Paragraphen in 17 W (pat) 34/15
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 34/15 Verkündet am 27. Februar 2018
…
BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 11 2008 004 056.7 …
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung 27. Februar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel ECLI:DE:BPatG:2018:270218B17Wpat34.15.0 beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist eine PCT-Anmeldung in nationaler Phase, welche als WO 2010 / 050 927 A1 in englischer Sprache veröffentlicht wurde. Ihr Anmeldetag ist der 28. Oktober 2008. In der deutschen Übersetzung (DE 11 2008 004 056 T5) trägt sie die Bezeichnung
„Dateitypzuordnung bei einer Fernrechensitzung“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Juni 2015 zurückgewiesen, nachdem die Anmelderin angekündigt hatte, zu einer für den 20. Mai 2015 angesetzten Anhörung nicht zu erscheinen. Zur Begründung des Zurückweisungsbeschlusses führte die Prüfungsstelle aus, dass der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 des (damaligen) Haupt- und Hilfsantrags auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
Die ordnungsgemäß geladene Anmelderin ist zur mündlichen Verhandlung – wie angekündigt – nicht erschienen.
Sie hat mit Eingabe vom 23. Juli 2015 sinngemäß beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 bis 13 vom 19. Mai 2015; Beschreibungsseiten 1 bis 11 vom 27. April 2011 und Figuren 1 bis 3 vom 27. April 2015; gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 bis 11 vom 19. Mai 2015; im Übrigen wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüche 1 bis 11 vom 23. Juli 2015; im Übrigen wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 3 mit Patentansprüche 1 bis 11 vom 23. Juli 2015; im Übrigen wie Hauptantrag.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist die Druckschrift D1: MADDEN, B.: Citrix MetaFrame XP: Advanced Technical Design Guide; Including Feature Release 2; 2. Auflage, Washington DC: BrianMadden.com Publishing, 2002, ISBN: 0-9711510-3-2 genannt worden. Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften D2: US 6 952 714 B2,
D3: GOETZ, F.; DOMIK, G.: A Framework for Video-based and HardwareAccelerated Remote 3D-Visualization, Eurographics 2003 – Short Presentations, 2003, Eurographics Association, ISSN = 1017-4656, DOI = 10.2312/egs.20031071 und D4: US 2005/0125525 A1 eingeführt.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:
M1 System, um einen Dateityp dynamisch einem Anwendungsprogramm entweder auf einem Client (102) oder einem Server (106) zuzuordnen,
M2 wobei der Server (106) ein Dateitypzuordnungsmodul (108) aufweist, das als Teil einer Fernrechensitzung bestimmt, ob ein Dateityp einem Anwendungsprogramm auf dem Server (106) oder einem Anwendungsprogramm auf dem Client (102) zuzuordnen ist, und bewirkt, dass der Dateityp dem Anwendungsprogramm auf entweder dem Client (102) oder dem Server (106) zugeordnet wird,
M3 wobei das Dateitypzuordnungsmodul (108) den Dateityp dem Client (102) neu zuweist, falls der Client (102) ein Anwendungsprogramm zum Öffnen des Dateityps umfasst, und falls die Hardware des Client (102) in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Verarbeitung vorzunehmen.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch Merkmal M4, das sich an Merkmal M3 anschließen soll:
M4 „und wobei das Dateitypzuordnungsmodul (108) wirksam ist, um das Anwendungsprogramm zu dem Client (102) herunter[zu]laden, falls das Dateitypzuordnungsmodul (108) bestimmt, dass der Client (102) kein Anwendungsprogramm aufweist, das zum Öffnen des Dateityps nötig ist, jedoch die Hardware des Client (102) in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Verarbeitung vorzunehmen.“
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Merkmale M3´ und M4´, die die Merkmale M3 und M4 ersetzen sollen:
M3´ „wobei das Dateitypzuordnungsmodul (108) den Dateityp dem Client (102) neu zuweist, falls der Client (102) ein Anwendungsprogramm zum Öffnen des Dateityps umfasst, und falls die Hardware des Client (102) in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Hardwarebeschleunigung vorzunehmen,“
