1 Ni 10/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 10/15 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
26. Januar 2017 …
In der Patentnichtigkeitssache …
BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 2 072 877 (DE 50 2008 003 343)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2017 durch die Richterin Grote-Bittner als Vorsitzende, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Schlenk, Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 072 877 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des europäischen Patents EP 2 072 877 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des beim Deutschen Patentund Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2008 003 343 registrierten europäischen Patents EP 2 072 877, dessen Erteilung am 27. April 2011 u. a. mit dem Bestimmungsland Deutschland veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent, das am 12. Dezember 2008 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2007 061 288.7 vom 19. Dezember 2007 angemeldet worden ist, trägt die Bezeichnung „Vorrichtung zum Verbinden von zwei Rohren mit unterschiedlichen Außendurchmessern“. Das Streitpatent umfasst 19 Ansprüche mit einem Hauptanspruch (Anspruch 1) und einem Nebenanspruch (Anspruch 14) sowie mit unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 13 bzw. auf den Anspruch 14 rückbezogenen Ansprüchen 15 bis 19. Von der Klägerin sind mit der Nichtigkeitsklage alle Ansprüche angegriffen worden.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 14 haben in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 bis 13 und 15 bis 19 wird auf die Streitpatentschrift EP 2 072 877 B1 Bezug genommen. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hier gekennzeichnet durch größeren Schriftgrad bzw. Streichung):
Die Ansprüche 2 bis 11 sowie 13 bis 19 sind gegenüber der erteilten Fassung unverändert.
Der gegenüber der erteilten Fassung geänderte Anspruch 12 nach Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gekennzeichnet durch Streichung):
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 und wegen des Wortlauts der Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen 2 bis 8 wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 7. Oktober 2016 sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die Klägerin macht im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 54 und 56 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG weder neu noch erfinderisch und damit nicht patentfähig sowie gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchstabe b), c) i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 IntPatÜbkG nicht ausführbar offenbart sei und über den Inhalt der ursprünglich eingereichten europäischen Patentanmeldung hinausgehe.
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltungen:
D1 US 3 430 989 D2 DE 1 281 759 B D3 DE 1 211 045 B D4 US 3 104 898 D5 DE 42 41 622 A1 D6 US 4 491 350 D6a DE 31 12 258 A1 D7 FR 324 139 D8 US 2 448 769 D9 US 5 039 137 D10 US 4 380 348 D11 US 4 186 948 D12 US 5 431 458 D13 US 3 801 141 D14 US 3 769 665 D15 GB 1 180 209 D16 EP 0 769 647 A1 D17 Prioritätsbescheinigung mit Anmeldeunterlagen der DE 10 2007 061 288.7 vom 19. Dezember 2007 D18 DE 10 2007 061 288 A1 D19 US 1 974 813 D20 Aussetzungsbeschluss des LG Düsseldorf vom 23. Februar 2016 D21 EP 0 125 382 A1 D22 WO 2006 / 100 628 A1.
Der Senat hat den Parteien zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung einen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 8. Juni 2016 übersandt (vgl. Bl. 190 ff. d. A.), auf den ebenfalls Bezug genommen wird.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Streitpatent sei in seiner erteilten Fassung unzulässig erweitert, da die Patentschrift in der B1-Fassung in Abs. [0008] gegenüber der Offenlegungsschrift in Abs. [0004] im Rahmen der Aufgabe die Begrifflichkeit „große Durchmesserunterschiede“ enthalte. Zudem liege eine unzureichende Offenbarung vor, da vom Schutzbereich der Ansprüche 1 und 14 auch Vorrichtungen erfasst würden, die weder eine Dichtmanschette noch Membranen noch Dichtungen aufwiesen. Der Fachmann erhalte keine Hinweise darauf, wie eine solche funktionierende Vorrichtung, die den Spalt zwischen den beiden Rohren abdichte und damit die technische Aufgabe erfülle, aufgebaut sein könnte.
Weiterhin macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des erteilten Streitpatents sei gegenüber der D18 als nachveröffentlichter Prioritätsschrift nicht neu. Die D18 offenbare eine spezifische Ausführungsform des patentierten Gegenstands des Streitpatents und nehme daher den Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg. Sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 bis 7, 12 bis 16 sowie 18 und 19 des Klagepatents seien in dem Prioritätsdokument D18 neuheitsschädlich offenbart.
Die fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Streitpatents stützt die Klägerin insbesondere auf die Kombination der Entgegenhaltungen D6 und D8, auf die Kombination von D6/D6a mit D8 oder auf die Kombination von D8 mit D6/D6a sowie auf die Kombination von D6/D6a mit D22 (als Alternative zu D8).
Die jeweiligen Fassungen der Hilfsanträge 1, 4 und 7 erachtet die Klägerin als unzulässig erweitert. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 sei u. a. das Merkmal aufgenommen, dass die Ringsegmente miteinander verrastbar seien. Dieses Merkmal finde sich nicht im erteilten Anspruch 12, sondern nur in Abs. [0040] des Streitpatents. Dort werde es aber nur in Zusammenhang mit Ringsegmenten genannt, die in axialer Richtung aneinander ansteckbar seien, was in Anspruch 1 nicht mit aufgenommen worden sei. Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 führe wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit auch nicht zur Patentfähigkeit des Klagepatents. Der Begriff „Federkorb“ sei völlig unklar und daher breit auszulegen. Somit falle auch der aus miteinander verhakten Plattensegmenten bestehende Körper der Figur 6 der D8 unter diesen Begriff. Auch die Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge 2 bis 8 seien nicht patentfähig.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 2 072 877 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen, 2. hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Hilfsanträge 1 bis 8, eingereicht mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016, unter Berücksichtigung der Korrektur in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2017, erhält.
Er tritt der Auffassung der Klägerin in allen Punkten entgegen.
