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VII ZR 336/21

BUNDESGERICHTSHOF VII ZR 336/21 BESCHLUSS vom 24. August 2022 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2022:240822BVIIZR336.21.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. August 2022 durch die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Graßnack, Sacher und Dr. Brenneisen beschlossen:

Der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. März 2021 wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert: bis 25.000 €

Gründe: I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Er erwarb am 12. April 2013 ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug VW Tiguan zu einem Kaufpreis von 32.092,56 €. Der darin eingebaute Dieselmotor des Typs EA 189 verfügte über eine Software, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befand (Modus 1) und daraufhin so auf die Motorsteuerung einwirkte, dass geringere Stickoxide erreicht wurden als im normalen Fahrbetrieb (Modus 0). Die entsprechende Software wurde vom KraftfahrtBundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft. Die Beklagte entwickelte daraufhin zur Beseitigung der Abschalteinrichtung ein Software-Update, das der Kläger in der Folge aufspielen ließ.

Mit der im Jahr 2020 erhobenen Klage hat der Kläger verlangt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.906,50 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.368,10 € freizustellen sowie festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. Die Beklagte hat unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter und rügt unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

1. Das Berufungsgericht hat - soweit von Interesse - ausgeführt, die gemäß §§ 826, 31 BGB bestehenden Schadensersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Die Beklagte habe in ihrer im September 2015 veröffentlichten Ad-hoc- Mitteilung eingeräumt, dass bei dem Motor EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei. Der Mitteilung sei ein maximales Presseecho mit monatelanger ausgiebiger Berichterstattung gefolgt, die die Nachrichten fast täglich bestimmt und sich nicht auf einzelne Marken oder Modelle des VW-Konzerns beschränkt habe. Der Kläger habe in dieser Lage damit rechnen müssen, dass sein Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen sei, die Betroffenheit habe sich geradezu aufgedrängt. Über die von der Beklagten eingerichtete Möglichkeit einer Internetabfrage sei die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs ohne weiteres zu prüfen gewesen. Auch seien bereits frühzeitig die drohenden Folgen bis hin zur Stilllegung der Fahrzeuge thematisiert worden. Wer bei dieser Sachlage die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs nicht ernsthaft in Erwägung gezogen und geprüft habe, dessen Unkenntnis von der Betroffenheit beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Dem Kläger sei es auch bereits im Jahr 2015 möglich und zumutbar gewesen, Klage zu erheben. Jedenfalls spätestens mit Ende des Jahres 2016, wie vom Landgericht angenommen, habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen, weil der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, so dass mit Ablauf des Jahres 2019 Verjährung eingetreten sei.

Der Hinweis des Klägers auf § 852 Satz 1 BGB verhelfe der Berufung nicht zum Erfolg. Auch insoweit werde auf die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 29) verwiesen.

2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom

4. November 2020 - VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 14. Dezember 2017 - VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom 16. November 2016 - VII ZR 23/14 Rn. 10, ZfBR 2017, 146). Das Gericht ist verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - V ZR 19/20 Rn. 6, juris; Beschluss vom 21. April 2021 - VII ZR 39/20 Rn. 9, BauR 2021, 1340 = NZBau 2021, 451; Beschluss vom 21. April 2021 - VII ZR 261/19 Rn. 4, NZBau 2021, 518).

b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

aa) Nach der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 29, NJW 2021, 918) setzt die Prüfung eines Anspruchs nach § 852 Satz 1 BGB Vortrag des Klägers voraus, dass und in welcher Höhe die Beklagte etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt hat. Das Berufungsgericht hat hierzu vorliegend keine Feststellung getroffen und dabei entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen.

bb) Der Kläger hat in seiner Stellungnahme vom 12. März 2021 zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 4. Februar 2021 vorgetragen, er habe im Fall der Verjährung seiner Schadensersatzansprüche aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gemäß § 852 Satz 1 BGB. Dieser Anspruch sei durchsetzbar, weil die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 Satz 2 BGB nicht abgelaufen sei. Für einen Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB sei es unschädlich, dass der Kaufvertrag zwischen ihm und einem VW-Händler abgeschlossen worden sei, weil die Vermögensverschiebung nicht direkt zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten erfolgt sein müsse. Die Beklagte habe einen entsprechenden Zufluss erhalten, weil sie das von ihr hergestellte Fahrzeug veräußert habe und ihr demgemäß ein Erlös aus diesem Geschäft zugeflossen sei. Dabei komme es nicht darauf an, dass dieser Zufluss nicht direkt aus dem Vermögen der Klagepartei erfolgt sei, sondern aus dem Vermögen des ursprünglichen Vertragspartners der Beklagten. Bei der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise korrespondiere der ihm, dem Kläger, entstandene Schaden mit dem Vermögenszufluss der Beklagten. Denn insoweit bestehe ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss auf Seiten der Beklagten und dem Schaden des Klägers. Beim Weiterverkauf des Fahrzeugs durch den Ersterwerber an die weiteren Käufer des Fahrzeugs werde der Vermögensschaden des Ersterwerbers, dem der Vermögenszufluss auf Seiten der Beklagten unmittelbar gegenüberstehe, in der Kette der weiteren Erwerber weitergereicht. Der Restschadensersatzanspruch sei nach dem Kaufpreis abzüglich der Händlermarge zu bemessen.

cc) Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Vortrag des Klägers im Kern nicht befasst. Die sich in dem bloßen Verweis auf "die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17.12.2020 - VI ZR 739/20 - zitiert nach juris, Rn. 29)" erschöpfende Erwägung, der Hinweis des Klägers auf § 852 Satz 1 BGB verhelfe seiner Berufung nicht zum Erfolg, geht am Klägervorbringen vorbei. Den vom Bundesgerichtshof im vorgenannten Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 - an der vom Berufungsgericht ausdrücklich in Bezug genommenen Stelle (Rn. 29) zu § 852 Satz 1 BGB für notwendig erachteten Vortrag dazu, dass und in welcher Höhe die Beklagte etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt habe, hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 12. März 2021 gehalten. Er hat darin unter anderem geltend gemacht, die Beklagte habe durch ihre unerlaubte Handlung auf seine Kosten "etwas erlangt" (§ 852 Satz 1 BGB), nämlich den "Kaufpreis abzüglich der Händlermarge". Dass das Berufungsgericht sich hiermit überhaupt nicht befasst, sondern sich auf einen - letztlich inhaltsleeren Verweis auf die von ihm angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs beschränkt hat, lässt besorgen, dass es die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 12. März 2021 zumindest ihrem Sinn nach nicht erfasst hat.

c) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre.

III.

Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

Halfmeier Sacher Jurgeleit Brenneisen Graßnack Vorinstanzen: LG Aurich, Entscheidung vom 28.10.2020 - 1 O 670/20 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.03.2021 - 6 U 296/20 -

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