Paragraphen in X ZR 57/19
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 57/19 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 3. August 2021 Pawlik Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2021:030821UXZR57.19.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm für Recht erkannt:
Die Berufungen gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 29. Mai 2019 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 145 729 (Streitpatents), das am 18. September 1997 unter Inanspruchnahme der Prioritäten zweier dänischer Anmeldungen vom 18. September und 1. November 1996 angemeldet worden ist und ein Blasenkatheter-Set betrifft. Patentanspruch 1, auf den zehn weitere Ansprüche zurückbezogen sind, hat im Einspruchsverfahren folgende Fassung erhalten:
A urinary catheter assembly comprising at least one urinary catheter, the catheter having a catheter tube coated on its external surface on a substantial part of its length from its distal end with a hydrophilic surface layer in the form of a hydrophilic coating intended to produce a low-friction surface character of the catheter by treatment with a liquid swelling medium prior to use of the catheter and a catheter package made of a gas impermeable material formed by a multiple layer thermoplastic film material comprising aluminium, the package having a cavity for accommodation of the catheter, wherein the cavity accommodates said liquid swelling medium for provision of a ready-to-use catheter assembly.
Die Klägerin, die aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat dieses insgesamt angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Schutzrechts gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig; zudem sei die Erfindung nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der geltenden Fassung und hilfsweise in neun geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit dem dritten Hilfsantrag verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
I. Das Streitpatent befasst sich mit einem Set aus mindestens einem Katheter zur Entleerung der Harnblase und einer Verpackung, die den Katheter aufnimmt.
1. Nach der Beschreibung des Streitpatents waren im Stand der Technik Katheter bekannt, auf deren Spitze vor der Einführung in die Harnröhre ein gelartiges Gleitmittel aufgetragen wird. Für solche Katheter gab es Verpackungen, die einen aufreißbaren Beutel mit dem Gleitmittel umfassten (Abs. 3).
Bei Blasenkathetern für den intermittierenden Gebrauch sei es von besonderer Bedeutung, dass der Katheter leicht durch die Harnröhre gleite, ohne diese zu verletzen. Dafür seien Katheter mit reibungsarmer Oberfläche entwickelt worden, auf die sich die Erfindung beziehe. Die reibungsarme Oberfläche werde durch eine hydrophile Schicht erzielt, typischerweise eine Beschichtung, die vor dem Gebrauch mit einem flüssigen Quellungsmedium in Kontakt gebracht werde (Abs. 4).
Außerhalb einer klinischen Umgebung werde als Quellungsmedium meist Leitungswasser verwendet. Zur Verringerung von Infektionsrisiken sei es wünschenswert, dass die Umgebung und das Quellungsmedium möglichst sauber und antiseptisch seien. Dies könne mit Schwierigkeiten verbunden sein, wenn der Katheter außerhalb der häuslichen Umgebung verwendet werde, weil öffentliche Toiletten für behinderte Patienten oft schwer zugänglich seien oder unzulängliche hygienische Verhältnisse böten (Abs. 7).
2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, ein Blasenkatheter-Set bereitzustellen, das eine hygienische und sichere Anwendung möglichst unabhängig von der Umgebung ermöglicht.
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent ein Blasenkatheter-Set vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1 A urinary catheter assembly compris- Ein Blasenkatheter-Set, umfassend ing at least one urinary catheter,
zumindest einen Blasenkatheter,
2a having a catheter tube coated on its mit einer Katheterröhre, die auf ihrer external surface on a substantial part äußeren Oberfläche auf einem weof its length from its distal end with a sentlichen Teil ihrer Länge von ihrem hydrophilic surface layer in the form of distalen Ende aus mit einer hydrophia hydrophilic coating len Schicht in Form einer hydrophilen Beschichtung versehen ist;
2b intended to produce a low-friction sur- diese dient dazu, einen reibungsarface character of the catheter by treat- men Charakter der Oberfläche des ment with a liquid swelling medium Katheters durch Behandlung mit eiprior to use of the catheter nem flüssigen Quellungsmedium vor dem Gebrauch des Katheters zu erzeugen; a catheter package eine Katheterverpackung
3a made of gas impermeable material formed by a multiple layer thermoplastic film material comprising aluminium aus gasundurchlässigem Material, das aus einem mehrschichtigen thermoplastischen Filmmaterial besteht, das Aluminium enthält,
3b the package having a cavity for accommodation of the catheter mit einem Hohlraum zur Aufnahme des Katheters,
3c the cavity accommodates said liquid swelling medium for provision of the ready-to-use catheter assembly.
