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III B 97/16

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 21.12.2016, III B 97/16 ECLI:DE:BFH:2016:B.211216.IIIB97.16.0 Verletzung des rechtlichen Gehörs Tenor Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 26. Mai 2016 6 K 194/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte für ihre Tochter (T) Kindergeld. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) setzte durch Bescheid vom 29. April 2014 Kindergeld ab März 2013 für T fest. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch, mit welchem sie geltend machte, ihr stehe auch für die Zeit vor März 2013 Kindergeld zu. Die Familienkasse verwarf den Rechtsbehelf durch Einspruchsentscheidung vom 14. August 2014 als unzulässig. Die Klägerin sei nicht beschwert, weil für die Zeit vor März 2013 keine ablehnende Verwaltungsentscheidung ergangen sei. Außerdem entschied die Familienkasse, dass die im Rechtsbehelfsverfahren entstandenen Aufwendungen der Klägerin nicht erstattet würden. Durch Bescheid vom 3. September 2014 setzte die Familienkasse für den Zeitraum Februar 2009 bis Februar 2013 Kindergeld in gesetzlicher Höhe fest.

Die Klägerin erhob Klage mit dem Ziel, die ihr im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen erstattet zu erhalten. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Diese sei zwar ohne ein weiteres Einspruchsverfahren zulässig, sei aber nicht begründet, da der Einspruch gegen den Bescheid vom 29. April 2014 unzulässig gewesen sei. In diesem Bescheid habe die Familienkasse keine Entscheidung für die Zeit vor März 2013 getroffen, es sei lediglich der Kindergeldantrag ab März 2013 positiv beschieden worden. Eine ablehnende Entscheidung für die Zeit vor März 2013 sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Hierfür sei nicht zuletzt die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung ein Indiz. Die Klage sei somit nicht erfolgreich i.S. von § 77 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gewesen.

Gegen das Urteil des FG wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie einen Verfahrensmangel geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zur Begründung des Verfahrensmangels trägt die Klägerin vor, das FG habe die Pflicht zur Sachaufklärung nach § 76 FGO verletzt. Entgegen der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil habe der Bescheid vom 29. April 2014 eine Rechtsbe-helfsbelehrung enthalten. Die Behauptung, der Bescheid enthalte keine Belehrung, sei erstmals in den Urteilsgründen aufgestellt worden. Letztlich liege auch eine Überraschungsentscheidung vor.

Entscheidungsgründe II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).

1. Die von der Klägerin gerügte Verletzung des Rechts auf Gehör liegt vor. Rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse; darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 155 FGO i.V.m. § 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Deshalb kann eine Verletzung des Rechts auf Gehör vorliegen, wenn das Gericht die Beteiligten nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hinweist, den es seiner Entscheidung zu Grunde legen will und der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit dem auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580; vom 14. November 2002 XI B 69/02, BFH/NV 2003, 293; vom 1. Juli 2003 III B 94/02, BFH/NV 2003, 1591).

2. Eine solche sog. Überraschungsentscheidung stellt das angefochtene Urteil dar. Das FG hat seine Rechtsansicht, wonach im Bescheid vom 29. April 2014 hinsichtlich der Zeit vor März 2013 noch keine ablehnende Verwaltungsentscheidung getroffen worden sei, u.a. darauf gestützt, dass der Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten habe. Dies trifft allerdings nicht zu, vielmehr war der Bescheid mit einer solchen Belehrung versehen. Die Klägerin, die in ihrem Vorbringen im Klageverfahren das Vorhandensein einer Rechtsbehelfsbelehrung als Indiz für eine vollständige Bescheidung des Kindergeldantrags gewertet hatte, brauchte mit einer derartigen prozessualen Wendung nicht zu rechnen.

3. Es ist angezeigt, die Vorentscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Ohne Bindungswirkung für den zweiten Rechtsgang weist der Senat darauf hin, dass es aus seiner Sicht naheliegt, den Bescheid vom 28. April 2014 als eine --in zeitlicher Hinsicht umfassende-- Verwaltungsentscheidung zu beurteilen, durch die nicht nur Kindergeld ab März 2013 festgesetzt, sondern darüber hinaus eine Festsetzung für die vorhergehende Zeit abgelehnt werden sollte. Aus der Begründung des Bescheids geht hervor, dass nach damaliger Ansicht der Familienkasse die Anspruchsvoraussetzungen (erst) ab März 2013 vorgelegen hatten, u.a. deshalb, weil die Klägerin am 15. März 2013 einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet habe. Die Klägerin als Adressatin des Bescheids konnte diesen somit dahin verstehen, dass eine Kindergeldfestsetzung für die Zeit vor März 2013 nicht in Betracht kam und deshalb abgelehnt werden sollte.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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