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6 W (pat) 21/10

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 21/10 Verkündet am 14. November 2013

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2004 023 851 …

BPatG 154 05.11

…

hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Richter beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 12 vom 16. Oktober 2009 insoweit aufgehoben, als das Patent 10 2004 023 851 mit folgenden Unterlagen in beschränktem Umfang aufrecht erhalten wird:

- Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hauptantrag der Patentinhaberin

- Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe I.

Gegen das Patent 10 2004 023 851, das am 13. Mai 2004 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität Nr. 2003-136038 vom 14. Mai 2003 angemeldet und dessen Erteilung am 28. August 2008 veröffentlicht worden war, ist am 27. November 2008 Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2009 das Patent aufrechterhalten.

Die Patentabteilung hat in dem angefochtenen Beschluss den Gegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 als neu und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend erachtet.

Dabei sind von dem Einsprechenden die Druckschriften E1: JP 2002-106 614 A E1 A: Patent Abstracts of Japan von E1 zusammen mit einer maschinell erstellten englischen Übersetzung E2: DE 692 28 125 T2 E3: DE 42 34 818 A1 E4: JP 08-049 737 A (Prüfungsverfahren) E4A: Patent Abstracts of Japan von E4 zusammen mit einer maschinell erstellten englischen Übersetzung E5: Auszugsweiser Ausdruck aus der Datenbank des FMSI - Friction Material Standards Institute, Internet: http://www.fmsi.org/fmsi/home/home.asp, Ausdruck vom 26. September 2008 E6: WO 02/36981 A1 E7: WO 03/006843 A1 E8: WO 02/16794 A1 herangezogen und von der Patentabteilung außer der vorgenannten E4 auch noch die anderen im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften berücksichtigt worden:

D1: DE 202 19 519 U1 D2: DE 85 07 640 U1 D3: JP 06-0 69 459 U.

Mit der Beschwerdebegründung vom 31. Oktober 2013 hat der Einsprechende außerdem noch folgende Druckschriften in das Beschwerdeverfahren eingeführt:

E9:

E10: E11: E12: E13:

JP 9-303 444 A, zusammen mit dem zugehörigen Abstract aus „Patent Abstracts of Japan“ sowie einer maschinell erstellten englischen Übersetzung des Beschreibungsteils DE 39 06 713 A1 DE 35 20 086 A1 GB 2 434 624 A WO 01/98680 A1.

Bei der E5 und der E12 handelt es sich um jüngere, nachveröffentlichte Dokumente, wobei die E5 entsprechend der Beschwerdebegründung nicht als Stand der Technik, sondern als Nachweis für die Verwendung der darin dargestellten Bremsbeläge, d. h. im Sinne eines Belegs für derartig vorbenutzte Bremsbeläge, dienen soll.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 25. Februar 2010 eingegangene Beschwerde des Einsprechenden. Er führt in seiner Beschwerdebegründung aus, dass der Patentgegenstand gegenüber der E1 oder der E3 nicht neu sei oder zumindest ausgehend von jeweils einer der beiden vorgenannten Druckschriften nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Nach Erörterung der Sachlage überreicht der Vertreter der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 12 als Hauptantrag, deren Hauptanspruch ihrer Ansicht nach in zulässiger Weise aus den erteilten Ansprüchen 1 und 12 gebildet und dessen Gegenstand gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik auch patentfähig sei.

Der Einsprechende vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auch ein solcher Gegenstand, insbesondere ausgehend von der E3, sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe.

Der Beschwerdeführer stellt gemäß dem Beschwerdeschriftsatz vom 25. Februar 2010 den Antrag,

den Beschluss des Deutschen Patentamts vom 16. Oktober 2009 aufzuheben und das deutsche Patent 10 2004 023 851 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,

die Beschwerde insoweit zurückzuweisen, als das Patent in der Fassung der Patentansprüche 1 bis 12 gemäß dem neuen Hauptantrag beschränkt aufrecht erhalten wird.