in dem das flüssige Quellungsmedium zur Bereitstellung eines gebrauchsfertigen Katheter-Sets untergebracht ist.
4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
a) Zu Recht ist das Patentgericht zu der Auffassung gelangt, dass der Anspruch nicht auf intermittierende Katheter beschränkt ist, also solche, die nur für den einmaligen kurzfristigen Gebrauch bestimmt sind.
Zwar trifft es zu, dass sich die in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Probleme unzureichender hygienischer Bedingungen regelmäßig nicht stellen, wenn ein Dauerkatheter gelegt werden soll, da dies zumeist in einer Klinik oder im häuslichen Umfeld des Patienten geschieht. Im Patentanspruch hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden.
b) Aus Merkmal 2 a, wonach die hydrophile Schicht aus einer Beschichtung besteht, ergibt sich, dass die Katheterröhre selbst aus einem anderen Material bestehen muss.
aa) Eine Beschränkung auf eine bestimmte Art der hydrophilen Beschichtung ist dem Anspruch nicht zu entnehmen. Wie sich aus dem Zusammenhang mit Merkmal 2 b ergibt, ist maßgeblich, dass die Beschichtung so beschaffen ist, dass bei Kontakt mit einem flüssigen Quellungsmedium eine reibungsarme Oberfläche erzeugt wird.
Die Beschreibung nimmt insoweit Bezug auf Dokumente des Standes der Technik, aus denen Katheter mit hydrophiler Beschichtung bekannt seien, und führt beispielhaft die europäische Patentanmeldung 217 771 (NK26), die internationale Anmeldung 94/16747 (NK27) und die europäische Patentanmeldung 586 324 (NK28) an (Abs. 2). Diese nennen eine Vielzahl von bekannten hydrophilen Polymeren als geeignet (NK26, S. 2 Z. 50 ff. NK28, S. 5 Z. 19 ff.). Die Aufzählung umfasst jeweils auch Polyvinylpyrrolidon (PVP), ist aber auf dieses nicht beschränkt.
bb) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist nicht festgelegt, wie die Beschichtung aufgebracht wird.
Die Beschreibung nimmt wegen der Ausgestaltung der Beschichtung auf den Stand der Technik Bezug (Abs. 20). Dieser zeigt unterschiedliche Möglichkeiten zum Aufbringen einer hydrophilen Schicht auf.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich aus dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch, wie er in Lehrbüchern (Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 18. Auflage, 1994, KAP27, S. 3) oder der DIN 8580 (Juni 1974, KAP15a S. 4) dokumentiert ist, keine zusätzlichen Einschränkungen. Die dort vorgenommene Definition, wonach als Beschichten nur das Aufbringen einer fest haftenden Schicht aus einem formlosen Stoff anzusehen ist, nicht aber das Aufbringen flächiger Gebilde, bezieht sich auf Herstellungsverfahren. Merkmal 2 a gibt indes nur eine Produkteigenschaft vor, nicht aber ein bestimmtes Verfahren zur Erzielung dieser Eigenschaft.
