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2 StR 128/17

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES StR 128/17 URTEIL vom 15. November 2017 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

ECLI:DE:BGH:2017:151117U2STR128.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. November 2017, an der teilgenommen haben:

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,

die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube, Schmidt,

Staatsanwalt in der Verhandlung,

Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 8. Dezember 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I. 2 Mit der zugelassenen Anklage vom 30. Juni 2016 legte die Staatanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, am 10. April 2015 gegen 15 Uhr seien bei einer zollamtlichen Kontrolle auf dem Gelände einer Raststätte im Fahrzeug des Angeklagten, das er gefahren habe, 997,6 Gramm (netto) Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 328 Gramm Kokainhydrochlorid aufgefunden worden. Das Kokain, das überwiegend dem Gewinn bringenden Weiterverkauf gedient habe, habe sich im entsprechend manipulierten Luftfiltergehäuse des Fahrzeugs in zwei quadratischen Päckchen befunden.

II.

1. Nach den Feststellungen war u.a. der Angeklagte Beschuldigter in einem von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main geführten Ermittlungsverfahren gegen eine international agierende Rauschgiftbande. Aufgrund der Ermittlungen war bekannt, dass der Angeklagte, dessen Mobiltelefon überwacht wurde, als „Profikurier“ für den in den Niederlanden handelnden Drogenlieferanten „R. “ tätig war. Am 9. April 2015 fand ein reger telefonischer Austausch zwischen dem Angeklagten und „R. “ statt. Weisungsgemäß fuhr der Angeklagte am 9. April 2015 zu „R. “ in die Niederlande. Über diesen Sachverhalt und die am 9. April 2015 im Rahmen der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse war der Zeuge W. , der als Beamter des Zollfahndungsamts Mitglied der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift F. angehörte, am 10. April 2015 informiert. An diesem Tag schaltete der Angeklagte erstmals gegen 11.13 Uhr sein Mobiltelefon ein. Zu diesem Zeitpunkt befuhr er bereits – wie die Auswertung der Geodaten ergab –

auf Höhe G.

die Bundesautobahn A3, aus Richtung Norden kommend in Richtung Rhein-Main-Gebiet.

Aufgrund dieser Erkenntnisse entschied der Zeuge W. , für den der „weitläufige“ Verdacht bestand, dass der Angeklagte in seinem Fahrzeug Rauschgift mit sich führte, eine zollrechtliche Kontrolle gem. § 10 Abs. 3 ZollVG zu veranlassen. Der Zeuge W. wusste, dass für eine Durchsuchung des Fahrzeugs grundsätzlich ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss einzuholen ist. Ziel seines Vorgehens war es, das Rauschgift aus dem Verkehr zu ziehen, ohne gleichzeitig Hintergrundermittlungen gegen die Bande offenlegen zu müssen.

Am frühen Nachmittag des 10. April 2015 erteilte der Zeuge W.

den Zollbeamten P. und H. , die sich gerade auf der Bundesautobahn A3 nahe N.

befanden, telefonisch den Auftrag, den Pkw des Angeklagten wegen eines potentiellen Drogenimports aus den Niederlanden anzuhalten und den Angeklagten wie sein Fahrzeug zu kontrollieren.

Der Angeklagte befuhr zu diesem Zeitpunkt mit seinem Pkw die Bundesautobahn A3 in Richtung F.

mit dem Fahrziel Schweiz. In dem von ihm geführten Fahrzeug befand sich, wie er wusste, im Luftfiltergehäuse des Motorraums Kokain mit einem Gesamtbruttogewicht von ca. 1.000 Gramm.

Dem Angeklagten war bewusst, dass die von ihm transportierten Drogen durch den Auftraggeber gewinnbringenden Betäubungsmittelgeschäften zugeführt werden sollten.

Nachdem die Zollbeamten, die selbst von den Hintergrundermittlungen gegen die Rauschgiftbande keine Kenntnis hatten, das Fahrzeug wahrgenommen und eingeholt hatten, leiteten sie es auf den Rastplatz M. und unterzogen es einer zollrechtlichen Kontrolle. Der Angeklagte wurde am Steuer des Fahrzeugs angetroffen und gab auf Befragung an, auf dem Weg zu einem Freund in H. zu sein. Die Frage, ob er Betäubungsmittel mit sich führe, verneinte er. Daraufhin ging die Zeugin P. routinemäßig zum Motorraum des Pkw und schaute nach dem Luftfilter, da nach ihrer Erfahrung dessen Gehäuse häufig als Versteck für Betäubungsmittel benutzt wird. Sodann öffneten die Beamten die Abdeckung des Luftfilters und entdeckten in einem durch Präparation des Gehäuses hergestellten Hohlraum zwei rechteckige, jeweils mit braunem Klebeband umwickelte und in eine Socke eingewickelte Pakete, die cremefarbiges Pulver enthielten. Nach dem eingeholten Wirkstoffgutachten enthielten die zwei im Motorraum aufgefundenen Päckchen jeweils eine Pressplatte mit einem Nettogewicht von rund 500 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 328 Gramm Kokainhydrochlorid. Der Angeklagte wurde vorläufig festgenommen und das Fahrzeug sichergestellt.

