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2 Ni 14/12 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 14/12 (EP) (Aktenzeichen)

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Zugestellt an Verkündungs Statt

30. Mai 2014 …

In der Patentnichtigkeitssache …

BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 622 826 hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2014 unter Mitwirkung des Richters Merzbach als Vorsitzenden und der Richter Paetzold, Dipl.-Phys. Dr. Forkel, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck sowie der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Otten-Dünnweber für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 622 826 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %

des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und am 16. April 2004 angemeldeten europäischen Patents 1 622 826 (Streitpatent), dessen Erteilung am 13. Juni 2007 in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht wurde (Patent EP 1 622 826 B1). Das Streitpatent beansprucht die deutsche Priorität mit der Nummer DE 103 17 889 vom 17. April 2003. Es trägt die Bezeichnung „Mikromechanische Uhrwerkbauteile und Verfahren zu ihrer Herstellung“. Das Streitpatent umfasst 23 Patentansprüche, von denen Anspruch 1 mikromechanische Uhrwerksbauteile betrifft. Die Unteransprüche 2 bis 9 sind direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogen. Der nebengeordnete Anspruch 10 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerkbauteils nach den vorangehenden Ansprüchen. Die Unteransprüche 11 bis 23 sind direkt oder indirekt auf den Anspruch 10 rückbezogen.

Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

„Mikromechanische Uhrwerksbauteile mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und/oder die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit ≤ 2 µm aufweist.“

Patentanspruch 10 lautet in der erteilten Fassung folgendermaßen:

„Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerksbauteils nach einem der vorhergehenden Ansprüche mit den folgenden Schritten:

a) Abscheiden einer ersten Schicht aus Diamant (Ci) auf einem Substratmaterial,

b) Strukturieren einer Kante zwischen der ersten und der die Flanke bildenden zweiten Oberfläche durch mindestens einen Ätzschritt unter Verwendung einer Ätzmaske auf der ersten Oberfläche, welche getrennt von der ersten Schicht oder gleichzeitig mit der ersten Schicht geätzt wird, wobei das Verhältnis der Ätzgeschwindigkeiten von erster Schicht und Ätzmaske derart eingestellt wird, dass zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche eine im Wesentlichen rechtwinklige Kante ausgebildet wird.“

Hinsichtlich des Wortlauts der auf die erteilten Ansprüche 1 und 10 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 bzw. 11 bis 23 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht mit ihrer mit Schriftsatz vom 30. März 2012 erhobenen Klage die Nichtigkeitsgründe mangelnde Patentfähigkeit und mangelnde Ausführbarkeit nach Artikel II, § 6, Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. den Artikeln 52, 54 und 56 EPÜ sowie Artikel II, § 6, Abs. 1, Nr. 2 PatÜG i. V. m. Artikel 83 EPÜ geltend.

Die Beklagte verteidigt ihr Patent im Umfang der mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2013 (Bl. 131ff. d. A.) als Hauptantrag eingereichten Ansprüche 1 bis 21 (Bl. 154 - 157 d. A.).

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind hervorgehoben):

„Mikromechanische Uhrwerksbauteile mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und/oder die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit ≤ 2 µm aufweist und dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht.“

Der nebengeordnete Patentanspruch 8 gemäß Hauptantrag lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 10 sind hervorgehoben:

„Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerksbauteils mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und/oder die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit ≤ 2 µm aufweist und der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche mit den folgenden Schritten:

a) Abscheiden einer ersten Schicht aus Diamant (Ci) auf einem Substratmaterial,

b) Strukturieren einer Kante zwischen der ersten und der die Flanke bildenden zweiten Oberfläche durch mindestens einen Ätzschritt unter Verwendung einer Ätzmaske auf der ersten Oberfläche, welche getrennt von der ersten Schicht oder gleichzeitig mit der ersten Schicht geätzt wird, wobei das Verhältnis der Ätzgeschwindigkeiten von erster Schicht und Ätzmaske derart eingestellt wird, dass zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche eine im Wesentlichen rechtwinklige Kante ausgebildet wird.“

Die weiteren Patentansprüche gemäß Hauptantrag entsprechen dem erteilten Unteranspruch 2 sowie den neu nummerierten und mit entsprechend geänderten Rückbezügen versehenen erteilten Unteransprüchen 5 bis 9 (nunmehr 3 bis 7) und 11 bis 23 (nunmehr 9 bis 21).

Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent im Umfang der ebenfalls mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2013 vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 4 (Bl. 158 – 170 d. A.).

