X ZR 14/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 14/23 URTEIL Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja ja ja nein in dem Rechtsstreit Verkündet am: 16. April 2024 Zöller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BGB § 529 Abs. 2; SGB XII § 94 Abs. 1a, § 93 Abs. 1 Für die Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten gemäß § 529 Abs. 2 BGB kommt der nach § 94 Abs. 1a SGB XII für den Übergang von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger maßgeblichen Einkommensgrenze von 100.000 Euro pro Jahr keine Bedeutung zu.
BGH, Urteil vom 16. April 2024 - X ZR 14/23 - OLG München LG München I ECLI:DE:BGH:2024:160424UXZR14.23.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß, die Richterin Dr. Kober-Dehm und den Richter Dr. Rensen für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger macht als Sozialhilfeträger gegen den Beklagten aus übergeleitetem Recht einen Anspruch auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung geltend.
Die am 30. Oktober 2018 verstorbene Mutter des Beklagten hatte diesem am 11. Juli 2003 eine Kontovollmacht für ein Sparkonto erteilt. Am 19. September 2011 wurde dieses Konto mit einem Guthaben von 20.494,59 Euro schenkweise auf den Beklagten übertragen.
Der Kläger trägt vor, er habe für die Mutter des Beklagten ab dem 27. Februar 2018 bis zu ihrem Tod Pflegewohngeld nach § 14 APG NRW sowie Leistungen nach §§ 61 ff. SGB XII in Höhe von insgesamt 6.811,74 Euro erbracht. Der Beklagte sei in der genannten Höhe zur Herausgabe der Schenkung verpflichtet, weil dessen Mutter spätestens ab dem 27. Februar 2018 bedürftig gewesen sei. Mit Überleitungsanzeigen gemäß § 93 SGB XII und § 14 APG NRW vom 4. März 2020 habe der Kläger den Herausgabeanspruch auf sich übergeleitet.
Der Beklagte beruft sich auf Entreicherung und macht zudem geltend, bei Herausgabe des Geschenks sei sein angemessener Unterhalt gefährdet.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 6.811,74 Euro gerichtete Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter. Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Kläger stehe aufgrund der nach § 93 Abs. 1 SGB XII wirksamen Überleitung gegen den Beklagten gemäß § 528 Abs. 1 und § 818 BGB ein Anspruch auf Zahlung von 6.811,44 Euro zu. Diesem Anspruch stehe jedoch die rechtshemmende Einrede des § 529 Abs. 2 BGB entgegen.
§ 529 Abs. 2 BGB nehme auf die Begrifflichkeiten des Unterhaltsrechts Bezug. Abzustellen sei auf die einschlägigen familienrechtlichen Vorschriften und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Beschenkten sei dabei auf die Regelungen in § 1603 Abs. 1 und § 1610 Abs. 1 BGB abzustellen. Stimmen aus der Literatur, die einen Beschenkten als Empfänger einer unentgeltlichen Leistung für grundsätzlich weniger schutzwürdig hielten als den Schenker, habe die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend eine Absage erteilt.
Den angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB habe die Praxis bislang aus einem Sockelbetrag (nach den Unterhaltsleitlinien ab 2020: 2.000 Euro) und der Hälfte des diesen Betrag übersteigenden Einkommens errechnet.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2020 habe der Gesetzgeber mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz (Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe vom 10. Dezember 2019, BGBl. I 2135) eine praktisch bedeutsame Beschränkung des in § 94 SGB XII grundsätzlich vorgesehenen Übergangs von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger vorgenommen. Nach § 94 Abs. 1a SGB XII finde ein Übergang von Ansprüchen auf Elternunterhalt auf den Sozialhilfeträger nur noch ab einem steuerlichen Jahreseinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes von mehr als 100.000 Euro statt. Dieser Regelung komme für die Frage der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen jedenfalls mittelbar Bedeutung zu.
§ 94 Abs. 1a SGB XII lasse die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht unberührt. Die Regelung ändere auch nichts daran, dass ein bedürftiger Elternteil zur Finanzierung seines laufenden Bedarfs zunächst eigene Einkünfte, bestehende Ansprüche und eigenes Vermögen einsetzen müsse. Hierzu zählten auch Rückforderungsansprüche des Schenkers wegen Verarmung. Der Leistungsträger könne solche Ansprüche weiterhin auf sich überleiten und die Herausgabe des Geschenkes oder des Wertersatzes verlangen.
