I ZR 170/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES I ZR 170/24 URTEIL vom 31. Juli 2025 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja nein ja nein Hyaluron-Nasenkorrektur UKlaG § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 6, § 6; HWG § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Die Einbringung von Hyaluron mittels einer Kanüle zur Veränderung von Form oder Gestalt des menschlichen Körpers - hier: zur Korrektur von Nase oder Kinn ist ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG, für dessen Wirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nicht durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden darf.
BGH, Urteil vom 31. Juli 2025 - I ZR 170/24 - OLG Hamm ECLI:DE:BGH:2025:310725UIZR170.24.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2025 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. August 2024 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Verbraucherverbände nach § 4 UKlaG eingetragener rechtsfähiger Verein.
Die Beklagte bietet in ihrer Praxis ästhetische Behandlungen des Gesichts, zum Beispiel medizinisch nicht indizierte Maßnahmen der Lippenformung, Nasenkorrektur und des Kinnaufbaus durch Unterspritzung mit Medizinprodukten, wie Fillern auf Hyaluronsäurebasis, sowie mit dem Muskelrelaxans Botox an.
Auf der Social-Media-Plattform Instagram warb die Beklagte unter Verwendung von Abbildungen (Anlage K1), die Patienten vor und nach der Behandlung durch Unterspritzung der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase zeigen sollen.
Die Klägerin hält diese Werbung wegen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz für unlauter und hat die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt.
Das von der Klägerin erstinstanzlich angerufene Oberlandesgericht (OLG Hamm, GesR 2024, 803) hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt,
es zu unterlassen, außerhalb der Fachkreise für medizinisch nicht notwendige operative plastisch-chirurgische Eingriffe im Internet durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff (Vorher-Nachher-Darstellungen) zu werben und/oder werben zu lassen, wie geschehen ausweislich der Anlage K1.
Ferner hat das Oberlandesgericht der Klägerin den von ihr beantragten Abmahnkostenersatz nebst Zinsen zugesprochen. Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Oberlandesgericht hat die Klageanträge für begründet erachtet und hierzu ausgeführt, die Beklagte habe in unzulässiger Weise außerhalb der Fachkreise für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig (dazu nachfolgend II 1), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (dazu nachfolgend II 2).
1. Die Revision der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft.
Nach § 6 Abs. 2 UKlaG findet bei Klagen nach dem Unterlassungsklagengesetz gegen die Urteile der nach § 6 Abs. 1 UKlaG erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgerichte die Revision wie gegen Berufungsurteile der Oberlandesgerichte statt. Im Streitfall macht die Klägerin mit ihrer Klage eine Zuwiderhandlung gegen Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 6 UKlaG in Verbindung mit § 11 HWG geltend. Das Oberlandesgericht hat die Revision gemäß § 6 Abs. 2 UKlaG in Verbindung mit § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen.
2. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat den von der Klägerin als nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG anspruchsberechtigter Stelle geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG zu Recht zugesprochen, weil es sich bei den im Streitfall beworbenen Behandlungen um operative plastisch-chirurgische Eingriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG handelt (dazu nachfolgend II 2 b), der Tatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG auch im Übrigen erfüllt ist (dazu nachfolgend II 2 c) und Grundrechte der Beklagten durch das ausgesprochene Verbot nicht verletzt werden (II 2 d). Somit hat das Oberlandesgericht die Beklagte auch dem Grunde und der Höhe nach zu Recht gemäß § 5 UKlaG, § 13 Abs. 3 UWG, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ersatz von Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt.
a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG kann im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 UKlaG sind Verbraucherschutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift insbesondere die §§ 3 bis 13 HWG. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG darf für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG findet dieses Gesetz Anwendung auf die Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit.
b) Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG führe zu dem Ergebnis, dass es sich bei den im Streitfall beworbenen Behandlungen um operative plastisch-chirurgische Eingriffe im Sinne dieser Vorschrift handele.
aa) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, bei den von der Beklagten beworbenen Behandlungen durch Unterspritzen der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase handele es sich um medizinisch nicht notwendige operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers. Auch wenn Wortlaut und allgemeiner Sprachgebrauch nahelegten, dass ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff mittels Skalpell erfolge, sei unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Werbeverbots bereits ein instrumenteller Eingriff, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen würden, von diesem Begriff erfasst. Die Einbeziehung solcher Eingriffe in den Anwendungsbereich des Werbeverbots entspreche seinem Zweck, die Bevölkerung vor Gesundheitsschäden und Risiken zu schützen, die mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen verbunden seien, und wahre auch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision spricht der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG nicht dagegen, Behandlungen in den Rechtsbegriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs einzubeziehen, bei denen Veränderungen der Körperform oder -gestalt durch Unterspritzen der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase herbeigeführt werden.