In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit sei es nach Ansicht des Beklagten nicht naheliegend gewesen, die Lehren aus den Entgegenhaltungen D6 und D8 zu kombinieren. Insbesondere handele es sich bei D6 und D8 nur um funktionierende Lösungen im Hinblick auf den Ausgleich von Maßtoleranzen, nicht aber zur Überbrückung großer Durchmesserunterschiede der miteinander zu verbindenden Rohre, sodass hierzu bisher Ausgleichsringe zur Verwendung hätten kommen müssen. Diese Aufgabe der Überbrückung großer Durchmesserunterschiede sei erstmals mit der vorliegenden Erfindung gestellt und gelöst worden unter Gewährleistung einer Selbstzentrierung der Kupplung und damit Koaxialität der Rohre und einer zuverlässigen Querkraftübertragung trotz der zu überwindenden radialen Stufe. Da sowohl die D6 als auch die D8 zum Verbinden von Rohren gleichen Durchmessers dienten, wobei nur Abweichungen im Toleranzbereich kompensierbar seien, sei es unwahrscheinlich, dass der Fachmann diese beiden Schriften ohne Kenntnis der vorliegenden Erfindung am Prioritätstag als Vorbild für eine Rohrkupplung zum Verbinden von Rohren mit größerem Durchmesserunterschied aufgegriffen hätte.
Das Streitpatent sei jedenfalls in den Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 8 patentfähig, insbesondere auf erfinderischer Tätigkeit beruhend. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 werde durch das zusätzliche Merkmal „wobei der die Fixiermanschette (8) bildende Federkorb aus mehreren, zu einem geschlossenen Ring zusammengeschlossenen Ringsegmenten (40) besteht, die aneinander ansteckbar und zur gegenseitigen Fixierung miteinander verrastbar sind“ beschränkt. Dieses Merkmal stütze sich auf die Offenbarung in Abs. [0040] der Streitpatentschrift sowie einen Teil des erteilten Anspruchs 12. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit dem Anspruch 12 auf die D8, Fig. 6 verwiesen habe, bestehe der hieraus entnehmbare Ringkörper zwar aus mehreren, miteinander verhakten Segmenten; diese bestünden jedoch aus Platten und bildeten daher keinen Federkorb.
Auch die jeweiligen Fassungen der Hilfsanträge 2 bis 8 seien zulässig und auch patentfähig.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe I.
Die Nichtigkeitsklage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit, der fehlenden Ausführbarkeit und der unzulässigen Erweiterung nach Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a) i. V. m. Art. 54 und 56 EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG bzw. gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchstabe b), c) i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 IntPatÜbkG geltend gemacht werden, ist zulässig. Sie ist insoweit begründet, als das Streitpatent für nichtig zu erklären ist, soweit es über die von der Beklagten beschränkt verteidigte Fassung nach Hilfsantrag 1 hinausgeht. Das Streitpatent erweist sich in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag verteidigt wird, als nicht patentfähig. Die mit dem Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung der Patentansprüche ist dagegen zulässig und wird dem Fachmann durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt. In dieser Fassung ist das Streitpatent, das dem maßgeblichen Fachmann auch ausführbar offenbart ist, damit patentfähig. Die Klage ist daher insoweit unbegründet.
II.
II.1) Gegenstand des Patents ist eine Vorrichtung zum Verbinden von zwei unterschiedliche Außendurchmesser aufweisenden Rohren. Die Vorrichtung überspannt mit einer Manschettenanordnung die Stoßstelle der einander zugewandten Endbereiche der Rohre. Zur Manschettenanordnung gehört zumindest eine Fixiermanschette, auf der den beiden Rohren zugeordnete, umlaufende Spannschellen aufgenommen sind. Vorzugsweise weist die Manschettenanordnung auch eine von der Fixiermanschette umfasste Dichtmanschette auf (Patentschrift, nachfolgend PS, Abs. [0001]). Die Notwendigkeit zum Verbinden von Leitungen, insbesondere Rohren mit unterschiedlichen Außendurchmessern, ergibt sich, wenn unterschiedliche Wandstärken aufweisende, z. B. aus unterschiedlichen Materialien bestehende Rohre vorliegen, was im Abwasser- und Sanitärbereich häufig vorkommt. Bei den bisher gebräuchlichen Anordnungen finden dabei Ausgleichsringe Verwendung, mit denen der Durchmesserunterschied zwischen den beiden Leitungen ausgeglichen wird. Dies erweist sich jedoch als umständlich und unwirtschaftlich, da für unterschiedliche Durchmesserabstufungen unterschiedliche Ausgleichsringe bereitgehalten werden müssen. Die Ausgleichsringe befinden sich dabei radial innerhalb der Dichtmanschette und können daher auch die Dichtheit der Verbindung beeinträchtigen (PS, Abs. [0002]). Aufgabe der Erfindung ist es deshalb, eine Vorrichtung zum Verbinden von zwei Rohren mit unterschiedlichen Außendurchmessern zu schaffen, die auch bei großen Durchmesserunterschieden ohne Ausgleichsringe auskommt und dennoch eine hohe Sicherheit und Genauigkeit bietet (PS, Abs. [0008]).
Bei einer ersten Lösung ist die Fixiermanschette als Federkorb ausgebildet, der einen in sich geschlossenen, umlaufenden Ring bildet. Der Federkorb ist nicht nur in den seitlichen Anlagebereichen, sondern auch in seinem die seitlichen Anlagebereiche verbindenden Mittelbereich für eine dreidimensionale Formänderung eingerichtet (PS, Abs. [0009], [0011], Patentanspruch 1).
Bei einer zweiten Lösung ist die Fixiermanschette ein geschlossener, umlaufender Ring. Diese Fixiermanschette besteht aus aneinander anschließbaren Umfangsegmenten mit Drehfreiheitsgrad bezüglich einer radialen Achse, also einer Achse, die durch den Mittelpunkt des (runden) Rohrquerschnitts läuft. Der Mittelbereich der Umfangssegmente ist dabei mit den seitlichen Anlagebereichen über Sollbiegebereiche verbunden (PS, Abs. [0010], Patentanspruch 14).
