2 Ni 7/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 7/15 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am: 17. Juli 2017 In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 888 204 (DE 697 30 318)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richter Heimen, Dipl.-Ing. Univ. Dipl. Wirt.-Ing. (FH) Ausfelder, Dipl.-Ing. Wiegele und Dr.-Ing. Schwenke für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist Inhaberin des am 13. März 1997 angemeldeten und am 18. August 2004 veröffentlichten Patents EP 0 888 204 B1 mit der Bezeichnung „HANDLE WITH MARKING“ (im Folgenden: Streitpatent), das auf die internationale Anmeldung PCT/SE 1997/000432 zurückgeht und für das die Priorität der schwedischen Patentanmeldung SE 9601035 vom 19. März 1996, veröffentlicht unter WO 1997/034740 in Anspruch genommen wird. Das in der Verfahrenssprache Englisch abgefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 697 30 318 geführt.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des deutschen Teils des europäischen Patents.
Das Streitpatent umfasst den Anspruch 1 und die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4.
Anspruch 1 des erteilten Streitpatents lautet in der maßgeblichen englischen Fassung gemäß EP 0 888 204 B 1:
Handle for tools, said handle having an end region (12) shaped as a smooth rotational surface characterized in that said end region (12) is made by injection moulding in multiple steps from at least two plastic materials (17,´18) of different colour to form a visible marking symbol for identification of the tool.
In der deutschen Übersetzung lautet der Anspruch 1:
Griff für Werkzeuge, der einen Endbereich (12) aufweist, welcher als eine glatte Drehfläche ausgestaltet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Endbereich (12) durch Spritzgießen in Mehrfachschritten aus mindestens zwei Kunststoffmaterialien (17, 18) unterschiedlicher Farbe hergestellt ist, um ein sichtbares Markierungssymbol für die Kennzeichnung des Werkzeuges zu bilden.
Hinsichtlich des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift EP 0 888 204 B1 verwiesen.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend, da es dem Patent an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit mangele.
Zur Stützung ihres Vorbringens nennt sie folgende Druckschriften:
D1 US 2,202,253 D2 DE 42 19 253 A1 D3 DE 35 25 163 A1 D4 Auszug Wikipedia Lesestein (Optik), zwei Seiten D5 US 5,421,224 D6 US 5,341,707 D7 DE 1 914 280 D8 DE 43 04 965 A1 D9 DE 1 232 339 D10 US 3,950,483 D11 DE 197 57 411 C1 Sie ist der Meinung, der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents sei durch eine der Druckschriften D1, D5 oder D6 bekannt. Auch beruhe der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift D1 in Kombination mit einer der Druckschriften D2 oder D3 sowie ausgehend von der Druckschrift D5 oder D6 in Kombination mit fachmännischem Handeln oder auch ausgehend von der Druckschrift D7. Dies gelte ebenso für die Unteransprüche. Es handele sich bei Patentanspruch 1 um einen product-by-process-Anspruch, der das entstehende Produkt schütze, wobei die Herstellung von Schraubendrehergriffen nach dem 2K-Spritzgussverfahren lange bekannt und üblich gewesen sei. Insbesondere seien dem Fachmann aus D7 wesentliche Merkmale des Gegenstandes des Streitpatents bzw. seiner Herstellung bekannt, sodass in Zusammenschau mit dem insbesondere durch D1, D5 und D6 vermittelten Wissen und den dortigen Problemstellungen die Lehre des Streitpatents nahegelegen habe. Dies gelte vor allem auch für eine Ausgestaltung des Endbereiches des Griffes als glatte Drehfläche. Auch seien Markierungen aus zwei unterschiedlichen Kunststoffen branchenübergreifend seit langem bekannt.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent EP 0 888 204 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie ist der Ansicht, die Entgegenhaltungen offenbarten wesentliche Merkmale der erfindungsgemäßen Lehre nicht und es sei auch keine Veranlassung für den Fachmann ersichtlich, ausgehend vom genannten Stand der Technik zur Lehre des Streitpatents zu gelangen. Gerade eine durch 2K-Spritzgussverfahren hergestellte Markierung im als glatte Rotationsfläche ausgeführten Endbereich sei nicht neuheitsschädlich vorweggenommen, und beruhe jedenfalls auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 27. April 2017 beantragt, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und verweist zur Begründung auf eine maßgeblich geänderte Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents unter Berücksichtigung der von ihr ohne Verschulden erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung aufgefundenen Druckschrift D12 (US 4,969,231).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nach Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht wird, ist zulässig.