Die nach § 94 Abs. 1a SGB XII relevante Einkommensgrenze müsse sich gleichwohl auf das Unterhaltsrecht auswirken. Der Gesetzgeber habe nunmehr einen Grenzbereich für Einkommen benannt, bis zu dem er eine Belastung durch den Verwandtenunterhalt selbst bei vorhandenem Vermögen als eine Kindern und Eltern nicht mehr zumutbare Einschränkung der eigenen Lebensführung erachte und damit einen Sozialhilferegress für nicht mehr gerechtfertigt halte. Entsprechende Anpassungen auf der Ebene des Unterhaltsrechts erschienen zwingend geboten, da ansonsten mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenkliche Misshelligkeiten drohten - etwa dann, wenn das Bruttoeinkommen eines unterhaltspflichtigen Kindes knapp unter und das eines anderen knapp über 100.000 Euro liege.
Da die für die Einkommensberechnung gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII maßgebliche Regelung in § 16 SGB IV zu den allgemeinen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts gehöre, biete es sich an, als Bezugsgröße für eine Neubestimmung des Selbstbehaltes auf ein Jahreseinkommen aus sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit von 100.000 Euro abzustellen, was einem Nettoeinkommen von knapp 58.000 Euro entspreche. Dieser Betrag werde sich 2021 durch den Wegfall des Solidaritätszuschlags weiter erhöhen, weshalb als angemessener Eigenbedarf zumindest ein gerundeter Wert von monatlich 5.000 Euro gelten könne.
Im Streitfall verfüge der Beklagte danach nicht über ein monatliches Nettoeinkommen, das seine Heranziehung rechtfertigen könne.
Der Beklagte müsse auch nicht auf sein Barvermögen zurückgreifen. Bezüglich des Elternunterhalts sei dem unterhaltspflichtigen Kind ein dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers entzogenes Altersvorsorgeschonvermögen zuzubilligen. Das Vermögen des Beklagten erreiche diesen Wert nicht.
Den Ausführungen zur mangelnden Leistungsfähigkeit des Beklagten stehe nicht entgegen, dass das Angehörigen-Entlastungsgesetz erst zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten sei. Zwar bestehe eine Rückwirkung für Zeiträume davor nicht. Im Streitfall sei die Überleitung aber erst nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt. Ohnehin gehe es nicht darum, dem Kläger den geltend gemachten Anspruch aufgrund einer unmittelbaren Anwendung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zu versagen.
II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Herausgabeanspruch gemäß § 528 Abs. 1 und § 818 BGB dem Grunde nach erfüllt sind und dass der Kläger diesen Anspruch wirksam auf sich übergeleitet hat.
a) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts beruht insoweit auf den Feststellungen, die das Landgericht anhand der vorgelegten Leistungsbescheide und der Überleitungsschreiben des Klägers getroffen hat.
Das Berufungsgericht war aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, den vom Beklagten bestrittenen Vortrag aufgrund der vorgelegten Unterlagen als bewiesen anzusehen. Die Revisionserwiderung zeigt mit ihrer Gegenrüge keinen Vortrag auf, der diese Beurteilung als rechtsfehlerhaft erscheinen lassen könnte.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass ein Herausgabeanspruch aus § 528 Abs. 1 und § 818 BGB gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitet werden kann und dass eine solche Überleitung auch nach dem Tod des Schenkers möglich ist, da der Anspruch auch dann nicht mit dem Tod des Schenkers untergeht, wenn der Beschenkte dessen Erbe wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1995 - IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287, 2288).
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht dem Landgericht ferner darin beigetreten, dass die in § 529 Abs. 1 BGB normierte Frist von zehn Jahren bei Eintritt der Bedürftigkeit noch nicht abgelaufen war.
Die Würdigung des Landgerichts, das in der Erteilung der Kontovollmacht im Jahr 2003 noch keine Schenkung im Sinne von § 518 BGB gesehen hat, ist lebensnah und lässt keine Rechtsfehler erkennen. Die Zehnjahresfrist hat deshalb erst im Jahr 2011 begonnen und war bei Eintritt der Bedürftigkeit im Jahr 2018 noch nicht verstrichen.
3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die auf § 529 Abs. 2 BGB gestützte Einrede des Beklagten nicht als durchgreifend erachtet werden.
a) Gemäß § 529 Abs. 2 BGB ist der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks ausgeschlossen, soweit der Beschenkte unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein standesgemäßer Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.
Der Begriff des standesgemäßen Unterhalts ist mit dem des angemessenen Unterhalts im Sinne von § 528 Abs. 1 BGB gleichzusetzen (BGH, Urteil vom 5. November 2002 - X ZR 140/01, NJW 2003, 1384, 1387).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats besteht kein Anlass, für das Schenkungsrecht eigenständige Grundsätze zu den Voraussetzungen und zur Bemessung des Unterhalts zu entwickeln. Vielmehr sind die jeweils einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe auch im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB heranzuziehen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488, 3489; Urteil vom 5. November 2002 - X ZR 140/01, NJW 2003, 1384, 1387).
