3 Ni 24/13 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 24/13 (EP)
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 152ni_adler 07.12 betreffend das europäische Patent … (DE …)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 18. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie den Richter Guth und den Richter Dipl.-Chem. Dr. Egerer beschlossen:
1. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
2. Der Streitwert wird auf 1.500.000,- Euro festgesetzt.
Gründe I.
1. Gegen das am 23. Februar 2000 angemeldete europäische Patent … (Streitpatent), das ein „… “ betrifft, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Juli 2013 Nichtigkeitsklage erhoben, die sie auf fehlende Patentfähigkeit gestützt hat. Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2014 hat die Beklagte mit Schreiben an das Deutsche Patent- und Markenamt auf das Streitpatent verzichtet. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014 den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dem hat die Beklagte, die erklärt hat, sie erkenne die Nichtigkeit des Streitpatents auch für die Vergangenheit an, widersprochen.
Die Beklagte ist der Meinung, die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens seien der Klägerin aufzuerlegen, da diese weder gerichtlich noch außergerichtlich aus dem Streitpatent in Anspruch genommen worden sei. Sie – die Beklagte – habe zwar der Nichtigkeitsklage widersprochen, jedoch die Hauptsache durch Verzicht in einem frühen Stadium prozessökonomisch erledigt. Auch habe die Klägerin die Beklagte vor Erhebung der Nichtigkeitsklage die Beklagte weder mit den von ihr als entscheidungserheblich angesehenen Entgegenhaltungen konfrontiert noch zum Patentverzicht aufgefordert.
Die Klägerin meint, es liege kein sofortiges Anerkenntnis vor, weil die Beklagte der Klage widersprochen und außerdem durch ein Fristverlängerungsversuch zu verstehen gegeben habe, dass sie sich verteidigen wolle. Der einschlägige Stand der Technik, der ein Schutzrecht der Klägerin betreffe, sei bereits im vorausgegangen Einspruchsverfahren genannt worden. Wegen fehlgeschlagener Lizenzverhandlungen sei den Parteien klar gewesen, dass die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents offen sei.
2. Die Beklagte beantragt, den Streitwert auf 718.576,- Euro festzulegen. Sie berechnet diesen Streitwert aus den von der Beklagten mit … erzielten Umsätzen unter Berücksichtigung eines Lizenzsatzes von 3% und eines Risikofaktors von 50%. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen.
II.
1. Nach der übereinstimmend erklärten Erledigung der Hauptsache ist gemäß § 84 Abs. 2 PatG, § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
1.1. Im Fall der Erledigung der Hauptsache durch Verzicht auf das Streitpatent sowie auf die Geltendmachung von Ansprüchen für die Vergangenheit hat regelmäßig der Patentinhaber die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens zu tragen, da eine solche Vorgehensweise im Regelfall darauf schließen lässt, dass die Nichtigkeitsklage Erfolg gehabt hätte und sich der Patentinhaber durch sein Vorgehen in die Rolle der Unterlegenen begibt (stRspr. vgl. BGH, GRUR 61, 278, 279 – Lampengehäuse; BPatGE 31, 191, 192; Busse, PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 41 m. w. N.). Der Anlass für den Verzicht ist insoweit grundsätzlich unerheblich (vgl. nochmals BGH, a. a. O. – Lampengehäuse).
1.2. Zwar ist im Rahmen dieser Ermessensentscheidung auch der Grundgedanke des § 93 ZPO heranzuziehen, wonach ein Beklagter keine Kosten zu tragen hat, wenn er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt hat (vgl. BGH GRUR 1984, 272, 276 – Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 81 Rdn. 38; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl. § 84 Rdn. 17, 18). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn die Beklagte hat der Klage widersprochen, durch ihr Gesuch auf Fristverlängerung für die Einreichung einer Widerspruchsbegründung zusätzlich deutlich gemacht, dass sie sich verteidigen wolle und den Verzicht auf das Streitpatent erst über vier Monate nach Klagezustellung ausgesprochen. Im Übrigen bedurfte es auch nicht eines ausdrücklichen Hinweises auf den relevanten Stand der Technik vor Klageerhebung, da dieser der Beklagten zumindest bereits aus dem Einspruchsverfahren bekannt war und außerdem nach der Rechtsprechung eine Kostenauferlegung selbst dann in Betracht kommt, wenn der relevante Stand der Technik erst im Berufungsverfahren eingeführt wird (vgl. Busse, PatG, 7. Aufl., § 82 Rdn. 41 m. w. N.). Auf die Frage, ob und inwieweit die Beklagte mit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage rechnen musste, kommt es bei dieser Sachlage darum nicht mehr an.
1.3. Im vorliegenden Fall sind auch keine weiteren Umstände ersichtlich, die unter Billigkeitsgesichtspunkten eine entgegenstehende Annahme rechtfertigen könnten (vgl. hierzu BGH, GRUR 2004, 623, 624 – Stretchfolienumhüllung, sowie BGH, a. a. O., – Lampengehäuse). Insbesondere erscheint die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht unbegründet.
2. Der Streitwert für das Patentnichtigkeitsverfahren war auf 1.500.000,- Euro festzusetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG).
Maßgeblich für die Berechnung des Streitwertes ist nicht das subjektive Interesse des Klägers, sondern der objektive Wert des Patents zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG). Entscheidend hierfür ist der gemeine Wert des angegriffenen Patents bei Erhebung der Klage zuzüglich der bis zu diesem Zeitpunkt eventuell entstandenen Schadensersatzansprüche. Mangels anderweitiger konkreter Anhaltspunkte und angesichts der Tatsache, dass kein Verletzungsverfahren zwischen den Parteien anhängig war, ist der Streitwert für das vorliegende Verfahren gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen (vgl. BGH, GRUR 2009, 1100 – Druckmaschinen-Temperierungssystem III).
Der Senat hält es ebenso wie die Parteien für sachgerecht, von den unstreitigen einschlägigen Umsatzzahlen der Beklagten auszugehen, die offenbar die einzige Produzentin des … ist. Allerdings sieht der Senat angesichts dieser konkreten Berechnungsgrundlage und dem Umstand, dass ein Lizenzsatz von nur 3% sehr vorsichtig geschätzt ist, anders als bei der vorläufigen Streitwertfestsetzung keinen Anlass, noch zusätzlich einen Risikoabschlag vorzunehmen. Bei einem Jahresumsatz von 7.984.182 Euro, einer Laufzeit des Streitpatents bei Klageerhebung von knapp sechseinhalb Jahren und einem Lizenzsatz von 3% ergibt sich daher ein Streitwert von rund 1.500.000,- Euro.
Schramm Guth Dr. Egerer prö Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG eingelegt werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils - spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung - durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich zum Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Die Berufungsschrift muss - die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie - die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGerVV) auf elektronischem Weg zum Bundesgerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (s. www.bundesgerichtshof.de/erv.html)