M4´ „und wobei das Dateitypzuordnungsmodul (108) wirksam ist, um das Anwendungsprogramm zu dem Client (102) herunter[zu]laden, falls das Dateitypzuordnungsmodul (108) bestimmt, dass der Client (102) kein Anwendungsprogramm aufweist, das zum Öffnen des Dateityps nötig ist, jedoch die Hardware des Client (102) in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Hardwarebeschleunigung vorzunehmen.“
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Merkmale M3´´ und M4´´, die die Merkmale M3 und M4 ersetzen sollen:
M3´´ „wobei das Dateitypzuordnungsmodul (108) den Dateityp dem Client (102) neu zuweist, falls der Client (102) ein Anwendungsprogramm zum Öffnen des Dateityps umfasst, und falls die Hardware des Client (102) in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Hardwarebeschleunigung zur Videodecodierung vorzunehmen,“
M4´´ „und wobei das Dateitypzuordnungsmodul (108) wirksam ist, um das Anwendungsprogramm zu dem Client (102) herunter[zu]laden, falls das Dateitypzuordnungsmodul (108) bestimmt, dass der Client (102) kein Anwendungsprogramm aufweist, das zum Öffnen des Dateityps nötig ist, jedoch die Hardware des Client (102) in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Hardwarebeschleunigung zur Videodecodierung vorzunehmen.“
Zu den übrigen Patentansprüchen und den weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag sowie nach den Hilfsanträgen 1, 2 und 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft eine Dateitypzuordnung bei einer Fernrechensitzung.
Ausweislich der Anmeldung sei vor dem Aufkommen des Personal-Computers ein Zentralcomputer, z. B. ein Groß- oder Minirechner, der mehrere Nutzeranschlüsse unterstütze, das dominierende Rechenparadigma gewesen. Diese zentralisierte Architektur ermögliche eine effiziente Nutzung teurer Computerhardware- und -softwareressourcen durch eine gemeinsame Nutzung dieser Ressourcen seitens mehrerer Nutzer (vgl. DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0001]).
Die Vorteile des zentralisierten Rechenmodells seien vielfältig, und eine allgegenwärtige Vernetzung führe zum Wiederaufleben zentralisierten Rechnens in einer Vielzahl von Formen. So stelle ein Server einem oder mehreren entfernten Clients Verarbeitungs- und/oder Speicherressourcen zur Verfügung. In einem anderen Beispiel sei einem fernen Client ein ausschließlicher Zugriff auf eine Arbeitsstation zugewiesen, die an einer anderen Stelle unterhalten werde. Bei zentralisierten Systemen verringere eine Konsolidierung von Daten- und Programmspeicherungs- und/oder Rechenressourcen Instandhaltungs- und Unterstützungskosten und ermögliche dabei eine erhöhte Systemsicherheit. Der entfernte Client, der auf ein zentralisiertes System zugreife, könne diverse Formen annehmen (vgl. DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0003]). Zentralisierte Systeme seien aber nicht ohne Nachteile. Beispielsweise könne ein Ausfall eines einzelnen Servers, der mehrere Nutzer unterstütze, zu einem Produktivitätsverlust führen, der proportional zur Anzahl unterstützter Nutzer sei. Ferner könnten manche Anwendungen, beispielsweise ein Wiedergeben von Video auf einem Server und ein Senden der Wiedergaben an einen Client zur Anzeige, ein Übermaß an Serverrechenressourcen und/oder an Netzwerkbandbreite verbrauchen. Informationen wie z. B. Videos, die von einem Server an einen Client gesendet würden, würden oft stark komprimiert, um die zum Durchführen des Transfers notwendige Bandbreite zu verringern. Derartiges hochkomprimiertes Video oder sonstiger hochkomprimierter Inhalt führe oft zu einem nicht wünschenswerten Nutzererlebnis. Außerdem könne ein Erzeugen eines rechenintensiven Inhalts für mehr als einen Client für den Server eine extreme Belastung darstellen, und eine Übertragung der mehreren Inhaltsströme führe zu einem schwerwiegenden Verbrauch von Netzwerkbandbreite (vgl. DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0004]).
