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VII ZR 112/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VII ZR 112/24 URTEIL in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

ja BGHR:

ja JNEU:

nein BGB § 634, § 635, § 637 Eine Vorteilsausgleichung wegen eines Abzugs neu für alt aufgrund der Beseitigung eines Mangels kommt auch dann nicht in Betracht, wenn der Mangel sich relativ spät auswirkt und der Besteller keine Gebrauchsnachteile hinnehmen musste.

BGH, Urteil vom 27. November 2025 - VII ZR 112/24 - OLG Nürnberg LG Ansbach ECLI:DE:BGH:2025:271125UVIIZR112.24.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2025 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Sacher und Dr. Hannamann für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. Juni 2024 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 23. Dezember 2021 wird zurückgewiesen. Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten; diese trägt die Streithelferin selbst.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Parteien streiten über vom Kläger geltend gemachte Mängelrechte aus einer von ihm behaupteten mangelhaften Herstellung eines Fahrsilos.

Unter dem 10. August 2009 beauftragte der Kläger die Beklagte mit der Herstellung eines Fahrsilos. Die Fertigstellung des Fahrsilos und die vollständige Zahlung des Werklohns erfolgten im September 2010. In der Folgezeit machte der Kläger zahlreiche Mängel an dem Fahrsilo geltend, insbesondere großflächige Rissbildungen und Unebenheiten der Betonoberfläche.

Im Februar 2013 leitete der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren ein, das im Juni 2015 beendet war. Mit der im Juli 2015 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 120.000 € nebst Zinsen, die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle etwaigen weiteren Kosten zu erstatten, und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung ihm im Zusammenhang mit der Feststellung von Mängeln entstandener Sachverständigenkosten in Höhe von 5.249,76 € nebst Zinsen. Mit der Klageschrift, die der Beklagten am 23. Juli 2015 zugestellt worden ist, hat der Kläger der Beklagten eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 31. August 2015 gesetzt.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme insbesondere durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage stattgegeben. Auf die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte zu einem Kostenvorschuss in Höhe von 80.000 € nebst Zinsen verurteilt und die Feststellung ausgesprochen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zwei Drittel aller etwaigen weiteren Kosten zu erstatten. Die Verurteilung zur Zahlung der Sachverständigenkosten in Höhe von 5.249,76 € nebst Zinsen hat das Berufungsgericht aufrechterhalten.

Mit der vom Senat zu seinen Gunsten zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte hat sich der Revision des Klägers angeschlossen und verfolgt ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe: 6 Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Dagegen ist die Anschlussrevision der Beklagten unbegründet. 7 Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.

I. 8 Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: 9 Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Vorschuss zur Mangelbeseitigung zu. Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass das von der Beklagten errichtete Werk mangelhaft sei, weil die vereinbarten zulässigen Rissbreiten großflächig überschritten worden seien. Diese Feststellungen lege das Berufungsgericht seiner eigenen Entscheidung zugrunde, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und der Vollständigkeit der Feststellung begründen könnten. Die Kritik der Beklagten, die Messergebnisse seien unzutreffend, weil die Bohrkerne mangels Sicherung der Rissflanken nicht fachgerecht entnommen worden seien, sei unbegründet. 10 Die Höhe des zur Mängelbeseitigung erforderlichen Vorschusses von 120.000 € sei in erster Instanz unstreitig gewesen und werde auch von der Beklagten mit der Berufungsbegründung nicht angezweifelt.

Die Beklagte mache jedoch mit Erfolg geltend, dass der Vorschussanspruch wegen einer vorzunehmenden Vorteilsausgleichung (Abzug neu für alt) zu beschränken sei. Dies gelte in gleicher Weise für den Feststellungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme zwar ein Abzug neu für alt nicht in Betracht, wenn Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mangelbeseitigung beruhten und sich der Besteller jahrelang mit einem fehlerhaften Werk habe begnügen müssen. Jedoch sei ein Abzug neu für alt möglich, wenn sich ein Mangel erst verhältnismäßig spät auswirke und der Besteller bis dahin keine Gebrauchsnachteile habe hinnehmen müssen. In solchen Fällen könne es nach Treu und Glauben geboten sein, die mit der Nachbesserung erzielte längere Lebensdauer sowie den ersparten Instandhaltungsaufwand anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Ausgehend von einer gewöhnlichen Nutzungsdauer des Fahrsilos von ca. 16 Jahren habe der Kläger den Fahrsilo ca. fünf Jahre bis zu einer Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ohne konkrete Beeinträchtigungen nutzen können, was einen Abzug von einem Drittel der zur Mangelbeseitigung notwendigen Kosten rechtfertige.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers entschieden hat.

