Paragraphen in 10 W (pat) 49/14
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BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 49/14 Verkündet am 3. Juni 2014
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 198 57 074 …
BPatG 154 05.11
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hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Lischke sowie der Richter Hermann, Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Univ. Richter beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Gegen das am 10. Dezember 1998 angemeldete Patent 198 57 074, dessen Erteilung am 6. August 2009 veröffentlicht worden ist, ist am 5. November 2009 Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf Grund der Anhörung vom 29. September 2010 beschlossen, das Patent zu widerrufen.
Die Patentabteilung hat den Beschluss damit begründet, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert sei. Hierbei seien nicht alle Merkmale der Zuspanneinrichtung der diesbezüglich voll umfänglich in Bezug genommenen EP 0636216 B1 in den geltenden Anspruch aufgenommen worden, so dass durch diese Verallgemeinerung nunmehr ein Gegenstand beansprucht werde, der in dieser Form nicht offenbart gewesen sei.
Im Beschwerdeverfahren sind von den Beteiligten aus der Vielzahl der Entgegenhaltungen des Einspruchsverfahrens u.a. die Druckschriften D1: D2: D5: D8:
D9: D11:
DE 197 43 538 A1 US 4 440 267 A DE 40 36 272 A1 Prof. Dr.-Ing. Wallentowitz: Gutachten zum Offenbarungsinhalt der DE 197 43 538 A1 der WABCO Perrot Bremsen GmbH EP 0 636 216 B1 DE 31 47 575 A1 herangezogen worden, wobei es sich bei der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten D1 um eine ältere, nachveröffentlichte Patentanmeldung handelt.
Zur Stütze ihrer Argumentation hat die Patentinhaberin im Hinblick auf verschiedene Brems-Betätigungsvorrichtungen die Schriften P1 bis P7 angeführt, von denen insbesondere die P7: WO 98/06608 A2 in der mündlichen Verhandlung behandelt worden ist.
Gegen den o.g. Beschluss richtet sich die am 14. Februar 2011 eingegangene Beschwerde der Patentinhaberin, die mit Schriftsatz vom 25. Februar auch begründet worden ist. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 sind noch zwei Hilfsanträge für den Fall eingereicht worden, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben wird.
Die Patentinhaberin führt in ihrer Beschwerdebegründung und in der Verhandlung aus, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht unzulässig erweitert und nicht durch die D1 neuheitsschädlich vorweggenommen sei; des Weiteren werde er auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt, wobei von der D9 als nächstkommendem Stand der Technik auszugehen sei.
Die Einsprechende tritt der Auffassung der Pateninhaberin in allen Punkten entgegen, wobei diese den Streitgegenstand, ausgehend von der D2, als nahegelegt ansieht; bei den in den Hilfsanträgen hinzugenommenen Merkmalen handele es sich lediglich um fachmännische Maßnahmen, die ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.
Die Beschwerdeführerin und Patentinhaberin stellte sinngemäß die Anträge aus der Beschwerdebegründung vom 14. Februar 2011 sowie dem Schriftsatz vom 21. Mai 2014,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent im erteilten Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise im Umfang der am 23. Mai 2014 eingegangenen Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 oder 2 beschränkt aufrecht zu erhalten.
Die Beschwerdegegnerin und Einsprechende stellte sinngemäß den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise im Falle der Zulässigkeit der gerügten Änderungen in Anspruch 1 die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zuzulassen.
Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
„Pneumatisch betätigte Scheibenbremse für Nutzfahrzeuge, mit a. einem Schiebesattel (2), der dazu ausgelegt ist, Zuspannkräfte auf Bremsbacken beidseits einer Bremsscheibe (3) zu übertragen, im wesentlichen als rechteckiges, geschlossenes Rahmenelement mit Armen (2a - 2d) ausgebildet ist, welches die Bremsscheibe (3) und den Bremsträger (3) übergreift; b. eine Zuspannvorrichtung, die einen Bremszylinder, einen Hebel und einen Exzenter aufweist; c. wobei die Bremsbacken in Belagschächten (1i, 2e) derart angeordnet sind, dass bei Bremsungen auftretende Kräfte im Wesentlichen in Umfangsrichtung auf die Wandungen der Belagschächte übertragen werden, d. einem Bremsträger (1), welcher den Schiebesattel über Schiebeführungselemente trägt und an einer Fahrzeugachse angeordnet ist und den einen Belagschacht (1i) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß e. in den Bremsträger (1) wenigstens ein Element (1b) der Fahrzeugachse integriert ist; und f. der Schiebesattel (2) an seinem im Einbauzustand zur Fahrzeugaußenseite liegenden Abschnitt mit dem anderen Belagschacht (2e) zur Aufnahme der bei Bremsungen auftretenden Umfangskräfte versehen ist.“
Dem Anspruch 1 nach Hauptantrag wird in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 die Merkmalsgruppe
„und der Bremsträger (1) an seinem im eingebauten Zustand zur Fahrzeuginnenseite liegenden Bereich unlösbar einstückig mit dem wenigstens einen Element (1b) der Fahrzeugachse verbunden ist.“
und in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 die Merkmalsgruppe
„und der Bremsträger (1) an seinem im eingebauten Zustand zur Fahrzeuginnenseite liegenden Bereich unlösbar einstückig durch Schweißen mit dem wenigstens einen Element (1b) der Fahrzeugachse verbunden ist.“
hinzugefügt. Bezüglich der Fassungen der jeweiligen Unteransprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. In der Sache ist sie jedoch nicht erfolgreich, da der beanspruchte Gegenstand nicht patentfähig ist.
1. Die geltenden Ansprüche nach Haupt- und Hilfsanträgen sind zulässig. Der erteilte Anspruch 1 ist durch die Aufnahme des ursprünglich offenbarten Anspruchs 6 als Merkmalsgruppe „f“ und die Merkmale, dass der Bremsträger „den einen Belagschacht (1i) aufweist“, was aus der Offenlegungsschrift, Spalte 4, 2. Absatz i.V.m. Figur 1a hervorgeht, in den ursprünglichen Anspruch 1 gebildet worden; des Weiteren ist auch noch die Merkmalsgruppe „b“ hinzugefügt worden. In dieser wird „eine Zuspannvorrichtung, die einen Bremszylinder, einen Hebel und einen Exzenter aufweist,“ beansprucht, wobei in der ursprünglichen Offenbarung (s.a. Sp. 3, Z. 60 bis 65 der OS) die Aufzählung neben den drei wörtlich erwähnten Bestandteilen noch ein „usw.“ aufweist und bezüglich des Aufbaus der Zuspannvorrichtung vollumfänglich auf die gattungsbildende EP 0 636 216 B1 verwiesen wird.
Die Patentabteilung ist in ihrem Beschluss der Auffassung der Einsprechenden gefolgt, dass hierdurch eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vorgenommen worden sei, die durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt sei. Dabei handele es sich um eine „beschränkende Erweiterung“, bei der der ursprünglich beanspruchte Gegenstand durch weitere Merkmale zwar beschränkt werde, jedoch durch die unvollständige Übernahme aller in diesem Zusammenhang offenbarten Merkmale nunmehr auch Ausführungsformen umfasse, die so nicht offenbart gewesen wären.