Die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe sieht der Senat darin, komprimierte Videodateien effektiver und mit verbessertem Nutzererlebnis innerhalb einer Fernrechensitzung auf dem Client zur Anzeige zu bringen und dabei die Ressourcen innerhalb eines Fernrechensystems besser zu verteilen (vgl. DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0004]).
Als Fachmann, der mit einer solchen Aufgabe betraut wird, ist ein Diplom-Informatiker oder ein Systemingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Anwendung verteilter Systeme anzusehen, der insbesondere über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Netzwerkprotokolle verfügt.
2. Zum Hauptantrag
2.1 Die Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
2.1.1 Zur Lehre des Patentanspruchs 1 Zur Lösung der oben genannten Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ein System vor, mit dessen Hilfe einem Dateityp dynamisch ein Anwendungsprogramm zugeordnet werden kann, das entweder auf einem Client oder einem Server angesiedelt ist (Merkmal M1). Laut Beschreibung soll eine Dateizuordnung erreicht werden, die eine Beziehung zwischen einem Dateityp und einer zum Öffnen dieses Dateityps verwendeten Anwendung herstellt. Dabei wird ein Dateityp allgemein durch das Erweiterungsfeld des Dateinamens bestimmt. Beispielsweise handelt es sich bei einer Datei, die eine „.mpg“-Erweiterung aufweist, um eine MPEG-Videodatei, die auf einer Vielzahl von Multimedia-Abspielgeräten abgespielt werden kann (DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0020]).
Merkmal M2 besagt, dass der Server ein Dateitypzuordnungsmodul umfasst, das bestimmt, ob ein spezieller Dateityp seitens des Servers oder des Clients geöffnet werden soll bzw. ob ein Dateityp einem Anwendungsprogramm auf dem Server oder einem Anwendungsprogramm auf dem Client zuzuordnen ist. Client und Server werden dabei im Rahmen einer Fernrechensitzung, d. h. unter Verwendung eines Fernzugriffsprotokolls miteinander verbunden. In der Beschreibung wird hierzu ausgeführt, dass der Client über einen Zuordnungsagenten und eine Fähigkeitenmeldevorrichtung verfügt, die als Software die Ressourcen des Clients katalogisiert und an den Server meldet. Die an den Server übertragenen Meldungen betreffen Anwendungsprogramme, Dienste, „Codecs“ und Treiber, die auf dem Client zur Verfügung stehen. Darüber hinaus können Angaben zu den im Client vorhandenen Hardwarekomponenten kommuniziert werden. Aufgrund der gelisteten Ressourcen des Clients bestimmt das Dateitypzuordnungsmodul, ob am besten Ressourcen des Clients oder Ressourcen des Servers angewendet werden, um eine Anforderung seitens des Clients zu bedienen (DE 11 2008 004 056 T5, Absätze [0019], [0020]).
Gemäß Merkmal M3 weist das Dateitypzuordnungsmodul den Dateityp dem Client dann neu zu, falls dort ein Anwendungsprogramm zum Öffnen des Dateityps und zusätzlich die für die Verarbeitung des Dateityps erforderliche Hardware vorhanden ist. In der Beschreibung wird ausgeführt, dass das Dateitypzuordnungsmodul die Ressourcen des Clients auswertet. Falls der Client Ressourcen zum Öffnen eines bestimmten Dateityps umfasst, kann das Modul den bestimmten Dateityp von einem auf dem Server angesiedelten Anwendungsprogramm „abkoppeln“ und veranlassen, dass der Dateityp einem Anwendungsprogramm auf dem Client zugeordnet wird (DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0021]).
2.1.2 Die Würdigung der Druckschrift D2 ergibt, dass die Lehre nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nahegelegen hat.
Die Druckschrift D2 befasst sich mit der Ausführung von Programmen in einer verteilten Systemumgebung. Insbesondere betrifft sie ein System bzw. Verfahren zur automatischen Ausführung eines mit einer Datei verknüpften Programms für den Fall, dass Datei und Programm auf verschiedenen Rechnern gespeichert sind (Spalte 1, Zeilen 5 bis 12).
