19 W (pat) 41/18
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 41/18 Verkündet am 3. Juli 2019 …
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2015 000 998.2 …
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Dr. Haupt ECLI:DE:BPatG:2019:030719B19Wpat41.18.0 beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse B 60 W – hat die am 27. Januar 2015 in englischer Sprache eingereichte Anmeldung, zu der am 30. Juni 2015 eine deutschsprachige Übersetzung mit der Bezeichnung „Erfassung eines losen Rades“ nachgereicht worden ist, durch Beschluss vom 19. Juli 2018 in den Fassungen nach Haupt- und Hilfsantrag 1 zurückgewiesen, mit der Begründung, die jeweiligen Gegenstände gemäß den Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG). Aufgrund eines in einer Anhörung am 21. Juni 2018 gestellten Hilfsantrags 2 hat die Prüfungsstelle ein Patent erteilt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 23. August 2018.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 W des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2018 aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2019,
Beschreibung, Seite 1 vom 30. Juni 2015, Seiten 2 und 2a vom 2. Februar 2016, Seiten 3 bis 12 vom 30. Juni 2015,
Figuren 1a, 1b, 2 bis 4 vom 30. Juni 2015,
hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag I, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2019,
Beschreibung und Zeichnungen zu dem Hilfsantrag wie Hauptantrag.
Die einander nebengeordneten Patentansprüche 1, 10 und 11 gemäß Hauptantrag vom 3. Juli 2019 lauten:
1. Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs, das die Schritte umfasst: - Erhalten eines Raddrehzahlsignals t(n), das eine Raddrehzahl eines Rades eines Fahrzeugs angibt, - Ermitteln eines ersten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem ersten Referenzsignal, welches erste Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl eines weiteren Rades des Fahrzeugs angibt, - Ermitteln eines zweiten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem zweiten Referenzsignal, - Ermitteln, dass das Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigstens eine der folgenden Bedingungen erfüllt wird:
-- das erste Erfassungssignal übersteigt einen ersten Erfassungsschwellenwert,
-- das zweite Erfassungssignal übersteigt einen zweiten Erfassungsschwellenwert.
10. Computerprogrammprodukt, das einen Programmcode umfasst, der dafür ausgelegt ist, wenn er in einer Recheneinrichtung ausgeführt wird, die Schritte nach einem der Ansprüche der Ansprüche 1 bis 9 durchzuführen.
11. System zum Erfassen eines losen Rades, das eine Verarbeitungseinrichtung umfasst, wobei die Verarbeitungseinrichtung dafür ausgelegt ist: - ein Raddrehzahlsignal t(n) zu erhalten, das eine Raddrehzahl eines Rades eines Fahrzeugs angibt, - ein erstes Erfassungssignal basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem ersten Referenzsignal zu ermitteln, welches erste Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl eines weiteren Rades des Fahrzeugs angibt, - ein zweites Erfassungssignal basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem zweiten Referenzsignal zu ermitteln, - zu ermitteln, dass das Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigstens eine der folgenden Bedingungen erfüllt wird: -- das erste Erfassungssignal übersteigt einen ersten Erfassungsschwellenwert, -- das zweite Erfassungssignal übersteigt einen zweiten Erfassungsschwellenwert.
Die einander nebengeordneten Patentansprüche 1, 9 und 10 gemäß Hilfsantrag I vom 3. Juli 2019 lauten:
1. Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs, das die Schritte umfasst: - Erhalten eines Raddrehzahlsignals t(n), das eine Raddrehzahl eines Rades eines Fahrzeugs angibt, - Ermitteln eines ersten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem ersten Referenzsignal, welches erste Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl eines weiteren Rades des Fahrzeugs angibt, - Ermitteln eines zweiten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem zweiten Referenzsignal, welches zweite Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl des weiteren Rades des Fahrzeugs angibt, - Ermitteln, dass das Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigstens eine der folgenden Bedingungen erfüllt wird: -- das erste Erfassungssignal übersteigt einen ersten Erfassungsschwellenwert, -- das zweite Erfassungssignal übersteigt einen zweiten Erfassungsschwellenwert.