Die Klage bleibt jedoch erfolglos, weil die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen. Der erteilte Patentanspruch 1 ist patentfähig, da die darin beanspruchte Lehre gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch war.
I.
1. Das Streitpatent betrifft einen Griff mit einer Marke. Laut Beschreibung des Streitpatents sei bereits bekannt, dass Werkzeuge aus einem Metallteil und einem Griffteil aus Kunststoff markiert werden könnten. Durch Bemalen oder Bedrucken würden an der oberen Endfläche des Griffs Markierungen angebracht, die Informationen über Werkzeugtyp, -größe, usw. geben könnten. Da jedoch gerade diese Endflächen einer starken Abnutzung unterlägen, hervorgerufen durch Abnutzung durch die Reibung in der Hand bei Schraubenziehern oder Schläge auf Meißel, führe dies zu einer Unleserlichkeit einer gemalten oder gedruckten Markierung.
Weiterhin sei aus dem Stand der Technik US 5,421,224 (D5) bekannt, Markierungen an dem Griff eines Schraubenziehers anzuformen, die entweder aus der Endfläche des Griffs hervorstehen oder vertieft seien. Jedoch erlaube dieser Griff keine ruhige und komfortable Rotation des Griffs an der Haut der Hand.
Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen Griff für Werkzeuge auszubilden, der eine unauslöschliche und verschleißfeste Markierung auf der Endoberfläche aufweist, ohne dass es zu einer Reduzierung des Komforts und der Nutzbarkeit des Werkzeuges kommt.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent vor, dass der Endbereich eines Griffs für Werkzeuge durch Spritzgießen in Mehrfachschritten aus mindestens zwei Kunststoffen unterschiedlicher Farbe hergestellt ist, um ein sichtbares Markierungssymbol für die Kennzeichnung des Werkzeuges zu bilden.
2. Die genannte Aufgabe wird gemäß Streitpatentschrift durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst, welcher in der deutschen Übersetzung den nachfolgenden Wortlaut hat (Merkmalsgliederung hinzugefügt).
Der Patentanspruch 1 beschreibt danach einen O1 Griff für Werkzeuge, O2 der einen Endbereich (12) aufweist, welcher als eine glatte Drehflä- che ausgestaltet ist, dadurch gekennzeichnet, dass K1 der Endbereich (12) durch Spritzgießen in Mehrfachschritten K2 aus mindestens zwei Kunststoffmaterialien (17, 18) unterschiedlicher Farbe hergestellt ist, K3 um ein sichtbares Markierungssymbol für die Kennzeichnung des Werkzeuges zu bilden.
3. Als Fachmann ist ein Fachhochschulabsolvent der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik anzusehen, mit einer mehrjährigen Berufserfahrung in der Konstruktion von Handwerkzeugen.
4. Einige Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen einer Auslegung.
4.1 In Merkmal O1 ist ein „Griff für Werkzeuge“ angegeben. Auch in der wesentlichen englischsprachigen Anspruchsfassung wird der Plural „tools“ benutzt. Dieser Plural ist nicht so auszulegen, dass der Griff für mehrere Werkzeuge eingesetzt werden kann und somit austauschbar ist. Eine Ausgestaltung des Griffs, der eine Austauschbarkeit ermöglicht, ist der Beschreibung und den Figuren nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt es sich aus der technischen Lehre, dass unterschiedliche Werkzeugtypen mit einem anspruchsgemäßen Griff ausgeführt werden können, vgl. Absätze [0007] („as a screwdriver“) und [0012] („such as chisels“).
4.2 Laut Absatz [0001] bestehen Werkzeuge aus einem Metallteil und einem Griffteil. Der Endbereich gemäß Merkmal O2 ist dabei die von dem Metallteil des Werkzeugs gegenüberliegende Oberfläche des Griffs mit einer glatten Drehfläche, vgl. Absatz [0008] u. Fig. 1 dort beispielhaft an einem Schraubenzieher dargestellt.