1. Das Berufungsgericht geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die mit der Klage verfolgten Ansprüche grundsätzlich vollumfänglich - vorbehaltlich eines Vorteilsausgleichs zu Lasten des Klägers berechtigt sind.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Kostenvorschussanspruch aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB in Höhe von 120.000 € gegen die Beklagte zu, weil wegen der großflächigen Überschreitung der vereinbarten Rissbreiten der Fahrsilo nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht (§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB) und die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen mit 120.000 € zu bemessen sind.

Soweit die Anschlussrevision die Feststellungen des Berufungsgerichts mit Verfahrensrügen angreift, hat der Senat diese geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

b) Rechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht der Feststellungsklage des Klägers stattgegeben, wonach die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle etwaigen weiteren Kosten zu erstatten.

Diese Klage ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass neben der Vorschussklage eine Feststellungsklage mit dem Ziel der Verjährungsunterbrechung entbehrlich ist. Zum Zwecke der Klarstellung besteht aber gleichwohl ein Interesse des Bestellers, neben der Vorschussklage Feststellungsklage wegen etwaiger weitergehender Aufwendungen zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2008 - VII ZR 204/07 Rn. 8, BauR 2008, 2041 = NZBau 2009, 120; Urteil vom 10. November 1988 - VII ZR 140/87, BauR, 1989, 81, juris Rn. 16).

c) Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten zugebilligt, die dieser zur Feststellung der Mängel aufwandte. Ob dieser Anspruch aus § 634 Nr. 1, § 635 Abs. 2 BGB oder § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB folgt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

2. Dagegen ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Vorschussanspruch sei im Umfang von einem Drittel aufgrund einer Vorteilsausgleichung wegen eines Abzugs neu für alt zu kürzen, von Rechtsfehlern beeinflusst.

a) Nach den auf Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beruhenden Grundsätzen der Vorteilsausgleichung soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser stehen, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Hat also das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis neben Nachteilen auch Vorteile gebracht, sind nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung diejenigen Vorteile auszugleichen, die dem Geschädigten in einem adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind und deren Ausgleichung mit dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruchs übereinstimmt (BGH, Urteil vom 9. November 2023 - VII ZR 92/22 Rn. 25 m.w.N., BGHZ 239, 8). Die Anrechnung von Vorteilen muss für den Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unangemessen entlasten. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (BGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - VII ZR 16/07 Rn. 20 m.w.N., BauR 2008, 1877 = NZBau 2009, 34).

Diese zum Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätze finden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechende Anwendung im Rahmen des Mängelrechts, dessen Wertungen und Zwecke für die Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob und inwieweit ein Vorteilsausgleich in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206).

b) Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof einen Vorteilsausgleich in den Fällen abgelehnt, in denen der erlangte Vorteil - beispielsweise in Form einer längeren Lebensdauer des Werks oder ersparter Unterhaltungsaufwendungen - ausschließlich auf einer Verzögerung der Mangelbeseitigung beruht. Der Unternehmer soll durch sein vertragswidriges Handeln im Rahmen sowohl seiner Herstellungs- als auch seiner Nacherfüllungspflicht keine Besserstellung erfahren. Ein solches Ergebnis widerspräche dem Zweck der Mängelrechte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206 juris Rn. 34; Urteil vom 15. Juni 1989 - VII ZR 14/88, BauR 1989, 606, juris Rn. 33).

Offen gelassen hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob Vorteile aufgrund einer Mangelbeseitigung (neu für alt) generell keinem Vorteilsausgleich unterliegen (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, juris Rn 33). Ein Vorteilsausgleich komme aber - wenn überhaupt - nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich einerseits der Mangel relativ spät auswirke und andererseits der Besteller keine Gebrauchsnachteile habe hinnehmen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, juris Rn. 39; Urteil vom 13. September 2001 - VII ZR 392/00, BauR 2002, 86 = NZBau 2002, 31, juris Rn. 22; Urteil vom 27. September 2018 - VII ZR 45/17 Rn. 85 ff., BauR 2019, 246 = NZBau 2019, 235). Diese Entscheidungen sind sämtlich zu dem Recht ergangen, das für Verträge gilt, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

c) Für das seit dem 1. Januar 2002 für Verträge, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen wurden, geltende Recht entscheidet der Senat nunmehr, dass eine Vorteilsausgleichung wegen eines Abzugs neu für alt aufgrund der Beseitigung eines Mangels auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der Mangel sich relativ spät auswirkt und der Besteller keine Gebrauchsnachteile hinnehmen musste.

aa) Einem solchen Vorteilsausgleich stehen die Regelungen des werkvertraglichen Mängelrechts entgegen.

