AK 43/24
BUNDESGERICHTSHOF AK 43/24 BESCHLUSS vom 8. Mai 2024 in dem Strafverfahren gegen wegen Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung u.a. ECLI:DE:BGH:2024:080524BAK43.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 8. Mai 2024 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.
Gründe:
I.
Der Angeschuldigte befindet sich seit dem 11. Oktober 2023 ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. September 2023 (2 BGs 1297/23).
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich im Zeitraum von Juni 2014 bis März 2015 in A.
(Irak) durch vier selbständige Handlungen an der Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS) beteiligt,
deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB),
Totschlag (§ 212 StGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8 bis 12 VStGB) zu begehen, und dabei durch dieselbe Handlung
- bei der Tat 1 in mindestens sechs Fällen gemeinschaftlich handelnd im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person getötet und gegen eine solche Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe, verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien biete, abgeurteilt worden sei,
- bei der Tat 2 vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat, namentlich einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Verstümmelung und durch Bestrafung ohne ordentliches Gerichtsverfahren sowie einer absichtlichen schweren Körperverletzung, Hilfe geleistet,
- bei der Tat 3 gemeinschaftlich handelnd im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zugefügt, insbesondere sie gefoltert habe, und eine andere Person mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich und mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt; strafbar nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 7, Abs. 6 Nr. 2 VStGB, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 226 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 2 VStGB.
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 22. April 2024 wegen der genannten Tatvorwürfe - unter teils abweichender rechtlicher Würdigung - Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeschuldigte ist der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Taten dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO).
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines solchen Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu das Regime des syrischen Präsidenten Assad und die schiitisch dominierte Regierung im Irak zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 aus „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hatte ab 2010 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Bei der Ausrufung des Kalifats erklärte der Sprecher des IS ihn zum „Kalifen“, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Seit dem Tod al-Baghdadis im Oktober 2019 benannte die Organisation mehrere Nachfolger.
Dem Anführer des IS unterstanden ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehörten außerdem beratende „SchuraRäte“. Veröffentlichungen wurden von eigenen Medienstellen produziert und verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem „Prophetensiegel“ (einem weißen Oval mit der Inschrift „Allah Rasul - Muhammad“) auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer waren dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellten, sahen sich der Verhaftung, Folter und der Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging er immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel und Berlin, die Verantwortung.
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014 nach anhaltenden Kampfhandlungen zwischen ihm und irakischen Streitkräften, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Im August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt. Im März 2019 galt er - nach der Einnahme des von seinen Kämpfern gehaltenen ostsyrischen Baghouz - sowohl im Irak als auch in Syrien als militärisch besiegt, ohne dass aber die Vereinigung als solche zerschlagen wäre.
16 bb) Der Angeschuldigte schloss sich in seiner Heimatstadt A.
(Irak)
dem IS an und gliederte sich mit dessen Einvernehmen ein, als dieser im Juni faktisch die Gewalt vor Ort übernahm. Im Folgenden war der Angeschuldigte bis März 2015 auf verschiedene Weise für die Organisation tätig. Er wurde ein örtlicher Anführer des IS-Geheimdienstes („
“), der für Festnahmen und Hinrichtungen zuständig war.
(1) In der zweiten Jahreshälfte 2014 wirkte der Angeschuldigte an der gleichzeitigen Hinrichtung von mindestens sechs Gefangenen mit. Dazu war die lokale Bevölkerung aufgerufen, der öffentlichen Hinrichtung beizuwohnen. Der Angeschuldigte wies IS-Kämpfer an, die gefesselten Gefangenen an den Hinrichtungsort zu bringen, führte selbst einen von diesen dorthin und überwachte neben dem lokalen Wali, dem für die Region zuständigen Vertreter des IS, auf einer Anhöhe das Geschehen. Nachdem ein IS-Mitglied Anschuldigungen gegen die Gefangenen und ein „Urteil“ verlesen hatte, rief der Angeschuldigte mit anderen „Allahu Akhbar“ und feuerte seine Pistole in die Luft ab, woraufhin alle Gefangenen durch einen jeweils hinter ihnen stehenden IS-Kämpfer enthauptet oder erschossen wurden. Sie hatten zuvor keine Möglichkeit gehabt, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.