Dieser Argumentation wird nicht gefolgt. Unstrittig ist, dass durch die zusätzliche Aufnahme der ursprünglich offenbarten Merkmale „b“ der beanspruchte Gegenstand beschränkt wird, nämlich durch die Festlegung auf eine spezielle Zuspannvorrichtung. Dabei reichen die in der ursprünglichen Offenbarung durch ihre wörtliche Nennung als wesentlich hervorgehobenen Bestandteile Bremszylinder, Hebel und Exzenter aus, um einem Fachmann eindeutig vorzugeben, welche Art der Zuspannvorrichtung für die Scheibenbremse vorzusehen ist. Als Fachmann wird im vorliegenden Fall ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinen- oder Fahrzeugbau mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung von Gleitsattelbremsen, insbesondere für Nutzfahrzeuge, angesehen. Durch die Aufnahme dieser drei Merkmale ist eine eindeutige Abgrenzung der beanspruchten, lateral angeordneten und betätigten Zuspannvorrichtung gegenüber anderen bekannten Betätigungsvorrichtungen, wie z.B. axiale oder tangentiale Betätigung mittels Kugelrampen, Bewegungsgewinden, wie sie bspw. in der D8 aufgeführt sind, gegeben. Darüber hinaus ist die Patentinhaberin allerdings nicht genötigt, alle für die vollständige Funktion der Zuspannvorrichtung erforderlichen oder förderlichen Merkmale, die in der diesbezüglichen Merkmalsaufzählung durch „usw.“ zusammengefasst sind, in den Anspruch aufzunehmen. Dienen nämlich mehrere in der Beschreibung einer Ausführungsform genannten Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es die Patentinhaberin in der Hand, ob sie ihr Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer). Dabei wird der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang unter dem Begriff „usw.“ solche Merkmale subsumieren, die zwar für die Funktionsweise der Zuspannvorrichtung und bauliche Ausführung noch erforderlich/förderlich sind, z.B. die Rollenlagerung des Exzenterhebels, jedoch im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand bzw. Lehre, nämlich der Gewichts- und Bauraumreduzierung bei einer pneumatisch betätigten Scheibenbremse bei gleichzeitiger Integration von Elementen der Fahrzeugachse in den Bremsträger, nicht relevant sind. Auf Grund der Aufnahme aller konkret genannten Komponenten der Zuspannvorrichtung handelt es sich außerdem um einen Gegenstand, den der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung unmittelbar entnehmen konnte, so dass er gegenüber dem angemeldeten Gegenstand auch kein „aliud“ darstellt.
In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass in den ursprünglichen Beschreibungsunterlagen in Spalte 1, Zeilen 41 bis 45, bei der Funktionsbeschreibung der Zuspannvorrichtung der D9 neben den drei in den Anspruch 1 aufgenommenen Bestandteilen noch weitere Merkmale, unter anderem auch die Rollenlagerung des Exzenterhebels sowie eine Brücke und Gewinderohre mit Stempel zur Krafteinleitung auf die Bremsbacke, aufgeführt sind. Eine derartige Beschreibung dient nämlich dazu, die Funktionsweise so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann diese nachvollziehen kann, zwingt die Patentinhaberin aber nicht dazu, den zu schützenden Gegenstand hierauf vollständig zu beschränken. Dies gilt ebenfalls für die Beschreibungsstelle in Spalte 3, Zeilen 60 bis 65 der OS, in der bezüglich des Aufbaus vollumfänglich auf die gattungsbildende EP 0 636 216 B1 verwiesen wird. Eine vollständige Aufnahme aller in der in Bezug genommenen Schrift aufgeführten Merkmale der Zuspannvorrichtung wäre unvereinbar mit der Freiheit der Patentinhaberin, ihr Patent im Rahmen des ursprünglich Offenbarten nach Belieben einschränken zu können; im Übrigen würde eine derartige Handhabung zu einem unüberschaubaren Anspruch führen, was mit Rücksicht auf das Allgemeininteresse an überschaubaren Schutzrechten nicht geboten ist.
Der Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 ist somit ursprünglich offenbart und durch die aufgenommenen Merkmale in zulässiger Weise eingeschränkt.