c) Mit der in Merkmal 2 b definierten Anforderung, dass die hydrophile Schicht so ausgestaltet sein muss, dass sie bei Behandlung mit einem flüssigen Quellmedium eine geringe Reibung aufweist, grenzt sich das Streitpatent von den bereits erwähnten, in der Beschreibung als konventionell bezeichneten GelKathetern ab, deren Oberfläche eine zu starke Reibung aufweist und deshalb mit einem gelartigen Gleitmittel bestrichen werden muss.
d) In zeitlicher Hinsicht gibt Merkmal 2 b nur vor, dass die Behandlung mit dem flüssigen Quellungsmedium vor dem Gebrauch des Katheters möglich sein muss. Nach der in erster Linie verteidigten Anspruchsfassung ergeben sich daraus keine weitergehenden Festlegungen in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem dies erfolgt. Insbesondere ist danach nicht erforderlich, dass die Aktivierung erst unmittelbar vor dem Einsatz des Katheters erfolgt.
Die Beschreibung des Streitpatents sieht ausdrücklich vor, dass das Quellungsmedium schon bei der Herstellung des Sets in den Hohlraum gegeben und hierdurch die hydrophile Beschichtung der Katheterröhre sogleich aktiviert wird (Abs. 13 und Abs. 29).
Das in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellte Ausführungsbeispiel umfasst zusätzlich einen Speicherkörper, der in einem erweiterten Bereich (12) des Hohlraums angeordnet ist.
Dieser Speicherkörper kann aus schwammartigem oder gelähnlichem Material bestehen (Abs. 23). Bei dieser Ausführungsform erfolgt die Aktivierung der hydrophilen Oberfläche nach der Beschreibung des Streitpatents erst vor dem Gebrauch des Katheters, indem beispielsweise Druck auf den Bereich 12 ausgeübt werde, so dass das flüssige Quellungsmedium aus dem Speicherkörper in den Bereich 11 fließe (Abs. 25).
Diese Ausgestaltung wird in der Beschreibung als vorzugswürdig bezeichnet (Abs. 30). Sie ist aber nicht zwingend erforderlich (Abs. 29) und in der in erster Linie verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 nicht zwingend vorgesehen.
e) Aus Merkmal 3 c ergibt sich ferner, dass sich das Quellungsmedium in demjenigen Hohlraum befinden muss, der zur Aufnahme des Katheters vorgesehen ist.
Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend und insoweit unbeanstandet angenommen hat, Ausführungsformen ausgeschlossen, bei denen der Hohlraum zur Aufnahme des Katheters und der Hohlraum, in dem das Quellungsmedium untergebracht ist, durch eine gasundurchlässige Barriere voneinander getrennt sind. Ob eine nur für Flüssigkeiten, nicht aber für Gas undurchlässige Barriere vorhanden sein darf, ist, wie nachfolgend noch darzulegen sein wird, für die Entscheidung über den Rechtsbestand des Patents nicht erheblich.
f) Als gasundurchlässig im Sinne von Merkmal 3 a ist nach der Beschreibung ein Material anzusehen, das ein Verdampfen des Quellungsmediums über die empfohlene Haltbarkeitsdauer hinaus verhindert. Die Haltbarkeitsdauer kann nach der Beschreibung bis zu fünf Jahren betragen; typisch seien 36 Monate (Abs. 10). Ein fester Mindestwert ergibt sich daraus nicht.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Bereits in diesen sei eine integrale Ausbildung der beiden Verpackungsteilräume für den Katheter und das flüssige Quellmedium offenbart, die es ermögliche, dass Flüssigkeit und Dampf zur Katheteroberfläche gelangten.
Die beanspruchte Erfindung sei auch so offenbart, dass ein Fachmann, ein Ingenieur der Medizintechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Blasenkathetern und ihrer Verpackung, sie ausführen könne. Da das Streitpatent sich nicht näher zur hydrophilen Beschichtung verhalte, werde der Fachmann sich insoweit in den einschlägigen Dokumenten informieren. Hinweise auf Schwierigkeiten bei der feuchten Lagerung eines solchen Katheters fänden sich dort nicht.