(2) Im selben Tatzeitraum forderte der Angeschuldigte als Anführer des Geheimdienstes mit weiteren IS-Mitgliedern die Besucher des Freitagsgebets mittags dazu auf, der Bestrafung eines vermeintlichen Diebes durch den IS beizuwohnen. Der mit einer Pistole bewaffnete Angeschuldigte wusste, dass durch seine Präsenz das Opfer und die übrigen Anwesenden von einer Flucht abgehalten würden. Ohne dass der Gefangene seine etwaige Unschuld mittels einer Verteidigung darlegen konnte, wurden die Anschuldigung und das Urteil gegen ihn verlesen. Sodann schlug ihm ein IS-Mitglied die rechte Hand mit einer Machete vollständig ab.
(3) Im Frühherbst, vor dem 17. Oktober 2014 begab sich der Angeschuldigte mit mehreren weiteren IS-Kämpfern zu einem Restaurant, um eine Person festzunehmen. Während der Festnahme stand er zur Absicherung mit einer Pistole bewaffnet einige Meter entfernt. Der Betroffene wurde gefesselt und mit verbundenen Augen in eine leerstehende Schule gebracht. Als er auf Befragen einen Waffenbesitz und eine Informationsweitergabe an die irakische Regierung abstritt, schlugen ihn der Angeschuldigte und zwei oder drei weitere IS-Mitglieder mit Händen und Stöcken. Der Angeschuldigte trat auf eine kurz zuvor operierte Hand des Geschädigten, so dass eine Naht aufriss. Nach einiger Zeit ließen sie von ihm ab und misshandelten ihn nach Pausen erneut bis zur Bewusstlosigkeit. Er erlitt erhebliche Schmerzen und einen andauernden Nierenschaden. Zudem ist die Funktionsfähigkeit der Hand weiterhin eingeschränkt.
(4) Zwischen Juni 2014 und März 2015 nahm der Angeschuldigte weitere Aufgaben für den IS wahr. So zeigte er mit anderen Mitgliedern bewaffnet und uniformiert Präsenz vor der örtlichen Bevölkerung und kontrollierte auf dem Markt Geschäfte sowie Personen. Aufgenommene Personalien hinterlegte er in einem Laptop für den IS, um mögliche Gegner zu identifizieren.
b) Der Angeschuldigte hat sich zu den Tatvorwürfen nicht näher eingelassen, aber spontan gegenüber Polizeibeamten geäußert, den Irak bereits im März 2014 verlassen zu haben, während er in einer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Januar 2017 als Ausreisedatum den 15. März 2015 genannt hatte.
Der dringende Tatverdacht hinsichtlich des IS und den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Irak beruht unter anderem auf schriftlichen Sachverständigengutachten und Auswerteberichten des Bundeskriminalamts.
Die einzelnen dem Angeschuldigten zur Last gelegten Handlungen ergeben sich insbesondere aus mehreren Aussagen von - mit dem Angeschuldigten entfernt verwandten, seit langem bekannten - Zeugen aus seiner Heimat, namentlich des laut Tatvorwurf in der Schule Geschlagenen (oben zu (3)). Dass die Angaben der Zeugen zu mehreren Gesichtspunkten in Einzelheiten nicht vollständig übereinstimmen und die Zeugen verwandtschaftlich verbunden sind, steht dem dringenden Tatverdacht mit Blick auf die den Angeschuldigten belastenden Umstände nicht entgegen. So deuten etwa auf seine Einbindung in den IS weitere Beweismittel hin, beispielsweise seine Bezeichnung in Textnachrichten unterschiedlicher Urheberinnen als „Daesh-Mann“, die Speicherung eines Gesanges mit dschihadistischem Inhalt auf einem bei ihm sichergestellten Mobiltelefon, eine im Dezember 2019 im Irak sichergestellte Liste mit etwaigen ISMitgliedern und durch eine Zeugin vom Hörensagen vermittelte Angaben seiner früheren Ehefrau.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Haftbefehl, den Abschlussbericht des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2024 und die Anklageschrift Bezug genommen.