Die Revision ist der Auffassung, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff nur ein invasiver medizinischer, von Fachärzten der plastischen Chirurgie und unter Vollnarkose oder im Dämmerschlaf des Patienten durchgeführter Eingriff, bei dem mittels eines chirurgischen Instruments Gewebe durchtrennt oder manipuliert werde und Schnitte erforderlich seien, die später vernäht würden, bei dem mit einer postoperativen Belastung in Form von Schwellungen, Blutergüssen und Schmerzen zu rechnen sei und der mit einer dauerhaften Form- oder Gestaltveränderung einhergehe.
Dies bildet jedoch nur einen Teil des vom Wortlaut der Vorschrift umfassten Begriffsinhalts ab. Dem Wortsinn nach ist ein operativer Eingriff in Abgrenzung zu konservativen medizinischen Therapieformen der mittels eines Instruments durchgeführte chirurgische Eingriff in den lebenden menschlichen Organismus, der die körperliche Integrität des Patienten aufhebt, ohne dass hierfür die Eröffnung der Körperoberfläche etwa mittels eines Skalpells oder eines Messers zwingend ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2022, 1768 [juris Rn. 26 f.]; Meyer, GRUR 2006, 1007). Als operativer plastisch-chirurgischer Eingriff kann daher dem Wortlaut nach schon ein Vorgang angesehen werden, bei dem mittels eines Instruments - hier: einer Kanüle - in den menschlichen Körper eingegriffen und seine Form oder Gestalt - hier: durch Einbringung einer Substanz (Hyaluron oder Hyaluronidase) - verändert werden (OLG Koblenz, WRP 2024, 1002 [juris Rn. 31 f.]; BeckOK.HWG/Doepner/Reese, 14. Edition, Stand: 1. Mai 2025, § 11 Rn. 643; Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 4. Aufl., § 11 HWG Rn. 51; Meyer,
GRUR 2006, 1007; für Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin aA MünchKomm.UWG/Köber, 3. Aufl., § 11 HWG Rn. 87). Insbesondere auf die Frage, ob die Gestalt- oder Formveränderung des Körpers dauerhaft und irreversibel ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, so dass der Annahme eines operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs - anders als die Revision meint - nicht entgegensteht, dass Hyaluron vom Körper abgebaut und die Formveränderung durch das Spritzen von Hylase rückgängig gemacht werden kann.
cc) Die Revision vermag auch nicht mit Erfolg auf einen dem weiten Begriffsverständnis entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers zu verweisen.
Nach der Gesetzesbegründung sollten durch die Einfügung des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG aF Schönheitsoperationen in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerberechts einbezogen werden, um suggestive und irreführende Werbung hierfür zu verbieten und zu vermeiden, dass sich Personen unnötigerweise den mit solchen Operationen verbundenen Risiken erheblicher Gesundheitsschäden aussetzen. Als Beispiele für schönheitschirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit werden Brustvergrößerungen durch Implantate oder die Fettabsaugung zur Veränderung der Körperform genannt (s. Begründung des Entwurfs eines 14. Gesetzes der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 15/5316, S. 46). Diese Aufzählung von operativen Eingriffen ist lediglich beispielhaft und nicht abschließend, so dass sie sich für einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers nicht anführen lässt. Die Revisionserwiderung weist zudem zu Recht darauf hin, dass die im Streitfall zu beurteilende Behandlungsmethode ebenfalls einen invasiven Eingriff darstellt, bei dem mittels einer Kanüle eine Substanz in den Körper eingebracht wird.