Hilfsantrag 1 Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber Anspruch 1 nach Hauptantrag sind hervorgehoben):

„Mikromechanische Uhrwerksbauteile mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit Rrms ≤ 500 nm ≤ 2 µm aufweist und dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht und dass seine Dicke senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt.“

Der nebengeordnete Patentanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber Anspruch 8 nach Hauptantrag sind hervorgehoben:

„Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerksbauteils mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit Rrms ≤ 500 nm ≤ 2 µm aufweist und dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von den Senkrechten abweicht und dass seine Dicke senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt mit den folgenden Schritten:

a) Abscheiden einer ersten Schicht aus Diamant (Ci) auf einem Substratmaterial,

b) Strukturieren einer Kante zwischen der ersten und der die Flanke bildenden zweiten Oberfläche durch mindestens einen Ätzschritt unter Verwendung einer Ätzmaske auf der ersten Oberfläche, welche getrennt von der ersten Schicht oder gleichzeitig mit der ersten Schicht geätzt wird, wobei das Verhältnis der Ätzgeschwindigkeiten von erster Schicht und Ätzmaske derart eingestellt wird, dass zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche eine im Wesentlichen rechtwinklige Kante ausgebildet wird.“

Die weiteren Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 1 entsprechen den neu nummerierten und mit entsprechend geänderten Rückbezügen versehenen erteilten Unteransprüchen 6 bis 9 (nunmehr 2 bis 5) und 11 bis 23 (nunmehr 7 bis 19).

Hilfsantrag 2 Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet (Änderungen gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sind hervorgehoben):

„Mikromechanische Uhrwerksbauteile mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als geätzte Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und die zweite Oberfläche aus Diamant (Ci) bestehen und die die geätzte Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit Rrms ≤ 500 nm aufweist und dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht und dass seine Dicke senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt.“

Der nebengeordnete Patentanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 lautet (Änderungen gegenüber Anspruch 6 nach Hilfsantrag 1 sind hervorgehoben:

„Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerksbauteils mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als geätzte Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und die zweite Oberfläche aus Diamant (Ci) bestehen und die die geätzte Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit Rrms ≤ 500 nm aufweist und dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht und dass seine Dicke senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt. mit den folgenden Schritten:

a) Abscheiden einer ersten Schicht aus Diamant (Ci) auf einem Substratmaterial,

b) Strukturieren einer Kante zwischen der ersten und der die Flanke bildenden zweiten Oberfläche durch mindestens einen Ätzschritt unter Verwendung einer Ätzmaske auf der ersten Oberfläche, welche getrennt von der ersten Schicht oder gleichzeitig mit der ersten Schicht geätzt wird, wobei das Verhältnis der Ätzgeschwindigkeiten von erster Schicht und Ätzmaske derart eingestellt wird, dass zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche eine im Wesentlichen rechtwinklige Kante ausgebildet wird.“

Die weiteren Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 2 entsprechen denjenigen nach Hilfsantrag 1.

Der auf ein Verfahren gerichtete Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 entspricht dem Anspruch 6 nach Hilfsantrag 2. Die weiteren Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 3 entsprechen den neu nummerierten und mit entsprechend geänderten Rückbezügen versehenen erteilten Unteransprüchen 11 bis 23 (nunmehr 2 bis 14).

Der auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 entspricht dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2. Die weiteren Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 4 entsprechen den Unteransprüchen 2 bis 5 gemäß Hilfsantrag 2.

Wegen des Wortlauts der jeweiligen Unteransprüche nach Haupt- und Hilfsanträgen wird auf die Akte verwiesen.

Die Klägerin macht unter Berufung auf die von ihr vorgelegten Druckschriften und Unterlagen D1: DE 696 08 724 T2,

D1‘: Versuchsbericht „Mesures AFM sur composant M12 015 COSINUS 11.099.2" vom 6. Februar 2012,

D2: A. R. KRAUSS et al.: Ultrananocrystalline diamond thin films for MEMS and moving mechanical assembly devices. In Diamond and Related Materials 10 (2001) S. 1952-1961,

D3: A. ERDEMIR et al.: Tribological properties of nanocrystalline diamond films. In Surface and Coatings Technology 120-121 (1999) S. 565 – 572,

D4: WO 99/37437 A1,

D5: DE 600 01 673 T2,

D6: WO 2004/029733 A2 (nachveröffentlichte ältere Anmeldung),

D7: US 6 503 770 B1,

D8: K.-S. CHEN et al.: Effect of Process Parameters on the Surface Morphology and Mechanical Performance of Silicon Structures After Deep Reactive Ion Etching (DRIE). In Journal of Microelectromechanical Systems, Vol. 11, No. 3 (2002), S. 264-275, und D9: Auszug aus WAHRIG Deutsches Wörterbuch zum Begriff „Flanke“ (ohne Datum)

geltend, dass auch die jeweiligen neu formulierten Ansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 bis 4 im Hinblick auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder neu seien noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent EP 1 622 826 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der verteidigten Fassung richtet. Hilfsweise beantragt sie, dem Streitpatent eine der Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 4 gem. Schriftsatz vom 2. Dezember 2013 zu geben.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents gemäß Hauptantrag für schutzfähig, je- denfalls in den Fassungen der Hilfsanträge; eine mangelnde Ausführbarkeit liege ebenfalls nicht vor. Sie hat ferner mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2013 ein Gutachten von Prof. Dr. R… zur Druckschrift D1 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, inwieweit das in der Druckschrift D1 offenbarte Verfahren zum Zeitpunkt des Prioritätsdatums des Streitpatents zur „Herstellung eines ganzen Postens von mikromechanischen Teilen“ geeignet gewesen wäre und inwieweit ein Fachmann aus dem in der Druckschrift D1 beschriebenen Ätzverfahren herleiten könne, wie dort die Vertikalität und die Flanke ausgebildet sei. Zudem hat sie im Hinblick auf die Thematik „reaktives Ionenätzen“ den Fachartikel [2]