Dies gilt auch für die weiteren Ansprüche 2 bis 11. Der erteilte Anspruch 2 ist aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3 gebildet worden, wobei der Bremsträger (1) an seinem im eingebauten Zustand zur Fahrzeuginnenseite liegenden Bereich unlösbar einstückig mit dem wenigstens einen Element (1b) der Fahrzeugachse verbunden ist. In dem auf Anspruch 2 rückbezogenen Anspruch 3 erfolgt die unlösbar einstückige Verbindung durch Schweißen. Dieses Merkmal wird in der Offenlegungsschrift, Spalte 4, 1. Satz, in der Weise offenbart, dass der Bremsträger 1 unlösbar mit dem Achsschenkel verbunden ist, und zwar „z.B. durch Verschweißen“. Somit ist das Verschweißen als eine grundsätzlich mögliche Verbindungsmethode offenbart, wobei es als unschädlich angesehen wird, dass diese Offenbarung nur bei einem konkreten Ausführungsbeispiel erfolgt ist. So ist es für den Fachmann offensichtlich, dass sich diese Offenbarung in der Weise verallgemeinern lässt, dass dieses gängige Verbindungsverfahren auch für andere Elemente der Fahrzeugachse anwendbar ist, zumal es bei der konkret beschriebenen Ausführungsform auch nur beispielhaft als eine mögliche Verbindungsmethode angeführt worden ist und keine weiteren, darüber hinaus gehende Wirkungen, Vorteile oder auch Einschränkungen damit verbunden sind. Der Inhalt der weiteren Ansprüche 4 bis 11 wird durch die ursprünglich eingereichten Ansprüche gedeckt.
Die Ansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 2 wurden durch Hinzunahme der Merkmale aus den erteilten und, wie zuvor ausgeführt, als zulässig erachteten Ansprüchen 2 bzw. 3 (siehe oben) gebildet und sind damit ebenfalls zulässig; gleiches gilt für die auf sie rückbezogenen Unteransprüche.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist neu.
Aus dem vorliegenden Stand der Technik geht keine pneumatisch betätigte Scheibenbremse hervor, bei der die Zuspannvorrichtung einen Bremszylinder, einen Hebel und einen Exzenter aufweist, in deren Bremsträger wenigstens ein Element der Fahrzeugachse integriert ist und deren Schiebesattel zur Aufnahme der bei Bremsungen auftretenden Umfangskräfte versehen ist.
Dies gilt auch für die ältere, nachveröffentlichte Patentanmeldung nach der DE 197 43 538 A1, die bei einem Neuheitsvergleich zu berücksichtigen ist. Diese Schrift betrifft eine Gleitsattel-Scheibenbremse für ein Landfahrzeug. Über die Art der Betätigung finden sich in der Beschreibung und in den Ansprüchen keinerlei Hinweise, was von der Einsprechenden auch nicht bestritten wird. Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass der Fachmann in den Figuren 1 und 2 die Merkmale Bremszylinder, Hebel und Exzenter in diesen Figuren ohne Weiteres ergänze. Dabei könne er die nicht dargestellten Merkmale aufgrund der abgebildeten Ausführungsform mit einer hochgesetzten Druckdose an einem Übergangshöcker bzw. Dom, der auf Grund des Hebels erforderlich sei, mittels seines allgemeinen Fachwissens ergänzen, zumal auf Messen und zahlreichen Veröffentlichungen diese Bauform einer pneumatischen Zuspannvorrichtung der Fachwelt publik gemacht worden ist (vgl. D8, insb. Bild 1, Bild 3) und sich auch auf dem Markt durchgesetzt hat (vgl. D8, Bild 4). Sie argumentiert, dass auf Grund dessen der Fachmann an Hand der in der Figur 1 der D1 gezeigten äußeren Erscheinungsform gleichzeitig auch den ihm bekannten inneren Aufbau der in der Fachwelt bekannten Druckluftbremse voraussetzen würde.
Diese Auffassung entspricht allerdings nicht dem gebotenen Maßstab, demnach die Offenbarung unmittelbar und eindeutig zu sein hat, wobei sich die Merkmale dem Fachmann ohne weiteres aus der Offenbarung ergeben müssen. Hier mangelt es bereits daran bzw. ist nicht eindeutig offenbart, ob es sich bei dem in Figuren 1 und 2 der D1 dargestellten Zylinder um einen pneumatisch betätigten Bremszylinder handelt. So offenbart der in Figur 4 der P7 dargestellte Zylinder 40 rein äußerlich ebenfalls eine vergleichbare Bauform und Anordnung wie diejenige in Figur 1 der D1, wobei es sich bei der P7 jedoch um eine elektrische Scheibenbremsenbetätigung handelt (siehe Figur 5 der P7). Auch wenn auf Grund der Bekanntheit der pneumatisch betätigten Bremsen diese am ehesten in Betracht ge- zogen werden könnte, so kann dennoch eine andere Betätigung, wie z.B. nach der P7, nicht ausgeschlossen werden bzw. möglich sein. Damit mangelt es der D1 bereits an einer eindeutigen Offenbarung eines Bremszylinders für eine pneumatisch betätigte Bremse, so dass die Neuheit des Streitgegenstandes gegenüber der D1 gegeben ist; dies gilt auch hinsichtlich der weiteren nicht offenbarten Merkmale, insbesondere des ebenfalls nicht in der D1 offenbarten Exzenters.