Das Patent betrifft nach dem geltenden Patentanspruch 1 eine

„Scheibenbremsvorrichtung (1) mit: mindestens einem Paar Bremsscheiben (D), die angeordnet und konstruiert sind, um mit einem rechten Fahrzeugrad und einem linken Fahrzeugrad zusammengeschaltet zu sein, wobei jede Bremsscheibe ferner eine Drehachse und eine innere Bremsscheibenfläche und eine äußere Bremsscheibenfläche hat,

einem rechten Paar Beläge (2a, 2b) und einem linken Paar Beläge (2c, 2d), die angeordnet und konstruiert sind, um Bremskräfte gegen entsprechende Bremsscheiben (D) aufzubringen; wobei das rechte Paar Beläge einen inneren rechten Belag (2a) und einen äußeren rechten Belag (2b) hat, die in Gleitkontakt mit der inneren Bremsscheibenfläche bzw. der äußeren Bremsscheibenfläche der Bremsscheibe des rechten Fahrzeugrads sind; das linke Paar Beläge (2c, 2d) einen linken inneren Belag (2c) und einen linken äußeren Belag (2d) hat, die in Gleitkontakt mit der inneren Bremsscheibenfläche bzw. der äußeren Bremsscheibenfläche der Bremsscheibe des linken Fahrzeugrads angeordnet sind; jeder der Beläge (2a, 2b, 2c, 2d) einen einzigen einer Verdrehung nachgebenden Abschnitt (5; 7) hat, der sich entlang einer Linie erstreckt, die relativ zu einer radialen Richtung (R) der entsprechenden Bremsscheibe geneigt ist, um das Verdrehen des Belags um den einer Verdrehung nachgebenden Abschnitt (5; 7) zu erleichtern; die einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte (5; 7) des rechten inneren Belags (2a) und des linken inneren Belags (2c) sind in entgegengesetzte Richtungen zu den einer Verdrehung nachgebenden Abschnitten des rechten äußeren Belags (2b) bzw. des linken äußeren Belags (2d) geneigt sind; und die einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte (5; 7) des rechten inneren Belags (2a) und des linken inneren Belags (2c) im Wesentlichen miteinander in die gleiche Richtung geneigt sind, und wobei die einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte (5; 7) des rechten inneren Belags (2a) und des linken inneren Belags (2c) radial auswärts in die Drehrichtung der Bremsscheiben (D) geneigt sind, und wobei die einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte (5; 7) des rechten äußeren Belags (2b) und des linken äußeren Belags (2d) radial inwärts in die Drehrichtung der Bremsscheiben (D) geneigt sind.“

Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 12 lautet:

„Verfahren zum Herstellen der Scheibenbremsvorrichtung (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche mit: Vorbereiten eines rechten und linken Paars Beläge (2a, 2b, 2c, 2d), die keine einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte (5; 7) haben; Auswählen eines der Beläge, der eine höhere Tendenz, Vibrationen zu erzeugen, als die anderen Beläge hat; Bestimmen einer primären Verdrehrichtung des ausgewählten Belags; Bestimmen einer Mittellinie (61), um die der ausgewählte Belag in die primäre Verdrehrichtung verdrehbar ist; und Bestimmen einer Position eines einer Verdrehung nachgebenden Abschnitts (5; 7) des ausgewählten Belags, so dass der einer Verdrehung nachgebende Abschnitt (5; 7) sich entlang einer Linie erstreckt, die die Mittellinie schneidet; Bestimmen der Positionen der einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte der anderen Beläge basierend auf der Position des einer Verdrehung nachgebenden Abschnitts (5; 7) des ausgewählten Belags.“

Bezüglich des Wortlauts der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 11 wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Gemäß Absatz [0008] der Patentschrift liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, verbesserte Scheibenbremsvorrichtungen zu lehren, die die Quietschgeräusche in einem zweiten Vibrationsmodus wirksam verringern können, bei dem die Vibration um eine primäre Verdrehrichtung auftritt.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und führt im Ergebnis dazu, dass das Patent beschränkt aufrechterhalten wird (§ 61 Abs. 1 PatG).

