XI ZB 4/17
BUNDESGERICHTSHOF XI ZB 4/17 BESCHLUSS vom 17. April 2018 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:170418BXIZB4.17.1 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2018 durch den Richter Dr. Joeres als Vorsitzenden, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1 wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. Dezember 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 65.000 €. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe: I.
Der Kläger macht Ersatzansprüche gegen die Beklagten wegen der Veräußerung eines als Sicherheit übereigneten Kraftfahrzeugs geltend.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 18. Juli 2016 überwiegend stattgegeben. Dagegen hat der Beschwerdeführer und Beklagte zu 1, dem nach dem Empfangsbekenntnis seines Prozessbevollmächtigten das landgerichtliche Urteil am 19. Oktober 2016 zugestellt worden ist, Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift vom 14. November 2016, die mit der eingescannten Unterschrift und dem maschinenschriftlich wiedergegebenen Namen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1 abschließt, ist bei dem Berufungsgericht an diesem Tag auf einem Faxgerät eingegangen. Ein entsprechender Ausdruck dieser Berufungsschrift ist am 22. November 2016 per Briefpost an das Berufungsgericht gelangt.
Nach Hinweis vom 22. November 2016 hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zu 1 mit "Teil-Beschluss" vom 21. Dezember 2016 als unzulässig verworfen, da das "Tele-/Computer Fax" vom 14. November 2016 und die "als Originalschriftsatz" eingereichte Berufungsschrift von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1 nicht eigenhändig, sondern nur mittels eingescannter Unterschrift "unterschrieben" worden seien. Zwar sei in höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmende Schriftstücke mit Telefax und eingescannter Unterschrift formwirksam an das Gericht übermittelt werden könnten. Allerdings sei in der Rechtsprechung auf eine eigene Unterschrift des Prozessbevollmächtigten nur dann und insoweit verzichtet worden, wie technische Gegebenheiten einen solchen Verzicht erforderlich machten. Vorliegend sei nicht ersichtlich, weshalb es dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1 nicht möglich gewesen wäre, die Schriftsätze, die im Nachgang zu den vorab per Telefax zugesandten Schriftstücken eingereicht worden seien, eigenhändig zu unterzeichnen. Über einen Antrag des Beklagten zu 1 auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung hat das Berufungsgericht bislang nicht entschieden.
Der Beklagte zu 1 hat gegen den ihm am 4. Januar 2017 zugestellten Verwerfungsbeschluss mit Schriftsatz vom 12. Januar 2017, eingegangen am
13. Januar 2017, Rechtsbeschwerde eingelegt. Nachdem die Begründungsfrist antragsgemäß bis einschließlich 22. Mai 2017 verlängert worden ist, ist mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017, eingegangen an diesem Tag, die Rechtsbeschwerde begründet worden.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1 führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Durch die Verwerfung seiner Berufung ist der Beklagte zu 1 in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, da die Berufung form- und fristgerecht bei dem Berufungsgericht eingelegt worden ist. Damit ist dem Beklagten zu 1 der Zugang zur Berufungsinstanz zu Unrecht verwehrt worden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch in der Sache begründet. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, der Beklagte zu 1 habe innerhalb der Berufungsfrist die Berufung nicht in der gesetzlichen Form nach § 519 Abs. 4 ZPO in Verbindung mit § 130 Nr. 6 ZPO eingelegt.
a) Wird ein bestimmender Schriftsatz mit Computerfax übersandt, kann die gesetzlich erforderliche Schriftform nach § 130 Nr. 6 ZPO entweder dadurch gewahrt werden, dass dieser mit eingescannter Unterschrift des Erklärenden übermittelt wird, oder dadurch, dass auf dem Schriftsatz der Hinweis angebracht wird, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 5. April 2000 - GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 164 f.; Senatsurteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, NJW 2005, 2086, 2087; Senatsbeschlüsse vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 40/05, WM 2006, 2331 Rn. 8 und vom 14. Oktober 2015 - XI ZB 13/13, NJW-RR 2015, 624 Rn. 10; vgl. auch BVerfG, NJW 2007, 3117, 3118).
b) Danach hat der Beklagte zu 1 innerhalb der bis zum 21. November 2016 laufenden Berufungsfrist mit der am 14. November 2016 per Telefax eingegangenen Berufungsschrift formwirksam Berufung eingelegt. Da vorliegend der bestimmende Schriftsatz als Computerfax übersandt worden ist, ist die nach § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Schriftform durch die Beifügung der eingescannten Unterschrift des Prozessvertreters des Beklagten zu 1 gewahrt worden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es nicht der nachfolgenden Übersendung einer vom Prozessbevollmächtigten eigenhändig unterzeichneten Berufungsschrift. Vielmehr erfüllt das im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen genügende Schriftstück, das mit Computerfax übersandt worden ist, für sich die Anforderungen an einen bestimmenden Schriftsatz, wenn ihm eine eingescannte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten angefügt ist.
c) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Berufungsschriftsatz des Beklagten zu 1 mittels Computerfax und nicht als herkömmliches Telefax an das Berufungsgericht übersandt worden ist. Der Beklagte zu 1 hat einen entsprechenden Ausdruck des Protokolls über den Versand des Schriftsatzes als Computerfax vorgelegt.
3. Anders als die Beschwerdeerwiderung meint, hat der Prozessvertreter des Beklagten zu 1 dabei - was der erkennende Senat selbst festzustellen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 13 und vom 20. Juni 2017 - XI ZB 3/17, juris Rn. 8) - einen individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug verwendet (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737, vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 und vom 16. September 2010 - IX ZB 13/10, NZI 2011, 59 Rn. 6). Unschädlich ist, dass bei der Unterschrift des Prozessvertreters des Beklagten zu 1 einzelne Buchstaben seines Namens ineinander verschlungen sind. Denn auch ein nicht lesbarer Namenszug ist, was die Beschwerdeerwiderung übersieht, als Unterschrift anzuerkennen, wenn der Unterzeichner - wie vorliegend der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1 - auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt (BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - VII ZB 36/10, NJW-RR 2012, 1140 Rn. 8).
4. Wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.
Joeres Menges Grüneberg Derstadt Maihold Vorinstanzen: LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 15.09.2016 - 12 O 2790/14 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.12.2016 - 12 U 2117/16 -