IX ZB 55/19
BUNDESGERICHTSHOF IX ZB 55/19 BESCHLUSS vom 15. Oktober 2020 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung ECLI:DE:BGH:2020:151020BIXZB55.19.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterin Möhring, die Richter Dr. Schoppmeyer, Röhl und die Richterin Dr. Selbmann am 15. Oktober 2020 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. August 2019 wird auf Kosten der Antragsgegnerinnen als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.200.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller erwirkte gegen die Antragsgegnerinnen, zwei zypriotische Gesellschaften, ein vollstreckbares Urteil des High Court of Justice, Queen´s Bench Division, Commercial Court, vom 5. Mai 2012, durch welches diese verurteilt wurden, an den Antragsteller insgesamt ca. 6.200.000 € zu zahlen. Die Antragsgegnerin zu 1 war alleinige Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 2. Der einzige Vermögensgegenstand der Antragsgegnerin zu 2 waren Geschäftsanteile an der L. Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in M. . Diese Anteile trat sie an einen Düsseldorfer Rechtsanwalt ab. Der Antragsteller hat die Abtretung vor dem Landgericht Düsseldorf angefochten.
Ein erstmaliger Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des High Court of Justice wurde auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen durch das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 27. Februar 2018 zurückgewiesen, da die formellen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung nicht gewahrt waren.
Auf den Antrag vom 5. Juni 2018 hat das Landgericht Düsseldorf angeordnet, dass das Urteil des High Court of Justice vom 5. Mai 2012 mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde wollen sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und die Zurückweisung des Antrags erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: EuGVVO aF). Die Klage des Antragstellers in dem Ausgangsprozess ist vor dem 10. Januar 2015 erhoben worden. Gemäß Art. 66 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) gilt deshalb noch altes Recht. Daneben sind die Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 19. Februar 2001 in der Fassung vom 30. November 2015
(BGBl. I S. 2146) entsprechend anzuwenden (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2018 - IX ZB 10/18, WM 2018, 1658 Rn. 9 mwN).
2. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der am 27. Februar 2018 wegen Nichterfüllung der in Art. 53 und Art. 54 EuGVVO aF aufgeführten Voraussetzungen rechtskräftig zurückgewiesene Antrag habe erneut gestellt werden können, denn die Reichweite der Rechtskraft sei vorliegend auf die Förmlichkeiten im Sinne des Art. 41 EuGVVO aF beschränkt. Das Landgericht Düsseldorf sei als Ort des Feststellungsinteresses örtlich zuständig gewesen. Der Anfechtungsprozess, der vor dem Landgericht Düsseldorf geführt werde, begründe auch das Rechtsschutzinteresse für den Antrag. Die Förmlichkeiten der Art. 53 und Art. 54 EuGVVO aF seien nunmehr erfüllt. Schließlich lasse sich nicht feststellen, dass die Antragsgegnerinnen rechtlich nicht mehr existent seien.
3. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 15 Abs. 1 AVAG, Art. 44 EuGVVO aF statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit, ein Urteil eines Gerichts des Vereinigten Königreichs in Deutschland für vollstreckbar zu erklären, ergibt sich unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 EuGVVO aF. Eine gesondert zu überprüfende internationale Zuständigkeit einzelner deutscher Gerichte gibt es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZB 28/10, BeckRS 2011, 2154 Rn. 2). Die durch die Rechtsbeschwerde insoweit geltend gemachten Zulässigkeitsgründe liegen nicht vor.
b) Soweit die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeitsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, wegen Grundsatzbedeutung und zur Fortbildung des Rechts mit Blick auf die Auslegung und Reichweite des Art. 39 Abs. 2 EuGVVO aF geltend macht, sind die insoweit aufgeworfenen Rechtsfragen jedenfalls nicht entscheidungserheblich.
aa) Gemäß § 576 Abs. 2 ZPO kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Der Bundesgerichtshof hat für das Revisionsverfahren entschieden, dass § 545 Abs. 2 ZPO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Revisionsgerichte jede Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges - mit Ausnahme der internationalen Zuständigkeit - ausschließt. Für die im Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwendende, dem § 545 Abs. 2 ZPO entsprechende Vorschrift des § 576 Abs. 2 ZPO gilt nichts anderes (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 - VII ZB 79/08, NJW 2009, 1974 Rn. 3 f mwN).
