6 StR 196/25
BUNDESGERICHTSHOF StR 196/25 BESCHLUSS vom 7. August 2025 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:070825B6STR196.25.1 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2025 beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 22. Januar 2025 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und ein Vorwegvollzug angeordnet worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von Strafen aus einem Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge ausschließlich gegen den Strafausspruch und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Das vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich der Aufhebung der Maßregel vertretene Rechtsmittel hat in diesem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch und die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschränkt.
Die Staatsanwaltschaft hat zwar einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Angriffsziel ist ausweislich der nach § 156 RiStBV maßgeblichen Revisionsbegründung (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2024 – 5 StR 276/24, Rn. 8; Beschluss vom 15. Oktober 2024 – 6 StR 355/24, Rn. 21) aber nur die Aufhebung des Strafausspruchs und der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Diese Beschränkung ist wirksam, weil diese Fragen nach dem inneren Zusammenhang des Urteils entgegen der Ansicht der Revisionsführerin – losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil – tatsächlich und rechtlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 424/23, Rn. 5; Urteil vom 20. Juli 2023 – 4 StR 32/23, Rn. 21).
2. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler auf.
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 5. März 2025 – 6 StR 284/24, Rn. 13; vom 4. Juli 2019 – 4 StR 47/19, Rn. 8; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
b) Hieran gemessen hält die Strafzumessungsentscheidung revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat für die sechs abgeurteilten Taten Strafen von zweimal sechs Jahren und drei Monaten, zwei Jahren und drei Monaten, zwei Jahren sowie zweimal einem Jahr und neun Monaten verhängt und unter Einbeziehung von drei weiteren Strafen von je einem Jahr und neun Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten gebildet. Es ist von zutreffenden Strafrahmen ausgegangen und hat alle bestimmenden Strafzumessungspunkte gesehen und gegeneinander abgewogen. Soweit das Landgericht die Einsatzstrafe von sechs Jahren und drei Monaten lediglich um zwei Jahre erhöht hat, ist dies angesichts des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs der gleichgelagerten, in einem Zeitraum von nur zwei Monaten begangenen Taten nicht zu beanstanden und bedurfte keiner weitergehenden Erörterung.
3. Dagegen führt die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Maßregelausspruchs, weil die den Angeklagten beschwerende (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. April 2025 – 6 StR 90/25; vom 16. Januar 2025 – 4 StR 97/24,
Rn. 3; vom 21. August 2024 – 3 StR 119/24, Rn. 18) Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht standhält.
a) Ob die Annahme eines Hangs rechtsfehlerfrei begründet ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls belegen die Urteilsgründe keinen symptomatischen Zusammenhang.
aa) Nach der Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203, S. 2) muss die Anlasstat „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat reicht nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – festzustellen (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f.; BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2024 – 6 StR 549/23, Rn. 4; vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23, Rn. 3).
bb) Das Landgericht ist zwar davon ausgegangen, dass die Anlasstaten maßgeblich der Finanzierung des Drogenkonsums des Angeklagten dienten und „mithin weit überwiegend auf seinen Hang im Sinne des § 64 StGB zurückgehen“. Es hat diese Annahme aber nicht rechtsfehlerfrei belegt. Die Erörterungen sind lückenhaft, weil das Landgericht allein darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte mit den Taten weder Luxusgegenstände noch seinen sonstigen Lebensunterhalt finanziert habe. Nicht in den Blick genommen hat es, dass er ausweislich der Urteilsgründe eine deutliche dissoziale Verhaltensbereitschaft gezeigt hat, die neben der ebenfalls unberücksichtigt gebliebenen Gruppendynamik als Ursache für die Taten in Betracht kommt und daher der Erörterung bedurft hätte.
b) Zudem ist die Erfolgsaussicht der Maßregel nicht durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte belegt.
Soweit die Strafkammer die Erfolgswahrscheinlichkeit höheren Grades (vgl. BR-Drucks. 687/22 S.79; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2024 – 6 StR 266/24, Rn. 5; vom 12. März 2024 – 4 StR 59/24, Rn. 6) maßgeblich darauf gestützt hat, dass der Angeklagte auch in beruflicher Hinsicht in einen stabilen Empfangsraum entlassen werden könne, bleibt offen, worin dieser liegen soll, zumal der Angeklagte weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss hat und er seine letzte Anstellung wegen des Konsums von Marihuana während der Arbeitszeit verlor.
4. Die Aufhebung der Maßregel zieht die Aufhebung der Anordnung des Vorwegvollzugs nach sich. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung – wiederum unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).
Bartel Arnoldi Fritsche von Schmettau Dietsch Vorinstanz: Landgericht Hannover, 22.01.2025 - 34 KLs 3632 Js 11948/24 (8/24)