Paragraphen in X ZB 17/19
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
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2 | 103 | GG |
1 | 100 | PatG |
1 | 107 | PatG |
1 | 109 | PatG |
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2 | 103 | GG |
1 | 100 | PatG |
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BUNDESGERICHTSHOF X ZB 17/19 BESCHLUSS vom 15. September 2020 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren ECLI:DE:BGH:2020:150920BXZB17.19.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, den Richter Dr. Deichfuß, die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Rombach sowie den Richter Dr. Rensen beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 3. September 2019 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 7. Februar 2012 angemeldeten deutschen Patents 10 2012 100 976 (Streitpatents), das ein Einschraubwerkzeug, eine korrespondierende Werkzeugaufnahme sowie eine Werkzeuganordnung betrifft. Die Patentansprüche 1, 11 und 22, auf die insgesamt zwanzig weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lauten wie folgt:
1. Einschraubwerkzeug (1), das einen Werkzeugkopf (3) und einen Werkzeugschaft (4) mit einem Außengewinde (5) und einem zwischen dem Werkzeugkopf (3) und dem Außengewinde (5) angeordneten Abstützbereich enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstützbereich durch zwei konische Anlageflächen (6, 8) mit unterschiedlichen Kegelwinkeln gebildet wird, wobei die den konischen Anlageflächen (6, 8) zugrunde liegenden Kegel in dieselbe Richtung zeigen.
11. Werkzeugaufnahme (2) für ein Einschraubwerkzeug (1), die eine Aufnahmeöffnung (16) mit einem Innengewinde (17) und einen zwischen einer vorderen Stirnseite der Werkzeugaufnahme (2) und dem Innengewinde (17) angeordneten Abstützbereich enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstützbereich durch zwei konische Auflageflächen (7, 9) mit unterschiedlichen Kegelwinkeln gebildet wird, wobei die den konischen Auflageflächen (7, 9) zugrunde liegenden Kegel in dieselbe Richtung zeigen.
22. Werkzeuganordnung mit einem Einschraubwerkzeug (1) und einer Werkzeugaufnahme (2), dadurch gekennzeichnet, dass das Einschraubwerkzeug (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 10 und die Werkzeugaufnahme (2) nach einem der Ansprüche 11 bis 21 ausgebildet ist.
Die Rechtsbeschwerdegegnerin hat gegen das Streitpatent Einspruch erhoben und geltend gemacht, dessen Gegenstand sei nicht patentfähig. Das Patentamt hat das Streitpatent aufrechterhalten.
In der Beschwerdeinstanz hat die Patentinhaberin das Schutzrecht in der erteilten Fassung und mit zuletzt fünf Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent widerrufen. Dagegen wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Einsprechende entgegentritt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil der nicht an eine Zulassung gebundene Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG geltend gemacht wird, und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet. Das Patentgericht hat den Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt.
1. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung und in den mit den Hilfsanträgen I und III verteidigten Fassungen sei dem Fachmann durch die internationale Patentanmeldung 2006/033 617 (D2) in Kombination mit der US-Patentanmeldung 2006/051 167 (D25) nahegelegt. D2 offenbare eine Werkzeuganordnung für auswechselbare Werkzeuge mit einem Einschraubwerkzeug und einer Werkzeugaufnahme, die sich vom verteidigten Gegenstand nur dadurch unterscheide, dass sie lediglich eine konische Anlagefläche aufweise. Eine Ausgestaltung des Abstützbereichs mit zwei konischen Anlageflächen mit unterschiedlichen Kegelwinkeln und in die gleiche Richtung weisenden Kegeln werde dem Fachmann, der ausgehend von der D2 die Wechselgenauigkeit bei Werkzeuganordnungen für auswechselbare Werkzeuge erhöhen wolle, durch die D25 nahegelegt. Dass D25 ein Anschraubwerkzeug offenbare, hindere den Fachmann entgegen der Auffassung der Patentinhaberin nicht, die dort beschriebene Gestaltung des Abstützbereichs auch für ein Einschraubwerkzeug in Erwägung zu ziehen. Die Reibungsverhältnisse bei diesen beiden Werkzeugarten unterschieden sich nicht derart voneinander, dass dies Auswirkungen auf die Funktion der Werkzeuge hätte. Anders als die Patentinhaberin meine, werde der Fachmann für die zweite Anlagefläche auch nicht nur den in der D25 als bevorzugt genannten rechtwinkligen Kegelwinkel übernehmen. Vielmehr werde er alle in D25 genannten Kegelwinkelbereiche ausprobieren, um zu ermitteln, welche davon für ein Einschraubwerkzeug mit möglicherweise anderen Reibwerten optimal seien.