Soweit die Revision geltend macht, der Gesetzentwurf des Bundesrates führe aus, durch die Beschränkung auf "operative" Verfahren werde klargestellt, dass andere Verfahren mit Auswirkungen auf den Körper, wie zum Beispiel Ohrlochstechen, Piercen und Tätowieren, nicht in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes fallen sollen (s. Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens, BTDrucks. 15/4117, S. 7), ist zunächst festzuhalten, dass dieser Gesetzentwurf vom Bundestag abgelehnt wurde (s. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages, 15. Wahlperiode, 181. Sitzung vom 16. Juni 2005, S. 17112 C), so dass ihm eine Aussage über den gesetzgeberischen Willen im vorliegenden Zusammenhang nicht entnommen werden kann. Der Gegenüberstellung von operativen Eingriffen und anderen Verfahren (Ohrlochstechen, Piercen und Tätowieren) ist zudem allenfalls zu entnehmen, dass dem Gesetzentwurf hier die Einschätzung einer abgestuften Erheblichkeit von möglichen Eingriffen zugrunde lag, die nicht gegen ein weites Verständnis des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs spricht (vgl. auch OLG Düsseldorf, GRUR 2022, 1768 [juris Rn. 39]; OLG Köln, WRP 2024, 102 [juris Rn. 33]). Im Übrigen stellen Ohrlochstechen, Piercen und Tätowieren keine operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, sondern lediglich ästhetische Veränderungen der Hautoberfläche dar (vgl. OLG Koblenz, WRP 2024, 1002 [juris Rn. 32]; BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 11 Rn. 644).
dd) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, systematische Gründe sprächen gegen das vom Oberlandesgericht vertretene weite Begriffsverständnis.
Zwar trifft es zu, dass der Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs enger ist als die zuvor in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG genannten "Verfahren oder Behandlungen" und dass der Gesetzgeber durch die in den Buchstaben a) bis c) dieser Vorschrift folgenden Spezifikationen nur einen Ausschnitt aus jeglichen Mitteln, Verfahren oder Behandlungen in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes einbeziehen wollte. Darüber hinaus lässt sich aus diesem Befund jedoch systematisch für die Definition des spezifischen Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs nichts ableiten.
ee) Das Oberlandesgericht hat - entgegen der Auffassung der Revision in rechtsfehlerfreier Weise mit Blick auf den gesetzlichen Schutzzweck eine weite Auslegung des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs zugrunde gelegt.
Der Schutzzweck der Einbeziehung sogenannter Schönheitsoperationen in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerberechts in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG besteht darin, unsachliche Einflüsse durch potentiell suggestive und irreführende Werbung für medizinisch nicht notwendige Eingriffe zurückzudrängen, die Entscheidungsfreiheit betroffener Personen zu schützen und zu vermeiden, dass sich diese Personen unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können (s. BT-Drucks. 15/5316, S. 46). Dieser Schutzzweck liegt gleichermaßen dem später zur Klarstellung eingefügten Verbot der VorherNachher-Abbildungen in § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG zugrunde (vgl. Regierungsentwurf eines 2. Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drucks. 17/9341, S. 71; zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 11 Rn. 621 bis 624). Eine unsachliche Beeinflussung soll umso weniger hinzunehmen sein, wenn die Risiken des Eingriffs durch keinerlei medizinische Vorteile aufgewogen werden können (BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 11 Rn. 631).
Diesem Schutzzweck trägt die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung Rechnung. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich hierbei mithin nicht um eine das gesetzgeberische Ziel der Norm verfehlende oder verfälschende Rechtsfortbildung. Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass der Inkaufnahme erheblicher gesundheitlicher Risiken infolge der suggesti- ven oder gar irreführenden Wirkung einer Werbung für schönheitsoperative Eingriffe mit Vorher-Nachher-Abbildungen angesichts des Umstands, dass diese Eingriffe medizinisch nicht notwendig sind, entgegengewirkt werden soll (vgl. auch OLG Düsseldorf, GRUR 2022, 1768 [juris Rn. 36]; OLG Köln, WRP 2024, 102 [juris Rn. 31]).
ff) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Auslegung den Sachvortrag der Beklagten umfassend gewürdigt und dabei den Erfordernissen des § 286 ZPO und des § 139 ZPO Rechnung getragen. Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht habe Vortrag übergangen und überraschend entschieden, bleibt daher ohne Erfolg.
