IV ZB 18/23
BUNDESGERICHTSHOF IV ZB 18/23 BESCHLUSS vom 18. September 2024 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2024:180924BIVZB18.23.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann, die Richter Dr. Bommel und Piontek am 18. September 2024 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 9. Juni 2023 wird auf seine Kosten verworfen. Beschwerdewert: bis 500 €
Gründe:
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten erbrechtliche Auskunftsansprüche, insbesondere wegen Pflichtteilsergänzung, im Wege der Stufenklage geltend.
Das Landgericht hat ihn durch Teilurteil auf der Auskunftsstufe antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch möglicherweise zu, es könnten Schenkungen seitens der Erblasserin an den Beklagten erfolgt sein. Der Beklagte habe den Auskunftsanspruch auch noch nicht erfüllt, weil auf der Grundlage der von ihm bereits vorgelegten Unterlagen nicht sämtliche von ihm behaupteten Zahlungen vollständig nachvollziehbar seien.
Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten verworfen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis 500 € festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt den Beklagten nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 600 € nicht. Er bemesse sich in erster Linie an dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten, der mit der Auskunftserteilung oder Rechnungslegung verbunden sei. Das Berufungsgericht hat dabei den Zeitaufwand des Beklagten in Anlehnung an den Stundensatz bewertet, den ein Zeuge im Zivilprozess erhalten würde. Im Streitfall erhöhe sich der Beschwerdewert nicht durch Kosten für die Abwehr von Vollstreckungsversuchen. Der Urteilsausspruch sei auch hinreichend bestimmt.
2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich der Wert des Beschwerdegegenstandes im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung (gegebenenfalls verbunden mit Rechnungslegung) nach dem Interesse des Rechtsmittelführers bemisst, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Hierbei kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom 4. Juni 2014 - IV ZB 2/14, ZEV 2014, 424 Rn. 8; vom 9. November 2011 - IV ZB 23/10, ZEV 2012, 149 Rn. 13; st. Senatsrechtsprechung). Der eigene Zeitaufwand kann hierbei entsprechend den Regelungen für Zeugen im JVEG bewertet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6 m.w.N.).
b) Ausgehend davon hat das Berufungsgericht den Wert der Beschwer des Beklagten ohne - vom Rechtsbeschwerdegericht allein nachprüfbare (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 6; Senatsurteil vom 27. Februar 2013 - IV ZR 42/11, ZEV 2013, 332 Rn. 12 m.w.N.) - Ermessensfehler auf bis 500 € festgesetzt. Ermessensfehlerfrei hat es dabei zugrundegelegt, es sei davon auszugehen, dass die zur Auskunftserteilung erforderlichen Tätigkeiten vom Beklagten in der Freizeit erbracht werden können und nach § 20 JVEG einen Stundensatz von 4 € angenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2020 - XII ZB 334/19, FamRZ 2020, 1572 Rn. 9 m.w.N.). Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den Zeitaufwand einschließlich sonstiger Kosten auf nicht höher als 250 € geschätzt.
aa) Hat die Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Rechtsmittelführer zur Wehr setzt, keinen vollstreckbaren Inhalt, erhöht sich die Beschwer zwar um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - IV ZB 21/16, ZEV 2017, 648 Rn. 9 m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2020 - XII ZB 334/19, FamRZ 2020, 1572 Rn. 11; vom 28. Januar 2016 - III ZB 96/15, juris Rn. 9 f.). Ein Vollstreckungstitel ist bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang seiner Leistungspflicht bezeichnet. Das Vollstreckungsorgan muss in der Lage sein, allein mit dem Titel ohne Verwertung der Gerichtsakten oder anderer Urkunden die Vollstreckung durchzuführen (Senatsbeschluss vom 13. September 2017 aaO Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen daran hat das Berufungsgericht hier aber rechtsfehlerfrei das Teilurteil, mit dem der Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist, als hinreichend bestimmt angesehen. Dies gilt auch, soweit die Beschwerde rügt, nach der Tenorierung in Ziff. 1 Buchst. a und b sei unklar, auf welche "Belege, die Informationen über den Wert der Nachlassgegenstände oder der Zuwendungen und den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen enthalten", sich seine Auskunftspflicht beziehe. Das Berufungsgericht hat auch insoweit ohne Rechtsfehler angenommen, dass sich aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ergebe, welche Auskünfte gemeint seien (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - IV ZB 21/16, ZEV 2017, 648 Rn. 13). Gegen die erneute Behauptung der Beschwerde, welche der Beklagte bereits gegenüber den Instanzgerichten geltend gemacht hat, die Auskunftsansprüche seien erfüllt, hat schon das Landgericht ausgeführt - ohne dass die Beschwerde dies angreifen würde -, dass sich den vorgelegten Urkunden nicht entnehmen lasse, inwiefern es sich bei den zugrundeliegenden Rechtsgeschäften um ausgleichspflichtige Schenkungen handele.