I. W. Rangelow und H. Löschner: Reactive Ion Etching for microelectrical mechanical system fabrication. In: J. Vac. Sci. Techn. B 13(6) (1995)

eingeführt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine Darstellung zum anisotropen Ätzprozess in Silizium vorgelegt (Bl. 292 d.A.). Die Klägerin beantragt, diese als verspätet zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist begründet.

Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (st. Rspr. vgl. BGHZ 170, 215 - Carvedilol II; GRUR 1996, 857 - Rauchgasklappe). Die Klage ist aber auch darüber hinaus begründet. Denn das Streitpatent erweist sich weder in der Fassung nach Hauptantrag noch in der Fassung einer der Hilfsan- träge 1 bis 4 als patentfähig, da sich die darin beanspruchte Lehre für den Fachmann in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ). Die Frage der Ausführbarkeit und der Neuheit der Gegenstände der geltenden Patentansprüche kann daher dahinstehen (vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - „Elastische Bandage“).

I.

1) Das Streitpatent betrifft mikromechanische Uhrwerkbauteile sowie ein Verfahren zu ihrer Herstellung (Streitpatent, Abs. [0001]).

Gemäß Beschreibungseinleitung des Streitpatents haben bisherige, aus Diamant und mittels Laser-Schneiden gefertigte mikromechanische Bauteile den Nachteil, dass die bearbeiteten Schnittflächen als Oberflächen überaus rau sind und aufgrund der thermischen Wirkung des Lasers nicht senkrecht auf der flächig ausgedehnten Scheibenoberfläche stehen (vgl. Streitpatent, Abs. [0002] und Abs. [0003]).

2) Davon ausgehend ist die Aufgabe bzw. das objektiv zugrunde liegende Problem darin zu sehen, ein mikromechanisches Uhrwerkbauteil zur Verfügung zu stellen, bei dem eine erste und eine zweite Oberfläche im Wesentlichen senkrecht aufeinander stehen, sowie ein Verfahren anzugeben, mit dem derartige Bauteile hergestellt werden können (vgl. Streitpatent, Abs. [0004]).

3) Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Werkstoff- bzw. Fertigungstechnik mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Oberflächenbearbeitung von feinmechanischen Bauteilen anzusehen.

4) Zur Lösung der Problemstellung beschreibt Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung nach Hauptantrag ein Bauteil mit folgenden Merkmalen (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 „1. Mikromechanische Uhrwerksbauteile M2 mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche,

M3 die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen,

M4 wobei die erste und die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und M5 die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit ≤ 2 µm aufweist und M6 dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht.“

Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 weist die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag auf unter Ersetzung der Merkmale M4 und M5 durch folgende Merkmale (Änderungen gegenüber Anspruch 1 nach Hauptantrag hervorgehoben):

M4* „wobei die erste und die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und“

M5* „die die Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauigkeit Rrms ≤ 500 nm ≤ 2 µm“ [aufweist]

sowie Hinzufügung des Merkmals M7* „und dass seine Dicke senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt.“

Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 weist die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 auf unter Ersetzung bzw. Präzisierung der Merkmale M2 und M5* durch folgende Merkmale (Änderungen gegenüber Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hervorgehoben):

M2** „mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als geätzte Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche,“

M5** [dass] „die die geätzte Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauigkeit Rrms ≤ 500 nm aufweist“

Der mit einer Merkmalsgliederung versehene Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet:

N1 „Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerksbauteils mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als geätzte Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, wobei die erste und die zweite Oberfläche zumindest bereichsweise aus Diamant (Ci) bestehen und die die geätzte Flanke bildende zweite Oberfläche eine mittlere Rauhigkeit Rrms ≤ 500 nm aufweist und dass der Winkel zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht und dass seine Dicke senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt mit den folgenden Schritten:

N2 a) Abscheiden einer ersten Schicht aus Diamant (Ci) auf einem Substratmaterial,

N3 b) Strukturieren einer Kante zwischen der ersten und der die Flanke bildenden zweiten Oberfläche N4 durch mindestens einen Ätzschritt N5 unter Verwendung einer Ätzmaske auf der ersten Oberfläche,

N6 welche getrennt von der ersten Schicht oder gleichzeitig mit der ersten Schicht geätzt wird,

N8 wobei das Verhältnis der Ätzgeschwindigkeiten von erster Schicht und Ätzmaske derart eingestellt wird, dass zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche eine im Wesentlichen rechtwinklige Kante ausgebildet wird.“

Wie bereits vorstehend ausgeführt, entspricht der auf eine Vorrichtung gerichtete Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2.