Ein Blasenkatheter-Set nach Patentanspruch 1 sei zwar neu, jedoch durch den Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt nahegelegt.
Es könne offenbleiben, ob die deutsche Offenlegungsschrift 25 11 198 (NK18) bzw. das parallele US-Patent 4 026 026 (NK19), die chinesische Patentanmeldung 1106744 (NK24), die japanische Patentanmeldung Sho 55-12265 (NK31) oder die internationale Patentanmeldung 97/26937 (NK73) beachtliche Ausgangspunkte bildeten. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 habe für den Fachmann jedenfalls ausgehend von der internationalen Patentanmeldung 96/30277 (NK29) auf der Hand gelegen.
NK29 sei zwar im Prioritätsintervall veröffentlicht worden, aber dennoch beachtlicher Stand der Technik, da das Streitpatent die Prioritäten der dänischen Patentanmeldungen 102396 (NK15) und 124496 (NK16) nicht wirksam in Anspruch nehme. Dort sei ein mehrschichtiges Filmmaterial, das Aluminium enthalte, nicht offenbart.
NK29 beschreibe eine Verpackung mit einem Hohlraum zur Aufnahme des Katheters. Dieser Hohlraum sei auch dafür gedacht, das flüssige Quellungsmedium zur Bereitstellung eines gebrauchsfertigen Katheters aufzunehmen. Zwar offenbare NK29 nicht unmittelbar eine Ausführungsform, bei der das Quellungsmedium bereits in der Verpackung enthalten und der Katheter gebrauchsfertig sei. Aus der Beschreibung ergebe sich jedoch, dass die Verpackung auch für einen gebrauchsfertigen Katheter, d.h. einen bereits angefeuchteten hydrophilen Katheter geeignet sei. Die NK29 gebe damit dem Fachmann die unmittelbare Anregung, das Quellungsmedium als Bestandteil der Verpackungsanordnung bereitzustellen, zumal entsprechende Komplettlösungen bei Gel-Kathetern bereits verwirklicht gewesen seien. NK29 offenbare auch eine gasundurchlässige Verpackung. Zudem sei als Verpackungsmaterial auch ein Laminat mit Metallfolien angesprochen, das als besonders dampfundurchlässig bekannt sei.
Auch die mit den Hilfsanträgen 1 und 2 verteidigten Gegenstände seien nicht patentfähig.
Dagegen sei das Streitpatent in der Fassung von Hilfsantrag 3 rechtsbeständig. Das danach zusätzlich vorgesehene Merkmal 4, wonach das flüssige Quellungsmedium in einem Speicherkörper aus einem schwammartigen oder gelähnlichen Material in dem Hohlraum aufgenommen ist, sei nicht nahegelegt gewesen. Zwar möge es geläufigem Fachwissen entsprechen, dass ein Schwamm Flüssigkeiten binden und aufbewahren könne. Auch weise die US-amerikanische Anmeldung 5 334 166 (NK76) auf die Möglichkeit hin, einem Katheter-Set einen Schwamm zur Befeuchtung der hydrophilen Beschichtung eines Katheters beizufügen. Dort werde der Schwamm jedoch trocken verpackt und erst beim Einsatz angefeuchtet. Auch aus dem US-amerikanischen Patent
163 448 (NK79) ergebe sich keine weitergehende Anregung. Da dieses Dokument ein Kondom und dessen Verpackung betreffe, sei bereits zweifelhaft, ob es Berücksichtigung finde, wenn es um die Verbesserung der Verpackung eines Blasenkatheters gehe. Eine Anregung zur dort vermittelten Lehre ergebe sich daraus jedenfalls deshalb nicht, weil es dort nicht um eine konkurrierende Speicherung des Quellungsmittels gehe.