Bei beiden Lösungen ergibt sich jeweils eine durchmesservariable Manschettenanordnung mit einer als in sich geschlossener, umlaufender Ring ausgebildeten Fixiermanschette, die an unterschiedliche, laut Streitpatent vergleichsweise große Durchmesserabstufungen anpassbar ist (PS, Abs. [0011]/Sp. 3, Z. 36–41). Die erfindungsgemäßen Vorrichtungen sollen daher für eine Vielzahl von Anwendungsfällen geeignet sein, was die Lagerhaltung vereinfacht und eine rationelle Herstellung ermöglicht (PS, Abs. [0011]/Sp. 3, Z. 41–44). Die Fixiermanschette besitzt in jedem Fall an die unterschiedlichen Durchmesser anpassbare, zylindrische Anlagebereiche und einen konisch sich einstellenden Mittelbereich. Dabei soll sich eine zuverlässige Selbstzentrierung sowie eine zuverlässige Querkraftübertragung ergeben (PS, Abs. [0011]/Sp. 3, Z. 44–49).
II.2) Merkmalsgliederung: Der erteilte Patentanspruch 1 (Hauptanspruch) lässt sich wie folgt gliedern:
M1 M2 M2.1 Vorrichtung zum Verbinden von zwei unterschiedliche Außendurchmesser aufweisenden Rohren (1, 2),
mit einer Manschettenanordnung, die die Stoßstelle zwischen den einander zugewandten Endbereichen der Rohre (1, 2) überspannt,
M2.2 M2.3 (fakultativ)
mit zumindest einer Fixiermanschette (8, 8a), auf der den beiden Rohren (1, 2) zugeordnete, umlaufende Spannschellen (12, 13) aufgenommen sind, und die vorzugsweise eine von der Fixiermanschette (8, 8a) umfasste Dichtmanschette (3) aufweist,
M3 M3.1 M3.2 M3.3 wobei jede Manschette der Manschettenanordnung an die unterschiedlichen Außendurchmesser der Rohre (1, 2) anpassbare, den beiden Rohren (1, 2) zugeordnete, zylindrische Anlagebereiche (5, 6; 10, 11) aufweist,
die jeweils durch einen in eine entsprechend der Durchmesserabstufung konische Form bringbaren Mittelbereich (7, 9) verbunden sind, wobei die Anlagebereiche (5, 6) der dem Außenumfang der beiden Rohre (1, 2) benachbarten Manschette an beiden Rohren (1, 2) in direkte Anlage bringbar sind und die Anlagebereiche (10, 11) der Fixiermanschette (8, 8a) den Spannschellen (12, 13) zugeordnete, umlaufende Aufnahmekanäle enthalten,
1M4 1M4.1 1M4.2
1M4.2.1 1M4.2.2 1M4.2.3
1M4.2.4 und wobei die Fixiermanschette (8) als in sich geschlossener umlaufender Ring ausgebildet ist, der für eine dreidimensionale Formänderung eingerichtet ist, wobei der die Fixiermanschette (8) bildende Ring als Federkorb ausgebildet ist, der mit Schlitzen (15, 15a, 16) versehen ist, die beidseitig über seinen Umfang verteilt sind, dem Mittelbereich (9) und den seitlichen Anlagebereichen (10, 11) zugeordnet sind, auf der ganzen Länge der Fixiermanschette (8) ausreichend Raum für deren dreidimensionale Formänderung geben und in axialer Richtung verlaufen;
1M4.3 wobei der Mittelbereich (9) der Fixiermanschette (8) durch seitliche Sollbiegebereiche und/oder Gelenke mit den seitlichen Anlagebereichen (10, 11) verbunden ist.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 enthält das zusätzliche Merkmal
1Hi1M4.4 und wobei der die Fixiermanschette (8) bildende Federkorb aus mehreren zu einem Ring zusammengeschlossenen Ringsegmenten (40) besteht, die lösbar aneinander ansteckbar und zur gegenseitigen Fixierung miteinander verrastbar sind.
Der nebengeordnete Patentanspruch 14 nach Hauptantrag wie auch nach Hilfsantrag 1 enthält – neben den mit dem Hauptanspruch identischen Merkmalen M1 bis M3.3 – die folgenden Merkmale (anstelle der Merkmale 1M4 bis 1M4.3 des Hauptanspruchs nach Hauptantrag):
14M4 14M4.1
14M4.2 und wobei die Fixiermanschette (8) als in sich geschlossener umlaufender Ring ausgebildet ist, der für eine dreidimensionale Formänderung eingerichtet ist, wobei die Fixiermanschette (8a) aus in Umfangsrichtung aufeinander folgenden, mit Drehfreiheitsgrad bezüglich einer radialen Achse aneinander anschließbaren Umfangssegmenten (30) aufgebaut ist,
14M4.2.1 wobei die Umfangssegmente (30) jeweils einen erhöhten Mittelsteg (31) aufweisen
14M4.2.2 und hiermit unter Bildung eines Drehgelenks in Um-
14M4.2.3 fangsrichtung aneinander ansteckbar sind und wobei der Mittelsteg (31) über Sollbiegebereiche mit seitlich abstehenden, die Anlagebereiche (10,11) bildenden Seitenflügeln (32) verbunden ist.
II.3) Zum Fachmann: Seinem sachlichen Inhalt nach wendet sich das Streitpatent an einen Techniker der Fachrichtung Maschinenbau (Ausbildung an Fachschule oder Technikerschule) mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Entwicklung von Muffen für Rohrverbindungen.
II.4) Merkmalsauslegung: Wesentlich für das Verständnis des Gegenstands nach Anspruch 1 ist die Auslegung der Merkmale M1 und M3. Bei beiden Merkmalen handelt es sich um funktionelle Merkmale, die angeben, welchen Zweck die Vorrichtung erfüllen muss, also wozu sie geeignet sein muss (vgl. GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Demnach muss die anspruchsgemäße Vorrichtung geeignet sein, Rohre zu verbinden, die jeweils unterschiedliche Außendurchmesser aufweisen. Die Ausbildung des Federkorbs nach Merkmal 1M4.2 ist anhand der dortigen Ausführungsmerkmale näher bestimmt, demnach es sich dabei um einen Ring mit Schlitzen handelt, die entsprechend den weiteren zugehörigen Merkmalen dieser Merkmalsgruppe (1M4.2.1 bis 1M4.2.4) ausgebildet sind.