So führt die Druckschrift D2, die als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, den Fachmann zu einer Systemanordnung, die einen Mechanismus zur Zuordnung eines Dateityps zu einem Anwendungsprogramm bereitstellt, das entweder auf einem Client oder einem Server abläuft. Bei der bekannten Systemanordnung handelt es sich um ein Netzwerk (Spalte 4, Zeilen 14 bis 27; Fig. 1 u. a.), bestehend aus Client Computern („client nodes“) und Anwendungsservern („application servers“), bei dem Mechanismus um eine Dateitypzuordnung („file-type association“ FTA), die eine Zuordnung von Dateien bzw. Dateitypen zu Anwendungsprogrammen ermöglicht, die auf Clients oder Servern abgearbeitet werden (Spalte 20, Zeilen 6 bis 30). Die Zuweisung von Dateitypen zu Programmen erfolgt unter Berücksichtigung der Lastverteilung innerhalb des Netzwerks sowie der Verfügbarkeit der Programme auf den jeweiligen Servern und ist in diesem Sinne dynamisch (Spalte 17, Zeilen 16 bis 30, siehe „load balancing“ und „availability of the application“; Spalte 28, Zeilen 10 bis 20 – Merkmal M1).
Weiterhin umfassen die jeweiligen Server Dateitypzuordnungsmodule in Gestalt von Anwendungsdatenbanken (Spalte 6, Zeilen 42 bis 60; Spalte 13, Zeilen 50 bis 64; siehe „application database“) und Systemdatenbanken (Spalte 28, Zeilen 4 bis 9; siehe „system database“), die im Rahmen von Fernrechensitzungen (Spalte 20, Zeilen 16 bis 19 u. a.) festlegen, ob ein Datentyp einem Anwendungsprogramm auf einem Server oder aber einem Anwendungsprogramm auf einem Client zugewiesen werden soll (Spalte 20, Zeilen 6 bis 30; Spalte 28, Zeilen 4 bis 20). Anhand von Mapping, das Dateityp und Anwendung miteinander verknüpft, und auf der Grundlage von Rules, die Bedingungen für die Ausführbarkeit von Programmen definieren, wird beurteilt, ob der Dateityp einem Anwendungsprogramm eines Clients oder eines Servers zugeordnet wird (Spalte 28, Zeilen 4 bis 20; Spalte 28, Zeilen 36 bis 49, siehe „…rules are loaded and evaluated to determine whether the executable program is to execute on the client node, one of the plurality of server nodes …“). Die Rules setzen z. B. Bedingungen, die die Lastverteilung im Netzwerk betreffen (Spalte 28, Zeilen 13 bis 20). Damit ist Merkmal M2 im System der Druckschrift D2 verwirklicht.
Ferner lehrt die Druckschrift D2, dass der Dateityp einem Client nur dann dynamisch zugeteilt wird, wenn dieser gewisse Systemvoraussetzungen auch wirklich erfüllt. Bereits in Spalte 6 (Zeilen 53 bis 60) wird hierzu ausgeführt, dass im Fall eines Videostreamings mittels Rules sichergestellt wird, dass der Client Videodaten, also auch diverse Videodateiformate unterstützt. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass serverseitig überprüft werden muss, ob der Client Computer überhaupt über eine geeignete Software zur Verarbeitung von Videodateien (z. B. einen MP4Player) verfügt. Weiterhin wird in Spalte 28, Zeilen 13 bis 20 hervorgehoben, dass bei der Zuordnung eines Dateityps zu einer Anwendung auf dem Client auch auf eine ausreichende Übertragungsrate zwischen Server und Client geachtet werden muss. Dem Fachmann war in diesem Zusammenhang geläufig, dass nicht nur die Hardware des Servers sondern insbesondere auch die Hardware des Clients oftmals den begrenzenden Faktor für ausreichende Übertragungsraten gibt. Hiervon ausgehend lag es im Griffbereich des Fachmannes, vor der Zuweisung eines Dateityps an den Client zu bewerten, ob neben der Software auch die Hardware des Clients die zur Verarbeitung notwendigen Systemvoraussetzungen erfüllt (z. B. über Prozessoren des Graphikchips verfügt, die bestimmte Dateiformate unterstützen) und insbesondere in der Lage ist, erforderliche Datenübertragungsraten zu gewährleisten, um eine angemessene Verarbeitung zu ermöglichen. Ausgehend von Druckschrift D2 war Merkmal M3 somit nahegelegt.