5) Im Zusammenhang mit den angegriffenen Ansprüchen bedarf der Begriff „Rauhigkeit Rrms“ der Erläuterung. Unter „Rauhigkeit Rrms“ ist die sogenannte quadratische Rauheit (englisch: rms-roughness, root-mean-squaredroughness) zu verstehen, die dem quadratischen Mittel der Gestaltsabweichung einer Oberfläche entspricht (vgl. Streitpatent, Abs. [0008]: „rms = root mean square, Wurzel des arithmetischen Mittels“). Der nicht mehr übliche/normgerechte Begriff „Rauhigkeit“ ist dabei gleichbedeutend mit dem bereits zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents üblichen Begriffs „Rauheit“. Die Rauhigkeit bzw. Rauheit einer Oberfläche ist dabei verbunden mit einer bestimmten Reibung bzw. einem Reibungskoeffizienten, der die Glattheit der Oberfläche als mechanische Eigenschaft charakterisiert (vgl. Streitpatent, Abs. [0008] und [0009]).

II.

1) Hauptantrag Mit der nach Hauptantrag beanspruchten Fassung der Patentansprüche kann das angegriffene Patent nicht erfolgreich verteidigt werden.

a) Ein Uhrwerksbauteil gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag ergibt sich für den Fachmann in nahe liegender Weise aus der Kenntnis der Druckschriften D1 und D3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit; der Anspruch 1 nach Hauptantrag ist somit nicht patentfähig.

Denn Druckschrift D1 offenbart ein mikromechanisches Bauteil für Uhrwerke („Anker eines Uhrwerks“ in „mikromechanischen Uhrwerken“ / „Anker 2“; vgl. die Figuren 1 bis 5 und den zugehörigen Text auf S. 5, Z. 30 ff. i. V. m. S. 5, Z. 13-15, und S. 12, Z. 7 ff. / Merkmal M1).

Das aus der Druckschrift D1 bekannte mikromechanische Bauteil weist dabei eine erste Oberfläche auf („Oberfläche des Teils“; vgl. Fig. 5 und den Text auf S. 11, erster Abs.) und eine hierzu als Flanke („gerade Flanken“; vgl. den Text auf S. 9, zweiter Abs. sowie S. 5, zweiter Abs. i. V. m. Fig. 5 und dem Text auf S. 11, erster Abs.) ausgebildete zweite Oberfläche in Form von zugehörigen Seitenflächen des Bauteils („Seitenfläche des Ankers“ in Form von „seitlichen Zähnen 4“ und „Gabel 4‘ hinten“; vgl. S. 8, Z. 20-26, i. V. m. Fig. 5 und den Text auf S. 11, erster Abs. / Merkmal M2).

Die erste Oberfläche und die zweite Oberfläche des aus der Druckschrift D1 bekannten mikromechanischen Uhrwerkbauteils in Form eines Ankers sind dabei so ausgebildet, dass sie senkrecht aufeinander stehen (vgl. S. 5, zweiter Abs.: „praktisch senkrechtes Abschneiden […] durch kontinuierliches Ätzen“, i. V. m. S. 8, Z. 20-26; vgl. hierzu auch die Figuren 4 und 5 i. V. m. dem Text auf S. 14, Z. 10 ff. / Merkmal M3).

Dabei offenbart die Druckschrift D1, dass die erste und die zweite Oberfläche des mikromechanischen Bauteils („Anker“) aus Diamant bestehen („glatte Diamantschichten“; vgl. S. 12, Z. 21-25 i. V. m. S. 12, zweiter Abs. i. V. m. S. 11, erster, dritter und letzter Abs.: „Diamant mit einem Reibungskoeffizienten deutlich unter 0,1“ / Merkmal M4).

Im Hinblick auf das Merkmal M5 offenbart die Druckschrift D1 bereits, dass die gesamte Oberfläche mitsamt der die senkrechte Flanke bildende (zweite) Oberfläche des Bauteils, die mit „anderen Teilen wechselwirken“ muss, aus „Diamant mit einem Reibungskoeffizienten deutlich unter 0,1“ besteht (vgl. S. 11, erster und letzter Abs. sowie S. 12, erster Abs.), wobei bei der Herstellung des Bauteils ein „anisotropes Ätzen“ i. V. m. einem „senkrechtem Angriff“ aufgeführt ist (vgl. S. 14, zweiter Abs. / Merkmal M5 ohne explizite Angabe der mit dem Reibungskoeffizienten verbundenen Rauheit Rrms / Merkmal M6 ohne Toleranzangabe bzw. maximale Winkelabweichung von der Senkrechten).

Der Fachmann – der mit dem im Bereich der Oberflächenbearbeitung zum Prioritätszeitpunkt üblichen Term (mittlere quadratische) Rauheit Rrms arbeitet, hat aufgrund der fehlenden Angaben zur Rauheit Veranlassung, in Erfahrung zu bringen, welche mittlere quadratische Rauheit Rrms, mit dem aus der Druckschrift D1 bekannten „Reibungskoeffizienten deutlich unter 0,1“ (vgl. S. 11, erster und letzter Abs.) bei Diamantoberflächen verbunden ist, um die Glattheit der mit anderen Teilen wechselwirkenden Oberfläche eines mikromechanischen Bauteils, wie es aus der Druck- schrift D1 bekannt ist, im Rahmen der im Bereich Oberflächentechnik üblichen Rauheit Rrms einzuordnen.