II.5) Zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hauptantrag: Unabhängig von den von der Klägerin hinsichtlich des Hauptantrags geltend gemachten weiteren Widerrufsgründen (siehe hierzu nachfolgende Ausführungen zum Hilfsantrag 1), beruht der Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit.
Denn der Gegenstand nach Anspruch 1 dieses Antrags ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Zusammenschau des aus der D6a (DE 31 12 258 A1) und der D8 (US 2 448 769) Bekannten.
So lehrt die D6a, dass die dortige Vorrichtung zum Verbinden von Rohren „auch große und sehr große Abweichungen der tatsächlichen Außendurchmesser der zu verbindenden Rohrenden von den Nenndurchmessern und auch stärkere Unrundungen der Rohrenden ohne Beeinträchtigung der Dichtheit der Rohrverbindung auffangen [kann]“ (D6a, S. 8, Abs. 1). Die Ausführung der Muffe kann dabei zylindrisch geschlossen wie auch als offenes Band ausgebildet sein (D6a, S. 8, Abs. 2, Z. 1–8).
Abb. 1: Vorrichtung aus D6a, Fig. 1 Der Fachmann erkennt mit der D8, dortiger Fig. 12 (s. u.), eine mit der D6a in einschlägigem Zusammenhang stehende Hülse, die der Ausführung nach D6a, Fig. 2 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung nach D6a, S. 8, Abs. 2, Satz 1, im Aufbau gleicht. Dabei weist die Ausführung nach D6a mit dortigen Führungsrippen 4 (s. o.) zum Einlegen von Spannbändern (anstelle der „rings 13“ nach D8, Fig. 1) ein zusätzliches Ausführungsmerkmal auf.
Abb. 2: Vorrichtungen aus D8, Fig. 12 und Fig. 13 Die D8 lehrt darüber hinaus mit dortiger Fig. 13 – als Alternative zu Fig. 12 – noch eine Muffe mit einer Hülse, die vorteilhaft als Ganzes aufweitbar und verengbar ist (D8, Sp. 3, Z. 56–60 in Verbindung mit Fig. 13: „shell as a whole is expandable and contractible upon the ‚expanded metal’ principle“).
Die naheliegende Übertragung der für den Fachmann vom Verformungsverhalten als vorteilhaft erkennbaren Schlitze 33, 34 aus der D8 auf eine Vorrichtung wie nach D6a ergibt somit eine Hülse wie nach der folgenden Abbildung:
Abb. 3: Vorrichtung, wie sie sich für den Fachmann naheliegend aus der D8, Fig. 1, und D6a, Fig. 13, ergibt (Bildmontage)
Obwohl in D8, Fig. 13, als Band ausgeführt, erschließt sich dem Fachmann aus der Zusammenschau mit der D6a, dass die Hülse der D8, Fig. 13, wie in dortiger Fig. 12 (s. a. D8, Sp. 3, Z. 52–55: „endless cylindrical shell“) oder analog der D6a, Fig. 1, ebenso als geschlossener Ring ausführbar ist (vgl. D6a, Fig. 1, 2 in Verbindung mit S. 8, Abs. 2, Satz 1 wie auch D6a, S. 10, Abs. 2, Satz 1).
Demnach beruht eine Vorrichtung wie nach D6a, Fig. 1 (die prinzipiell die gleiche Schlitzanordnung wie nach D8, Fig. 12, aufweist), mit solchen Schlitzen 33, 34 wie sie in der D8, Fig. 13, als vorteilhafte, weil im Unterschied dazu über die gesamte Länge aufweitbare Alternative zu den Schlitzen 32 nach D8, Fig. 12, ausgeführt sind (D8, Sp. 1, Z. 52 f.), nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Denn bekannte alternative Ausführungen begründen keine erfinderische Tätigkeit (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 4 Rdn. 68).
So weist sowohl die Vorrichtung nach der D6a wie auch die in Kombination mit der Fig. 13 der D8 für den Fachmann naheliegende vorteilhafte Vorrichtung wie oben nach Abb. 3 folgende Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag auf: Entsprechend Merkmal M1 ist diese Vorrichtung zum Verbinden von zwei unterschiedliche Außendurchmesser aufweisenden Rohren geeignet (s. a. D6a, S. 3, Abs. 2, Z. 3: „Generell sind solche Muffen überall dort einsetzbar, wo zwei zumindest im wesentlichen koaxial zueinander angeordnete muffenlose Rohrenden, sogenannte Spitzenden, unter Stirnstoß dicht miteinander verbunden werden sollen.“; S. 8, Abs. 1, Z. 5 ff.: „Diese Einschnitte [axiale Einschnitte der Hülse] dienen dem Zweck, auch große und sehr große Abweichungen der tatsächlichen Außendurchmesser der zu verbindenden Rohrenden von den Nenndurchmessern und auch stärkere Unrundungen der Rohrenden ohne Beeinträchtigung der Dichtheit der Rohrverbindung auffangen zu können.“). Neben dem in der D6a bereits beschriebenen Auffangen großer und sehr großer Außendurchmesserabweichungen der zu verbindenden Rohre ist der mögliche Bereich der zu überbrückenden Durchmesserdifferenzen ersichtlich nur begrenzt durch die Breite und den jeweiligen Abstand der Einschnitte (D6a/obige Abb. 3: „Schlitze 6“). Der geringste Innendurchmesser der aufgrund dieser Einschnitte stegartigen oder fingerartigen Hülsenabschnitte ergibt sich dann, wenn durch Verengung des Spannbands 12 (s. D6a, Fig. 3) die jeweils einen Schlitz 6 bildenden, sich gegenüberliegenden Kanten der stegartigen oder fingerartigen Hülsenabschnitte wegen der Durchmesserverringerung gegenseitig zum Anliegen kommen, wodurch auch die Vorrichtung nach obiger Abb. 3 in der Lage ist, zwei unterschiedliche Außendurchmesser aufweisende Rohre zu verbinden.