Nach allem waren für den Fachmann lediglich fachgemäße Überlegungen erforderlich, um in Kenntnis der Druckschrift D2 zu einem System mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags zu gelangen.
2.2 Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hauptantrag nicht gewährbar (BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).
3. Zu Hilfsantrag 1
3.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das in Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 neu hinzugekommene Merkmal M4 sieht im Wesentlichen vor, dass das Dateitypzuordnungsmodul so konfiguriert sein soll, dass das Anwendungsprogramm immer dann auf den Client heruntergeladen wird, wenn bestimmt wird, dass der Client über kein Anwendungsprogramm verfügt, welches eine Verarbeitung des Dateityps erlaubt, die Hardware des Clients jedoch eine Verarbeitung des Dateityps unterstützt.
Der auf dem Gebiet der Entwicklung von verteilten Systemen tätige Fachmann konnte bereits den allgemeinen Ausführungen zur „Program Neighborhood“ Applikation der Druckschrift D2 entnehmen, ausführbaren Code vom Server auf den Client herunterzuladen, wenn Lastverteilung („load-balancing“) und Verfügbarkeit („availability“) dies erfordern sollten (Spalte 7, Zeile 64 bis Spalte 8, Zeile 5). Welches Programm zu welchem Zeitpunkt heruntergeladen wird, orientiert sich dabei an den in den Anwendungsdatenbanken („Application database“) – also dem Dateitypzuordnungsmodul – hinterlegten anwendungsbezogenen Informationen (Spalte 6, Zeilen 42 bis 60; Spalte 13, Zeile 50 – Spalte 14, Zeile 8; Spalte 17, Zeilen 16 bis 22). Das Teilmerkmal, ein Anwendungsprogramm auf den Client dann herunterzuladen, wenn vom Dateitypzuordnungsmodul bestimmt wird, dass der Client über kein Anwendungsprogramm zur Verarbeitung des Dateityps verfügt, geht demnach aus der Druckschrift D2 hervor (teilweise Merkmal M4).
Einen solchen Download nur dann zuzulassen, falls clientseitig für einen erfolgreichen Programmablauf geeignete Hardwaremittel vorhanden sind, stellt ausgehend von den Ausführungen zu Merkmal M3 eine Selbstverständlichkeit dar (restlicher Teil von Merkmal M4).
Daher ist für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 eine andere Beurteilung als für den Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht gerechtfertigt.
3.2 Mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 fallen auch die Patentansprüche 2 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1.
4. Zu Hilfsantrag 2 und 3
4.1 Die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 und 3 beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
4.1.1 Die jeweiligen Merkmale M3´, M4´ bzw. M3´´, M4´´ unterscheiden sich von den Merkmalen M3, M4 durch das Teilmerkmal, wonach eine Neu-Zuweisung des Datentyps zum Client oder ein Herunterladen des Anwendungsprogramms auf den Client nur dann erfolgt, falls die Hardware des Client in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Hardwarebeschleunigung vorzunehmen bzw. falls die Hardware des Client in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Hardwarebeschleunigung zur Videodecodierung vorzunehmen.
Das in den Merkmalen M3 und M4 enthaltene Teilmerkmal, dass die Hardware des Client in der Lage ist, eine seitens des Dateityps erforderliche Verarbeitung vorzunehmen wurde dahingehend klargestellt, dass es sich bei der Verarbeitung um eine Hardwarebeschleunigung bzw. eine Hardwarebeschleunigung zur Videodecodierung handeln soll. In der Beschreibung der Anmeldung wird hierzu ausgeführt, dass das Dateitypzuordnungsmodul zusätzlich zu den Softwareressourcen des Clients auch dessen Hardwareressourcen in Betracht ziehe. Falls der Client z. B. über eine Hardwarebeschleunigung zur Videodecodierung verfüge, könne dies als ein Faktor gewichtet werden, der eine Neuzuordnung von Videodateitypen zum Client begünstige (vgl. DE 11 2008 004 056 T5, Absatz [0023]).