Hierzu ist dem Fachmann beispielsweise aus der Druckschrift D3 bekannt, dass eine glatte Diamantoberfläche („smooth, nanocrystalline diamond (NCD)“ / „NCD surface“; vgl. S. 566, rechte Sp., zweiter Abs. i. V. m. S. 569, erster Abs.) mit dem Reibungskoeffizienten 0,1 eine mittlere Rauheit Rrms = 30 nm (d.h. Rrms ≤ 2 µm) aufweist (D3: S. 569, linke Sp., erster Abs.: „surface roughness 30 nm, rms […] friction coefficient of the NCD film decreases rapidly to ~ 0.1“ / Merkmal M5 mit Charakterisierung der Oberflächenglattheit durch die Rauheit Rrms).

Die im Merkmal M6 des Anspruchs 1 aufgeführte Toleranz bzw. Winkelabweichung von weniger als 2º von der Senkrechten kann dabei auch keine erfinderische Tätigkeit begründen, da durch das in der Druckschrift D1 aufgeführte „Ätzen“ i. V. m. einer „Ätzmaske“ und einem „senkrechtem Angriff“ (vgl. S. 14, zweiter Abs. sowie die vorstehend genannten Zitatstellen in der D1) – welches ebenfalls beim Streitpatent zur Erzeugung einer senkrechten Flanke angewendet wird – derartige Toleranzwerte bzw. Winkelabweichungen von der Senkrechten aufgrund des gleichen Verfahrensschritts prinzipiell – wie von der Beklagten selbst ausgeführt – erreichbar sind.

Den Ausführungen der Beklagten, dass das in der Druckschrift D1 beschriebene Ätzverfahren zwar prinzipiell für eine präzise Strukturierung geeignet sei, aber im Kontext des beschriebenen Verfahrens aufgrund von verbleibenden Überständen Nachteile aufweise, die zu einer Einschränkung bzgl. der Vertikalität führten, da davon ausgegangen werden müsse, dass eine homogene Politur der vertikalen Fläche mit dem in der Druckschrift D1 beschriebenen Verfahren nur unzureichend möglich gewesen sei (vgl. Schriftsatz vom 2. Dezember 2013 und das dort aufgeführte „Gutachten“ zur Druckschrift D1, S. 6, fünfter und sechster Abs.

i. V. m. S. 4, erster vollständiger Abs.), kann nicht beigetreten werden. In der vorstehend genannten Passage des von der Beklagten genannten „Gutachtens“ wird hierzu als gängige Literatur der Fachartikel [2] (I. W. Rangelow und H. Löschner: Reactive Ion Etching for microelectrical mechanical system fabrication. In: J. Vac. Sci. Techn. B 13(6), 1995) zitiert. Dieser Fachartikel weist gemäß den Ausführungen der Beklagten für ein Ätzverfahren, wie es in der Druckschrift D1 genannt wird, „unter Berücksichtigung einer möglichen, aber nicht angegebenen Bildverkippung“ eine geschätzte Winkelabweichung der vertikalen Flanke von der Senkrechten um einen „Winkel 2,2º“ aus (vgl. „Gutachten“ der Beklagten zur Druckschrift D1, S. 4, zweiter vollständiger Abs. letzter Satz). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der vorstehend genannte Fachartikel [2] – in dem die Vertikalität von Flanken nicht thematisiert wird – vielmehr als Bestätigung zu werten, dass eine Abweichung von ca. 2º (als Rundungswert der vorgenannten Abweichung von 2,2° gemäß Fachartikel [2]) mit einem Ätzverfahren, wie es aus der Druckschrift D1 bekannt ist, zum Prioritätszeitpunkt im Jahre 2003 ohne weitere Anstrengungen bereits erreichbar war. Daher ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – davon auszugehen, dass es zum Prioritätszeitpunkt mit dem aus der Druckschrift D1 bekannten Ätzverfahren i. V. m. dem vorstehend zitierten „Ätzen“ und einem „senkrechtem Angriff“ zur Herstellung senkrechter Flanken eines mikromechanischen Uhrwerkbauteils auch möglich war, eine Winkelabweichung von der Senkrechten unterhalb von 2° zu erzielen, wie es im Anspruch 1 beansprucht ist.