Die naheliegende Vorrichtung nach obiger Abb. 3 zeigt auch eine Manschettenanordnung entsprechend Merkmal M2 (vgl. D6a/obige Abb. 3: „Hülse 1“, „Manschette 9“). Wie bereits oben zum Merkmal M1 ausgeführt, überspannt die Manschettenanordnung mit der Hülse 1 auch entsprechend Merkmal M2.1 die Stoßstelle zwischen den einander zugewandten Endbereichen der Rohre. Ebenfalls wie nach dem Anspruch 1 sind auf der Fixiermanschette (vgl. D6a/obige Abb. 3: „Hülse 1“) nach der D6a und weiterhin auch bei der Vorrichtung nach obiger Abb. 3, die sich aus der Übertragung der alternativen Schlitzanordnung nach Fig. 13 der D8 auf die Vorrichtung nach D6 ergibt, den Rohren zugeordnete, umlaufende Spannschellen (vgl. D6a, Fig. 3: „Spannbänder 12“) aufgenommen (Merkmal M2.2), wobei die Fixiermanschette (D6a/obige Abb. 3: „Hülse 1“) auch weiterhin eine Dichtmanschette (D6a, Fig. 3: Manschette 9 mit Außenrand 10,
ringartiger Verstärkung 11 und Dichtungselementen 14) aufweist (fakultatives Merkmal M2.3).
Wie nach Merkmal M3 weist jede Manschette der Manschettenanordnung an die unterschiedlichen Außendurchmesser der Rohre anpassbare, den beiden Rohren zugeordnete zylindrische Anlagebereiche auf (D6a/obige Abb. 3: „zylindrische Abschnitte 5“).
Dabei sind auch entsprechend dem Merkmal M3.2 die Anlagebereiche (D6a/obige Abb. 3: „zylindrischer Abschnitt 5“) der dem Außenumfang der beiden Rohre benachbarten Manschette (D6a/obige Abb. 3: „Hülse 1“) an beiden Rohren in direkte Anlage bringbar (vgl. D6a, S. 11, Abs. 3, Z. 5 ff.: „Die durch diese Radiusverkleinerung erzeugte radial einwärts gerichtete Kraft wird direkt auf den zylindrischen Abschnitt 5 der Hülse 1 und von dieser Hülse 1 auf die Manschette 9 und auf an dieser ausgeformte Dichtungselemente 14 übertragen, die den Innenmantel der Manschette gegen den Außenmantel eines eingesteckten Rohrendes abdichten.“ Weiter enthalten die Anlagebereiche (D6a/obige Abb. 3: „zylindrische Abschnitte 5“) der Fixiermanschette (D6a/obige Abb. 3: „Hülse 1“) den Spannschellen (vgl. D6a: „Spannbänder 12“ mit „Spannmitteln 13“) zugeordnete, umlaufende Aufnahmekanäle (D6a/obige Abb. 3: „Führungsrippen 4“) (Merkmal M3.3).
Auch ist die Fixiermanschette (D6a: „Hülse 1“) (Merkmal 1M4) nach D6a als in sich geschlossener umlaufender Ring ausgebildet (D6a, S. 8, Abs. 2, Z. 6–8: „wenn die Hülse nach einer Ausgestaltung der Erfindung nicht zylindrisch geschlossen, sondern als offenes Band ausgebildet ist“; auch S. 10, Abs. 2, Z. 1–4 i. V. m. Fig. 1). Diese Fixiermanschette (D6a/obige Abb. 3: „Hülse 1“) ist dabei für eine dreidimensionale Formänderung eingerichtet (D6a, S. 9, letzter Absatz f.: „Die Hülse 1 weist weiterhin mit gleichem Winkelabstand voneinander über ihren gesamten Umfang verteilt, eine Reihe axialer Schlitze 6 auf, die sich vom Außenrand 7 der Hülse 1 nach axial einwärts bis hinter die zweite ringförmige Führungsrippe 4 erstrecken. Diese Axialschlitze 6 ermöglichen, daß die in den zylindrischen Abschnitten 5 um die Hülse 1 herumgelegten Spannbänder beim Anspannen eine Durchmesserverkleinerung der Hülse 1 bewirken können. Dies dient der Erzeugung eines radial einwärts gerichteten Anpressdruckes auf die innenliegende Gummimanschette zu Dichtzwecken.“) (Merkmal 1M4.1).
Mit der für den Fachmann naheliegenden Übertragung der Alternative aus der D8, Fig. 13, nämlich jeweils von beiden Seiten über den Mittelbereich hinausgehende Schlitze auch bei der Hülse nach D6a vorzusehen (D8, Sp. 3, Z. 56–60: „notches or clefs 34, 34 from opposite ends [...] extend past the middle“), vgl. obige Abb. 3, sind auch die Merkmale der Merkmalsgruppe 1M4.2 gegeben, nämlich, dass der die Fixiermanschette bildende Ring als Federkorb ausgebildet ist, der mit Schlitzen versehen ist, die über seinen Umfang verteilt sind. Zudem sind entsprechend dem Merkmal 1M4.2.1 die Schlitze beidseitig über den Umfang des Federkorbs verteilt und dem Mittelbereich und den seitlichen Anlagebereichen zugeordnet (vgl. Abb. 3 oben) (Merkmal 1M4.2.2), sie geben auf der ganzen Länge der Fixiermanschette (D6a: „Hülse 1“) ausreichend Raum für deren dreidimensionale Formänderung (Merkmal 1M4.2.3) und verlaufen in axialer Richtung (Merkmal 1M4.2.4). Dabei ist der Mittelbereich der Fixiermanschette („sleeve 1“) durch seitliche Sollbiegebereiche mit den seitlichen Anlagebereichen (D6a/obige Abb. 3: Bereich zwischen jeweils innerer „Führungsrippe 4“ und „Außenrand“) verbunden (Merkmal 1M4.3). Die seitlichen Sollbiegebereiche werden bei der Fixiermanschette nach D6a gebildet durch die Bereiche entlang der Axialschlitze 6 im Bereich vom Schlitzgrund neben der ringförmigen Führungsrippe 4 bis zur entfernten weiteren Führungsrippe 4; dabei gilt weiterhin D6a, S. 10, Abs. 1, Z. 2–4: „Diese Axialschlitze 6 ermöglichen, daß die in den zylindrischen Abschnitten 5 um die Hülse 1 herumgelegten Spannbänder beim Anspannen eine Durchmesserverkleinerung der Hülse 1 bewirken können.“ ebenso wie D8, Sp. 3, Z. 56–60: „In Fig. 13, similar notches or clefs 33, 34 from opposite ends [...] extend past the middle, so that the shell as a whole is expandible and contractible upon the ‚expanded metal’ principle.“
Die zylindrischen Anlagebereiche (s. obige Abb. 3: linker und rechter „zylindrischer Abschnitt 5“) sind dabei ebenfalls wie anspruchsgemäß (Merkmal M3.1) jeweils durch einen in eine entsprechend der Durchmesserabstufung konische Form bringbaren Mittelbereich verbunden (siehe Abb. 3 oben mit dortigem Bereich zwischen den inneren Führungsrippen 4).