1. Die geltenden Ansprüche sind zulässig. Der geltende Patentanspruch 1 entspricht, abgesehen von der bereits im Erteilungsverfahren durchgeführten zulässigen Klarstellung/Beschränkung auf „einen einzigen einer Verdrehung nachgebenden Abschnitt“, der Zusammenfassung der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 12. Die hierauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 sind in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart. Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 12 ist bereits im Erteilungsverfahren gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 13 in der Weise klargestellt worden, dass es sich nicht um ein Verfahren zum Bestimmen einer Position von einer Verdrehung nachgebenden Abschnitten handelt, sondern vielmehr um ein Verfahren zum Herstellen (im Sinne von Bereitstellen) einer Scheibenbremsvorrichtung, das die Bestimmung der Position dieser Abschnitte der jeweiligen Beläge beinhaltet. Dem von der Einsprechenden gebrachten Einwurf, dass aus der Formulierung „in die Drehrichtung der Bremsscheiben geneigt“ nicht klar hervorgehe, welche von den zwei prinzipiell möglichen Drehrichtungen gemeint sei, wird nicht gefolgt. So findet sich in der Beschreibung des Patents, die bei Unklarheiten zur Auslegung des Anspruchswortlauts heranzuziehen ist, insbesondere in dem diesem Merkmal zugehörigen Beschreibungsabsatz [0025] die Erläuterung, dass unter der Drehrichtung „die normale oder primäre Drehrichtung“, die „gewöhnlich der Vorwärtsbewegung des Fahrzeugs zugeordnet“ ist, bzw. die „vorherrschende Drehrichtung“ verstanden wird.

Gegen die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche bestehen somit von Seiten des Senats keine Bedenken.

2. Der Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG).

2.1. Der gewerblich anwendbare Gegenstand gemäß Anspruch 1 ist neu, da im Stand der Technik keine Scheibenbremsvorrichtung bekannt ist, aus der die beanspruchte Anordnung von Bremsbelägen mit einem nachgebenden Abschnitt auf der linken und der rechten Fahrzeugseite hervorgeht; insbesondere zeigen sowohl die E1 als auch die E3 nur die Anordnung der Beläge an einer (einzigen) Bremsscheibe eines Rades.

