigte bereits fest entschlossen, diese für einen Anschlag der vorbeschriebenen Art zu nutzen. Zur Begehung der vorbereiteten Tat kam es nicht, weil er am 16. September 2021 festgenommen wurde.
Über die jeweils erforderliche Erlaubnis zur Herstellung sowie zum Besitz von Waffen und zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen verfügte der Angeschuldigte, wie er wusste, nicht.
b) Der dringende Tatverdacht beruht im Hinblick auf die Zielsetzungen und die Struktur der AWD sowie der AWDD auf der Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen. Bezogen auf das Verhalten des Angeschuldigten folgt der dringende Tatverdacht in tatsächlicher Hinsicht insbesondere aus den in weiten Teilen geständigen Angaben des Angeschuldigten, dem von ihm verfassten Manifest "
" sowie der Auswertung der sichergestellten Datenträger im Übrigen, des Weiteren aus Erkenntnissen des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz und der kriminaltechnischen Untersuchung der Sprengvorrichtungen und weiterer Gegenstände, die bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten des Angeschuldigten sichergestellt worden sind.
Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände wird auf die eingehenden Ausführungen in dem Haftbefehl vom 29. Dezember 2021 und die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift Bezug genommen.
c) In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit der versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung sowie der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit den bereits genannten Vergehen gegen das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz schuldig gemacht hat, § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3, § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 27 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG, § 2 Abs. 3, § 52 Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 und 7 WaffG, § 105 JGG.
aa) Bei der "AWDD H. " handelt es sich hochwahrscheinlich um eine vom Angeschuldigten angestrebte terroristische Vereinigung. Die nach seiner Vorstellung zu schaffende Gruppierung genügt den Anforderungen des Vereinigungsbegriffs des § 129 Abs. 2 StGB. Zwar sollte es sich bei der zu bildenden Zelle den entsprechenden Aufforderungen zufolge um eine von der AWD und der AWDD unabhängige kleine und klandestine Einheit handeln. Aus dem Tätigwerden des Angeschuldigten und den Inhalten seines Manifestes folgt jedoch, dass er von einem auf längere Dauer, nämlich mehrere Jahre, angelegten organisatorisch unabhängigen Zusammenschluss von mehr als zwei Personen ausging. Dass es sich bei den gemeinsam zu verfolgenden übergeordneten Interessen um solche im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB handeln sollte, ergibt sich daraus, dass nach dem von ihm übernommenen Vereinigungszweck der AWD die Dezimierung nicht der "weißen Rasse" zugehöriger Personen, also deren Tötung, im Rahmen eines "Rassenkrieges" beabsichtigt war. Für die Verfolgung dieses Interesses spricht überdies die zeitnahe Herstellung möglicherweise tödlich wirkender Sprengvorrichtungen.
Zur Gründung der "AWDD H. " setzte der Angeschuldigte nach seiner Vorstellung von der Tat dadurch unmittelbar an, dass er seinen Freund und weitere - letztlich aber nicht aus H.
stammende - Personen durch direkte Ansprache konkret als Mitglieder zu gewinnen versuchte (vgl. BGH, Beschluss vom
21. Oktober 2003 - AK 17/03, NStZ-RR 2004, 40; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz,
4. Aufl., § 129a Rn. 68). Anhaltspunkte für einen strafbefreienden Rücktritt von dem Versuch der Gründung einer terroristischen Vereinigung bestehen nicht; denn die seitens des Angeschuldigten ab dem 17. September 2021 in K.
geplanten Aktivitäten zur weiteren Werbung von Mitgliedern unterblieben lediglich aufgrund seiner zwischenzeitlichen Festnahme.
bb) Dass es sich bei der von dem Angeschuldigten im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 StGB vorbereiteten Gewalttat um eine solche handelt, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, folgt daraus, dass die auf den Ausbruch eines "Rassenkriegs" gerichteten Aktionen der "AWDD H. " nach Auffassung des Angeschuldigten - in Übereinstimmung mit den entsprechenden Anleitungen - größtmögliche Außenwirkung erzielen sollten, um so staatliche Strukturen maximal zu destabilisieren und letztlich den Zerfall des Staates herbeizuführen. Hinzu kommt, dass er bereits Recherchen bezüglich besonders systemrelevanter Tatorte wie des Bundestagsgebäudes vorgenommen hatte.