9. Computerprogrammprodukt, das einen Programmcode umfasst, der dafür ausgelegt ist, wenn er in einer Recheneinrichtung ausgeführt wird, die Schritte nach einem der Ansprüche der Ansprüche 1 bis 8 durchzuführen.
10. System zum Erfassen eines losen Rades, das eine Verarbeitungseinrichtung umfasst, wobei die Verarbeitungseinrichtung dafür ausgelegt ist: - ein Raddrehzahlsignal t(n) zu erhalten, das eine Raddrehzahl eines Rades eines Fahrzeugs angibt,
- ein erstes Erfassungssignal basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem ersten Referenzsignal zu ermitteln, welches erste Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl eines weiteren Rades des Fahrzeugs angibt,
- ein zweites Erfassungssignal basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem zweiten Referenzsignal zu ermitteln, welches zweite Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl des weiteren Rades des Fahrzeugs angibt,
- zu ermitteln, dass das Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigstens eine der folgenden Bedingungen erfüllt wird: -- das erste Erfassungssignal übersteigt einen ersten Erfassungsschwellenwert, -- das zweite Erfassungssignal übersteigt einen zweiten Erfassungsschwellenwert.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden neben anderen die folgenden Druckschriften entgegengehalten:
D1 DE 10 2013 211 697 A1 D3 DE 101 53 072 A1.
Zu weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der abhängigen Patentansprüche, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft allgemein das Gebiet der Erfassung von Radanomalien eines Fahrzeugs und beispielsweise Verfahren, Systeme und Computerprogrammprodukte zum Erfassen eines losen Rades oder eines drucklosen Rades (ursprüngliche deutsche Beschreibung, Seite 1, 1. Absatz).
Zum technischen Hintergrund ist in der Beschreibungseinleitung ausgeführt, dass moderne Fahrzeuge eine Vielzahl Sensoren und Systeme umfassen würden, um dem Fahrer und anderen Verkehrsteilnehmern Sicherheit, Komfort und Informationen bereitzustellen (Seite 1, 2. Absatz).
Speziell könnten Radzustandsinformationen, z. B. über niedrigen Druck, zum Erfassen von Radanomalien nützlich sein, die, wenn sie nicht beseitigt werden, einen Verschleiß des Fahrzeugs, geringere(n) Fahrkomfort und Fahrzeugsteuerbarkeit oder sogar einen Unfall verursachen könnten (Seite 1, 5. Absatz).
Insbesondere sei ein Rad, das nicht ordnungsgemäß an einer Achse eines Fahrzeugs befestigt ist, d. h. ein loses Rad, ein Radzustand, der im Hinblick auf Sicherheit höchst relevant sei. Bekannte Vorgehensweisen zum Erfassen eines losen Rades würden eine persönliche Überprüfung und/oder die Verwendung zusätzlicher Bauteile, wie beispielsweise optische Indikatoren erfordern, die in einer vordefinierten Ausrichtung an Radmuttern platziert werden. Wenn sich das Rad lockert, befänden sich einer oder mehrere der optischen Indikatoren nicht mehr in der vordefinierten Ausrichtung, wodurch optisch angezeigt werde, dass das Rad lose ist. Zur Erfassung eines losen Rades sei es auch bekannt, eine Sensoranordnung an einer Befestigungsnabe einer Achse eines Fahrzeugs zu befestigen. Der Sensor erfasse die Relativbewegung zwischen der Nabe und dem Rad und gäbe, wenn sich das Rad lockert, ein Signal ab, das angibt, dass das Rad lose ist (Seiten 1 und 2 übergreifender Absatz).
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, eine Lösung zur Erfassung eines losen Rades eines Fahrzeugs bereitzustellen, die eine persönliche Überprüfung und zusätzliche Bauteile unnötig mache (Seite 2, 2. Absatz).