(1) Das werkvertragliche Mängelrecht unterscheidet in seinen Rechtsfolgen grundsätzlich nicht danach, wann ein Mangel erkannt, gerügt und beseitigt wird. Inhalt und Umfang der Mängelrechte sind grundsätzlich davon unberührt, ob ein Mangel bei der Abnahme, kurz nach der Abnahme oder kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist (bei Arbeiten an einem Bauwerk grundsätzlich fünf Jahre, § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB) erkannt wird. Nur wenn der Besteller den Mangel bereits bei der Abnahme kennt und sich Mängelrechte nicht vorbehält, führt dies zum Ausschluss der Mängelrechte nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB (§ 640 Abs. 3 BGB). Im Übrigen gilt in allen Fällen § 635 Abs. 2 BGB, wonach der Unternehmer sämtliche zur Mangelbeseitigung notwendigen Aufwendungen tragen muss. Eine Einschränkung dieser Pflicht durch Gewährung eines Vorteilsausgleichs in Form eines Abzugs neu für alt je nach Zeitpunkt der Mangelbeseitigung regelt § 635 Abs. 2 BGB nicht.

(2) § 635 Abs. 1 BGB gibt dem Unternehmer das Recht, seiner Nacherfüllungspflicht durch die Herstellung eines neuen Werks nachzukommen. Diese Art der Nachbesserung kann gegebenenfalls dazu führen, dass der Besteller das alte Werk über Jahre nutzen konnte und ihm nach mehrjähriger, störungsfreier Nutzungsdauer ein vollständig neues Werk zur Verfügung steht. Die Rechtsfolge dieser Art von Nacherfüllung hat der Gesetzgeber in § 635 Abs. 4 BGB unter Verweis auf das Rücktrittsrecht (§§ 346 bis 348 BGB) geregelt, ohne damit einen Vorteilsausgleich im Hinblick auf das neu hergestellte Werk zu verbinden:

Nach dem Wortlaut von § 635 Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB hat der Besteller das alte Werk zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Nutzungen sind die Früchte einer Sache sowie die Vorteile, die der Gebrauch der Sache gewährt (§ 100 BGB). Der Besteller hat also nach dem Wortlaut der Regelung Vorteile herauszugeben, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch des alten Werks stehen. Einen Ausgleich für Vorteile, die auf der Neuherstellung des Werks beruhen, sieht dagegen das Gesetz nicht vor. Wenn aber das Gesetz bereits für den Fall, in dem ein neues Werk hergestellt wird und deshalb Vorteile in Form einer längeren Lebensdauer des Werks und ersparter Unterhaltungsaufwendungen naheliegen, einen über gezogene Nutzungen hinausgehenden Vorteilsausgleich nicht vorsieht, kann für die Fälle der Nacherfüllung durch Mangelbeseitigung erst recht keine andere Wertung vorgenommen werden.

Ein anderweitiger gesetzgeberischer Wille ist nicht erkennbar (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 265 i.V.m. S. 232 f.). Vielmehr steht im Streit, ob § 635 Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB teleologisch auf die Rückgewähr des alten Werks unter Ausschluss einer Herausgabe gezogener Nutzungen, und damit bereits unter Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Art eines Vorteilsausgleichs, zu redu- zieren ist, weil sich der Unternehmer in Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechts selbst einen Vorteil verschaffen kann (so BeckOK BGB/Voit, Stand: 1. Februar 2024, § 635 Rn. 25; MünchKommBGB/Busche, 9. Aufl., § 635 Rn. 50; Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 4. Aufl., § 635 Rn. 83; Leupertz/Preussner/Sienz/Preussner, BeckOK Bauvertragsrecht, Stand: 15. August 2025, § 635 Rn. 184; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Jurgeleit, Kompendium des Baurechts, 6. Aufl., 5. Teil Rn. 107; a.A. BeckOGK/Preisser, BGB, Stand: 1. Oktober 2025, § 635 Rn. 193 f.; Grüneberg/Retzlaff, 85. Aufl., § 635 Rn. 13).

bb) Die Nacherfüllung und die damit verbundenen Kosten bilden bei wertender Betrachtung keine Rechnungseinheit mit Vorteilen, die sich aus einer Mangelbeseitigung erst nach längerer Zeit ergeben. Das ist mit der Rechtsnatur des Nacherfüllungsanspruchs nicht zu vereinbaren.