c) In rechtlicher Hinsicht ergibt sich danach Folgendes:
aa) In Bezug auf die Hinrichtung der Gefangenen hat der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatbestand eines Kriegsverbrechens gegen Personen durch Tötung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) erfüllt. Insoweit sind nach vorläufiger Würdigung ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt, ein funktionaler Zusammenhang zwischen diesem und den Hinrichtungen sowie die Einordnung der Gefangenen als nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen genügend belegt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Februar 2018 - AK 5/18, juris Rn. 26). Die Tötungen sind dem Angeschuldigten aufgrund des bislang anzunehmenden Sachverhalts als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB, § 2 VStGB zuzurechnen. Das Verbringen zumindest eines Gefangenen zur Hinrichtungsstätte, die Bewachung des Geschehens in unmittelbarer Nähe und die bestärkenden Äußerungen zu Beginn der Hinrichtungen stellen wesentliche Tatbeiträge dar (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 - AK 1/21 u.a., NStZ-RR 2021, 118 mwN).
Für die Frage der Haftfortdauer bedarf keiner Vertiefung, dass - entsprechend der Würdigung in der Anklageschrift - angesichts der Motivlage zudem die Voraussetzungen eines Mordes nach § 211 StGB in der Variante der niedrigen Beweggründe gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. September 2020 - StB 28/20, juris Rn. 37 mwN; vom 3. Februar 2021 - AK 1/21 u.a., NStZRR 2021, 118) und das spezifische Tatunrecht von Mord durch das Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung nicht abgedeckt ist (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. August 2022 - 3 StR 187/22, BGHR VStGB § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 3 Rn. 6). Ebenso kann offenbleiben, ob der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 7 VStGB Anwendung findet, da dieser zumindest keine lex specialis gegenüber § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB darstellt (s. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2023 - AK 56/23, juris Rn. 29 mwN; vgl. im Übrigen OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Januar 2020 - 5 - 2 StE 5/17, juris Rn. 893, 898, 902; nachfolgend BGH, Beschluss vom 10. August 2021 - 3 StR 394/20, juris).
bb) Entsprechendes gilt in Bezug auf die Bestrafung des vermeintlichen Diebes; denn durch das Abschlagen der Hand des Gefangenen ist nach gegenwärtigem Sachstand eine grausame, erhebliche körperliche Schäden zuführende Behandlung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB gegeben, zu welcher der Angeschuldigte hochwahrscheinlich zumindest Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB, § 2 VStGB) leistete. Eine Verstümmelung, zu der nach dem Wortsinn die Amputation von Körperteilen ohne weiteres zählt, ist im Gesetz neben der Folter gerade beispielhaft als eine solche Tathandlung aufgeführt (s. BT-Drucks. 14/8524 S. 26; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 4. Aufl., § 8 VStGB Rn. 138 ff.; LK/Krüger, StGB, 13. Aufl., § 8 VStGB Rn. 55 f.; allgemein zur Verstümmelung auch ICRC/Cameron u.a., Commentary on the First Geneva Convention, 2016, Art. 3 Rn. 602 ff.). Zudem ist hochwahrscheinlich, dass es sich bei dem Gefangenen um eine nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmende und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befindende Person gemäß § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB handelte (s. näher BGH, Beschluss vom 21. Februar 2024 - AK 4/24, juris Rn. 78 mwN). Nach der gegenwärtigen Beweislage liegt fern, dass der IS eigene Mitglieder bewusst in einer derart öffentlichkeitswirksamen Weise bestrafte.