2. Die gestellte Aufgabe werde durch das Verfahren des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom 3. Juli 2019 gelöst, das sich wie folgt gliedern lässt:
M1 Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs, das die Schritte umfasst:
M2 Erhalten eines Raddrehzahlsignals t(n), das eine Raddrehzahl eines Rades eines Fahrzeugs angibt,
M3 Ermitteln eines ersten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem ersten Referenzsignal,
M3a welches erste Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl eines weiteren Rades des Fahrzeugs angibt,
M4 Ermitteln eines zweiten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem zweiten Referenzsignal,
M5 Ermitteln, dass das Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigsten eine der folgenden Bedingungen erfüllt wird:
M5a das erste Erfassungssignal übersteigt einen ersten Erfassungsschwellenwert,
M5b das zweite Erfassungssignal übersteigt einen zweiten Erfassungsschwellenwert.
Von der Fassung nach Hauptantrag unterscheidet sich der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 3. Juli 2019 dadurch, dass sich an das Merkmal M4 das Merkmal anschließt:
M4a welches zweite Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl des weiteren Rades des Fahrzeugs angibt,
3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann einen Ingenieur der Fahrzeugtechnik mit Fachhochschul- oder entsprechendem Bachelor-Abschluss, der sich insbesondere mit der Erfassung und Verwendung von Raddrehzahlsignalen befasst, zu Grunde.
4. Dieser Fachmann versteht die erklärungsbedürftigen Begriffe der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag I wie folgt:
4.1 loses Rad (Merkmale M1 und M5) In den Ansprüchen ist nicht explizit angegeben, was unter einem „losen Rad“ zu verstehen ist. Der Fachmann findet für das Verständnis des Begriffs „loses Rad“ in der Beschreibung auf Seite 1, Zeilen 26 und 27, die Angabe: „Insbesondere ist ein Rad, das nicht ordnungsgemäß an einer Achse eines Fahrzeugs befestigt ist, d. h. ein loses Rad, ein Radzustand, der im Hinblick auf Sicherheit höchst relevant ist.“ Auf Seite 8, Zeilen 24 bis 26, und Seite 9, Zeilen 30 bis 33, der Beschreibung ist zudem „vom Grad des Loseseins“ und „geringfügig loser Räder“ die Rede und auf Seite 10, Zeilen 18 und 19, dass „ein Rad mehr oder weniger lose“ sein kann.
4.2 Raddrehzahlsignals t(n) (Merkmal M2) Die Drehzahl (auch Umdrehungsfrequenz oder Umlauffrequenz) ist ein feststehender Begriff, der eine Größe beschreibt, die bei – vorzugsweise mechanischen – Drehbewegungen die Häufigkeit der Umdrehungen pro Zeiteinheit angibt. Die Angabe erfolgt in der Technik meist in Umdrehungen pro Minute.
Den Begriff Raddrehzahlsignal versteht der Fachmann als elektrisches Signal, das aufgrund der gemessenen Drehzahl erzeugt wird. Die Patentanmelderin gibt dazu in der Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 18 bis 20, an: „Bei den folgenden Ausfüh- rungsformen werden die Werte t(n), ∆t(n) und ω(n) aus Gründen der Einfachheit sämtlich als Raddrehzahlsignale bezeichnet und als vom Raddrehzahlsensor 4 stammend betrachtet.“
4.3 … Erfassungssignal basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem … Referenzsignal (Merkmale M3 und M4) Gemäß den Angaben in den Merkmalen M3 und M4, basieren die beiden ermittelten Erfassungssignale zum einen auf demselben Raddrehzahlsignal t(n), welches die eigentliche Messgröße darstellt, die mit einem Raddrehzahlsensors erfasst wird (siehe 4.2) und zum anderen jeweils auf einem Referenzsignal.
Die Referenzsignale der beiden Erfassungssignale können im Gegensatz zum Raddrehzahlsignal unabhängig voneinander gewählt werden. Laut Beschreibung, Seite 10, Zeile 27, bis Seite 11, Zeile 3, hat der Fachmann beispielsweise die Wahl zwischen einem konstanten und einem variablen Referenzsignal, insbesondere abhängig von externen Variablen, wie etwa der Anzahl der Räder, der Drehzahl, den Straßenbedingungen.
