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III R 57/12

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.6.2016, III R 57/12 Vorrangiger Kindergeldanspruch des im anderen EU-Mitgliedstaat wohnenden Elternteils Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 2012 12 K 655/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand I. Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum September 2011 bis Februar 2012.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist griechischer Staatsangehöriger und Vater dreier in den Jahren 1995, 1997 und 2000 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) geborener Kinder. Die Kinder leben seit dem Jahre 2005 in Griechenland im Hause der Eltern des Klägers.

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hatte dem Kläger seit der Geburt der Kinder Kindergeld gewährt. Mit Bescheid vom 26. Juli 2011 hob sie die Kindergeldfestsetzung auf. Den am 13. September 2011 gestellten Antrag des Klägers auf Kindergeld lehnte sie mit Bescheid vom 7. Oktober 2011 ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2012).

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Eltern des Klägers seien vorrangig kindergeldberechtigt. Das Gericht ließ offen, ob der Kläger im Inland überhaupt einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger eine mangelnde Sachaufklärung des FG in Bezug auf den Wohnsitz des Klägers und die unzutreffende Anwendung des § 64 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Familienkasse unter Abänderung ihres Bescheides vom 7. Oktober 2011 zu verpflichten, dem Kläger ab Antragstellung (September 2011) Kindergeld zu bewilligen.

Die Familienkasse beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 26. November 2014 hat der Bundesfinanzhof das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen C-378/14 angeordnet. Der EuGH hat mit Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2015, 1501) über die Vorlagefragen entschieden.

Entscheidungsgründe II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat zutreffend erkannt, dass der Kläger zwar nach nationalem Recht (§§ 62 ff. EStG) anspruchsberechtigt sein kann, hier aber den Großeltern(-teilen) nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG jedenfalls ein vorrangiger Kindergeldanspruch zusteht.

1. Selbst wenn der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG erfüllte und er daher grundsätzlich kindergeldberechtigt sein sollte, ist der Kindergeldanspruch der Großeltern(-teile) vorrangig. Unerheblich ist, dass die Kinder des Klägers ihren Wohnsitz in Griechenland haben (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).

2. Die Großeltern(-teile) sind nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig anspruchsberechtigt.

Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

a) Im Streitfall ergibt sich die Anspruchsberechtigung der Großeltern(-teile) aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar liegt der nach dieser Vorschrift erforderliche Inlandswohnsitz tatsächlich nicht vor. Es ist aber gemäß Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 883/2004 (Grundverordnung)-- i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung)-- zu unterstellen, dass sie mit den Kindern in Deutschland wohnen.

aa) Der Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 ist im Streitfall eröffnet; Deutschland ist danach der zuständige Mitgliedstaat.

Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der Grundverordnung. Ebenso ist das Kindergeld nach dem EStG eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. z der VO Nr. 883/2004, so dass auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 unterliegen die von der Verordnung erfassten Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Einen inländischen Wohnsitz des Klägers unterstellt, unterlag er jedenfalls nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der VO Nr. 883/2004 den deutschen Rechtsvorschriften.

bb) Aus Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 folgt, dass die Wohnsituation der Großeltern (fiktiv) in das Inland übertragen wird.

Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 10. März 2016 III R 62/12, BFHE 253, 236, BStBl II 2016, 616, Rz 16 bis 21.

b) Die Großeltern(-teile) erfüllen neben dem Wohnsitzerfordernis auch die übrigen Voraussetzungen für einen vorrangigen Kindergeldanspruch.

aa) Anhaltspunkte dafür, dass die Großeltern(-teile) nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer i.S. des § 62 Abs. 2 EStG sind, hat das FG nicht festgestellt. Zudem haben die Großeltern ihre Enkelkinder nach den Feststellungen des FG auch in ihren Haushalt aufgenommen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

bb) Ein vorrangiger Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG; denn diese Bestimmung setzt einen gemeinsamen Haushalt des Klägers und der Großeltern voraus. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Ein gemeinsamer Haushalt kann sich auch nicht aus der Fiktionswirkung des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ergeben.

c) Schließlich kommt es nicht darauf an, ob einer der Großeltern(-teile) selbst einen Antrag auf Kindergeld in Deutschland gestellt hat. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil in BFHE 253, 236, BStBl II 2016, 616, Rz 22, 23.

3. Die vom Kläger geltend gemachte Verfahrensrüge greift nicht durch.

Soweit der Kläger ausführt, das FG habe durch die fehlende weitere Aufklärung seines Wohnsitzes die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, kann auf dieser vermeintlichen Rechtsverletzung das Urteil nicht beruhen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn tatsächlich war das Vorbringen des Klägers zu seinem inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt und seiner grundsätzlichen Kindergeldberechtigung für das FG --wie ausgeführt-- nicht entscheidungserheblich.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.

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