4 StR 99/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 99/24 BESCHLUSS vom 26. Februar 2025 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls ECLI:DE:BGH:2025:260225B4STR99.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2025 beschlossen:
Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 11. September 2023 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dem Angeklagten ist auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision zu gewähren (§ 44 StPO).
1. Dem Antrag liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Gegen das am 11. September 2023 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Urteil hat der Angeklagte durch am 18. September 2023 per Telefax bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt und diese sogleich mit der allgemeinen Sachrüge begründet. In einem Begleitschreiben hat der Verteidiger ausgeführt, dass die Revisionseinlegung „fristwahrend vorab per Fax“ erfolge, „da eine beA-Versendung aufgrund von Störungen derzeit nicht möglich ist. Sobald ein beA-Versand wieder möglich ist, wird die Revision nochmals elektronisch versandt.“ Am 19. September 2023 hat der Verteidiger die Revisionseinlegung und -begründung nochmals, nunmehr in elektronischer Form an das Landgericht, übermittelt. Nach Zustellung des Urteils hat er mit per beA übermitteltem Schriftsatz vom 27. Dezember 2023 Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist beantragt, die Revision weiter begründet und Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift vom 2. April 2024 beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, weil die Revisionseinlegung am 18. September 2023 formunwirksam und die Revisionseinlegung am 19. September 2023 nicht fristgerecht erfolgt sei. In seiner am 5. April 2024 eingegangenen Stellungnahme zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hat der Verteidiger das Vorliegen einer technischen Störung der beA/EGVP-Kommunikation am 18. September 2023 dargelegt und glaubhaft gemacht sowie vorsorglich für den Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist ist zulässig und begründet.
a) Der Angeklagte hat die Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 StPO) versäumt.
Die Revisionseinlegung am 18. September 2023 genügt nicht der Form des § 32d Satz 2 StPO; ein Ausnahmefall gemäß § 32d Satz 3 StPO ist weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Dem Begleitschreiben des Verteidigers vom 18. September 2023 ist nicht zu entnehmen, ob und ggf. wann er eine elektronische Übermittlung der Revisionsschrift versucht hat. Ebenso wenig erschließt sich daraus, dass im Zeitpunkt der Übermittlung eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 4 StR 104/22, juris Rn. 3). Eine Glaubhaftmachung fehlt ebenfalls. Soweit der Verteidiger in dem Schriftsatz vom 5. April 2024 das Vorliegen einer technischen Störung dargelegt und glaubhaft gemacht hat, ist dies nicht unverzüglich im Sinne von § 32d Satz 4 StPO erfolgt.
Die elektronische Revisionseinlegung am 19. September 2023 ist mehr als eine Woche nach Verkündung des Urteils und damit nach Ablauf der Frist des § 341 Abs. 1 StPO beim Landgericht eingegangen.
b) Der Verteidiger des Angeklagten hat innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO dargetan und glaubhaft gemacht, dass der Angeklagte erst am 5. April 2024 Kenntnis von der Fristversäumung erlangt hat und ihn daran kein Verschulden trifft. Das Verschulden seines Verteidigers wird dem Angeklagten nicht zugerechnet (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2024 – 4 StR 501/24, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. März 2024 – 3 StR 463/23, juris Rn. 2 mwN).
c) Einer Nachholung der versäumten Handlung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO bedurfte es vorliegend nicht, weil die formgerechte Revisionseinlegung bereits am 19. September 2023 beim Landgericht eingegangen ist und in dem Wiedereinsetzungsantrag auf die damit – abgesehen von der Verspätung – bereits ordnungsgemäß vorgenommene Prozesshandlung Bezug genommen wird (vgl.
BGH, Beschluss vom 30. Mai 2000 – 1 StR 103/00, juris Rn. 10; Beschluss vom 20. August 1992 – 1 StR 515/92, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Nachholen 2).
3. Die Frist zur Begründung der Revision ist bislang nicht versäumt worden, so dass es einer Entscheidung über den mit der Revisionsbegründung vom 27. Dezember 2023 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in diese Frist nicht bedarf. Denn bei Bewilligung der Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Einlegungsfrist – wie hier geschehen – beginnt die Revisionsbegründungsfrist erst mit der Zustellung des die Wiedereinsetzung gewährenden Beschlusses zu laufen, mithin mit Zustellung des heutigen Senatsbeschlusses (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2024 – 4 StR 418/24, juris Rn. 2 mwN). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, dass das angefochtene Urteil bereits vollständig abgefasst und wirksam zugestellt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2024 – 4 StR 418/24, aaO; Beschluss vom 7. Mai 2024 – 5 StR 203/24, juris Rn. 6; Beschluss vom 10. Januar 2017 – 4 StR 487/16, juris Rn. 2). Einer Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe oder deren Zustellung bedarf es daher nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 – 4 StR 239/24, juris Rn. 9 mwN).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 7 StPO.
Quentin Scheuß Sturm Marks Maatsch Vorinstanz: Landgericht Bochum, 11.09.2023 - II-5 KLs-47 Js 72/20-27/21