Bei Schenkungen durch Verwandte, die einander nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind, ist es sachgerecht, die Maßstäbe heranzuziehen, die die Rechtsprechung auf der Grundlage von § 1603 Abs. 1 und § 1610 Abs. 1 BGB zur Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Eltern entwickelt hat. Auch einem Beschenkten, den keine Unterhaltspflicht gegenüber dem Schenker trifft, ist bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB grundsätzlich so viel zu belassen, wie er auch gegenüber seinen eigenen Eltern beanspruchen könnte (BGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - X ZR 126/98, NJW 2000, 3488, 3489).
b) Nach der familiengerichtlichen Praxis vor Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes wurde der Mindestselbstbehalt anhand eines Sockelbetrages zuzüglich rund der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens bestimmt. Diese Praxis hat der Bundesgerichtshof gebilligt (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - XII ZR 140/07, NJW 2010, 3161 Rn. 23).
c) Für die Bemessung des angemessenen Unterhalts gemäß § 529 Abs. 2 BGB kommt der Regelung in § 94 Abs. 1a SGB XII keine Bedeutung zu.
aa) Der in § 94 Abs. 1a Satz 2 SGB XII vorgesehene Ausschluss des Übergangs von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger bei einem jährlichen Gesamteinkommen des Schuldners von nicht mehr als 100.000 Euro ist auf Ansprüche aus § 528 Abs. 1 BGB nicht entsprechend anzuwenden.
(1) Die Regelung in § 93 und § 94 SGB XII lässt insoweit keine planwidrige Lücke erkennen.
Nach § 94 Abs. 1 SGB XII gehen Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten grundsätzlich kraft Gesetzes auf den Träger der Sozialhilfe über. Für andere Ansprüche sieht § 93 SGB XII demgegenüber die Möglichkeit der Überleitung durch Verwaltungsakt vor. Der in § 94 Abs. 1a Satz 2 SGB XII vorgesehene Ausnahmetatbestand bezieht sich nur auf den kraft Gesetzes eintretenden Übergang von Unterhaltsansprüchen, nicht hingegen auf die Befugnis zur Überleitung anderer Ansprüche nach § 93 SGB XII.
Aus dieser Unterscheidung ergibt sich keine Regelungslücke. Der im Jahr 2020 neu eingeführte Ausnahmetatbestand des § 94 Abs. 1a Satz 2 SGB XII fügt sich vielmehr in die schon zuvor bestehende Differenzierung zwischen Unterhaltsansprüchen und sonstigen Ansprüchen ein.
(2) Vor diesem Hintergrund kann eine entsprechende Anwendung von § 94 Abs. 1a Satz 2 SGB XII auch nicht auf die Rechtsprechung des Senats gestützt werden, wonach die Grundsätze zur Bemessung des angemessenen Unterhalts eines seinen Eltern zum Unterhalt verpflichteten Kindes auch bei der Anwendung von § 529 Abs. 2 BGB maßgeblich sind.
Aufgrund dieses Zusammenhangs ist der Herausgabeanspruch aus § 528 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Frage des Selbstbehalts zwar grundsätzlich einem Unterhaltsanspruch von Eltern gegenüber Kindern gleichgestellt. Der Gesetzgeber hat in § 94 Abs. 1a SGB XII aber nicht den Selbstbehalt geregelt, sondern die Möglichkeit zum Rückgriff durch den Sozialhilfeträger.
bb) Ob das Angehörigen-Entlastungsgesetz Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Regelungen zur Bemessung des angemessenen Unterhalts hat, ist umstritten.
(1) Zahlreiche Stimmen in der familienrechtlichen Literatur gehen davon aus, dass an der bisher praktizierten Bestimmung des Selbstbehalts gegenüber dem Anspruch auf Elternunterhalt angesichts des Angehörigen-Entlastungsgesetzes nicht mehr festgehalten werden könne. Häufig wird von einem Paradigmenwechsel im Recht des Elternunterhalts gesprochen.
Teilweise wird ein Wertungswiderspruch zwischen der sozialhilferechtlichen und der unterhaltsrechtlichen Bewertung konstatiert, zu dessen Auflösung eine - möglicherweise deutliche - Anhebung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts geboten sei (vgl. den Überblick zum Meinungsstand und die Nachweise bei Grüneberg/von Pückler, 83. Aufl. 2024, § 1601 Rn. 14; BeckOGKBGB/Selg, Stand 1. November 2023, § 1601 Rn. 82; Staudinger/Klinkhammer (2022) § 1602 Rn. 74; MünchKomm.BGB/Langeheine, 9. Aufl. 2024, § 1603 Rn. 8).