2.2. Die nächstkommende E1 beschäftigt sich, wie das Streitpatent, mit der Reduzierung von Quietschgeräuschen bei Scheibenbremsbelägen, wobei ebenfalls die Vibrationen in einem zweiten Vibrationsmodus verringert werden sollen (vgl. Figur 6b u. zug. Abs. 4 in der engl. Übersetzung). Die E1 schlägt hierzu einen Bremsbelag vor, der die streitpatentgemäßen Merkmale eines einzigen, einer Verdrehung nachgebenden Abschnitts aufweist, der sich entlang einer Linie „L“ erstreckt, die relativ zu einer radialen Richtung der Bremsscheibe geneigt ist (vgl. Figur 3 u. zug. Text, insb. Abs. 11). Um das Verdrehen des Belages um den einer Verdrehung nachgebenden Abschnitt zu erleichtern, lehrt die E1 im Besonderen, diesen Abschnitt in der steiferen Rückenplatte 2 vorzusehen, da dies einen größeren „nachgebenden“ Gesamteffekt bewirkt (vgl. Figuren 2 und 3, Bez. L, 3, sowie Text in Abs. 9, letzter Satz). Schließlich lässt sich der Figur 1 auf Grund der im Reibbelag vorhandenen Kerben auch noch entnehmen, dass die offensichtlich identischen Reibeläge um 180° gedreht gegenüber der Bremsscheibe 4 angeordnet sind. Aus dieser Anordnung ergibt sich zwangsläufig, dass der einer Verdre- hung nachgebenden Abschnitt des inneren bzw. auf einer Seite der Bremsscheibe angeordneten Belags in entgegengesetzte Richtung zu dem einer Verdrehung nachgebenden Abschnitt des äußeren bzw. auf der anderen Seite der Bremsscheibe angeordneten Belags geneigt ist. Hinweise auf die anspruchsgemäße Anordnung der Beläge bzw. der Ausrichtung der nachgebenden Abschnitte an der linken und der rechten Bremsscheibe eines zweispurigen Fahrzeugs finden sich in der E1 nicht, da sich diese nur mit dem allgemeinen Problem der Geräuschunterdrückung an einem Scheibenbremsbelag beschäftigt. Das Problem der Anordnung stellt sich dem Fachmann, für den im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung von Bremsen, insbesondere Scheibenbremsen, angesetzt wird, jedoch automatisch bei der Konzipierung bzw. Ausgestaltung einer kompletten Scheibenbremsanlage für ein Fahrzeug. Hierbei wird dem Einsprechenden zugestimmt, dass es für den Fachmann gerade bei Fahrzeugen bei beidseitig am Fahrzeug vorgesehenen Bauteilen üblich ist, diese spiegelbildlich zur Fahrzeuglängsachse anzuordnen und entsprechend auszugestalten; dies resultiert häufig auch aus der spiegelbildlichen Position der Befestigungspunkte, was bspw. bei der linken und rechten Bremsträger- bzw. Bremssattelbefestigung der Fall ist. Im Zuge dieser üblichen Vorgehensweise ist dem Fachmann auch eine spiegelsymmetrische Anordnung der Bremsbeläge nahe gelegt, bei der die einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte des rechten inneren Belages und des linkes inneren Belages (sowie der jeweiligen äußeren Belage) im Wesentlichen miteinander in die gleiche Richtung geneigt sind. Diese spiegelbildliche Ausgestaltung hat den Nachteil, dass sie zu zwei verschiedenen Ausführungsformen von Bremsbelägen, d. h. zu zwei linken und zwei rechten Belägen, jeweils bezogen auf die Fahrzeugseite, führt. Dabei mag der Fachmann zwar im Allgemeinen bestrebt sein, möglichst einheitliche Bauteile vorzusehen, jedoch wird er den Nachteil einer größeren Bauteilvielfalt bewusst in Kauf nehmen, um z. B. eine Lösung zu wählen, die Vorteile im Hinblick auf eine optimalere, insb. gleichmäßigere, Bremswirkung verspricht.

Der Fachmann gelangt somit ausgehend von der E1 im Rahmen seiner fachmännischen Tätigkeit zu einer Scheibenbremsvorrichtung, von der sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch unterscheidet, dass die einer Verdrehung nachgebenden Abschnitte des rechten inneren Belags und des linken inneren Belags radial auswärts in die Drehrichtung der jeweiligen Bremsscheiben geneigt sind. Zu einer solchen Ausgestaltung kann die E1 keine Anregungen liefern, da in der E1 nur eine einzige Bremsscheibe gezeigt wird, bei der keine Unterscheidung zwischen innerem oder äußerem Belag möglich ist und in weiterer Folge auch keine eindeutige Zuordnung der seitenspezifischen Ausgestaltungen getroffen werden kann. Da in der E1 auch sonst nichts im Hinblick auf die Anordnung der nachgebenden Abschnitte der Beläge in Abhängigkeit von der Anordnung der Beläge bei einem linken und einem rechten Rad oder unter Berücksichtigung der Drehrichtung offenbart wird, führt hier die E1 nicht weiter.