4.1.2 Ausgehend von Druckschrift D2 lagen die jeweiligen Merkmale M3´, M4´ bzw. M3´´, M4´´ für den Fachmann nahe.
Da der zuständige Fachmann stets bestrebt sein dürfte, im Netzwerk neben einer akzeptablen Lastverteilung auch eine ausreichende Rechenleistung (z. B. für Streaminganwendungen) auf Servern und Clients zu gewährleisten, hatte er Veranlassung, nur solche Client-Rechner für eine Dateityp-Zuweisung oder einen Download von Anwendungsprogrammen in Betracht zu ziehen, die über ausreichende Ressourcen verfügen, da sie z. B. über Mechanismen verfügen, die den Hauptprozessor entlasten und dadurch die Performance steigern. Für ihn lag es auf der Hand, dass hierfür nur solche Client-Rechner in Frage kommen, bei denen rechenintensive Schritte wie die der Grafikdarstellung oder der Videodecodierung an spezialisierte Hardware delegiert werden, um dadurch eine Hardwarebeschleunigung zu erzielen. Dass dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt der vorliegenden Anmeldung die Bedeutung einer Hardwarebeschleunigung zur Videodecodierung in einem verteilten System bereits hinlänglich bekannt gewesen ist, geht z. B. aus dem Fachartikel D3 hervor, in dem anhand von experimentellen Resultaten auf die besondere Rolle der Hardwarebeschleunigung auf Client- und Server-Computern beim Video-Streaming hingewiesen wird (Seite 6, rechte Spalte, Abschnitt 5 – Results, erster und zweiter Absatz).
Mit Rücksicht auf den aufgezeigten Stand der Technik waren auch die jeweiligen Merkmale M3´, M4´ bzw. M3´´, M4´´ nahegelegt.
4.1.3 Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Hauptantrag und Hilfsantrag 1 beruht die Lehre des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 und 3 somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
4.2 Mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 bzw. 3 fallen auch die zugehörigen Patentansprüche 2 bis 11.
5. Die Beschwerdegebühr ist gemäß § 80 Abs. 3 PatG zurückzuzahlen, denn es liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
Die Anmelderin hat auf die von der Prüfungsstelle im Bescheid vom 1. Oktober 2012 genannten Mängel reagiert, indem sie mit Eingabe vom 31. Januar 2013 einen neuen Anspruchssatz vorgelegt hat. Die Prüfungsstelle hat daraufhin eine mündliche Anhörung für den 20. Mai 2015 angesetzt. Im Ladungszusatz hat sie u. a. ausgeführt, dass der (damals) geltende Patentanspruch 1 nicht gewährbar sei, weil sein Gegenstand auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Mit Schrei- ben vom 19. Mai 2015 hat die Anmelderin mitgeteilt, dass weder die Anmelderin noch der Vertreter der Anmelderin an der angesetzten Anhörung teilnehmen würden. Weiterhin hat sie beantragt, das weitere Prüfungsverfahren auf geänderte Unterlagen zu stützen und auf Grundlage neu eingereichter Patentansprüche in einem Haupt- und Hilfsantrag fortzuführen. Die Prüfungsstelle hat den Anhörungstermin ausweislich der Akten – eine entsprechende Niederschrift ist dort nicht zu finden – nicht durchgeführt. Ihren Zurückweisungsbeschluss, dem die geänderten Anspruchssätze vom 19. Mai 2015 zugrunde liegen, stützt die Prüfungsstelle auf Gründe, die der Anmelderin im vorangegangenen Prüfungsverfahren noch nicht in einer Weise mitgeteilt waren, dass sie darin einen Hinderungsgrund für eine Patentierung hätte erkennen können. Der Anmelderin wurde daher keine Gelegenheit gegeben, sich zu den neuen Gründen zu äußern, auf die die Entscheidung letztendlich gestützt wurde. Damit hat die Prüfungsstelle den Anspruch der Anmelderin auf rechtliches Gehör verletzt. Es entspricht daher der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Dr. Forkel Fa
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