Demgemäß basiert im Anspruch 1 nach Hauptantrag nur das erste Referenzsignal auf einem Raddrehzahlsignal eines Raddrehzahlsensors an einem weiteren Rad (Merkmal M3a), während der Anspruch dazu schweigt, wie das zweite Referenzsignal erzeugt wird. Dem Fachmann sind zahlreiche Möglichkeiten bekannt, je nach Fahrzeug, Fahrsituation und konkreter Anforderung Referenzsignale zu wählen, abzurufen, zu messen oder auf andere Art zu generieren.
Im Anspruch 1 nach Hilfsantrag I basieren beide Referenzsignale jeweils auf einem Raddrehzahlsignal eines Raddrehzahlsensors an einem weiteren Rad (Merkmale M3a und M4a).
Weiterhin lassen die nebengeordneten Ansprüche, sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag I offen, wie die Erfassungssignale konkret von den jeweiligen Raddrehzahlsignalen und Referenzsignalen abhängen bzw. berechnet werden. Lediglich in den geltenden Unteransprüchen 7 und 8 wird in die unabhängigen Ansprüche nicht einschränkender Weise angegeben, dass das Ermitteln der Erfassungssignale das Berechnen einer Differenz zum jeweiligen Referenzsignal umfasst.
Somit versteht der Fachmann unter dem Ermitteln des ersten und des zweiten Erfassungssignals gemäß den Merkmalen M3 und M4 das Bestimmen von zwei Signalen mit jeweils einer beliebigen Abhängigkeit, zum einen von derselben als Maß für die Radfrequenz geeigneten Kenngröße und zum anderen von verschiedenen als Referenzwerten dazu geeigneten Parametern.
4.4 Erfassungsschwellenwert (Merkmale M5a und M5b) Die Bestimmung von geeigneten, den jeweiligen Erfassungssignalen zugeordneten Erfassungsschwellenwerten ordnet die Patentanmeldung offensichtlich den Fähigkeiten des Durchschnittsfachmanns zu, denn weder die Patentansprüche noch die Beschreibung enthalten hierzu eine Anleitung. Jedenfalls handelt es sich bei den Erfassungsschwellenwerten um Werte, die zum Vergleich mit dem Erfassungssignal geeignet sind.
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gilt ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik nach der auch schon von der Prüfungsstelle in Betracht gezogenen Druckschrift DE 10 2013 211 697 A1 (im Folgenden: Druckschrift D1) zwar als neu (§ 3 PatG), aber nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 4 PatG).
In der Druckschrift D1 ist eine Sensoranordnung für ein Fahrzeug mit mindestens einer Drehzahlerfassungsvorrichtung beschrieben, welche fortlaufend mindestens eine Zustandsgröße erfasst und an mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit ausgibt, wobei die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit einen ersten und einen zweiten Auswertevorgang mit der erfassten mindestens einen Zustands- größe durchführt und eine Drehzahl mindestens eines Fahrzeugrads ermittelt, dessen Felge über Radbefestigungsmittel an einer korrespondierenden Radnabe befestigt ist und basierend auf der fortlaufend erfassten mindestens einen Zustandsgröße ein mechanisches Spiel zwischen dem mindestens einen Fahrzeugrad und der korrespondierenden Radnabe erkennt und zur Detektion gelöster Radbefestigungsmittel überwacht (Anspruch 1).