bb) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist der Wert der Beschwer auch nicht deshalb zu erhöhen, weil Ziff. 3 Buchst. a und b sowie Ziff. 5 des Tenors des erstinstanzlichen Teilurteils neben der Verurteilung zur Auskunftserteilung bereits die Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung enthielten. Soweit dort in den genannten Ziffern des Tenors § 259 Abs. 2 und § 260 Abs. 2 BGB zitiert werden, ergibt sich unmissverständlich aus den Entscheidungsgründen des Urteils, dass sich der Tenor ausschließlich auf die erste Stufe der zutreffend als Stufenklage im Sinne von § 254 ZPO verstandenen Klage bezieht und das Landgericht den Beklagten nur zur Auskunft und nicht zur eidesstattlichen Versicherung verurteilt hat.
cc) Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, weil es einen Vergütungssatz nach § 20 JVEG in Höhe von nur 4 € berücksichtigt hat mit der Begründung, auch vor dem Hintergrund des Vortrags des Beklagten zu seiner hohen beruflichen Beanspruchung könne die Auskunftspflicht in seiner Freizeit erbracht werden.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Erst wenn es in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2020 - IV ZB 4/20, VersR 2020, 1605 Rn. 17; vom 27. März 2019 - IV ZR 10/18, NJW-RR 2019, 738 Rn. 10). Das Berufungsgericht hat sich im Streitfall mit dem Vortrag des Beklagten zu seiner beruflichen und persönlichen Situation befasst. Davor, dass das Gericht abweichend von seiner Rechtsauffassung entschieden hat, bietet der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - IV ZB 2/14, ZEV 2014, 424 Rn. 9). Dies gilt auch, soweit die Rechtsbeschwerde weiter rügt, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei deshalb gehörswidrig und ermessensfehlerhaft, weil es den Vortrag des Beklagten zum erheblichen Zeitaufwand, der mit der Auskunftserteilung verbunden sei, nicht berücksichtigt habe. Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegt schließlich auch keine Gehörsverletzung wegen Nichtberücksichtigung von § 21 JVEG vor, denn die Anwendung dieser Vorschrift setzt nach ihrem klaren Wortlaut in Satz 1 voraus, dass der Zeuge nicht erwerbstätig oder teilzeitbeschäftigt ist, was bei dem Beklagten beides unstreitig nicht der Fall ist.
dd) Anders als die Beschwerde meint, ist nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichts schließlich nur dann von der Erfüllung einer berufstypischen Pflicht auf Grundlage von § 22 JVEG mit einem Stundensatz von 25 € auszugehen, wenn die Auskunft in konkretem Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Auskunftsverpflichteten steht. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Auskunftsverpflichtung gegenüber Familienangehörigen - hier gegenüber dem Kläger, seinem Bruder - den privaten Lebensbereich betrifft und dass sie daher grundsätzlich in der Freizeit zu erfüllen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2018 - XII ZB 451/17, FamRZ 2018, 445 Rn. 7 f. m.w.N.). Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht daraus, dass der Beklagte zur Vorlage eines Bestandsverzeichnisses verurteilt worden ist und die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zur beruflichen Tätigkeit eines Notars gehört.
Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller Dr. Bußmann Dr. Bommel Piontek Vorinstanzen: LG Braunschweig, Entscheidung vom 30.12.2021 - 6 O 7037/19 OLG Braunschweig, Entscheidung vom 09.06.2023 - 3 U 4/22 -