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XI B 43/19

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 10.2.2020, XI B 43/19 ECLI:DE:BFH:2020:B.100220.XIB43.19.0 Nichtzulassungsbeschwerde; ladungsfähige Anschrift einer GmbH Leitsätze

1. NV: Wird über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

2. NV: Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert regelmäßig die Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift bzw. bei juristischen Personen ihrer Geschäftsanschrift.

Tenor Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 04.04.2019 - 5 K 5091/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, wandte sich mit ihrer Klage vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für April, Mai und Juni 2013 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 03.04.2017. Die angefochtenen Bescheide enthielten die Angabe des Firmensitzes der Klägerin in der X-Straße ... in Z und waren adressiert an den vormaligen steuerlichen Berater. Die Klageerhebung erfolgte im Namen der Klägerin, vertreten durch deren Geschäftsführer, unter der Adresse Y-Straße ... in Z, der Anschrift des vormaligen steuerlichen Beraters sowie der vormaligen Prozessbevollmächtigten.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) teilte dem FG am 10.04.2018 mit, dass die Klägerin postalisch nicht mehr erreichbar sei und ein Geschäftssitz --da die Post zurückkomme-- nicht mehr existiere; der Geschäftsführer habe keinen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und die Vollmacht für den Steuerberater sei erloschen.

Eine vom Berichterstatter des FG-Senats am 26.04.2018 gesetzte, der vormaligen Prozessbevollmächtigten am 30.04.2018 zugestellte Ausschlussfrist bis 11.05.2018 zur Angabe der ladungsfähigen Anschrift der Klägerin verlief ergebnislos. Am 16.05.2018 gab die vormalige Prozessbevollmächtigte als "nach wie vor" ladungsfähige Anschrift der Klägerin die Adresse Y-Straße ... in Z an, beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und teilte dem FG am 05.06.2018 die Beendigung des Mandats mit.

Am 20.07.2018 legitimierte sich die nunmehrige Prozessbevollmächtigte für die Klägerin.

Das FG wies die Klage durch den Einzelrichter mit Urteil vom 04.04.2019 – 5 K 5091/17 als unzulässig ab und ließ die Revision nicht zu.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision, mit der sie geltend macht, das FG habe die zulässige Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

Entscheidungsgründe II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Wird über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, so liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), d.h. ein Verfahrensmangel, der auf entsprechende Rüge im Verfahren über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision regelmäßig zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG führt (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.06.2015 - X B 28/15, BFH/NV 2015, 1423, Rz 10; vom 11.12.2018 - XI B 123/17, BFH/NV 2019, 565, Rz 12; vom 07.05.2019 - III B 59/18, BFH/NV 2019, 897, Rz 7; jeweils m.w.N.).

2. Ein solcher Verfahrensmangel liegt im Streitfall indes nicht vor. Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Es hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

a) Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO regelmäßig die Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift. Dem Wohnsitz einer natürlichen Person entspricht der Sitz einer juristischen Person. Da bei natürlichen Personen im Hinblick auf ihre Erreichbarkeit auf die Angabe des tatsächlichen Wohnorts abgestellt wird, ist bei juristischen Personen --wie der Klägerin-- grundsätzlich die Angabe ihres tatsächlichen Firmen- oder Geschäftssitzes erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18.08.2011 - V B 44/10, BFH/NV 2011, 2084, Rz 7, 9, m.w.N.).

b) Allerdings darf das ungeschriebene Erfordernis der Angabe der ladungsfähigen Anschrift nicht zu einer unzumutbaren Einschränkung des aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Gebots führen, dem Rechtsuchenden den Zugang zu den Gerichten nicht unnötig zu erschweren oder zu versagen. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ist daher unter Berücksichtigung dieses Grundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform auszulegen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084, Rz 14).

So ist das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift etwa dann unschädlich, wenn der Kläger glaubhaft über eine solche Anschrift nicht verfügt. In einem solchen Ausnahmefall müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden. Wird die Angabe dagegen ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klage vor (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084, Rz 15, m.w.N.).

c) Zwar hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 28.06.2018 – I ZR 257/16 (Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 2018, 1400) vom BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084, soweit dort die Angabe des tatsächlichen Geschäftssitzes der juristischen Person gefordert wird, abgegrenzt und ausgeführt, der Zweck der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers sei erfüllt, wenn die juristische Person durch die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und unter dieser Anschrift wirksam Zustellungen an die juristische Person vorgenommen werden können. Dies hat der BGH jedoch im Falle einer juristischen Person entschieden, die als ladungsfähige Anschrift ihre im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift angegeben hatte, unter der (lediglich) die Eingangspost entgegengenommen und bearbeitet wurde. Er ließ diese Adresse nicht zuletzt unter dem in § 35 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass Zustellungen an eine Gesellschaft unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift erfolgen können, als ladungsfähige Anschrift gelten.

d) Nach diesen Maßgaben liegt im Streitfall keine Gehörsverletzung vor.

aa) Nachdem das FA dem FG mitgeteilt hatte, dass die Klägerin postalisch nicht mehr erreichbar sei, ein Geschäftssitz --wie Postrückläufer zeigten-- nicht mehr existiere, der Geschäftsführer keinen Aufenthaltsort in Deutschland habe und die Vollmacht des Steuerberaters erloschen sei, konnte das FG nach pflichtgemäßem Ermessen eine Ausschlussfrist zur Beibringung der ladungsfähigen Anschrift setzen (§ 65 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO).

Denn weder nach den im BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084 noch nach den im BGH-Urteil in MDR 2018, 1400 niedergelegten Grundsätzen handelte es sich bei der in der Klageschrift vom 08.05.2017 angegebenen Adresse um die ladungsfähige Anschrift der Klägerin. Auch war dem FG die Wohnanschrift des Geschäftsführers, unter der eine etwaige Anordnung des persönlichen Erscheinens diesem gegenüber hätte erfolgen können, unbekannt geblieben (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084, Rz 20).

bb) Innerhalb der gesetzten Frist wurden weder die ladungsfähige Anschrift der Klägerin noch Tatsachen dafür angegeben, die es als geboten erscheinen ließen, vom Verlangen nach einer solchen Anschrift Abstand zu nehmen (vgl. allgemein BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2084, Rz 15).

cc) Wiedereinsetzung in die versäumte Frist (§ 65 Abs. 2 Satz 3, § 56 Abs. 1 FGO) ist der Klägerin nicht zu gewähren. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin ihre Säumnis hinreichend entschuldigt hat, da sie die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der Antragsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) nachgeholt hat.

e) Die Klage war hierdurch unheilbar unzulässig geworden (vgl. hierzu allgemein BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1423, Rz 16).

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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