4.3 Die Merkmale K1 bis K3 beschreiben die Herstellung des Endbereichs des Griffs durch Spritzgießen, wobei der Endbereich aus mindestens zwei Kunststoffmaterialien hergestellt ist. Zwei anspruchsgemäße Kunststoffmaterialien liegen bereits dann vor, wenn sie unterschiedliche Farben aufweisen, denn dadurch wird die Wirkungsangabe gem. Merkmal K3 bereits erfüllt. Die übrige chemische Zusammensetzung der Kunststoffmaterialien kann identisch sein, denn ein Hinweis auf unterschiedliche Härten oder Materialeigenschaften im Endbereich des Griffs ist dem Streitpatent nicht entnehmbar.
II.
Das Streitpatent erweist sich in der erteilten Fassung als patentfähig. Der Senat konnte nicht feststellen, dass der gewerblich anwendbare Handgriff gemäß dem angegriffenen Patentanspruch 1 die Voraussetzung zur Patentfähigkeit nach Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ nicht erfüllt.
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist durch keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften neuheitsschädlich vorweggenommen.
Von den im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbaren die D1 bis D3, sowie die D5 und D6 einen Griff für Werkzeuge, der einen Endbereich aufweist, welcher als eine glatte Drehfläche ausgestaltet ist.
Keine dieser Druckschriften zeigt jedoch einen Griff mit sämtlichen Eigenschaften, wie sie sich aus den in den Merkmalen K1 bis K3 beschriebenen Herstellungsschritten ergeben:
Der Griff wie in der Druckschrift D1, Fig. 1, gezeigt, besteht komplett und somit auch in seinem Endbereich aus einem durchsichtigen Material (transparent material, Sp. 1, Z. 19 – 24). Der Endbereich ist als glatte Drehfläche ausgestaltet, wobei an der Innenseite ein Markierungssymbol (identification marks or insignia) angebracht ist. Der Griff mit der Markierung ist jedoch erkennbar nicht durch ein Spritzgießen mit Mehrfachschritten aus mindestens zwei Kunststoffmaterialien unterschiedlicher Farbe hergestellt (Merkmale K1 bis K3). Ein Spritzgussverfahren ist in der Druckschrift D1 auch nicht beschrieben.
Die Druckschriften D6 und deren Basisanmeldung D5 beschreiben Griffe von Werkzeugen, die an ihrem Endbereich Markierungen aufweisen. Die Offenbarungen dieser Druckschriften sind im Wesentlichen identisch, im Folgenden wird daher beispielhaft auf die Druckschrift D5 eingegangen. Wie in den Figuren 1 und 2 gezeigt und in Sp. 3, Z. 47 bis 55 beschrieben, ist die Markierung entweder durch eine Aussparung im Endbereich („integrally formed and cut into or recessed“) oder eine Erhebung im Endbereich (integrally formed and raised from the surface“) gebildet. Alternativ kann die Markierung auch so geformt sein, dass sie eben/fluchtend („formed on the butt 18 so as to be flush with the surface“) mit der Endfläche ist und somit eine glatte Drehfläche (Merkmal O2) bildet. Dass dieser Endbereich durch ein Spritzgießverfahren in Mehrfachschritten und aus mindestens zwei Kunststoffmaterialien hergestellt wird, um ein sichtbares Markierungssymbol zu bilden (Merkmale K1 und K2), ist weder der Druckschrift D5 noch der D6 zu entnehmen.
Die Druckschrift D2 offenbart einen Griff, dessen Endbereich durch Spritzgießen in Mehrfachschritten aus einem Kernteil 6 und einem darüber angeordneten Mantel 7 gebildet ist, vgl. Fig. 5. Der Mantel umhüllt den Kernteil 6 über die komplette Fläche, so dass auch kein sichtbares Markierungssymbol gebildet wird (Merkmal K3). Darüber hinaus ist dieser Druckschrift auch nicht zu entnehmen, dass zum Spritzgießen zwei unterschiedliche Kunststoffmaterialien mit unterschiedlichen Farben verwendet werden (Merkmal K2).