Da der Fachmann regelmäßig bemüht ist, Toleranzen bzw. Winkelabweichungen bei Präzisionsteilen in Form von Uhrwerkbauteilen zur Vermeidung von Reibungsverlusten zu minimieren, kann das Anspruchsmerkmal, das der Winkel zwischen der ersten und zweiten Oberfläche um weniger als 2° von der Senkrechten abweicht, ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1, keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Sofern – wie von der Beklagten behauptet – bei dem Herstellungsverfahren gemäß Druckschrift D1 überhaupt ein Überstand an einer senkrechten Flanke entstehen würde, der die Bestimmung der Vertikalität der Flanke beim Anlegen eines Winkelmessers negativ beeinflussen würde, wäre dies im Hinblick auf die Beurteilung der Patentfähigkeit des Anspruchs 1 jedenfalls unerheblich, da der Anspruch 1 wie auch die Beschreibung des Streitpatents nicht zwingend fordern, dass ein etwaiger Überstand – der in der Druckschrift D1 (vgl. die Figuren 1 bis 5 mitsamt zugehöriger Beschreibung) im Übrigen weder beschrieben noch zu erkennen ist – bei der Messung bzw. Definition der Winkelabweichung einer Flanke von der Senkrechten überhaupt zu berücksichtigen wäre.

Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 bedarf es somit für den Fachmann keiner erfinderischen Tätigkeit, bei dem Herstellungsverfahren bzgl. der maximalen Winkelabweichung der Flanke eines Uhrwerkbauteils von der Senkrechten einen Wert zu fordern, wie er in Anspruch 1 nach Hauptantrag aufgeführt ist (Merkmal M6 mit der im Anspruch geforderten maximalen Winkelabweichung der Flanke von der Senkrechten).

b) Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent explizit mit geänderten Ansprüchen 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 4; eine darüber hinausgehende Verteidigung des Patents im Hinblick auf einzelne nebengeordnete Ansprüche bzw. einzelne Unteransprüche ist vorliegend nicht ersichtlich. Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 nach Hauptantrag sind daher auch der nebengeordnete Anspruch 8 sowie die Unteransprüche 2 bis 6 bzw. die Unteransprüche 9 bis 21 nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, GRUR 2007, 862 Leitsatz – „Informationsübermittlungsverfahren II“ und BGH X ZR 109/08 1. Leitsatz – „Sensoranordnung“).

2) Hilfsantrag 1 Auch in der Fassung des Hilfsantrags 1 ist das verteidigte Patent nicht patentfähig.

a) Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 weist gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag die Merkmale auf, dass die erste und die zweite Oberfläche aus Diamant bestehen („zumindest bereichsweise“ gestrichen / Merkmal M4*), wobei eine mittlere Rauheit auf Werte Rrms ≤ 500 nm eingeschränkt ist (Merkmal M5*) und die Dicke senkrecht zur ersten Oberfäche zwischen 0,5 µm und 3000 µm beträgt (Merkmal M7*).

Auch die vorstehend genannten Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 können keine erfinderische Tätigkeit gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik begründen.

Denn aus Druckschrift D1 ist auch bereits bekannt, dass die gesamte Oberfläche und somit die erste und die die Flanke bildende zweite Oberfläche des Uhrwerkbauteils aus Diamant besteht (vgl. S. 11, erster Abs. i. V. m. dem dritten Abs. / Merkmal M4*), wobei die Rauheit der zweiten Oberfläche – wie vorstehend zum Hauptantrag ausgeführt – einen Reibungskoeffizienten von 0,1 aufweist, der mit einer mittleren Rauheit Rrms = 30 nm (d.h. Rrms ≤ 500 nm) verknüpft ist (vgl. die Zitatstellen in D1 und D3 a.a.O. / Merkmal M5*). Die Druckschrift D1 lehrt dabei ebenfalls, dass die Dicke des Uhrwerkbauteils senkrecht zur ersten Oberfläche zwischen 100 µm und 400 µm beträgt, was im beanspruchten Dickenbereich zwischen 0,5 µm und 3000 µm liegt (vgl. D1, S. 5, zweiter Abs.: „[…] Ätzen über eine Dicke von mindestens einem oder sogar vier Zehntelmillimeter […] welche Dicke dann mindestens dem eines gewöhnlichen mikromechanischen Teils entspricht“ / Merkmal M7*).

b) Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 sind auch der nebengeordnete Anspruch 6 sowie die Unteransprüche 2 bis 5 bzw. die Unteransprüche 7 bis 19 nach Hilfsantrag 1 nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, GRUR 2007, 862 Leitsatz – „Informationsübermittlungsverfahren II“ und BGH X ZR 109/08 1. Leitsatz – „Sensoranordnung“).

3) Hilfsantrag 2 In der Fassung des Hilfsantrags 2 ist das verteidigte Patent ebenfalls nicht patentfähig.

a) Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 fordert gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag die Präzisierung, dass es sich bei der Flanke um eine geätzte Flanke handelt (Merkmale M2** und M5**).

Auch die vorstehend genannte Präzisierung des Anspruchs 1 kann keine erfinderische Tätigkeit gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik begründen.