III. Diese Beurteilung hält den Berufungsangriffen beider Parteien im Ergebnis stand.
1. Das Erlöschen des Streitpatents steht der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage nicht entgegen, weil die Beklagte die Klägerin wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch nimmt.
2. Zu Recht und insoweit auch von der Klägerin nicht angegriffen ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung, die das Streitpatent im Einspruchsverfahren erhalten hat, neu ist.
a) In der internationalen Patentanmeldung 96/30277 (NK29) sind die Merkmale 3 a und 3 c nicht offenbart.
aa) NK29 beschreibt eine Verpackung, die eine hygienisch einwandfreie Anwendung eines Katheters ermöglichen soll.
Nach NK29 sind für Injektions- oder Akupunkturnadeln oder für Tupfer Verpackungen bekannt, die aus zwei Folien bestehen, die in den Endbereichen leicht auseinandergezogen werden können. Dies ermögliche es, den betreffenden Gegenstand zu verwenden, ohne ihn zu berühren (S. 1).
Ausgehend hiervon schlägt NK29 eine Verpackung für einen Blasenkatheter vor, die aus zwei im Wesentlichen rechteckigen, am Rand miteinander verbundenen Folienzuschnitten besteht. An den beiden schmalen Seiten reichen die
- 12 Nähte nicht ganz bis an den Rand. Dies erlaubt es dem Anwender, die Folien zu greifen und auseinander zu ziehen, um die Verpackung zu öffnen. 46 Ein Ausführungsbeispiel ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 5 und 6 dargestellt.
Wird die Verpackung wie in Figur 6 an der Seite geöffnet, an der sich das distale Ende des Katheters befindet, kann dieser nach und nach in die Harnröhre eingeführt werden, ohne dass er unmittelbar berührt werden muss (S. 2).
Wird ein Katheter mit einer hydrophilen Beschichtung verwendet, kann die Verpackung so gestaltet sein, dass sie wie in Figur 5 zunächst am entgegengesetzten Ende geöffnet wird, um ein Quellungsmedium einzuführen, mit dem der Katheter in einen gebrauchsfertigen Zustand versetzt wird (S. 2 Z. 32 bis S. 3 Z. 5, S. 4 Z. 3-6, S. 5 Z. 16-23, S. 7 Z. 23 bis S. 8 Z. 4).
Die Folienzuschnitte können einschichtig oder als Laminat unter Verwendung von Kunststoff, Metallfolien oder Papier gefertigt sein (S. 6 Z. 6-8). Bei dem oben dargestellten Ausführungsbeispiel besteht die dem Betrachter zugewandte Vorderseite der Verpackung aus einer durchsichtigen Plastikfolie und die Rückseite aus einem Laminat mit einer innen angeordneten Plastikfolie und einer zusätzlichen äußeren Lage. Wenn die Sterilisation mit Gas erfolgen soll, kann die äußere Lage aus gasdurchlässigem Papier bestehen und in der damit verbundenen Plastikfolie zumindest eine Öffnung angebracht sein (S. 3 Z. 20-34; S. 7 Z. 14-22).
Abschließend weist NK29 darauf hin, das Verfahren und der Applikator gemäß der Erfindung seien nicht auf die Verwendung in Verbindung mit einem Katheter der Art beschränkt, der vor der Anwendung benetzt werden müsse. Sie könnten in gleichem Maße mit einem Katheter der Art verwendet werden, der in einem gebrauchsfertigen Zustand verpackt (packed in a ready-for-insertion state) sei (S. 8 Z. 30-35).
bb) Damit sind die Merkmale 1 bis 2 b und 3 b offenbart.
Hinsichtlich der hydrophilen Beschichtung verweist NK29, ebenso wie das Streitpatent, auf Katheter, wie sie aus NK26 und NK27 bekannt sind.
cc) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass NK29 Merkmal 3 a nicht vorwegnimmt.