In den Druckschriften D3 und D8 sind Endbereiche für einen Werkzeuggriff offenbart, die jeweils aus nur einem Material bestehen, vgl. die D3, Fig. 2; die D8, Fig. 2. Somit sind diese Endbereiche auch nicht in Mehrfachschritten in einem Spritzgussverfahren hergestellt. Daher sind diesen Druckschriften auch nicht die Merkmale K1 bis K3 zu entnehmen.
Die Druckschriften D7 sowie D9 bis D11 beschreiben Spritzgießvorrichtungen bzw. Spritzgießverfahren zur Herstellung von Mehrkomponentengussteilen. Ein Griff für ein Werkzeug ist dort nicht beschrieben.
Als Druckschrift D4 hat die Klägerin einen Auszug der Wikipedia-Seite mit dem Thema Lesestein eingereicht. Zum einen ist dieses Dokument schon wegen der fehlenden nachgewiesenen Vorveröffentlichung nicht beachtlich, zum anderen wird dort kein gattungsgemäßer Gegenstand beschrieben.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Für den Fachmann am nächsten liegender Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist die Druckschrift D5.
Diese offenbart einen Griff für Werkzeuge, vgl. die Fig. 1 bis 5, der an seinem Endbereich Markierungssymbole für die Kennzeichnung des Werkzeugs aufweist. Gemäß der Beschreibung Sp. 3, Z. 43 bis 57 sind die Markierungssymbole als Aussparung, als Erhebung oder glatt/fluchtend auf der Endfläche angeordnet. Weiter gibt die Druckschrift D5 an, dass die Markierungen zu einer besseren Sichtbarmachung mit Farbe oder einer Markierungssubstanz beschichtet sein können, Sp. 5, Z. 14 bis 26.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Fachmann gelange ausgehend von der dort offenbarten technischen Lehre in nahe liegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1. Sie trägt hierzu vor, dass es dem Fachmann bekannt sei, durch Mehr- komponenten-Spritzgussverfahren auch Handgriffe herzustellen, die unterschiedliche Farben oder, wie in der Druckschrift D3 offenbart, unterschiedliche Kunststoffmaterialien aufwiesen. Darüber hinaus seien dem hier zuständigen Fachmann allgemein Spritzgussverfahren und –vorrichtungen bekannt, durch die unterschiedliche Formen auch aus mehreren Komponenten hergestellt würden. Die Klägerin verweist diesbezüglich auf die Druckschriften D7 sowie D9 bis D11. Zumindest die Druckschriften D7 und D9 zeigten dabei auch Spritzlinge, in denen Markierungssymbole auf ebenen Flächen angebracht seien. Dieses Wissen sei dem Fachmann allgemein präsent. Auch habe der Fachmann eine Veranlassung gehabt, den in der Druckschrift D5 beschriebenen Handgriff weiter auszugestalten. Denn neben den beschriebenen Alternativen eines Markierungssymbols durch Aussparung oder Erhebung im Endbereich des Handgriffs, sei dort in Sp. 3, Z. 52 bis 57 beschrieben, dass eine Markierung auch so auf den Endbereich aufgebracht werden könne, dass sie bündig mit dem Griff ausgebildet sei („The indicia 28 can also be formed on the butt 18 so as to be flush with the surface of the handle 12,…“). Dieser Hinweis veranlasse den Fachmann den Endbereich des in der Druckschrift D5 beschriebenen Handgriffs durch ein MehrkomponentenSpritzgießverfahren herzustellen, wie es ihm aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus bekannt sei. Der Fachmann gelange daher in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Entgegen der Ansicht der Klägerin, hat der Fachmann jedoch keine Veranlassung, ausgehend von der in der D5 beschriebenen technischen Lehre, das Markierungssymbol im Endbereich durch Spritzgießen mit mindestens zwei Werkstoffen herzustellen. Es ist zwar dort in Sp. 5, Z. 53 bis 57 eine Ausgestaltung mit einer glatten/fluchtenden Drehfläche des Endbereichs beschrieben, jedoch wird diese auch als nicht bevorzugt genannt. Vielmehr führt die technische Lehre der Druckschrift D5 gerade davon weg, eine glatte/fluchtende Fläche in diesem Bereich vorzusehen. Denn die bevorzugten Ausgestaltungen mit einer Aussparung oder einer Erhebung als Markierungssymbol im Endbereich des Handgriffs dienen in vorteil- hafter Weise dem Erfühlen des Werkzeugtyps bei schlechten Lichtverhältnissen, vgl. Sp. 5, Z. 9 bis 13.