Die feste Entschlossenheit des Angeschuldigten zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218, 239 f.; Beschluss vom 9. August 2016 - 3 StR 466/15, BGHR StGB § 89a Konkurrenzen 1 Rn. 4) ist einer Gesamtschau seiner vorstehend geschilderten Aktivitäten im Zusammenhang mit der "AWDD H. " zu entnehmen.
cc) Bei zwei der vom Angeschuldigten zusammengesetzten Gegenstände handelt es sich - unter Zugrundelegung des vom Hessischen Landeskriminalamts erstellten Behördengutachtens vom 29. November 2021 - hochwahrscheinlich um funktions- und verwendungsfähige unkonventionelle Sprengvorrichtungen, die verbotene Waffen im Sinne der Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 zu § 2 Abs. 3 WaffG darstellen (vgl. BT-Drucks. 16/7717 S. 25). Die strafbare Herstellung und der anschließende Besitz nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG stehen in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 StR 71/14, NStZ-RR 2014, 291). Hinzu tritt der Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3, § 27 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SprengG, weil weitere hergestellte Vorrichtungen (ebenfalls) als funktions- und verwendungsfähige pyrotechnische Gegenstände einzustufen sind (vgl. zur Tateinheit auch BGH, Beschluss vom 26. November 2020 - AK 36/20, juris Rn. 20; Urteil vom 7. Juli 2020 - 1 StR 242/19, StV 2021, 427 Rn. 6). Da der Umgang mit den Vorrichtungen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat diente, ist Tateinheit mit diesem Delikt gegeben.
2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO).
a) Eine Fluchtgefahr ist gegeben. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist es wahrscheinlicher, dass der Angeschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich diesem zur Verfügung halten wird.
Wenngleich der Angeschuldigte noch Heranwachsender und bislang unbestraft ist, hat er in Anbetracht des schwerwiegenden Tatvorwurfs im Falle seiner Verurteilung mit einer empfindlichen Jugend- oder Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Dem daraus resultierenden hohen Fluchtanreiz stehen keine ausreichenden fluchthemmenden Umstände gegenüber. Zwar lebt der Angeschuldigte im Verbund seiner Herkunftsfamilie; im Hinblick auf seine zurückhaltende Persönlichkeit und seinen auch gegenüber den Familienangehörigen zurückgezogenen Lebensstil ergeben sich hieraus indessen keine den Fluchtanreiz aufwiegenden hinreichend engen familiären Bindungen. Gleiches gilt im Ergebnis mit Rücksicht auf die erhebliche Straferwartung für das jedenfalls zum Zeitpunkt der Inhaftierung bestehende Ausbildungsverhältnis als Tischler.
b) Darüber hinaus liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität nach § 112 Abs. 3 StPO vor. Der Angeschuldigte ist dringend verdächtig, versucht zu haben, eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu gründen. Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Verfahrens kann das Bestehen von Fluchtgefahr jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, so dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Auf- klärung der Tat gefährdet wäre. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist demnach auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung der Vorschrift (vgl. MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) auf den Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO zu stützen.
c) Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind aus den genannten Gründen nicht erfolgversprechend.
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Der Aktenbestand des Ermittlungsverfahrens beläuft sich mittlerweile auf 20 Stehordner. Neben anderen zunächst noch ausstehenden Ermittlungsergebnissen wie etwa Sachverständigengutachten hat die andauernde Auswertung der insgesamt 70 sichergestellten Datenträger mit einem Datenvolumen von über 18 Terrabyte einen früheren Abschluss der Ermittlungen gehindert. Gleichwohl hat der Generalbundesanwalt inzwischen öffentliche Klage erhoben.
4. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Wimmer Anstötz