Die gattungsgemäße Schrift nach der D9 zeigt in den Figuren 1 und 2 eine pneumatisch betätigte Gleitsattelscheibenbremse für Nutzfahrzeuge (s.a. Spalte 1, 1. Absatz), die die Merkmale „a“ bis „d“ aufweist. Der Figur 2 der D9 ist dabei ein Bremsträger entnehmbar, an dem der Bremssattel 2 über zwei Führungen 51, 52 gehalten wird; des Weiteren ist für den Fachmann in der Figur 2 erkennbar, dass der rechte Bremsbelag 10 in einem Belagschacht des Bremsträgers in Umfangsrichtung anliegt bzw. dort abgestützt wird und der Bremsträger die Bremsscheibe 1 umgreift (siehe die symmetrisch um die Bremsscheibe angeordneten „Rechtecke“ ober- und unterhalb der Bremsscheibe 1, sowie Text in Sp. 5, Z. 14 bis 18). Aus der D9 gehen allerdings nicht die Merkmalsgruppen „e“ und „f“ des Kennzeichenteils hervor, demgemäß in den Bremsträger wenigstens ein Element der Fahrzeugachse integriert ist und der reaktionsseitige Bremsbelag die Umfangskräfte über den Schiebesattel abführt; letzteres wird der Fachmann auch dem Aufbau der D9 nicht implizit entnehmen, da bei einer solchen Ausgestaltung bzw. Wirkungsweise das Umgreifen der Bremsscheibe durch den Bremsträger überhaupt nicht erforderlich wäre, was bei der D9, wie zuvor ausgeführt, jedoch der Fall ist.
Die D2 offenbart eine Gleitsattelscheibenbremse („floating caliper disc brake“ 10) mit einem Schiebesattel („caliper“ 11), der entsprechend der Merkmalsgruppe „a“ dazu ausgelegt ist, die Zuspannkräfte auf Bremsbacken („friction elements“ 18, 19) beidseits einer Bremsscheibe („disc“ 20) zu übertragen und im Wesentlichen als rechteckiges Rahmenelement mit Armen („inboard leg“ 16, „outboard leg“ 15,
Brückenglieder „bridge portion“ 17) ausgebildet ist, das die Bremsscheibe 20 und den Bremsträger („anchor“ 13) zumindest in axialer Richtung übergreift (vgl. Figuren 1 und 3). Die kolbenseitige „inboard“-Bremsbacke 19 wird über Lappen 27L, 27R in Ausnehmungen 26L, 26R des Bremsträgers 13 geführt, der an der Achse befestigt ist (siehe Figur 4); in vergleichbarer Weise wird auch die außenliegende „outboard“-Bremsbacke 18 über Zapfen 24L, 24R in Zapfenführungen 25L, 25R des Schiebesattels 11 aufgenommen (siehe Figur 5). Über diese Aufnahmen werden die bei Bremsungen auftretenden Kräfte im Wesentlichen in Umfangsrichtung auf die Wandungen der Zapfenführungen übertragen. Dabei können die formschlüssigen Zapfenführungen entsprechend der Festlegung und der wörtlichen Nennung in Beschreibungsabsatz 19 der Streitpatentschrift als „Belagschacht“ angesehen werden, womit diese Ausführungsform unter den Wortlaut des Patentanspruchs 1 fällt. Damit sind neben den Merkmalen „c“ und „d“ auf Grund der Funktions- und Bauweise der Bremse auch diejenigen der Merkmalsgruppe „f“ gegeben, da bei der Bremse nach der D2 die auf die äußere Bremsbacke 18 wirkenden Bremskräfte vom Bremssattel 11 aufgenommen und über diesen auf den Bremsträger 13 übertragen werden (siehe auch Sp. 4, Z. 10 bis 15). Entsprechend der Figur 4 ist der Bremsträger 13 auch integral mit der Fahrzeugachse ausgeführt, wobei der U-förmige Bremsträger 13 direkt, d.h. ohne Verbindungsmittel und damit unlösbar, mit dem rohrförmigen Achskörper verbunden ist (Merkmalsgruppe „e“). Da bei dem Ausführungsbeispiel nach der D2 die Scheibenbremse allerdings hydraulisch betätigt wird (vgl. Figur 6, Bez. 22, 23, i. V. m. Sp. 1, Z. 61 bis 64), unterscheidet sich die Bremse nach der D1 vom Gegenstand nach Anspruch 1 dadurch, dass beim Streitgegenstand die Bremse pneumatisch über einen Bremszylinder, einen Hebel und einen Exzenter zugespannt wird (vgl. insb. Merkmale „b“), so dass auch hier die Neuheit gegenüber der D2 gegeben ist.