Selbst wenn der Fachmann alternativ eine glatte/fluchtende Endfläche vorsehen würde, würde er das Markierungssymbol durch eine Beschichtung mit Farbe oder einer Markierungssubstanz auftragen, wie in der Sp. 5, Z. 14 bis 23 beschrieben. Einen Hinweis darauf, stattdessen ein Markierungssymbol durch ein Spritzgießen in Mehrfachschritten aus mindestens zwei Kunststoffmaterialien unterschiedlicher Farbe herzustellen, ist der Druckschrift D5 jedoch nicht zu entnehmen.
Die in den Druckschriften D7 sowie D9 bis D11 offenbarten technischen Lehren betreffen zwar Spritzgießvorrichtungen bzw. -verfahren zur Herstellung auch von Zweikomponenten-Spritzgussbauteilen. Die Druckschrift D7 beschreibt diesbezüglich ein Spritzgussverfahren zur Herstellung einer Taste für Computertastaturen. Diese Tasten weisen eine glatte Fläche mit Markierungen auf, den jeweils gewünschten Buchstaben. Ein konkreter Bezug zur Herstellung eines Griffs mit Markierungen ist in diesen Druckschriften jedoch nicht offenbart.
Der Fachmann hat daher keine hinreichend konkrete Veranlassung, die in den Druckschriften D7 sowie D9 bis D11 offenbarten technischen Lehren auf den in der Druckschrift D5 beschriebenen Handgriff anzuwenden. Vielmehr führt die Druckschrift D5 durch die beschriebenen bevorzugten Ausgestaltungen mit einem entweder erhobenen bzw. ausgesparten Markierungssymbol von einer solchen Kombination weg.
Aus den gleichen Überlegungen besteht für den Fachmann auch keine hinreichend konkrete Veranlassung, ausgehend von einer der Druckschriften D7 oder D9 bis D11 in Kombination mit der Druckschrift D5 zum Gegenstand des Streitpatents zu kommen.
Entsprechendes gilt in Bezug auf die weiteren Entgegenhaltungen D1, D2 sowie D3 und D8, die ebenfalls Griffe für Werkzeuge betreffen:
Als einzige weitere Druckschrift zur D5 offenbart die D1 einen Griff eines Werkzeugs mit einer Markierung. Diese Markierung befindet sich innerhalb des einteiligen und transparent ausgeführten Griffs, vgl. Fig. 1 und Sp. 1, Z. 19 bis 24. einen Hinweis darauf, einen Endbereich durch mehrfaches Spritzen zu Formen ist der Druckschrift D1 nicht zu entnehmen.
Die Druckschrift D2 beschreibt die Herstellung eines Endbereichs durch Spritzgießen in Mehrfachschritten. Dabei wird zunächst ein Kernteil 6 hergestellt, der bereits einen Endbereich aufweist, vgl. die Fig. 5. Dieser Kernteil wird in einem darauffolgenden Schritt mit einem Mantel 7 aus härterem Material umspritzt. Eine Anregung dazu, in dem dadurch entstehenden Endbereich ein sichtbares Markierungssymbol vorzusehen, ist der Druckschrift D2 nicht zu entnehmen.
Die Druckschriften D3 und D8 offenbaren zwar ebenfalls Griffe für Werkzeuge. Sie liegen jedoch weiter ab, da deren Endbereich des Griffs in einem Spritzvorgang hergestellt wird.
Die Druckschrift D4 ist bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit schon deshalb nicht zu berücksichtigen, da weder dessen Vorveröffentlichung nachgewiesen ist und auch mit dem dortigen „Lesestein“ kein technischer Bezug zum Gegenstand des Streitpatents vorliegt.
Nach alledem beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3. Die Patentfähigkeit der auf Anspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 wird von der Patenfähigkeit des Anspruchs 1 getragen.