Aus der Druckschrift D1 ist hinsichtlich des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag für den Fachmann Folgendes offenbart: Ein M1 Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs, das die Schritte umfasst: (beispielsweise Zusammenfassung: „Detektion gelöster Radbefestigungsmittel.“ oder Absatz 0005: „Das bedeutet, dass gelöste Radbefestigungsmittel an einem Fahrzeugrad kontinuierlich während des Betriebs und ohne zusätzliche Sensoren erkannt werden können“)
M2 Erhalten eines Raddrehzahlsignals, das eine Raddrehzahl eines Rades eines Fahrzeugs angibt, (Absatz 0005: „Ermittlung der Raddrehzahl“ und Absatz 0030: „Die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit 10, 100 empfängt Signale von mindestens einer Drehzahlerfassungsvorrichtung 20, 22, 24, 26, 28 und wertet diese aus. In einem ersten Auswertevorgang 12 ermittelt die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit 10, 100 eine Drehzahl ω mindestens eines Fahrzeugrads 30“)
M3 Ermitteln eines ersten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal und einem ersten Referenzsignal, (Absatz 0015: „Vorzugsweise führt die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit … durch … Fouriertransformation eine Transformation der periodischen Variation in den Frequenzbereich durch.“, Absatz 0016: „… Amplituden von Spektrallinien des Frequenzspektrums der periodischen Variation der individuellen Impulsdauer ermitteln, deren Frequenz einem ganzzahligen Vielfachen der mit der Anzahl der Radbefestigungsmittel multiplizierten Raddrehzahl entspricht“ sowie Anspruch 6. Dem ersten Erfassungssignal entspricht somit die ermittelte Amplitude der Spektrallinie des Frequenzspektrums, da diese auf dem Raddrehzahlsignal basiert und auf einem ersten Referenzsignal, welches durch die jeweilige Amplitude der entsprechenden Spektrallinie bei festem Radbefestigungsmittel repräsentiert wird.) M4 Ermitteln eines zweiten Erfassungssignals basierend auf dem Raddrehzahlsignal und einem zweiten Referenzsignal, (Absatz 0044: „Wie aus Fig. 10 ersichtlich ist, ermittelt die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit 10, 100 im dargestellten Ausführungsbeispiel den Schlupfwinkel φS aus den gemessenen Raddrehzahlsignalen ω … und mittlerer Raddrehzahl ωMittel“ und Absatz 0017: „Schlupfwinkel eines in Lastwechselsituationen auftretenden Schlupfes zwischen dem mindestens einen Fahrzeugrad und der korrespondierenden Radnabe … und einer mittleren Raddrehzahl,“ sowie Anspruch 8. Der aus dem gemessene Raddrehzahlsignal ω ermittelte Schlupfwinkel φS entspricht somit dem zweiten Erfassungssignals und das Referenzsignal ist die mittlere Raddrehzahl ωMittel, die sich bei festem Radbefestigungsmittel ohne Schlupf ergibt.) M5 Ermitteln, dass das Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigstens eine der folgenden Bedingungen erfüllt wird:
M5a M5b
(Gemäß Druckschrift D1 wird ermittelt, dass das überwachte Rad des Fahrzeugs ein loses Rad ist, wenn wenigstens eine der entsprechenden Bedingungen erfüllt ist, entweder mittels der Vibrationsanalyse, wie sie in den Absätzen 0014 bis 0016 und 0034 bis 0040 beschrieben und in den Figuren 6 bis 9 dargestellt ist, oder der Schlupfwinkelanalyse, wie sie in den Absätzen 0017 und 0041 bis 0046 beschrieben und in der Figur 10 dargestellt ist.) das erste Erfassungssignal übersteigt einen ersten Erfassungsschwellenwert, und (Absatz 0016: „… erkennt gelöste Radbefestigungsmittel am korrespondierenden Fahrzeugrad, wenn die ermittelten Amplituden der Spektrallinien die vorgegebenen Schwellwerte erreichen und/oder übersteigen.“, Absatz 0040: „Während der Frequenzanalyse vergleicht die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit 10, 100 die ermittelten Amplituden der Spektrallinien mit vorgegebenen Schwellwerten und erkennt gelöste Radbefestigungsmittel 34 am korrespondierenden Fahrzeugrad 30, wenn die ermittelten Amplituden der Spektrallinien die vorgegebenen Schwellwerte erreichen und/oder übersteigen.“ und Anspruch 7) das zweite Erfassungssignal übersteigt einen zweiten Erfassungsschwellenwert. (Absatz 0041: „Zusätzlich oder alternativ nutzt die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit 10, 100 den Schlupfeffekt und wertet zur Detektion von gelösten Radbefestigungsmittel 34 einen aus den Raddrehzahlsignalen ermittelten Schlupf aus.“, Absatz 0017: „Vorzugsweise erkennt die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit gelöste Radbefestigungsmittel am korrespondierenden Fahrzeugrad, wenn der Betrag des berechneten Schlupfwinkels einen vorgegebenen Schwellwert von beispielsweise 1° erreicht und/oder in einem vorgegebenen Toleranzbereich von beispielsweise ±0,2° um diesen Schwellwert liegt.“, Absatz 0046: „Die mindestens eine Auswerte- und Steuereinheit 10, 100 erkennt gelöste Radbefestigungsmittel 34 am korrespondierenden Fahrzeugrad 30, wenn der Betrag des berechneten Schlupfwinkels φS einen vorgegebenen Schwellwert erreicht und/oder in einem vorgegebenen Toleranzbereich um diesen Schwellwert liegt.“ und Anspruch 9.)