Die weiteren Schriften liegen weiter ab vom beanspruchten Gegenstand und sind von der Einsprechenden auch nicht im Hinblick auf die Neuheit herangezogen worden.
3. Der Gegenstand nach Anspruch 1 beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dem Patent liegt gemäß Beschreibungsabsatz 6 die Aufgabe zu Grunde, eine pneumatisch betätigte Scheibenbremse für Nutzfahrzeuge zu schaffen, bei der der von der Bremse beanspruchte Bauraum und das Gewicht an der Achse reduziert und sowohl der Einbau- als auch Fertigungsaufwand verringert werden können. Bei den genannten Aufgabenstellungen, d.h. Gewichts- und Bauraumreduzierung sowie Verringerung der Herstellungsaufwands handelt es sich um Anforderungen, die ein Fachmann bei seiner Tätigkeit grundsätzlich berücksichtigen wird.
Unter diesen Gesichtspunkten wird die D2 als nächstkommender Stand der Technik angesehen, wobei in dieser Schrift eine Scheibenbremse dargestellt und beschrieben ist, welche die Merkmale „a“ sowie „c“ bis „f“ des Anspruch 1 aufweist (siehe Neuheitsvergleich unter Punkt 2.). So zeichnet sich diese Scheibenbremse durch einen Bremsträger aus, der die Bremsscheibe nicht umgreift, wodurch sowohl Bauraum als auch Gewicht eingespart werden und die Bremsscheibe nicht mehr durch den Bremsträger begrenzt wird. Für den Fachmann ergibt sich hieraus der offensichtliche Vorteil, dass zur Montage der Bremsscheibe der Bremsträger weder demontiert werden muss noch aufwändige Ersatzlösungen wie geteilte Bremsscheiben oder Bremsträger (siehe bspw. Figuren 6 und 7 der D5, Bez. 2 und 3) vorgesehen werden müssen. Deshalb kann der Bremsträger bei der D2 auch ohne zusätzliche Vorkehrungen fest mit der Achse verbunden werden (siehe Figur 4), was fertigungstechnisch ebenfalls gewisse Vorteile und Einsparungen mit sich bringt. Schließlich gibt die D2 in Spalte 1, Zeilen 45 bis 51, auch den Hinweis, dass die in ihr beschriebene Bremse nicht nur auf solche mit hydraulisch betätigten Zuspannvorrichtungen beschränkt ist, sondern auch solche umfasst, die mit anderen Medien oder anderen Vorrichtungen betätigt werden können. Auf Grund dieses Hinweises ist der auf dem Nutzfahrzeugsektor tätige Fachmann angeregt, die bereits von ihrer Grundkonstruktion her gesehen vorteilhafte Bremse mit einer pneumati- schen Zuspannvorrichtung auszustatten, um eine Scheibenbremse für Nutzfahrzeuge mit den vorgenannten Vorteilen zu erhalten. Von den zum Zeitpunkt der Anmeldung bekannten Zuspannvorrichtungen bei Nutzfahrzeugen, wie sie beispielsweise im Überblick in der D8 dargestellt werden, zeichnet sich insbesondere die der D9 zugrunde liegende Zuspannvorrichtung durch ihre einfache Bauweise mit einem Bremszylinder, Hebel und einem Exzenter aus; dabei liegt der D9 ebenfalls die Aufgabenstellung zugrunde, die Herstellungs- und Montagekosten zu verringern (vgl. Sp. 2, Z. 45 bis 50, der D9). Des Weiteren wird durch die D8 belegt, dass gerade dieser Typ der Zuspannvorrichtung (nach der D9) Anfang der 90er Jahre, d.h. vor dem Anmeldezeitraum, in der Fachwelt einschlägig bekannt war (Bilder 1 bis 3, 12) und sich ab Mitte der neunziger Jahre in dem wachsenden Markt von Druckluft-Scheibenbremsen