Denn aus der Druckschrift D1 ist – wie vorstehend zum Hauptantrag bereits dargelegt – bekannt, dass die Flanke des Uhrwerksbauteils mittels „Ätzen“ i. V. m. einem „senkrechten Angriff“ erzeugt wird, so dass es sich hier ebenfalls um eine geätzte Flanke handelt (vgl. die Zitatstellen a. a. O. sowie den Text auf S. 13, zweiter Abs. in dem Bezug genommen wird auf die Figur 5b: „[…] Wechselweise kann diese Abscheidung des Überzugs teilweise vor der Formgebung der Teile erfolgen“ (Unterstreichung hinzugefügt), und S. 13, vierter Abs.: „Überzug aus Diamant 50 […]“ / Merkmale M2** und M5**).

b) Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 sind auch der nebengeordnete Anspruch 6 sowie die Unteransprüche 2 bis 5 bzw. die Unteransprüche 7 bis 19 nach Hilfsantrag 2 nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH,

GRUR 2007, 862 Leitsatz – „Informationsübermittlungsverfahren II“ und BGH X ZR 109/08 1. Leitsatz – „Sensoranordnung“).

4) Hilfsantrag 3 Auch in der Fassung des Hilfsantrags 3 ist das verteidigte Patent nicht patentfähig.

a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ergibt sich für den Fachmann ebenfalls in nahe liegender Weise aus einer Zusammenschau der Druckschrift D1 mit der Druckschrift D3.

Denn aus der Druckschrift D1 ist bereits ein Verfahren zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerkbauteils bekannt, das mit einer ersten Oberfläche und einer hierzu als geätzte Flanke ausgebildeten zweiten Oberfläche, die aufeinander im Wesentlichen senkrecht stehen, ausgebildet ist. Die erste und die zweite Oberfläche des aus der D1 bekannten Uhrwerkbauteils bestehen dabei aus Diamant, wobei die die geätzte Flanke bildende zweite Oberfläche einen Reibungskoeffizienten von 0,1 aufweist und die Dicke des Uhrwerkbauteils senkrecht zur ersten Oberfläche im Bereich zwischen 0,5 µm und 3000 µm liegt (vgl. die Ausführungen zu den jeweiligen Vorrichtungs-merkmalen der Ansprüche 1 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 2, die hier in gleicher Weise gelten / Merkmal N1 ohne explizite Angabe der mit dem Reibungskoeffizienten verbundenen Rauheit Rrms sowie ohne Toleranzangabe bzgl. einer Winkelabweichung der Flanke von der Senkrechten).

Im Hinblick auf die einzelnen Verfahrensschritte zur Herstellung eines mikromechanischen Uhrwerkbauteils offenbart die Druckschrift D1 folgende Schritte:

a) Ein Abscheiden („Diamantabscheidung“; vgl. Fig. 5 und den zugeh. Text auf S. 12, zweiter und dritter Abs. sowie S. 13, dritter Abs.) einer ersten Schicht aus Diamant („glatte Diamantschicht[en]“; „Überzug aus Diamant 50“) auf einem Substratmaterial in Form einer Unterlage („Substrat“ / „Oberfläche des Teils“), auf die der vorstehend zitierte „Überzug aus Diamant“ vor der Formgebung durch ein Plasmaätzen aufgebracht wird (vgl. S. 12, Z. 17-21, i. V. m. S. 13, Z. 16-17: „Abscheidung des Überzugs […] vor der Formgebung der Teile“ / Merkmal N2).

b) Ein Strukturieren („Formgebung“; vgl. Fig. 5 und den Text auf S. 13, Z. 1617) einer Kante zwischen der ersten und der eine Flanke bildenden zweiten Oberfläche der Zähne 4, 4‘ eines Ankers 2 (vgl. die Figuren 3 bis 5 sowie den zugehörigen Text auf S. 13, zweiter Abs. i. V. m. S. 8, Z. 20, bis S. 9, Z. 6 / Merkmal N3)

 durch mindestens einen Plasma-Ätzschritt („senkrechter Angriff mittels eines anisotropen Plasmas“ / „Plasmaätzen“; vgl. S. 14, zweiter Abs. i. V. m. S. 8, dritter Abs. / Merkmal N4)

 unter Verwendung einer Ätzmaske („Formmasken“) auf der ersten Oberfläche (vgl. S. 14, zweiter Abs. i. V. m. Fig. 3 und dem Text auf S. 8, 12-15 / Merkmal N5),

 welche gleichzeitig mit der ersten Schicht („Überzug aus Diamant 50“) geätzt wird (vgl. Fig. 5 sowie den zugehörigen Text auf S. 13, Z. 16-24, i. V. m. S. 14, zweiter Abs. / Merkmal N6), wobei

 das Verhältnis der Ätzgeschwindigkeiten von erster Schicht und Ätz- bzw. Formmaske offensichtlich auch derart eingestellt ist, dass durch die Einwirkung eines senkrechten Angriffs des Plasmas eine im Wesentlichen rechtwinklige Kante zwischen der ersten und der zweiten Oberfläche ausgebildet wird („senkrechter Angriff […]“; vgl. S. 14, zweiter Abs. sowie die Figuren 3 und 4 mitsamt zugehörigem Text auf S. 8, Z. 20-26 / Merkmal N7).