Aus der Aufzählung der allgemein als geeignet eingestuften Materialien und dem Hinweis, dass bei einer Gassterilisation gasdurchlässige Materialien vorteilhaft sind, ergibt sich zwar unmittelbar und eindeutig, dass je nach Ausgestaltung und Einsatzzweck auch der ausschließliche Einsatz von gasundurchlässigen Materialien in Betracht kommt. NK29 spricht auch ausdrücklich die Möglichkeit an, einen Folienzuschnitt zu verwenden, der aus einem Laminat von Kunststoff und Metall oder Papier besteht (S. 6 Z. 6-8). Dagegen ist ein mehrschichtiges Filmmaterial, das Aluminium enthält, nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
dd) Nicht offenbart ist ferner, dass der Hohlraum zur Aufnahme des Katheters zugleich das Quellmedium aufnimmt, wie dies Merkmal 3 c vorsieht.
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch durch die internationale Anmeldung 97/26937 (NK73) nicht vollständig offenbart.
aa) NK73 beschreibt eine Vorrichtung zum Befeuchten eines hydrophil beschichteten Blasenkatheters.
NK73 führt aus, solche Katheter müssten vor der Anwendung befeuchtet werden, etwa mit Wasser oder Kochsalzlösung. Für Gelkatheter seien Sets beschrieben, bei denen das Gel in einem separaten, aufreißbaren Beutel enthalten oder dem Urinsammelbehälter beigefügt sei. Für hydrophile Katheter sei es bekannt, ein Behältnis bereitzustellen, in dem der Katheter befeuchtet und gelagert werden könne. Das benötigte Wasser müsse aber vom Nutzer gesondert bereitgestellt werden, was vielfach unbequem sei (S. 2 unten).
NK73 schlägt vor, einen Behälter, der später Urin aufnehme, so auszugestalten, dass er einen schmalen, langen Fortsatz aufweise, in den der Katheter aufgenommen und befeuchtet werden könne. Ferner könne in dieses Behältnis ein gesonderter Behälter integriert sein, der Wasser oder Kochsalzlösung enthalte und, etwa durch Druck, geöffnet werden könne. Der Urinsammelbehälter, das Behältnis für Wasser und der Katheter könnten gemeinsam verpackt sein
(S. 10 unten). Während der Katheter mit Ethylenoxid sterilisiert werde, müssten Wasser oder Kochsalzlösung nicht sterilisiert werden. Daher bestehe der Wasserbehälter vorzugsweise aus einem Material, das für Wasser und Ethylenoxid undurchlässig sei, etwa aus Aluminiumfolienlaminat (S. 5, S. 10).
bb) Damit ist ein Blasenkatheter-Set mit den Merkmalen 1 bis 3 und Merkmal 3 b vorweggenommen.
cc) Dagegen ist Merkmal 3 a nicht offenbart.
Die Sterilisation des Katheters und des Urinsammelbehälters soll nach NK73 mit Ethylenoxid erfolgen. Daraus ergibt sich, dass der Behälter gasdurchlässig sein muss. In Einklang damit schlägt NK73 nur für das gesonderte Behältnis für Wasser oder Kochsalzlösung die Verwendung eines gasundurchlässigen Materials vor.
dd) Zudem fehlt es an einer Vorwegnahme von Merkmal 3 c.
Das Wasser oder die Kochsalzlösung, die jeweils als Quellungsmedium dienen, befinden sich nach NK73 nicht im gleichen Hohlraum wie der Katheter, sondern in einem separaten, flüssigkeits- und gasundurchlässigen Behältnis.
c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch in der deutschen Offenlegungsschrift 2 511 198 (NK18) und dem damit inhaltlich übereinstimmenden US-Patent 4 026 296 (NK19) nicht vollständig offenbart.
aa) NK19 erläutert, ein Katheter bestehe aus Gummi oder weichgemachtem Polyvinylchlorid und damit aus einem Material, das einen hohen Reibungskoeffizienten aufweise und kein Wasser oder wässrige Lösungen aufnehmen könne.