bb) Dem folgend findet in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit grundsätzlich auch dann nicht statt, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte von dem Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen ist. Zu der insoweit entsprechenden Regelung in § 549 Abs. 2 ZPO aF hat der Bundesgerichtshof allerdings entschieden, dass diese Vorschrift bezüglich der örtlichen Zuständigkeit nicht anzuwenden ist, soweit daneben die internationale Zuständigkeit im Streit ist und beide Zuständigkeiten von denselben Voraussetzungen abhängen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2015 - VI ZR 11/14, NJW-RR 2015, 941 Rn. 17 mwN). Ein solcher Fall liegt nicht vor.
cc) Örtlich zuständig für die Vollstreckbarerklärung eines von einem mitgliedstaatlichen Gericht erlassenen Urteils sind gemäß Art. 39 Abs. 2 EuGVVO aF die Gerichte am Wohnsitz des Schuldners oder an dem Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll.
dd) Die örtliche Zuständigkeit ist entgegen § 576 Abs. 2 ZPO auch nicht deshalb in der Rechtsbeschwerdeinstanz überprüfbar, weil - wie die Rechtsbeschwerde rügt - das Beschwerdegericht Art. 39 Abs. 2 EuGVVO aF fehlerhaft ausgelegt und die örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe und dadurch die Antragsgegnerinnen in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt habe (vgl. MünchKomm-ZPO/Krüger, 6. Aufl., § 545 Rn. 17 mwN).
Zwar mag die Annahme der örtlichen Zuständigkeit Bedenken begegnen. Objektiv willkürlich ist ein Richterspruch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 1 BvR 1925/13, NJW 2014, 3147 Rn. 13). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
(1) Nach Art. 39 Abs. 2 Fall 2 EuGVVO aF wird die örtliche Zuständigkeit durch den Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt. Überwiegend wird angenommen, dass insoweit die Absicht des Gläubigers genügt, der Schuldner also in diesem Bezirk gegenwärtig - noch - kein Vermögen haben muss (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 1997 - IX ZB 11/97, WM 1997, 1521 unter IV. 1.). Es genügt deshalb die Behauptung des Antragstellers (Gläubigers), er wolle im Zweitstaat vollstrecken (vgl. Geimer/Schütze-Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 39 EuGVVO Rn. 1). Erforderlich,
aber auch ausreichend ist die substantiierte Behauptung, an dem betreffenden Ort überhaupt eine Vollstreckung vornehmen zu wollen.
(2) Dass die vom Antragsteller behauptete Verwendung der beantragten Vollstreckbarerklärung in dem Anfechtungsprozess vor dem Landgericht Düsseldorf nach der Auffassung des Beschwerdegerichts eine Vollstreckung im Sinne von Art. 39 Abs. 2 Fall 2 EuGVVO aF darstellen soll, stellt jedenfalls keine krasse Missdeutung dieser Norm dar.
ee) Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst. Nachdem eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit nicht zu erfolgen hat, ist die Frage, wie Art. 39 Abs. 2 EuGVVO aF auszulegen ist, vorliegend nicht entscheidungserheblich.
c) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht erforderlich, soweit geltend gemacht wird, das Beschwerdegericht habe das Vorbringen der Antragsgegnerinnen zu dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers übergangen. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag im Wesentlichen mit dem Anfechtungsprozess begründet. Ein Verstoß gegen den Anspruch der Antragsgegnerinnen auf die Gewähr rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
d) Soweit das Beschwerdegericht gemeint hat, der Vollstreckbarerklärung stehe nicht die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Februar 2018 entgegen, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht veranlasst.
aa) Die Rechtsbeschwerde legt bereits einen Klärungsbedarf insoweit nicht hinreichend dar, denn sie verweist lediglich auf eine Kommentarstelle und eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln, die sich jeweils nicht auf die EuGVVO aF beziehen.
bb) Im Hinblick auf den Umstand, dass andere Gerichte und Stimmen in der Literatur die Auffassung des Beschwerdegerichts stützen, dass ein wegen Nichtvorlage der in Art. 53 EuGVVO aF in Verbindung mit Art. 54 EuGVVO aF genannten Unterlagen zurückgewiesener Antrag erneut gestellt werden kann, besteht im Übrigen kein Klärungsbedarf.
Es bedarf auch nicht eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV, denn die Anwendung des Unionsrechts ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt ("acte clair", vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-160/14, EuZW 2016, 111 Rn. 38 f mwN).
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 17 Abs. 2 AVAG, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Grupp Röhl Möhring Selbmann Schoppmeyer Vorinstanzen: LG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.06.2018 - 22 O 53/18 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.08.2019 - I-3 W 165/18 -