Als Unterschied zwischen dem Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag und dem nach Druckschrift D1 verbleibt lediglich die Maßnahme, wonach das erste Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl eines weiteren Rades des Fahrzeugs angibt (Merkmal M3a).
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 mag somit gegenüber dem Stand der Technik nach Druckschrift D1 als neu gelten. Er beruht aus den folgenden Gründen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 bekommt der Fachmann zwar die Information, welche Referenzsignale er für das jeweilige Erfassungssignal heranziehen soll – die entsprechende Amplitude der Spektrallinie des Frequenzspektrums im Falle der Vibrationsanalyse und die mittlere Raddrehzahl im Falle der Schlupfwinkelanalyse, jeweils bei festem Radbefestigungsmittel – er muss jedoch zwangsläufig Überlegungen anstellen, wie er diese ermittelt und dem Verfahren zum Erfassen eines losen Rades bereitstellt.
Der Fachmann zieht dazu zunächst in Betracht, dass er bei der Bereitstellung der Referenzsignale die Wahl zwischen konstanten und variablen Referenzsignalen,
insbesondere abhängig von externen Variablen, wie etwa der Anzahl der Räder, der Drehzahl, den Straßenbedingungen, hat (vgl. vorstehend unter 4.3). Die Referenzsignale werden dabei entweder unabhängig von der Fahrsituation bereitgestellt oder dynamisch in Abhängigkeit von der Fahrsituation ermittelt und bereitgestellt.
Im üblichen Fahrbetrieb ergeben sich – was der Fachmann ohne Weiteres erkennt – regelmäßig Situationen, in denen das Vibrationsspektrum auch bei nicht losem Rad Spektrallinien mit ausgeprägten Amplituden zeigt. Dies ist beispielsweise der Fall beim Übergang von einer ebenen bzw. glatten Fahrbahn zu einer Fahrbahn mit rauer Oberfläche oder bei periodischen Unebenheiten in der Fahrbahn, wie bei Pflasterdecken, regelmäßigen Betonplatten auf Autobahnen, bei Fahrbahnmarkierungen, bei Rüttelstreifen etc.. Dies in Betracht ziehend erkennt der Fachmann, dass bei einem von der jeweiligen Fahrsituation unabhängigen Referenzwert, der beispielweise in einer Datenbank hinterlegt ist, nicht zuverlässig zwischen tatsächlichen Radanomalien einerseits und von der Fahrbahn verursachten Vibrationen andererseits unterschieden werden kann. Der Fachmann hat somit ausgehend von der Druckschrift D1 unter Berücksichtigung seines Fachwissens Veranlassung, derartige fälschlicherweise ausgelöste Warnungen mit technischen Mitteln zu verhindern Auf der Suche nach Lösungen, wie derartige fälschlicherweise ausgelöste Warnungen verhindern werden können, zieht der Fachmann nach Überzeugung des Senats auch das aus der Druckschrift DE 101 53 072 A1 (D3) bekannte Verfahren in Betracht, bei dem ein Raddrehzahlsignal eines ersten Rades mit dem Raddrehzahlsignal eines anderen Rades verglichen wird, um daraus auf sich anbahnende Radanomalien zu schließen (Absätze 0015 und 0016). Das „andere Rad“ unterliegt der gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Fahrsituation wie das „erste Rad“ und kann deshalb zur Bildung eines die aktuelle Fahrsituation berücksichtigenden, dynamischen Referenzwerts genutzt werden.