II.6) Zum Hilfsantrag 1 II.6.1) Zum Stand der Technik: Anders als von der Klägerin angegeben, bildet die D18 keinen Stand der Technik gegenüber dem Streitpatent.
Die Klägerin behauptet zwar, dass das Streitpatent die Priorität der Erstanmeldung (DE 10 2007 061 288 vom 19. Dezember 2007, s. D17, D18) nicht wirksam in Anspruch nehmen könne. Stattdessen sei daher der maßgebliche Zeitrang für das Streitpatent der Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung (d. h. der 12. Dezember 2008). Demzufolge wäre aus Sicht der Klägerin die Offenlegungsschrift DE 10 2007 061 288 A1 (D18) der Erstanmeldung (D17) als relevanter Stand der Technik zu betrachten, der der Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 nach dem Hauptantrag – und folglich auch der Neuheit des Gegenstands nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 – entgegenstünde. Hierzu führt die Klägerin an, das beklagte Patent würde in seiner erteilten Fassung die Priorität der ersten Hinterlegung deswegen zu Unrecht beanspruchen, da es Gegenstände beträfe, die in dieser Hinterlegung nicht offenbart seien. Denn Art. 87 EPÜ sehe insbesondere vor, dass eine Priorität einer früheren ersten Hinterlegung für eine spätere Anmeldung nur beansprucht werden könne, wenn und soweit diese erste Hinterlegung dieselbe Erfindung offenbare, wie sie in der späteren Anmeldung beansprucht wird. Dagegen sei der vom Anspruch 1 des Klagepatents beanspruchte Gegenstand eine Verallgemeinerung des in der Erstanmeldung (D17) offenbarten Gegenstandes. Die vom Anspruch 1 des Klagepatents mitumfassten Gegenstände seien in der Erstanmeldung nicht offenbart und dort für den Fachmann nicht als zur Erfindung zugehörend zu entnehmen. Im Detail führt die Klägerin hierzu aus, dass nach dem erteilten Anspruch 1 auch Vorrichtungen ohne Dichtmanschetten umfasst seien, während in der Erstanmeldung die dortige Vorrichtung zwingend eine Dichtmanschette aufweise. Weiterhin sei nach Merkmal 1M4.2 der die Fixiermanschette bildende Ring als Federkorb ausgebildet, der beidseitig mit Schlitzen versehen sei, wobei aber (mangels weiterer, beschränkender Merkmale) jegliche Ausführungsform dieser Schlitze umfasst sei. Dagegen betreffe die Erstanmeldung zwingend nur eine solche Vorrichtung, bei der die Schlitze randseitig offene, bis zum Mittelbereich reichende Randeinschnitte und im Wechsel hiermit angeordnete, randseitig geschlossene, zumindest über ein Teil des Mittelbereichs sich erstreckende Innenschlitze seien.
Entgegen der Auffassung der Klägerin, bildet die D18 keinen Stand der Technik gegenüber der Nachanmeldung. Dies begründet sich damit, dass innerhalb eines Anspruchs eine Teilpriorität bestehen kann, also für einen Teil des beanspruchten Gegenstands. Dies verhindert, dass – wie hier mit D18 – eine nachveröffentlichte Prioritätsanmeldung in Bezug auf diesen Teil des beanspruchten Gegenstands zum Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ wird. Einem Anspruch, der eine spezifische in der Voranmeldung offenbarte Lösung verallgemeinert (keine zwingende Dichtmanschette, allgemeinere Schlitzanordnung), steht hinsichtlich der von ihm mitumfassten spezifischen Lösung eine Teilpriorität zu, so dass eine Prioritätsanmeldung (D17/D18) diesbezüglich nicht Stand der Technik gegenüber der Nachanmeldung bildet (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 41 Rdn. 46).
Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen sind dagegen vorveröffentlicht und damit Stand der Technik.
II.6.2) Zur Zulässigkeit des Hilfsantrags 1: Die Zulässigkeit des Hilfsantrags ist gegeben. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag enthält gegenüber dem erteilten Anspruch 1 (auch Hauptantrag) das zusätzliche Merkmal 1Hi1M4.4 („und wobei der die Fixiermanschette (8) bildende Federkorb aus mehreren zu einem Ring zusammengeschlossenen Ringsegmenten (40) besteht, die lösbar aneinander ansteckbar und zur gegenseitigen Fixierung miteinander verrastbar sind.“)
Das zusätzliche Merkmal 1Hi1M4.4 im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 beschränkt den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und ist sowohl in der Patentschrift als auch in der Patentanmeldung offenbart. Denn in beiden (PS, Abs. [0039] f./OS, Abs. [0036]) ist vorgeschlagen, dass „der Federkorb aus mehreren, zu einem geschlossenen Ring zusammengeschlossenen Ringsegmenten 40 besteht“. Im unmittelbar hierzu dargestellten Beispiel sind die Ringsegmente 40 dabei zwar in axialer Richtung aneinander ansteckbar und zur gegenseitigen Fixierung miteinander verrastbar. Der Fachmann entnimmt der Beschreibung dies aber lediglich als ein mögliches Ausführungsbeispiel. Denn diese gegenseitige Fixierung und Verrastbarkeit ist auch bei anderen Ansteckrichtungen vorteilhaft: In der hierzu beschriebenen Fig. 7 ist eine offensichtliche Verrastbarkeit nicht nur in axialer Richtung (über die Verbindung Muffe 42 und Steckzunge 43), sondern auch in radialer Richtung (über die Steckelemente 45/44) gegeben. Als weiteres Stecksystem ist auch dasjenige in Fig. 12 offenbart, in dem „für eine ähnliche Ausführung wie die Figuren 6 und 7“ (PS, Sp. 13, Z. 19 f.; OS, Sp. 12, Z. 31 f.) die Steckbarkeit und Verrastung über die Steckmuffe 42 und Steckzunge 43 in Umfangsrichtung erfolgt (s. a. PS, Sp. 13, Z. 23–29; OS, Sp. 12, Z. 35–41).