Die tateinheitliche Verwirklichung einer gefährlichen und einer absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, § 226 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB (vgl. zum Konkurrenzverhältnis BGH, Urteile vom 28. Januar 2021 - 3 StR 564/19, BGHSt 65, 286 Rn. 82 f.; vom 7. Februar 2017 - 5 StR 483/16, BGHSt 62, 36 Rn. 19; Beschlüsse vom 26. November 2013 - 3 StR 301/13, NJW 2014, 645 Rn. 3; vom 14. März 2017 - 4 StR 646/16, NStZRR 2017, 173 f.; vom 20. Juni 2023 - 2 StR 126/23, juris) bedarf für die Entscheidung über die Haftfortdauer ebenso wenig einer Erörterung wie die Frage, ob die Tatbeiträge des Angeschuldigten lediglich als Beihilfe oder - wie nunmehr in der Anklageschrift - als Mittäterschaft zu bewerten sind (vgl. etwa einerseits BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2018 - AK 4/18 u.a., juris Rn. 33; vom 20. Februar 2019 - AK 4/19, juris Rn. 23 f.; vom 3. Februar 2021 - AK 1/21 u.a., NStZ- RR 2021, 118; andererseits BGH, Beschlüsse vom 21. September 2020 - StB 28/20, juris Rn. 28 ff.; vom 19. Dezember 2023 - 3 StR 160/22, NJW 2024, 1122).
cc) Die Misshandlungen des Festgenommenen in der Schule stellen ein Kriegsverbrechen gegen Personen durch Folter (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) und eine gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) dar (vgl. zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 - 3 StR 564/19, BGHSt 65, 286 Rn. 64 ff.). Hierbei handelte der Angeschuldigte nach der bestehenden Verdachtslage als Mittäter.
dd) Im Übrigen hat sich der Angeschuldigte hochwahrscheinlich sowohl durch die zuvor dargelegten Handlungen als auch auf weitere Weise als Mitglied am IS als terroristische Vereinigung im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 StGB). Eine Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 StGB liegt vor.
Für die Haftfortdauer ist ohne Belang, ob neben die jeweils tateinheitlich mit den drei schwereren, in Tatmehrheit stehenden Kriegsverbrechen gegen Personen verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung tatmehrheitlich ein weiteres Organisationsdelikt der Vereinigungsmitgliedschaft tritt (vgl. die jüngere Rspr., etwa BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23; vom 18. Dezember 2018 - StB 52/18, BGHSt 64, 1 Rn. 18) oder ob wegen der tatbestandlichen Handlungseinheit des Organisationsdeliktes eine gesonderte Strafbarkeit derjenigen Beteiligungshandlungen, die keinen weiteren Straftatbestand erfüllen, ausgeschlossen ist (vgl. insoweit zur früheren - ggf. fortzuentwickelnden - Rspr. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290; Beschluss vom 16. Oktober 2014 - AK 32/14, NStZ-RR 2015, 10 f.).
ee) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Für die Kriegsverbrechen gilt das infolge des in § 1 Satz 1 VStGB normierten Weltrechtsprinzips, für damit einhergehende Körperverletzungsdelikte als Annex dazu (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 71; vom 3. Februar 2021 - AK 50/20, StV 2021, 596 Rn. 51) und für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung aufgrund von § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB (s. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 - 3 StR 160/22, NJW 2024, 1122 Rn. 75 ff. mwN).
2. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Haftbefehls ergeben sich aus § 125 Abs. 1, § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6 und 8, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.
3. Es bestehen weiterhin aus den im Haftbefehl dargelegten Erwägungen die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 f.) - der Schwerkriminalität. Dem Angeschuldigten droht im Fall seiner Verurteilung eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe. Dem sich daraus ergebenden erheblichen Fluchtanreiz stehen keine wesentlichen fluchthindernden Gesichtspunkte entgegen.
Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Die am Tag der Festnahme sichergestellten Mobiltelefone des Angeschuldigten sind auszuwerten und sich daraus ergebende Zeugen zu vernehmen, der Eingang von Antworten auf zuvor gestellte Rechtshilfeersuchen ist abzuwarten gewesen. Daneben hat das Landeskriminalamt eine Vielzahl weiterer gebotener Ermittlungen durchgeführt. Im Übrigen wird auf die nähere Darlegung des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift vom 8. April 2024 verwiesen. Dieser hat zwischenzeitlich Anklage erhoben. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Senats hat zeitnah die Zustellung der Anklageschrift und deren Übersetzung veranlasst sowie vorsorglich bereits für den Fall der Verfahrenseröffnung Hauptverhandlungstermine ab dem 1. August 2024 mitgeteilt.
5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Hohoff Anstötz