III.
Der von der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2017 am 27. April 2017 beim Bundespatentgericht eingereichte Vortrag war gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Die Einreichung von Schriftsätzen war den Parteien nicht nachgelassen. Es bestand auch kein Anlass, die mündliche Verhandlung auf den vorgenannten Vortrag der Widersprechenden hin gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 PatG wiederzueröffnen.
Ein Fall der zwingenden Widereröffnung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. §§ 156 Abs. 2 Nr. 1, 139 Abs. 5 ZPO oder §§ 156 Abs. 2 Nr. 2, 579, 580 ZPO ist nicht gegeben.
Auch eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach Ermessen des Gerichts (§ 99 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. § 156 Abs. 1 ZPO) ist nicht veranlasst. Eine Wiedereröffnung nach Ermessen des Senats ist grundsätzlich auch dann nicht erforderlich, wenn – wie hier – ein Nichtigkeitskläger nach eigenem Vortrag ohne eigenes Verschulden erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung neuen, vermeintlich relevanten Stand der Technik recherchieren vermochte (vgl. zur Frage der Wiedereröffnung Busse, PatG, 8. Aufl., § 91 Rn. 9 ff.; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 91 Rn. 6; Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 296a Rn. 1 ff.; § 156 Rn. 1 ff.), denn eine solche Praxis würde der gesetzlichen Zäsurwirkung des § 296a ZPO entgegenwirken und damit eine zügige, zielgerichtete Durchführung des Verfahrens verhindern. Im Interesse einer zügigen Verfahrensabwicklung und im Interesse an der baldigen Erlangung von Rechtssicherheit für alle Beteiligten, die auch beinhaltet, das Verfahren in angemessener Zeit zu Ende zu bringen (vgl. Busse, a. a. O., Rn. 10), hat der Senat daher die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet.
Darüber hinaus kann die mit dem Schriftsatz vom 27. April 2017 eingereichte Druckschrift US 4,969,231 nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen, denn, anders als von der Klägerin behauptet, stellt auch diese die Patentfähigkeit nicht in Frage.
Wie dort den Figuren 7 und 8 sowie dem Anspruch 4 zu entnehmen, ist die Endkappe aus einem Plastikmaterial gegossen, mit einer an dem Kopfende der Endkappe integral angegossenen Größenmarkierung. Ein Hinweis darauf, diese Markierung durch Spritzgießen in Mehrfachschritten mit mindestens zwei unterschiedlich farbigen Kunststoffen auszuführen, ist dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Vielmehr führt die Angabe „integrally molded“ von einem Spritzgießen in Mehrfachschritten weg. Entgegen der Argumentation der Klägerin ergibt sich ein Hinweis bzw. eine Veranlassung auf eine Mehrfacheinspritzung auch nicht aus der Beschreibung Sp. 5, Z. 62 bis Sp. 6, Z. 4. Dort wird beschrieben, dass der Handgriff Markierungen 18 aufweisen kann, die zwischen den Rippen 19 der Hülse 16 angebracht sind. Diese Markierung 18 kann so ausgeformt sein, dass der darunterliegende Griff (handle 10) sichtbar ist. Die Markierung wird gemäß dieser Alternative somit durch eine durchgehende Aussparung ausgeführt. Der darunter liegende Griff 10 ist bevorzugt aus einem Material anderer Farbe hergestellt, so dass die Markierung besser erkennbar wird. Da die Hülse 16, wie in den Figuren 10 bis 12 gezeigt, jedoch ein separates Bauteil darstellt, das beim Zusammenbau des Handwerkzeugs über den Griff 10 geschoben wird, kann der Fachmann hieraus keinen Hinweis entnehmen, eine Markierung in einem einzigen Bauteil durch eine Mehrfacheinspritzung aus Kunststoffmaterialien unterschiedlicher Farbe herzustellen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
V.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG statthaft.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils - spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Die Berufungsschrift muss
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie - die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,
enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) auf elektronischem Weg beim Bundesgerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (www. bundesgerichtshof.de/erv.html).
Guth Heimen Ausfelder Wiegele Dr. Schwenke Pr