Die im abhängigen – auf Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 rückbezogenen – Anspruch 12 des Hilfsantrags 1 gegenüber der erteilten Fassung gestrichenen Merkmale sind somit bereits Bestandteil des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1.
Darüber hinausgehend verfängt nicht das Argument der Klägerin, das zusätzliche Merkmal 1Hi1M4.4 des Hilfsantrags 1 fände sich weder im erteilten Anspruch 12 noch insofern im Abs. [0040] des Streitpatents, als dort dieses Merkmal nur in Zusammenhang mit solchen Ringsegmenten genannt sei, die in axialer Richtung aneinander ansteckbar seien, was aber in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nicht aufgenommen wurde und dieser daher unzulässig erweitert sei. Denn aufgrund der in den Ausführungsbeispielen nach Fig. 6, 7 sowie 11, 12 der Patentschrift (ebenso der Offenlegungsschrift) aufgezeigten Lösungen ist die offenbarte Ansteckbarkeit und Verrastbarkeit nicht auf eine axiale Richtung beschränkt.
Ebenfalls verfängt nicht die Behauptung der Klägerin, dass der Gegenstand aller Ansprüche des Streitpatents (Ansprüche 1 bis 19) bereits aufgrund der Änderung der Aufgabe, die in der Offenlegungsschrift der ursprünglichen Patentanmeldung nicht genannt sei, unzulässig erweitert sei. Denn dort sei nur auf Durchmesserunterschiede, nicht jedoch auf große Durchmesserunterschiede abgestellt. Jedoch führt diese Änderung der Aufgabe nicht zu einer Erweiterung des Inhalts der ursprünglichen Anmeldung. Denn mit der hinzugenommenen Angabe (siehe diesseitige Unterstreichung) „bei großen Durchmesserunterschieden“ wird insofern der Stand der Technik berücksichtigt, als sich das Streitpatent gegenüber solchen Rohrverbindern abgrenzt, die lediglich Toleranzen bei ansonsten nominell gleichem Außendurchmesser der Rohre überbrücken können. Zum anderen wird mit der geänderten Formulierung der Aufgabe auf solche (größeren) Durchmesserdifferenzen abgestellt, die ansonsten mittels Ausgleichsringen überbrückt werden. Dies kommt bereits in der Erstanmeldung (D17), u. a. S. 1, Z. 20 ff. bzw. S. 2, Z. 15 ff. (vgl. D18, Abs. [0002], Z. 7 ff. bzw. Abs. [0005], Z. 8 ff.) zum Ausdruck und ist somit ursprünglich offenbart.
II.6.3) Zur Ausführbarkeit: Auch die Ausführbarkeit des Gegenstands nach Hilfsantrags 1 ist gegeben.
Die Klägerin bestreitet, dass der Gegenstand u. a. des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und damit auch nach Hilfsantrag 1 so ausführbar seien, dass sie die „technische Aufgabe“ lösen könnten.
Denn das Merkmal M2.3 („[Manschettenanordnung], die vorzugsweise eine von der Fixiermanschette (8, 8a) umfasste Dichtmanschette (3) aufweist“; Unterstreichung diesseits) sei lediglich fakultativ, eine Dichtungsmanschette somit nicht zwingend.
Lediglich für den Fall wie in Abs. [0017] des Streitpatents wäre die Aufgabe lösbar, wonach Manschettenanordnungen ohne Dichtungsmanschette vorgesehen sein können, diese dann jedoch zwingend faltenbalgartige Membranen aufweisen müssten, sowie weitere Dichtungen erforderlich wären. Membrane und Dichtungen wären daher zwingende Merkmale bei einer Ausführungsform ohne Dichtungsmanschette (wie eben beim Anspruch 1).
Doch unabhängig davon, dass die Aufgabe (PS, Abs. [0008]) keine Dichtigkeit der Rohrverbindung fordert, genügt es für die Ausführbarkeit der Erfindung, wenn ein Fachmann anhand der Angaben in der Anmeldung (nicht etwa allein der Angaben im Anspruch) unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Auflage, § 34 Rdn. 349). Selbst wenn die von der Klägerin angeführte erforderliche Dichtigkeit als Aufgabe der erfindungsgemäßen Rohrverbindung zuträfe, wäre eine solche, auch ohne Dichtmanschette, in der PS mit den Ausführungsbeispielen ab der Fig. 15 der PS offenbart (s. a. PS, Abs. [0045] ff.).
II.6.4) Zur Patentfähigkeit: Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Er erweist sich damit entgegen den von der Klägerin vorgebrachten Angriffen als patentfähig.
Der hierzu vorgelegte druckschriftliche Stand der Technik zeigt weder eine Vorrichtung mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1, noch vermag der klägerische Vortrag zu belegen, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 in naheliegender Weise aus dem in das Verfahren eingeführten druckschriftlichen Stand der Technik oder in Verbindung mit Fachwissen ergibt.
Die Klägerin gibt hierzu an, dass ein Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch die Entgegenhaltungen D6A und D8 nahegelegt sei, wobei auch der aus miteinander verhakten Plattensegmenten bestehende Ringkörper der Figur 6 der D8 unter den im Merkmal 1Hi1M4.4 angeführten Federkorb fiele und daher der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 nicht erfinderisch sei gegenüber den Druckschriften D6A und D8.
Dies trifft jedoch nicht zu, da die Fig. 6 der D8 keinen Hinweis auf Schlitze gibt, wie sie in der Merkmalsgruppe 1M4.2 (mit 1M4.2.1 bis 1M4.2.4) gefordert sind. Solche Schlitze sind nur in der Fig. 13 der D8 aufgezeigt, der aber wiederum ein Merkmal wie nach 1Hi1M4.4 fehlt.