Da gemäß der Druckschrift D3 die selben Messgrößen in die Berechnung eingehen, wie bei dem Verfahren gemäß Druckschrift D1, verwendet der Fachmann bei dem System gemäß Druckschrift D1 lediglich den aus der Druckschrift D3 bekannten Berechnungsalgorithmus, so dass keine Gründe ersichtlich sind, die den Fachmann von einer derartigen Übertragung abhalten könnten.
Der Einwand des Vertreters der Anmelderin, der Fachmann würde die Druckschrift D3 nicht in Betracht ziehen, da sie auf einem völlig anderen technischen Gebiet liege, vermag nicht zu überzeugen, denn die Ermittlung sich anbahnender Laufstreifenablösungen eines Luftreifens an einem Fahrzeug betrifft ebenfalls die Erfassung von Radanomalien an einem Fahrzeug und insoweit tatsächlich dasselbe technischen Gebiet wie die Patentanmeldung.
Im Übrigen ist auch in der Beschreibungseinleitung der Anmeldung auf Seite 1, Zeilen 3 bis 6, unter der Überschrift „Technisches Gebiet“ explizit erklärt, die Offenbarung der vorliegenden Erfindung betreffe allgemein das Gebiet der Erfassung von Radanomalien eines Fahrzeugs; lediglich beispielsweise handele es sich um Verfahren, Systeme und Computerprogrammprodukte zum Erfassen eines losen Rades oder eines drucklosen Rades.
Somit ergibt sich das Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag unter Berücksichtigung des Wissens und Könnens des Fachmanns in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Druckschrift D1 mit der Druckschrift D3 und beruht mithin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG):
Von der Fassung nach Hauptantrag unterscheidet sich der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I dadurch, dass nicht nur das erste, sondern auch das zweite Referenzsignal basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird, das eine Raddrehzahl des weiteren Rades des Fahrzeugs angibt (Merkmal M4a).
Da sich der Wortlaut des Merkmals M4a von dem des Merkmals M3a lediglich durch die Ordnungszahl unterscheidet, wird bezüglich des Naheliegens dieser Maßnahme auf die vorstehenden Ausführungen zum Merkmal M3a verwiesen.
Hiergegen hat der Vertreter der Patentanmelderin sinngemäß eingewandt, dass es sich ausgehend von der Druckschrift D1 beim zweiten Erfassungssignal um den Schlupfwinkel handeln müsse und das zu diesem gehörige Referenzsignal nur mittels einer Langzeitmessung und Mittelung des Schlupfwinkels am überwachten Rad zu ermitteln wäre.
Diese Auffassung führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts durch den Senat. Denn wie insbesondere die Figur 10 der Druckschrift D1 zeigt, wird auch bei der Schlupfwinkelanalyse als Referenz ein Wert verwendet ‒ die mittlere Raddrehzahl ωMittel, die sich bei festem Radbefestigungsmittel ohne Schlupf ergibt ‒, der nicht unabhängig von externen Faktoren, beispielsweise die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche ist, so dass es für den Fachmann erkennbar nicht nur möglich ist, sondern auch von Vorteil sein kann und somit naheliegt, für die Ermittlung des Referenzsignal das Raddrehzahlsignal eines weiteren Rades des Fahrzeugs heranzuziehen.
Hinsichtlich der übrigen aus der Druckschrift D1 bekannten Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I wird auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.
7. Da sich die geltenden Patentansprüche 1 nach Hauptantrag sowie nach Hilfsantrag I nicht als patentfähig erweisen, erübrigt sich eine separate Stellung- nahme zu den jeweils nebengeordneten Sachansprüchen, zumal in diesen keine konkreten technischen Einzelheiten genannt sind, die über Mittel zum Durchführen der Verfahren gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 hinausgingen.
Die auf die unabhängigen Patentansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag I direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche teilen deren Schicksal, zumal sie keine Besonderheiten nennen, die aus Sicht des Senats zur Grundlage einer gewährbaren Anspruchsfassung hätten werden können. Auch die Beschwerdeführerin hat Derartiges nicht geltend gemacht.
Nachdem sich nach Überzeugung des Senats weder die Gegenstände der Patentansprüche nach Hauptantrag, noch die Gegenstände nach Hilfsantrag I als patentfähig erwiesen haben, war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Aus- übung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Haupt Ko