3 StR 220/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 220/24 BESCHLUSS vom 9. Juli 2024 in der Strafsache gegen alias:
wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:090724B3STR220.24.0
-2Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Juli 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2024 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist; b) im Strafausspruch aufgehoben, jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte spätestens ab Juni 2022 durch den Handel mit Drogen eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang. Am 13. Oktober 2023 verkaufte er im öffentlichen Raum aus einem knapp 6 Gramm Marihuana umfassenden Depot gewinnbringend zunächst 0,9 Gramm an einen Erwachsenen und sodann weitere 0,9 Gramm an einen 17-Jährigen und dessen 15-jährigen Begleiter, deren Minderjährigkeit er erkannte.
II.
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Prüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- und Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am 1. April 2024 ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Diese Rechtsänderung ist nunmehr gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2024 - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom 18. April 2024 - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes ein Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG. Dadurch, dass der Angeklagte gewerbsmäßig agierte und Marihuana als Erwachsener an einen Jugendlichen verkaufte, verwirklichte er jeweils ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 3 Buchst. a KCanG), der im Schuldspruch allerdings nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Mai 2024 - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; vom 6. Mai 2024 - 5 StR 1/24, juris Rn. 5; KKStPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).
Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2023 - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327) für den Angeklagten günstiger als diejenige nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich. Denn die Strafkammer hat § 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 BtMG zur Anwendung gebracht und ihrer Strafzumessung den dort normierten Rahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. § 34 Abs. 3 KCanG sieht demgegenüber Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren vor.
Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Der Strafausspruch unterliegt angesichts der nunmehr gebotenen Anwendung des milderen Strafrahmens der Aufhebung. Die Feststellungen sind dagegen rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handelt, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24, juris Rn. 10; vom 16. Mai 2024 - 6 StR 116/24, juris Rn. 5; vom 29. April 2024 - 6 StR 132/24, juris Rn. 5), liegt darin keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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