Im Unterschied zum Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3, in dem eine mittlere Rauheit Rrms ≤ 500 nm aufgeführt wird, wird in der Druckschrift D1 kein Rauheitswert sondern lediglich der die Glattheit der Diamantoberfläche charakterisierende Reibungskoeffizient mit einem Wert „deutlich unter 0,1“ genannt (vgl. S. 11, letzter Abs. und S. 12, erster Abs. sowie die vorstehenden Ausführungen zu den Vorrichtungsansprüchen nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 bzw. 2, die hier in gleicher Weise gelten).

Wie vorstehend zu den Vorrichtungsansprüchen dargelegt, hat der Fachmann, der mit dem im Bereich der Oberflächenbearbeitung zum Prioritätszeitpunkt üblichen Term (mittlere quadratische) Rauheit Rrms arbeitet, aufgrund der fehlenden Angaben zur Rauheit Rrms Veranlassung, in Erfahrung zu bringen, welche mittlere Rauheit Rrms, mit dem aus der Druckschrift D1 bekannten „Reibungskoeffizienten deutlich unter 0,1“ (vgl. S. 11, erster und letzter Abs.) verbunden ist, um die Glattheit der mit anderen Teilen wechselwirkenden Oberfläche eines mikromechanischen Bauteils, wie es aus der Druckschrift D1 bekannt ist, einzuordnen.

Dazu offenbart die Druckschrift D3 bekanntlich (vgl. vorstehende Ausführungen zu den Vorrichtungsansprüchen), dass Diamantoberflächen („smooth, nanocrystalline diamond (NCD)“ / „NCD surface“; vgl. S. 566, rechte Sp., zweiter Abs. i. V. m. S. 569, erster Abs.) mit einem Reibungskoeffizienten von etwa 0,1 (vgl. S. 569, linke Sp., erster Abs.: „[…] friction coefficient of the NCD film decreases rapidly to ~ 0.1) eine mittlere Rauheit Rrms = 30 nm („surface roughness 30 nm, rms“) unterhalb von 500 nm aufweisen – entsprechend dem im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 aufgeführten Rauheitswert.

Die im Merkmal N1 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 aufgeführte Toleranz bzw. Winkelabweichung von weniger als 2º von der Senkrechten kann dabei – wie vorstehend zu den Vorrichtungsansprüchen bereits ausgeführt – keine erfinderische Tätigkeit begründen, da durch das in der Druckschrift D1 aufgeführte „Ätzen“ i. V. m. einer „Ätzmaske“ und einem „senkrechtem Angriff“ (vgl. S. 14, zweiter Abs. sowie die vorstehend genannten Zitatstellen in der D1) eine Minimierung von Winkelabweichungen von der Senkrechten zur Verringerung von Reibungsverlusten nahegelegt ist (vgl. die Ausführungen zu einer senkrechten Flanke unter Ziffer 7, die hier in gleicher Weise gelten).

Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 liegt es daher für den Fachmann nahe, die Flanke eines Uhrwerkbauteils bei dessen Herstellungsverfahren mit einer Rauheit Rrms ≤ 500 nm auszubilden und dabei auch die Winkelabweichung von der Senkrechten derart zu minimieren, dass sie in dem Bereich liegt, den der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 fordert (Merkmal N1 mit der im Anspruch geforderten Rauheit und der geforderten maximalen Winkelabweichung der Flanke von der Senkrechten).

Die von der Beklagten geltend gemachten Prozessparameter „Temperatur“ und „Temperaturstabilität“, die nach ihrer Ansicht einzig zur Herstellung von senkrechten Flanken geeignet sind und die sich möglicherweise von den in der Druckschrift D1 genannten Prozessparametern unterscheiden, finden jedoch keinerlei Niederschlag in dem Verfahrensanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 bzw. den Beschreibungsseiten des Streitpatents, so dass die Beklagte den Offenbarungsgehalt der Druckschrift D1 gegen den allgemein formulierten Verfahrensanspruch 1 gelten lassen muss. Zu den Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der Erzeugung einer senkrechten Flanke wird im Übrigen auf die vorherigen Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.

b) Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 sind auch die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 14 nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH,

GRUR 2007, 862 Leitsatz – „Informationsübermittlungsverfahren II“ und BGH X ZR 109/08 1. Leitsatz – „Sensoranordnung“). 5) Hilfsantrag 4 Auch in der Fassung des Hilfsantrags 4 ist das verteidigte Patent nicht patentfähig.

a) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 entspricht dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2. Der Anspruch ist, wie vorstehend dargelegt, nicht patentfähig; auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.

b) Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 sind auch die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH, GRUR 2007, 862 Leitsatz – „Informationsübermittlungsverfahren II“ und BGH X ZR 109/08 1. Leitsatz – „Sensoranordnung“).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

IV.

Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG eingelegt werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils – spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung – durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich zum Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.

Die Berufungsschrift muss  die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie  die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,

enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGerW) auf elektronischem Weg zum Bundesgerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (s. www.bundesgerichtshof.de/erv.html)

Merzbach Paetzold Dr. Forkel Dr. Schwengelbeck Dr. Otten-Dünnweber prö

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