Hierbei wird zum Teil der auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Betrag von 5.000 Euro angeführt, weil dies dem ungefähren monatlichen Nettoeinkommen aus einem jährlichen Bruttoeinkommen von 100.000 Euro entspreche (Erman/Hammermann, 17. Aufl. 2023, § 1603 Rn. 129; Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139; Hauß FamRB 2020, 76, 77; Schürmann FF 2020, 48, 57).
Alternativ wird vorgeschlagen, den höchsten Einkommensbetrag der zehnten Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle anzusetzen (Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139; Schürmann FF 2020, 48, 57).
Teils wird eine völlige Neuorientierung gefordert, für die es Vorüberlegungen gebe, aber keine verallgemeinerungsfähigen Vorfestlegungen (Schürmann FamRZ 2020, 209, 213).
(2) Gegen solche Vorschläge wird eingewandt, die Übertragung der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 Euro auf den Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle wäre systemwidrig (Hußmann in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 63. Ergänzungslieferung März 2023, 13. Kap. Elternunterhalt und sonstiger Verwandtenunterhalt Rn. 45).
(3) In der Düsseldorfer Tabelle hat diese Diskussion insoweit Niederschlag gefunden, als sie für den Selbstbehalt gegenüber Eltern seit 2021 nur noch einen "angemessenen" Betrag vorsieht, bei dessen Bemessung Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zu beachten seien.
Die Leitlinien der meisten Oberlandesgerichte enthalten eine vergleichbare Bestimmung.
Die Leitlinien der Oberlandesgerichte Braunschweig, Dresden, Koblenz, Rostock und Schleswig geben weiterhin einen Sockelbetrag an; dieser liegt im Jahr 2024 bei 2.650 Euro.
Die Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm verhalten sich zu dieser Frage nicht.
cc) Für die Entscheidung des Streitfalls kann diese Frage offen bleiben.
Selbst wenn § 94 Abs. 1a SGB XII Auswirkungen auf die Bemessung des Selbstbehalts nach § 1603 Abs. 1 und § 1610 BGB hätte, käme dem für die Bemessung des Selbstbehalts nach § 529 Abs. 2 BGB keine Bedeutung zu.
(1) Die oben aufgezeigte Rechtsprechung des Senats, der zufolge einem Beschenkten gegenüber dem Schenker grundsätzlich derselbe angemessene Unterhalt zustehen soll wie einem zum Unterhalt verpflichteten Kind gegenüber seinen Eltern, bezieht sich auf zivilrechtliche Bemessungsgrundsätze.
Im Streitfall geht es demgegenüber um die Frage, ob eine sozialhilferechtliche Wertung, der möglicherweise Ausstrahlungswirkung auf das Unterhaltsrecht zukommt, auf das Schenkungsrecht zu übertragen ist. Eine Übertragung solcher Wertungen auf das Schenkungsrecht kommt nur insoweit in Betracht, als der Sinn und Zweck der sozialhilferechtlichen Regelung auch in diesem Bereich greift.
(2) Diese Voraussetzung ist bei der Regelung in § 94 Abs. 1a SGB XII nicht gegeben.
Wie bereits oben dargelegt wurde, knüpft § 94 Abs. 1a SGB XII an die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern an und schließt einen Rückgriff durch Sozialhilfeträger unter bestimmten Voraussetzungen aus, während die für Ansprüche aus § 528 Abs. 1 BGB eröffnete Rückgriffmöglichkeit nach § 93 SGB XII hierdurch unberührt bleibt. Vor diesem Hintergrund muss auch eine mögliche Ausstrahlungswirkung von § 94 Abs. 1a SGB XII auf unterhaltsrechtliche Ansprüche beschränkt bleiben. Eine Übertragung auf Ansprüche aus § 528 Abs. 1 BGB scheidet hingegen aus.
III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Im neu eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht den Selbstbehalt nach den Vorgaben von § 1603 Abs. 1 und § 1610 BGB zu bemessen haben, jedoch ohne Orientierung an Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigen-Entlastungsgesetzes. Wie es diese Bemessung im Einzelnen vornimmt und ob es hierbei von einem Sockelbetrag ausgeht, wie dies einige Oberlandesgerichte weiterhin empfehlen, obliegt gemäß § 287 ZPO seinem tatrichterlichen Ermessen.
Ferner wird sich das Berufungsgericht erforderlichenfalls mit der bislang nicht geprüften Frage der Entreicherung zu befassen haben.
Bacher Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm Rensen Vorinstanzen: LG München I, Entscheidung vom 14.04.2022 - 6 O 5822/21 OLG München, Entscheidung vom 12.01.2023 - 8 U 2430/22 -