2.2. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt der Fachmann ausgehend von der E3. Der E3 liegt gemäß Sp. 1, Zeilen 20 ff. die Aufgabe zugrunde, bei einer Bremsvorrichtung mit mehreren betätigbaren Kolben einen ausreichenden Kontaktbereich zwischen Scheibe und Belag bzw. die Biegefestigkeit des Bremsklotzes sicherzustellen. Dabei offenbaren die Figuren 10 bis 12 eine Scheibenbremsvorrichtung, bei der durch die spezielle Ausgestaltung und Ausrichtung eines Spaltes im Reibbelag, d.h. eines nachgebenden Abschnittes, neben der Lösung der Hauptaufgabe auch ein Quietschen der Bremsen vermieden wird (vgl. Sp. 5, Z. 52 bis 57, sowie Sp. 6, Z. 19 bis 28). In diesem Zusammenhang wird auch insbesondere der Spalt 27 hervorgehoben und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Quietschgeräusche dadurch verhindert werden, dass sich ein in Bezug auf die Längsrichtung der Beläge geneigter Spalt mit einem auf der gegenüberliegenden Seite der Bremsscheibe liegenden Spalt schneidet (vgl. Figuren 10 und 11 i. V. m. Text auf Sp. 6, Z. 19 bis 28). Gegenüber diesem bereits aus der E1 bekannten Sachverhalt offenbart die E3 auch noch eine Anordnung mit zwei Bremsscheiben. So ist dem Ausführungsbeispiel nach der Figur 1 eine Doppel- scheibenbremse mit einem linkem und einem rechtem Bremssattel A, B bei einem Motorrad entnehmbar, womit zumindest eine Zuordnung von inneren und äußeren Belägen bei einem Fahrzeugrad getroffen werden kann. Die Figur 10 zeigt hierbei die linke Scheibenbremsvorrichtung, die in den Figuren 1 bis 3 mit „A“ bezeichnet wird; der Bremsdruck wird dabei über eine Bremsleitung „d“ bei einem ersten Anschluss in der Nähe des Kolbens 22 von unten zugeführt, was sich auch aus Figur 2 entnehmen lässt. Damit ergibt sich i. V. m. Figuren 1 und 2 für die Bremsscheibe 18 der Bremsvorrichtung „A“ eine Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn, d. h. in Figur 10 von rechts (Kolben 22) nach links (Kolben 20), wobei der linke innere Bremsbelag 16 der Figur 10 in der Figur 12 in Draufsicht gezeigt wird. Da die entsprechende Nut 27 in Drehrichtung radial einwärts geneigt ist, liegt hier - im Gegensatz zu den Ausführungen der Einsprechenden - nicht die anspruchsgemäße Anordnung vor. Und selbst wenn dies der Fall wäre, so würde das nur einer zufälligen Offenbarung entsprechen, da aus der E3 (oder der E1) kein Zusammenwirken zwischen der Neigung des Spaltes mit der Drehrichtung der Bremsscheiben hervorgeht oder zumindest Hinweise dahingehend gegeben werden, dass es auf die spezielle Anordnung der nachgebenden Abschnitte an beiden Radseiten ankommen bzw. diese einen Einfluss auf die Erzeugung von Quietschgeräuschen haben könnte.

2.3. In diesem Zusammenhang hat die Patentinhaberin überzeugend vorgetragen, dass für die Geräuschreduzierung nicht nur die Maßnahmen an einem einzelnen Bremsbelag, sondern auch die Anordnung der Beläge bzw. der Neigung der nachgebenden Abschnitte in Bezug auf die Bremsscheiben auf der jeweiligen Radseite von Bedeutung sind. Diese Erkenntnis wird in der Figur 8 u. a. an dem Unterschied zwischen C2-R und C2-L erläutert, bei dem zunächst auch auf der rechten Radseite die „linken“ Bremsbeläge 2c, d, d. h. identische Beläge, verwendet worden sind. Bei den Bremsbelägen 2c, 2d der linken Radseite weist entsprechend der Figur 3 der linke innere Belag 2c eine radial auswärts in Drehrichtung nach außen verlaufende Neigung des nachgebenden Abschnitts gemäß dem vorletzten Merkmalkomplex nach Anspruch 1 auf. Im Gegensatz hierzu ergibt sich auf Grund der Verwendung eines um 180 Grad gedrehten Bremsbelags 2c für den rechten inneren Bremsbelag bei diesem eine entgegengesetzte, nicht patentgemäße Neigung sowie eine nicht symmetrische Anordnung der Beläge bezogen auf die Fahrzeuglängsachse (s. auch Beschreibungsabsatz 57, letztes Drittel). Im Ergebnis weist die Anordnung gemäß C2-L eine deutlich geringere Geräuschbilanz als die Anordnung auf der rechten Seite entsprechend C2-R auf. Durch die symmetrische Übertragung der günstigen Anordnung der Beläge der linken Seite auf die rechte Radseite wird schließlich die patentgemäße Lösung erreicht, durch die auf beiden Radseiten eine geringe Geräuschhäufigkeit „L“ (= C2L) und „R“ ermöglicht wird (vgl. Beschreibungsabsatz 62).