Der - eine Werkzeuganordnung betreffende - Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge II, IV und V sei dem Fachmann ebenfalls durch D2 in Kombination mit D25 nahegelegt. Der Fachmann erhalte durch D25 nicht nur die Anregung, den Abstützbereich des Einschraubwerkzeugs nach der D2 mit zwei konischen Anlageflächen mit unterschiedlichen Kegelwinkeln und in die gleiche Richtung weisenden Kegeln auszugestalten. Vielmehr werde er nach dem Vorbild der D25 auch den Abstützbereich der Werkzeugaufnahme mit zwei mit den Anlageflächen des Abstützbereichs des Einschraubwerkzeugs korrespondierenden Auflageflächen versehen.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Patentgericht sei gehalten gewesen, die Patentinhaberin schon vor der mündlichen Verhandlung auf seine Sichtweise hinzuweisen, zumindest aber auch ohne diesbezüglichen Antrag die mündliche Verhandlung zu vertagen oder ins schriftliche Verfahren überzugehen. Die Entgegenhaltung D25 sei von der Einsprechenden drei Monate vor der mündlichen Verhandlung und nur zur Geltendmachung einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Gegenstands von Patentanspruch 11 in das Beschwerdeverfahren eingeführt worden. Das Patentgericht sei diesem Vorbringen nicht gefolgt, habe aber überraschend angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in den verteidigten Fassungen dem Fachmann ausgehend von der D2 in Kombination mit D25 nahegelegt gewesen sei. Bei rechtzeitigem Hinweis hätte die Patentinhaberin ihre Ausführungen zu D25 vertieft und dargelegt, für den Fachmann liege auf der Hand, dass bei einer Pressanpassung, wie sie D25 lehre, völlig andere Reibungs- und Spannungsverhältnisse herrschten als bei einer patentgemäßen Werkzeuganordnung, bei der das Werkzeug mit einem Außengewinde in die Werkzeugaufnahme axial einzudrehen sei. Die gegenteilige Auffassung des Patentgerichts verkenne die technischen Gegebenheiten und beruhe erkennbar auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Patentinhaberin erfassenden Wahrnehmung.
Diese Rüge ist unbegründet.
aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlichrechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen. Es darf ferner keine Erkenntnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten (vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. November 2012 X ZB 6/11, GRUR 2013, 318 Rn. 9 - Sorbitol).
Das Gericht muss den Verfahrensbeteiligten nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird. Es reicht in der Regel aus, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert und den Beteiligten dadurch aufgezeigt wird, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung voraussichtlich von Bedeutung sein werden. Ein Hinweis kann lediglich geboten sein, wenn für die Beteiligten auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung stützen wird, und deshalb, weil diese Gesichtspunkte nicht angesprochen wurden, ein für die Entscheidung relevanter Sachvortrag unterbleibt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. August 2014 - X ZB 19/12, GRUR 2014, 1235 Rn. 11 - Kommunikationsrouter; Beschluss vom 25. Januar 2000 X ZB 7/99, GRUR 2000, 792, 793 - Spiralbohrer).