(1) Insbesondere hat das Oberlandesgericht sich mit dem Vortrag der Beklagten befasst, die Unterspritzung mit Hyaluronsäure sei im Vergleich zu einer herkömmlichen Nasenoperation durch Umformung von Knochen oder Knorpel deutlich weniger riskant und invasiv. Das Oberlandesgericht hat unter Bezugnahme auf die von der Beklagten selbst angegebenen Nebenwirkungen wie Schmerzen, Schwellungen, blaue Flecken oder Rötungen sowie in enorm seltenen Fällen Infektionen, allergische Reaktionen oder Embolien in tatgerichtlicher Würdigung angenommen, dass diese Risiken und Nebenwirkungen der vorliegend betroffenen Behandlung in rechtlicher Hinsicht erheblich sind. Die Revision macht eine abweichende Risikobeurteilung geltend, ohne Rechtsfehler der tatgerichtlichen Würdigung aufzuzeigen. Auf die von der Beklagten unter das Angebot des Sachverständigenbeweises gestellte Frage, ob die Unterspritzung mit Hyaluron im Hinblick auf die damit verbundenen Gesundheitsgefahren gleichzusetzen sei mit dem Stechen von Ohrlöchern, Piercen oder Tätowieren, kommt es nicht entscheidungserheblich an, weil diese Maßnahmen - wie bereits dargelegt (dazu Rn. 20) - keine operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe darstellen.
(2) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts war auch nicht mangels eines nach § 139 Abs. 2 ZPO veranlassten gerichtlichen Hinweises überraschend. Eines gerichtlichen Hinweises bedarf es, wenn das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen will, den es anders beurteilt als die Parteien und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - I ZR 27/23, GRUR 2024, 1332 [juris Rn. 55] = WRP 2024, 1210 - Gesamtvertrag Kabelweitersendung, mwN). Die Beklagte musste angesichts ihres eigenen Vortrags damit rechnen, dass das Oberlandesgericht die darin beschriebenen gesundheitlichen Risiken als hinreichend gewichtig ansehen würde.
c) Das Oberlandesgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Tatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG auch im Übrigen erfüllt ist, weil die Beklagte mit der Wirkung der Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben hat. Gegen die Beurteilung des Oberlandesgerichts, aus Sicht des angesprochenen Verkehrs zeigten die Abbildungen den Zustand vor und nach dem von der Beklagten durchgeführten, medizinisch nicht notwendigen operativen plastischchirurgischen Eingriff, wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
d) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt keine Grundrechte der Beklagten. Die Revision rügt vergebens eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit.
aa) Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit kann der Gesetzgeber durch Berufsausübungsregelungen einschränken, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist. Dem Gesetzgeber kommt dabei eine weite Gestaltungsfreiheit zu, insbesondere wenn die Vorschrift keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 1991 - 1 BvR 381/90, juris Rn. 13 mwN; BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 - I ZR 91/23, GRUR 2024, 704 [juris Rn. 45] = WRP 2024, 696 - Großhandelszuschläge II). Das der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegende Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG betrifft die Beklagte in ihrer Berufsausübung, hat aber keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter. Es dient mit dem Gesundheitsschutz einem gewichtigen Gemeinwohlzweck und ist - ebenso wie das ausgesprochene Verbot - zu dessen Wahrung auch geeignet, erforderlich und der Beklagten zumutbar.
bb) Die im Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG liegende Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit, die auch die kommerzielle Meinungsäußerung und Wirtschaftswerbung umfasst (vgl. nur BVerfG, GRUR 2007, 1083 [juris Rn. 22]), ist - ebenso wie die angegriffene Entscheidung - angesichts des betroffenen Schutzguts der Gesundheit als wichtigem Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, GRUR 2007, 1083 [juris Rn. 41]) ebenfalls verhältnismäßig. Der Beklagten ist nicht jegliche Werbung für die von ihr durchgeführten Behandlungen, sondern lediglich die werbliche Verwendung von Vorher-Nachher-Abbildungen verboten.
e) Unionsrechtliche Fragen sind nicht aufgeworfen, da das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern oder der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt fällt (vgl. OLG Koblenz, WRP 2016, 1293 [juris Rn. 10 bis 13]; BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 11 Rn. 657).
III. Danach ist die Revision auf Kosten der Beklagten zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Koch Löffler Schwonke Feddersen Schmaltz Vorinstanz: OLG Hamm, Entscheidung vom 29.08.2024 - I-4 UKl 2/24 - Verkündet am: 31. Juli 2025 Hemminger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle