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V ZB 22/16

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 22/16 BESCHLUSS vom 13. Oktober 2016 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2016:131016BVZB22.16.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Köln vom 2. November 2015 und der 39. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29. Januar 2016 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts Köln vom 14. Juli 2015 den Betroffenen im Zeitraum vom 2. September 2015 bis zum 15. September 2015 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Märkischen Kreis auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist ghanaischer Staatsangehöriger. Anfang 2012 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. September 2013 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 14. Juli 2015 hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom gleichen Tage Abschiebungshaft bis zum 13. Oktober 2015 angeordnet. Mit einem am 2. September 2015 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betroffene die Aufhebung der Haft und die Feststellung beantragt, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn ab dem Eingang des Schreibens bei Gericht in seinen Rechten verletzt hat. Am 15. September 2015 wurde er nach Ghana abgeschoben. Mit Beschluss vom 2. November 2015 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Beschluss vom 14. Juli 2015 rechtmäßig gewesen ist. Die Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Haftantrag der beteiligten Behörde sei ausreichend begründet. Insbesondere habe sie die Voraussetzungen für die Abschiebung und deren Durchführbarkeit konkret dargelegt. Die Richtigkeit der Angaben sei auch durch die am 15. September 2015 tatsächlich erfolgte Abschiebung bestätigt worden. Das Bestehen der Ausreisepflicht sei ebenfalls substantiiert dargelegt worden. § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG habe der Abschiebungshaft nicht entgegengestanden. Danach dürfe Sicherungshaft nicht angeordnet werden, wenn feststehe, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten habe, nicht innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die Abschiebungshaft sei auch im Übrigen nicht unverhältnismäßig. Hinsichtlich des Betroffenen sei die Beschaffung von Passersatzpapieren erforderlich gewesen, so dass die Anordnung einer Sicherungshaft von maximal drei Monaten zur Sicherung der Abschiebung erforderlich, aber auch ausreichend gewesen sei. Tatsächlich sei der Betroffene nach ca. zwei Monaten abgeschoben worden.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen hätten dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Sicherungshaft ab dem Eingang des Haftaufhebungsantrages bei dem Amtsgericht bis zur Abschiebung des Betroffenen nach Ghana festzustellen, stattgeben müssen. Die Anordnung der Abschiebungshaft verletzte den Betroffenen bereits deshalb in seinen Rechten, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte und dieser Mangel während des Verfahrens nicht behoben worden ist.

1. a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 7 mwN).

b) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält. Der schlichte Hinweis darauf, dass die Passersatzpapierbeschaffung eingeleitet werden müsse und dies „erfahrungsgemäß“ einen Zeitraum von drei Monaten erfordere und auch die Organisation eines Flugs nach Ghana innerhalb dieser Zeit veranlasst werde, ist unzureichend.

aa) Er lässt unberücksichtigt, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist und die Frist von drei Monaten nur die obere Grenze der möglichen Haft und nicht deren Normaldauer bestimmt (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG; siehe auch Senat, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 7). Soweit das Beschwerdegericht darauf verweist, die Angaben der beteiligten Behörde seien durch die am 15. September 2015 tatsächlich erfolgte Abschiebung bestätigt worden, führt dies nicht zur Zulässigkeit des Haftantrags. Im Gegenteil: Dass die Abschiebung einen Monat vor dem Ablauf des von der Behörde beantragten Haftzeitraums möglich war, ist ein starkes Indiz dafür, dass mit dem von ihr für die Passersatzbeschaffung prognostizierten Zeitraum von drei Monaten nur der maximale Zeitaufwand gemeint war. Angaben dazu, warum eine kürzere Haftdauer als drei Monate nicht ausreicht, sind in dem Haftantrag nicht enthalten.

bb) Aber auch wenn die Angabe in dem Haftantrag so zu verstehen sein sollte, dass die Passersatzbeschaffung üblicherweise mindestens drei Monate dauert und in diesem Zeitraum auch die Organisation eines Fluges nach Ghana möglich ist, ist sie unzureichend. Hierfür kann dahinstehen, ob dies bereits daraus folgt, dass es an einer für das Gericht überprüfbaren Mitteilung der Grundlage für den Erfahrungswert fehlt. Auf allgemeine Erfahrungswerte konnte sich die beteiligte Behörde jedenfalls deshalb nicht berufen, weil der Betroffene nach den weiteren Angaben in dem Haftantrag bereits in einem vorangegangenen Abschiebeverfahren im Jahr 2014 der ghanaischen Botschaft vorgeführt und von der Botschaft die Ausstellung eines Heimreisedokuments zugesichert worden war. Warum gleichwohl die Beschaffung der für die Abschiebung des Betroffenen erforderlichen Papiere die sonst übliche Zeit von drei Monaten in Anspruch nehmen soll, wird nicht erläutert.

2. Der Mangel des Haftantrages ist auch nicht nachträglich geheilt worden. Weder hat die Behörde ihre Darlegungen ergänzt noch hat das Amtsgericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss festgestellt (vgl. zu dieser Möglichkeit Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 22). Vielmehr hat das Amtsgericht in dem Haftanordnungsbeschluss auf den Haftantrag vom 14. Juli 2015 verwiesen.

-79 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann Göbel Schmidt-Räntsch Hamdorf Kazele Vorinstanzen:

AG Köln, Entscheidung vom 02.11.2015 - 507b XIV(B) 4/15 LG Köln, Entscheidung vom 29.01.2016 - 39 T 239/15 -

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