für Nutzfahrzeuge steigenden Zuspruchs erfreute (vgl. Bild 4). Dadurch ist der Fachmann ebenfalls auf die Verwendung dieser Art der Zuspannvorrichtung für eine pneumatische Bremsenbetätigung hingeführt worden. Somit gelangt der Fachmann durch das Vorsehen der pneumatischen Zuspannvorrichtung nach der D9 bei der Scheibenbremse nach der D2 in nahe liegender Weise zu einer pneumatisch betätigten Scheibenbremse gemäß Anspruch 1, die für Nutzfahrzeuge mit einer Druckluftbremsanlage geeignet ist.
Der Einwand der Patentinhaberin, dass die in der D2 angeführte Textstelle in Spalte 4, Zeile 15 bis 21, von der patentgemäßen Grundkonstruktion wegführe, kann nicht überzeugen, da es sich hierbei lediglich um mögliche alternative Ausgestaltungen der Bremsbelagaufnahmen im Bremssattel oder im Bremsträger handelt, auf die sich die Gleitsattelführung nach der D2 ebenfalls übertragen lässt.
4. Die Gegenstände nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 oder 2 sind ebenfalls nicht patentfähig. Wie bereits zuvor ausgeführt worden ist, zeigt die D2 in Figur 4 einen Bremsträger 13, der an seinem im eingebauten Zustand zur Fahrzeuginnenseite liegenden Bereich (siehe bspw. Figur 1) ohne irgendwelche Verbindungsmittel, d.h. unlösbar einstückig, mit dem wenigstens einen Element der Fahrzeugachse, hier dem runden Achsrohr, verbunden ist. Damit ergibt sich gegenüber dem Gegenstand nach Anspruch 1 nach Hauptantrag kein Überschuss, der eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte, d.h. dieser wird ebenfalls durch den Gegenstand der D2 in Verbindung mit der D9 nahegelegt. Daher ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass als Verbindungsmethode für den Bremsträger mit wenigstens einem Teil der Fahrzeugachse konkret das Verschweißen beansprucht wird. Dabei handelt es sich jedoch um eine geläufige fachmännische Maßnahme, die ursprünglich nur als beispielhafte, d.h. als eine von mehreren möglichen Verbindungsmethoden offenbart war (siehe Punkt II.1.) und im einschlägigen Stand der Technik für derartige Verbindungen zwischen Bremsträger und Achsrohr hinreichend bekannt ist (vgl. D11, Figur 1, Bez. 26, 29, sowie Text auf Seite 6, vorletzter Absatz, vorletzter Satz). Deshalb ist diese Maßnahme ebenfalls durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt und damit nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit. Damit ist auch der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht gewährbar.
5. Mit den nicht gewährbaren Ansprüchen 1 nach Haupt- oder Hilfsanträgen sind auch die jeweils hierauf rückbezogenen Unteransprüche nicht gewährbar (BGH GRUR 1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“ in Verbindung mit BGH GRUR 1980, 716, 718 „Schlackenbad“).
6. Da dem Hauptantrag der Einsprechenden stattgegeben worden ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die hilfsweise beantragte Zulassung der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof.
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4 . ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Lischke Hermann Dr. Großmann Richter Hu
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