(1) Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller grundsätzlich allein aufgrund der Mangelhaftigkeit des Werks Nacherfüllung verlangen (§ 634 Nr. 1, § 635 BGB). Die Nacherfüllung dient der Verwirklichung des sich aus § 631 Abs. 1 Fall 1, § 633 Abs. 1 BGB ergebenden Herstellungsanspruchs, der mit der Abnahme des Werks erlischt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 - VII ZR 301/13 Rn. 33, BGHZ 213, 349). Der Nacherfüllungsanspruch ist daher die Fortsetzung des auf Herstellung des Werks gerichteten Erfüllungsanspruchs, der aber nach der Abnahme den für Mängelrechte geltenden Regelungen unterworfen ist (modifizierter Erfüllungsanspruch; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20 Rn. 27, BauR 2021, 225 = NZBau 2021, 29). Durch die Umsetzung des Nacherfüllungsanspruchs erhält der Besteller erstmals das Werk in der vereinbarten Beschaffenheit und damit ein volles Äquivalent für die von ihm geschuldete Vergütung. Der Nacherfüllungsanspruch wird deshalb vom Synallagma des Werkvertrags umfasst, steht also im Gegenseitigkeitsverhältnis zum Vergütungsanspruch des Unternehmers. Wegen dieser synallagmatischen Verknüpfung findet § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung, wenn nach der Abnahme Mängel offenbar werden. Hat der Besteller zu diesem Zeitpunkt die Vergütung noch nicht oder nicht vollständig bezahlt, steht ihm daher die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu, deren Umfang in § 641 Abs. 3 BGB geregelt ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1971 - VII ZR 243/69, BGHZ 55, 354, juris Rn. 45 f.; Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 262/05 Rn. 20, BauR 2007, 1727 = NZBau 2007, 639).

(2) Auf dieser Grundlage bejaht der Bundesgerichtshof einen Vorteilsausgleich, soweit im Rahmen der Mangelbeseitigung Kosten anfallen, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Herstellung von vornherein teurer gewesen wäre (Sowieso-Kosten). Um diese Kosten ist der Aufwendungsersatzanspruch nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 BGB zu kürzen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, juris Rn. 20 ff.; Urteil vom 27. September 2018 - VII ZR 45/17 Rn. 80 f., BauR 2019, 246 = NZBau 2019, 235). Damit wird die dem Parteiwillen entsprechende Äquivalenz von einerseits Herstellungs- und andererseits Vergütungspflicht verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2017 - VII ZR 65/14 Rn. 37, BGHZ 217, 13).

In einem solchen Fall sind die Vor- und Nachteile, die sich aus dem Mangel und der deshalb adäquat kausal erforderlichen Mangelbeseitigung ergeben, zu einer Rechnungseinheit verbunden, was einen Vorteilsausgleich erfordert.

(3) Demgegenüber führt die Mangelbeseitigung, die keine SowiesoKosten erfordert, nicht zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses zu Gunsten des Bestellers und zu Lasten des Unternehmers. Mit der Mangelbeseitigung erfüllt der Unternehmer vielmehr seine Herstellungspflicht und erhält der Besteller das von ihm beauftragte Werk. Vorteile, die entstehen können, weil die Mangelbeseitigung relativ spät erfolgt, haben keinen Bezug zum Synallagma des Werkvertrags und damit zur Äquivalenz von Herstellungs- und Vergütungspflicht. Diese Vorteile, denen keine Nachteile zu Lasten des Unternehmers gegenüberstehen, sind deshalb nicht als Rechnungseinheit mit den Kosten der Nacherfüllung verbunden.

III.

Auf die Revision des Klägers ist daher das Urteil des Berufungsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da nach dem festgestellten Sachverhältnis die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Ob unter dem Gesichtspunkt von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Kürzung eines Kostenvorschussanspruchs geboten sein könnte, etwa wenn die Mangelbeseitigung relativ spät erfolgt, dieser Zeitablauf bewusst vom Besteller herbeigeführt wird und dem Unternehmer deshalb wesentlich höhere Mangelbeseitigungskosten entstehen, bedarf hier keiner Entscheidung. Ein solcher Sachverhalt ist weder festgestellt noch wird er vorgetragen. Danach ist die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Zugleich hat die Anschlussrevision der Beklagten keinen Erfolg.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Pamp Sacher Halfmeier Hannamann Jurgeleit Vorinstanzen: LG Ansbach, Entscheidung vom 23.12.2021 - 3 O 729/15 Bau OLG Nürnberg, Entscheidung vom 05.06.2024 - 2 U 283/22 - Verkündet am: 27. November 2025 Olovcic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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Häufigkeit Paragraph
8 635 BGB
7 634 BGB
3 346 BGB
2 3 BGB
2 633 BGB
2 637 BGB
2 5 EGBGB
2 229 EGBGB
1 1 BGB
1 100 BGB
1 242 BGB
1 254 BGB
1 280 BGB
1 320 BGB
1 348 BGB
1 631 BGB
1 640 BGB
1 641 BGB
1 39 EGBGB
1 91 ZPO
1 97 ZPO
1 101 ZPO
1 256 ZPO
1 562 ZPO
1 563 ZPO
1 564 ZPO

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