Ist nach diesen Grundsätzen ein Hinweis geboten, so muss das Gericht der Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion darauf geben. Bei einem in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis ist in solchen Fällen eine Vertagung oder ein Übergang ins schriftliche Verfahren geboten, wenn es offensichtlich ist, dass sich die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - VII ZR 192/11, NJW-RR 2013, 1358 Rn. 7; Beschluss vom 21. Januar 2020 - VI ZR 346/18, NJW-RR 2020, 574 Rn. 9).
bb) Nach diesen Grundsätzen begründet es keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, dass das Patentgericht von einer Vertagung oder einem Übergang ins schriftliche Verfahren abgesehen hat.
Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt und auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen wird, hat das Patentgericht die Frage, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 in den mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und III verteidigten Fassungen durch D2 und D25 nahegelegt war, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert. Aufgrund dieses Hinweises hatte die Patentinhaberin ausreichend Gelegenheit, ihren Standpunkt zu dieser Frage vorzutragen. Sie hat diese Gelegenheit in der mündlichen Verhandlung wahrgenommen und zusätzliche Hilfsanträge gestellt, die diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen sollten.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war nicht offensichtlich, dass eine abschließende Erklärung in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war. Anlass zu einer diesbezüglichen Annahme bestand insbesondere deshalb nicht, weil die Patentinhaberin angesichts des engen technischen Zusammenhangs zwischen dem Gegenstand der Patentansprüche 1 und 11 ohnehin in Bezug auf beide Ansprüche Anlass hatte, sich mit der Frage zu befassen, welche Merkmale durch D25 offenbart sind, auch wenn die Einsprechende sich nur in Bezug auf Patentanspruch 11 auf die Entgegenhaltung berufen hatte.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Patentgericht habe übersehen, dass die Patentinhaberin die verschiedenen Patentansprüche nicht im Ganzen als Anspruchsfassung zum Gegenstand ihrer Sachanträge gemacht habe, sondern im Hauptantrag die nebengeordneten Patentansprüche 1, 11 und 22 jeweils für sich als neu und erfinderisch verteidigt habe.
Auch diese Rüge ist unbegründet.
aa) Wenn ein Patentinhaber sein Schutzrecht in einem Einspruchsoder Nichtigkeitsverfahren nur mit bestimmten Anspruchssätzen verteidigt, hat das Gericht grundsätzlich keinen Anlass, den Gegenstand einzelner Ansprüche einer gesonderten Prüfung zu unterziehen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Patentinhaber einen Anspruchssatz mit nebengeordneten Ansprüchen zur Entscheidung stellt, die sachlich unterschiedliche Lösungen enthalten (BGH, Urteil vom 13. September 2016 - X ZR 64/14, GRUR 2017, 57 Rn. 27 f. - Datengenerator).
bb) Nach diesen Grundsätzen war das Patentgericht ohne zusätzliches Vorbringen der Patentinhaberin nicht gehalten, sich schon im Zusammenhang mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und III näher mit dem auf den Schutz einer Werkzeugaufnahme gerichteten Anspruch 11 (Hauptantrag und Hilfsantrag I) bzw. Anspruch 9 (Hilfsantrag III) zu befassen.
Dieser Anspruch ist zwar im Verhältnis zu Patentanspruch 1 nebengeordnet. Er lässt aber nicht erkennen, dass er auf eine sachlich unterschiedliche Lösung gerichtet ist. Das nach Patentanspruch 1 geschützte Werkzeug und die nach Patentanspruch 11 bzw. Patentanspruch 9 geschützte Werkzeugaufnahme sind vielmehr miteinander zusammenwirkende Komponenten mit komplementärem Aufbau.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
IV. Eine mündliche Verhandlung erachtet der Senat für nicht erforderlich (§ 107 Abs. 1 PatG).
Bacher Rombach Deichfuß Rensen Kober-Dehm Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.09.2019 - 8 W(pat) 13/17 -
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