2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass hinsichtlich des am Tattag im Fahrzeug des Angeklagten aufgefundenen und sichergestellten Kokains ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Es hat den Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen und der Verwertung des Drogenfunds widersprochen hat, daher freigesprochen.

Das Beweisverwertungsverbot resultiere daraus, dass die von den Zollbeamten durchgeführte Fahrzeugdurchsuchung mangels richterlichen Durchsuchungsbeschlusses ohne rechtliche Grundlage erfolgt sei. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer zollamtlichen Überwachung gemäß § 10 ZollVG vor. Bei bestehendem Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Fahrzeugführer lasse sich die Kontrolle und Durchsuchung von Personen oder Fahrzeugen aber nicht durch diese Ermächtigung rechtfertigen, sondern könne nur auf strafprozessuale Befugnisnormen gestützt werden. Werde – wie hier – eine Durchsuchung unter dem Vorwand einer zollamtlichen Überwachung durchgeführt, um dem Beschuldigten ein gegen ihn und weitere Personen geführtes Ermittlungsverfahren nicht zu offenbaren („legendierte Kontrolle“), liege eine willkürliche Umgehung des Richtervorbehalts aus § 105 StPO vor, die zur Unverwertbarkeit der erhobenen Beweismittel führe.

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

1. Auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Sachrüge ist der Senat befugt, auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen zu prüfen, ob die Subsumtion des Landgerichts dessen verfahrensrechtliche Folgerungen rechtfertigt (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 287).

2. Die Auffassung des Landgerichts, hinsichtlich des am Tattag im Fahrzeug des Angeklagten aufgefundenen und sichergestellten Kokains bestehe ein Beweisverwertungsverbot, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Untersuchung des Motorraums des Fahrzeugs ohne vorherige richterliche Anordnung war zumindest nach dem Zollrecht zulässig, die gefundenen Beweismittel wären gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO verwertbar gewesen.

a) Sowohl das Anhalten des Fahrzeugs des Angeklagten als auch die zum Auffinden der Betäubungsmittel führende Prüfung des Motorraums war nach § 10 ZollVG gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt der Maßnahme lagen – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – alle Voraussetzungen dieser zollrechtlichen Ermächtigungsgrundlage vor. Einer vorherigen richterlichen Anordnung bedurfte es nach dieser Vorschrift nicht.

b) Der zollrechtlichen Rechtmäßigkeit der Maßnahme steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Fahrzeuguntersuchung bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Angeklagten vorlag, der auch ein Vorgehen nach §§ 102, 105 StPO ermöglicht hätte. Es besteht kein Vorrang strafprozessualer Vorschriften gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht, vielmehr stehen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung als staatliche Aufgaben mit unterschiedlicher Zielrichtung gleichberechtigt nebeneinander (vgl. Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, NJW 2017, 3173, 3176).

c) Die aufgrund der gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Untersuchung des Motorraums gewonnenen Erkenntnisse hätten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Angeklagten im Strafverfahren verwendet werden dürfen.

(1) Die Voraussetzungen des § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO waren vorliegend gegeben, da die Erkenntnisse aus der Untersuchung des Motorraums zur Aufklärung einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 7 StPO dienten, aufgrund derer eine Durchsuchung nach der Strafprozessordnung ohne weiteres hätte angeordnet werden dürfen. Dem steht nicht entgegen, dass die zollrechtliche Kontrolle des Fahrzeugs nach § 10 ZollVG – anders als eine Durchsuchung nach §§ 102, 105 StPO – ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zulässig ist. Entscheidend ist, dass – wie es hier der Fall ist – ein Ermittlungsrichter bei hypothetischer Betrachtung einen entsprechenden richterlichen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte (Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 247/16, NJW 2017, 3173, 3177).

(2) Eine den Rückgriff auf hypothetische Erwägungen hindernde rechtsmissbräuchliche Umgehung der Anordnungsvoraussetzungen der strafprozessualen Eingriffsmaßnahme ist vorliegend nicht gegeben. Nach den Feststellungen des Landgerichts ordnete der Zeuge W. die Maßnahme zwar an, um eine Offenlegung des Ermittlungsverfahrens und der laufenden Überwachungsmaßnahmen zu verhindern, aus Sicht der ausführenden Zollbeamten sollte die Durchsuchung des Fahrzeugs vor Ort jedoch verhindern, dass Betäubungsmittel in das Bundesgebiet eingeführt und in Umlauf gebracht werden. Durch die Maßnahme wurde damit jedenfalls auch der Zweck der Gefahrenabwehr verfolgt.

Dafür, dass die zollrechtliche Maßnahme nur deshalb gewählt wurde, weil eine vergleichbare Maßnahme nach der Strafprozessordnung nicht möglich wäre, z.B. weil die Annahme bestanden hätte, dass ein Ermittlungsrichter einen nach der Strafprozessordnung erforderlichen Beschluss aus einem anderen Grund nicht erlassen hätte, bestehen keine Anhaltspunkte.

RiBGH Dr. Appl ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert.

Eschelbach Grube Eschelbach Zeng Schmidt

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