Daher sei bereits vorgeschlagen worden, den Katheter in dem Bereich, der in den Körper eingeführt werden solle, mit einer schlüpfrigen Schicht zu versehen. Diese könne etwa dadurch hergestellt werden, dass der Katheter ganz oder teilweise aus einem hydrophilen Copolymer bestehe und die äußere Schicht des Teiles, der in den Körper eingeführt werde, neutralisierte Anionen in seitlichen Substituenten enthalte (Sp. 2 Z. 8-13). Stattdessen könnten auch übliche röhrenförmige Instrumente aus Gummi oder weichgemachtem PVC mit einer Schicht aus hydrophilen Acrylnitril-Copolymeren versehen werden, etwa durch Eintauchen in oder Bestreichen mit einer entsprechenden Lösung oder dadurch, dass die Katheterröhre mit einem dünnen Hydrogelröhrchen überzogen werde (NK19 Sp. 5 Z. 53-62).
Eine solche hydrophile Schicht quelle beim Kontakt mit Wasser zu einem Hydrogel auf. Dies könne auch genutzt werden, um ein Arzneimittel verzögert freizugeben (NK19 Sp. 2 Z. 18-20).
Die dafür zu verwendenden Stoffe und Herstellungsverfahren werden anhand verschiedener Beispiele erläutert. Nach Beispiel 1 wird der Katheter nach dem Sterilisieren mit Ethylenoxid zusammen mit 20 ml einer physiologischen Lösung, die gegebenenfalls Arzneimittel enthält, in eine sterile Packung aus einer Polypropylenfolie gasdicht eingeschlossen (NK19 Sp. 8 Z. 53-56, Sp. 9 Z. 39 f.).
bb) Ein Blasenkatheter-Set nach NK19 nimmt neben den Merkmalen 1 bis 3 und 3 b auch Merkmal 3 c vorweg.
NK19 offenbart Gestaltungen, bei denen eine aus anderem Material bestehende Röhre mit einer Schicht aus hydrophilem Material versehen ist, die bei Kontakt mit einem flüssigen Quellungsmedium schlüpfrig wird, und nimmt daher auch Merkmale 2 a und b vorweg. Wie oben dargelegt wurde, ist das Streitpatent nicht auf eine hydrophile Beschichtung aus PVP beschränkt.
Allerdings ist in NK19 nicht ausdrücklich erläutert, dass die physiologische Lösung, die im Beispiel näher als physiologische Kochsalzlösung beschrieben wird (Sp. 9 Z. 43), in der angegebenen Menge geeignet ist, die hydrophile Beschichtung der Katheterröhre zu aktivieren. NK19 zufolge weist jedoch der in den Beispielen 1 und 2 beschriebene Katheter bei der Anwendung eine sehr schlüpfrige Oberfläche auf, ohne dass von einer Befeuchtung der hydrophilen Schicht in einem gesonderten Verfahrensschritt die Rede ist.
cc) Nicht vorweggenommen ist Merkmal 3 a.
NK19 spricht zwar von einer Verpackung aus gasdichter Polyethylenfolie, doch ist nicht offenbart, dass es sich um ein mehrschichtiges Filmmaterial handelt, das Aluminium enthält.
3. Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung, die das Streitpatent im Einspruchsverfahren erhalten hat, ausgehend von NK29 nahegelegt war.
a) Dem Patentgericht ist darin zuzustimmen, dass die NK29 bei der Prüfung der Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist, obwohl sie erst am 3. Oktober 1996 und damit im Prioritätsintervall veröffentlicht worden ist.