Auch eine Übertragung der Hülse nach D8, Fig. 13, auf eine Hülse wie nach D6A unter weiterer Hinzunahme der aus D8, Fig. 6, bekannten, gebogenen Bleche mit ihrer Haken- und Löcherverbindung ist für den Fachmann nicht naheliegend. Denn nach der Ausführung der D8, Fig. 6, halten die dortigen gebogenen Hülsenblechteile 22 („arcuate sheet-metal shell members“) von selbst zu einer Hülse zusammen, da sie jeweils mit Haken („hooks 23“) und damit korrespondierenden Löchern („holes 24“) versehen sind, die miteinander verhaken, wenn die Hülse gegen das „deformable member“ zusammengedrückt wird. Zu der Ausführung nach Fig. 6 gehören deswegen keine Spannbänder. Eine Übertragung der Ausführung nach D8, Fig. 6, mit dortigen mehreren Blechteilen auf eine solche Hülse, wie sie sich aus einer Zusammenschau der Hülse nach D6a mit der Ausführung wie nach D8, Fig. 13 ergäbe, ist somit nicht naheliegend. Denn das Funktionsprinzip des Eigenzusammenhalts der Hülsenblechteile der Ausführung nach D8, Fig. 6, ist nicht auf eine Hülse wie nach D6a mit einer solchen Schlitzanordnung wie nach D8, Fig. 13, übertragbar. Der offensichtliche Vorteil der Ausführung nach D8, Fig. 6, beruht nämlich auf dem Zusammenhalt der gebogenen Blechhülsenteile („arcuate sheet-metal shell members 22, 22“) durch gegenseitige Verhakung mit einer zusätzlichen Vorspannung durch den flexiblen, deformierbaren Innenteil, so dass deswegen Spannringe (wie in D8, Fig. 13) o. ä. überflüssig sind.
Bei einer Schlitzanordnung wie nach D8, Fig. 13, ist die Außenhülse dagegen so über die ganze Länge flexibel (D8, Sp. 3, Z. 58 f.: „shell as a hole is expandable and contractible“), dass bei einer mehrteiligen Ausführung wie nach Fig. 6 (mit Schlitzen wie nach Fig. 13) für eine ausreichend stabile Verbindung der Rohrenden weiterhin zwingend Spannringe erforderlich wären. Damit aber wäre der Vorteil einer mehrteiligen Ausführung wie nach D8, Fig. 6, bei einer Hülse wie nach D6a mit einer Schlitzanordnung wie nach D8, Fig. 13, nicht mehr gegeben. Somit fehlt dem Fachmann ein Anlass, überhaupt eine Hülse wie nach D6a mit einer Schlitzanordnung wie nach D8, Fig. 13, aus mehreren Segmenten wie nach D8, Fig. 6, auszuführen.
Damit ist ein Gegenstand wie nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 mit einem Merkmal 1Hi1M4.4 in einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen D6a und D8 für den Fachmann nicht naheliegend und somit patentfähig.
Die weiteren ins Verfahren eingeführten Druckschriften sind hinsichtlich des Hilfsantrags 1 nicht entscheidungserheblich; sie liegen weiter ab. Somit können die im Verfahren befindlichen Druckschriften weder alleine, noch in Kombination untereinander oder in Verbindung mit dem Fachwissen einen Gegenstand wie nach dem geltenden Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nahelegen.
II.6.5) Zur Patentfähigkeit des Nebenanspruchs 14 gemäß Hilfsantrag 1: Der Gegenstand des (gegenüber der Patentschrift unveränderten) nebengeordneten Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist ebenfalls neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
Zum Nebenanspruch 14 gibt die Klägerin lediglich an, dass ein segmentweiser Aufbau aus der D8 bekannt sei (Klageschrift, S. 25, Kap. 3.14). Ein erhöhter Mittelbereich sei aus den Druckschriften D10 und D13 bekannt.
Da aus der von der Klägerin angeführten Druckschrift D8 mit dortiger Fig. 6 kein erhöhter Mittelsteg hervorgeht (fehlendes Merkmal 14M4.2.1) verweist sie auf die Entgegenhaltung D10, alternativ auf die Druckschrift D13, die dies jeweils aufzeigen sollen. Unabhängig von weiteren Merkmalen geht aus keiner der von der Klägerin hierzu angeführten Druckschriften (einschl. D6) überhaupt eine Anregung dafür hervor, die Fixiermanschette aus in Umfangsrichtung aufeinander folgenden, mit Drehfreiheitsgrad bezüglich einer radialen Achse aneinander anschließbaren Umfangssegmenten aufzubauen (fehlendes Merkmal 14M4.2).
Bereits aus diesem Grund ist daher ein Gegenstand wie nach Anspruch 14 gemäß Hilfsantrag 1 nicht naheliegend und beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit.
Weiterer Stand der Technik wurde hierzu nicht angeführt. Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften stehen der Patentfähigkeit des Nebenanspruchs 14 nicht entgegen.
II.6.6) Die geltenden Unteransprüche 2 bis 13 und 15 bis 19 betreffen jeweils zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruch 1 bzw. 14. Sämtliche Unteransprüche sind jeweils direkt oder indirekt auf den Hauptanspruch (Anspruch 1) bzw. Nebenanspruch (Anspruch 14) rückbezogen und werden von diesem mitgetragen. Daher sind die Unteransprüche ebenfalls patentfähig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der nach Hilfsantrag 1 als schutzfähig verbleibende Patentgegenstand gegenüber demjenigen der erteilten Fassung nicht unerheblich eingeschränkt ist. Er betrifft nämlich gegenüber dem erteilten Anspruch 1 nur noch solche Vorrichtungen zum Verbinden von zwei unterschiedlichen Rohren, bei denen – neben den bereits erteilten Merkmalen – nun zusätzlich der die Fixiermanschette bildende Federkorb aus mehreren zu einem Ring zusammengeschlossenen Ringsegmenten besteht, die lösbar aneinander ansteckbar und zur gegenseitigen Fixierung miteinander verrastbar sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.
IV. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Bevollmächtigen schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
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