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V ZB 47/12

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 47/12 BESCHLUSS vom 30. August 2012 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterin Weinland beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 22. Dezember 2011 und der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 7. Februar 2012 ihn in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis Vulkaneifel auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

Der im Dezember 2010 unerlaubt eingereiste Betroffene ist nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig. Im September 2011 wurde er wegen eines Ladendiebstahls festgenommen und befand sich bis zum 29. November 2011 in Strafhaft.

Da er angab, algerischer Staatsangehöriger zu sein, wurde der Betroffene zunächst der algerischen Botschaft vorgeführt. Im Rahmen eines parallel eingeleiteten Passersatzpapierverfahrens bei den tunesischen Behörden stellte sich heraus, dass er tunesischer Staatsbürger ist.

Das Amtsgericht, das bereits mit Beschluss vom 22. September 2011 Abschiebungshaft gegen ihn bis zum 22. Dezember 2011 angeordnet hatte, hat die Haftanordnung auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 um drei Monate verlängert. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der inzwischen aus der Haft entlassene Betroffene festgestellt wissen, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 22. Dezember 2011 und der Beschluss des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Abschiebungshaft zu Recht um weitere drei Monate verlängert worden. Die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG aF hätten vorgelegen. Der Haftantrag sei dem Betroffenen bei der Anhörung vor dem Amtsgericht mitgeteilt worden. Die Verlängerung sei erforderlich gewesen, weil der Betroffene zwei Tage vor der für den 22. Dezember 2011 geplanten Abschiebung erklärt habe, er werde Widerstand leisten. Die deshalb erforderliche begleitete Rückführung habe in der Kürze der Zeit nicht organisiert werden können.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Haftverlängerung war schon deshalb rechtswidrig, weil es an einem zulässigen Haftverlängerungsantrag nach § 417 FamFG fehlte. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512, Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, Rn. 7, juris).

Die nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG erforderlichen Darlegungen müssen auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; sie dürfen sich nicht in Leerformeln und Textbausteinen erschöpfen (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 13 f.; Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317, Rn. 9). Das gilt auch hinsichtlich der notwendigen Haftdauer (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, Rn. 16, juris; Beschluss vom 2. Februar 2011 - V ZB 190/11, Rn. 8, juris). Eine auf den konkreten Fall bezogene Erläuterung, warum eine kürzere Haftdauer nicht ausreicht, ist unverzichtbarer Bestandteil eines zulässigen Haftantrags. Denn die Abschiebungshaft ist nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken; die im Gesetz genannten Fristen von drei, sechs und zwölf Monaten (§ 62 Abs. 3 Satz 4, § 62 Abs. 4 AufenthG) bestimmen nicht die normale Dauer, sondern die obere Grenze der möglichen Haft (vgl. näher Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, Rn. 10, juris).

Diesen Anforderungen genügte der Antrag der beteiligten Behörde vom 20. Dezember 2011 nicht. Darin wird zwar nachvollziehbar dargelegt, dass eine Verlängerung der Haft über den 22. Dezember 2011 hinaus notwendig geworden war. Weshalb die Ankündigung des Betroffenen, sich gegen die Abschiebung zu wehren, eine Verlängerung der Haft um weitere drei Monate erforderte und eine Haft von kürzerer Dauer nicht ausreichte, um eine begleitete Abschiebung vorzubereiten, wird dagegen nicht erläutert. Der Antrag beschränkt sich insoweit auf die - universell einsetzbare und damit nicht ausreichende - Formulierung, die Haftdauer von drei Monaten sei erforderlich, "weil die Organisation der Abschiebung nach Tunesien möglicherweise diesen Zeitraum in Anspruch nehmen wird".

Die Anforderungen an die Begründung des Verlängerungsantrags waren nicht deshalb herabgesetzt, weil die für den 22. Dezember 2011 geplante Abschiebung aus Gründen nicht durchgeführt werden konnte, die von dem Betroffenen zu vertreten waren. Da die Abschiebungshaft nur zur Sicherung der Abschiebung zulässig ist, nicht aber als Beugehaft angeordnet oder aufrechterhalten werden darf (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172, 1173, Rn. 22; Beschluss vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, Rn. 17, juris), kommt auch in einem solchen Fall eine Verlängerung der Haft nur um den Zeitraum in Betracht, der für die - dem Beschleunigungsgebot unterliegende - Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung erforderlich ist.

2. Der Beschluss des Landgerichts gibt ferner Anlass zu dem Hinweis, dass die von dem Amtsgericht angeordnete Haftverlängerung auch deshalb rechtswidrig war, weil das Anhörungsprotokoll nicht erkennen lässt, dass dem Betroffenen der Haft(verlängerungs)antrag, wie nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erforderlich, vor Erlass der Haftanordnung in Kopie ausgehändigt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, Rn. 8 f.; Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, Rn. 9, juris; Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 48/12, Rn. 10, juris). Festgehalten ist lediglich, dass dem Betroffenen der Antrag vom 20. Dezember 2011 "bekanntgegeben" worden ist. Das lässt auf eine nur mündliche Eröffnung des Haftantrags schließen. Eine solche genügt, anders als das Beschwerdegericht meint, nicht (vgl. näher Beschluss vom 14. Juni 2012 - V ZB 284/11, aaO).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 u. 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Weinland Vorinstanzen: AG Bingen am Rhein, Entscheidung vom 22.12.2011 - 110 XIV 29/11 B LG Mainz, Entscheidung vom 07.02.2012 - 8 T 13/12 -

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