2.4. Hinweise auf eine derartige Kombination der Anordnung der Beläge, bei der auf einer bestimmten Bremsscheibenseite die Neigung der nachgebenden Abschnitte in Abhängigkeit von der Drehrichtung erfolgt, und diese Anordnung dann auf beiden Radseiten symmetrisch zur Fahrzeuglängsachse ausgestaltet wird, ergeben sich auch nicht aus dem weiteren entgegengehaltenen Stand der Technik. So werden in E4 und E9, die sich wie E1 und E3 ebenfalls mit nachgebenden Abschnitten zur Quietschreduzierung auseinandersetzen, lediglich Ausführungen zur allgemeinen Ausgestaltung eines (einzelnen) Bremsbelages gemacht, aber nicht im Zusammenhang mit einer speziellen, radseitenspezifischen Anordnung mehrerer Beläge. Die weiteren Schriften E2 und E5 zeigen Bremsbeläge mit genuteten Reibbelägen, die E6 bis E8 beschäftigen sich mit elastisch eingebetteten oder mit elastischen Füllungen versehenen Reibbelägen und die E10 bis E13 dienen lediglich als Beleg bzw. Beispiel für mögliche Belaganordnungen bei Scheibenbremsen.

2.5. Schließlich wird auch der Argumentation des Einsprechenden nicht gefolgt, nach der der Fachmann ausgehend von dem aus der E1 bekannten Belag im Rahmen einfacher Versuche bereits zur der beanspruchten Ausgestaltung gelangen könnte. So ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass die Anzahl der Möglichkeiten, in welche Richtung der nachgebende Abschnitt geneigt ist, sehr begrenzt ist, und auch die damit möglichen Kombinationen an zwei Bremsscheiben in einer überschaubaren Anzahl von Versuchen, die sich unter Zugrundelegung einer symmetrischen Anordnung nochmals reduzieren würde, hinsichtlich ihrer Geräuschentwicklung untersucht werden können; hieraus bräuchte der Fachmann dann nur noch die günstigste Anordnung bzw. Kombination auswählen, so dass sich dessen Tätigkeit auf eine reine Auswahl beschränken würde. Eine solche Vorgehensweise ergibt sich für den Fachmann jedoch erst „ex post“, da er ohne Kenntnis der Erfindung sein Augenmerk erst gar nicht auf die spezielle Ausgestaltung einer drehrichtungsabhängigen Neigung der nachgebenden Abschnitte bzw. deren Anordnungsmöglichkeiten auf beiden Radseiten gerichtet hätte, da hierfür keinerlei Veranlassung, Anregung oder Hinweis aus dem Stand der Technik gegeben war.

Damit gelangt der Fachmann auch unter Berücksichtigung des weiteren Standes der Technik und seines Fachwissens nicht in nahe liegender Weise zu einem Gegenstand mit allen Merkmalen des Anspruchs 1, der somit gewährbar ist.

Mit dem gewährbaren Anspruch 1 haben auch die hierauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 Bestand.

3. Der Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 12 ist ebenfalls patentfähig.

4. Das Verfahren nach Anspruch 12 ist auf das Herstellen einer Scheibenbremsvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 11 gerichtet,

womit er zumindest die Merkmale des gewährbaren Anspruchs 1 zum Inhalt hat. Damit hat der Anspruch 12 ebenfalls Bestand.

Dr. Lischke Eisenrauch Dr. Großmann Richter Cl

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