Das Streitpatent kann die Prioritäten der dänischen Patentanmeldungen 102396 und 124496 (NK15 und NK16) aus den vom Patentgericht angegebenen Gründen nicht wirksam in Anspruch nehmen.
b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergibt sich aus dem in NK29 enthaltenen Hinweis auf die Möglichkeit eines Einsatzes mit gebrauchsfertigen Kathetern allerdings keine eindeutige Anregung, die dort offenbarte Verpackung auch für Katheter mit einer bereits aktivierten hydrophilen Beschichtung einzusetzen.
Gegen den vom Patentgericht angenommenen Offenbarungsgehalt spricht schon der Umstand, dass sich NK29 eingehend mit der Frage befasst, wie der Katheter mit von außen zugeführtem Wasser aktiviert werden kann, eine Aktivierung vor dem Verpacken hingegen nicht anspricht. Zwar werden in NK29 auch Gel-Katheter nicht ausdrücklich erwähnt. Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Patentgerichts aber kein zwingender Umkehrschluss dahingehend, dass sich der Hinweis in NK29 auf Blasenkatheter mit bereits aktivierter hydrophiler Beschichtung bezieht. Da NK29 weder aktivierte Katheter mit hydrophiler Beschichtung noch Gel-Katheter ausdrücklich anspricht, fehlt es vielmehr an einer ausreichenden Grundlage, um dem Hinweis auf gebrauchsfertige Katheter einen hinreichend konkreten Bedeutungsgehalt beimessen zu können.
Dies gilt umso mehr, als NK29 Blasenkatheter mit einer reibungsverringernden Beschichtung in den einleitenden Bemerkungen lediglich als besonders geeignetes Einsatzgebiet für die Anwendung der Erfindung hervorhebt (S. 1 Z. 3-7). Dies lässt sogar die Möglichkeit offen, dass sich der abschließende Hinweis nicht auf Blasenkatheter der einen oder anderen Art bezieht, sondern auf Katheter für andere Einsatzzwecke.
c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht allein dadurch veranlasst, dass, wie zugunsten der Klägerin angenommen werden kann, aus den Kreisen der Nutzer von Blasenkathetern mit hydrophiler Beschichtung bereits vor dem Prioritätszeitpunkt der Wunsch nach einer Verpackung geäußert worden war, die das Quellungsmedium umfasse.
Aus diesem Wunsch ergab sich nicht die Anregung, das Quellungsmedium und den Katheter im gleichen Hohlraum der Verpackung aufzubewahren.
d) Ausgehend von NK29 war der Gegenstand von Patentanspruch 1 aber durch NK19 nahegelegt.
aa) Der mit der Verbesserung der in NK29 offenbarten Verpackung befasste Fachmann hatte Anlass, nach Möglichkeiten zu suchen, um einen Katheter mit hydrophiler Beschichtung unabhängig von der Verfügbarkeit von hinreichend sauberem Wasser aktivieren zu können.
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand Veranlassung, unter diesem Gesichtspunkt auch die aus dem Jahr 1975 stammende Entgegenhaltung NK19 heranzuziehen.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist es eine Frage des Einzelfalls, ob außer aktuellen technischen Lösungen, die sich in der Regel ohne Weiteres zur Prüfung auf ihre Eignung als Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung anbieten, hierfür auch ältere Lösungen in Betracht zu ziehen sind. Zu den zu würdigenden Umständen können die Entwicklungszyklen auf dem in Rede stehenden Gebiet gehören, aber auch die Abhängigkeit der Produktentwicklung von außertechnischen Faktoren (BGH, Urteil vom 31. Januar 2017 - X ZR 119/14, GRUR 2017, 498 Rn. 29 - Gestricktes Schuhoberteil).
Im Streitfall bildet NK19 trotz ihres Alters einen Ausschnitt aus dem Stand der Technik, der im Prioritätstag weder veraltet noch überholt war. Sie befasst sich mit Kathetern mit hydrophiler Beschichtung und damit mit einer Bauart, die auch am Prioritätstag noch aktuell war.
Entgegen der Auffassung der Beklagten stellte der Markteintritt des sogenannten LoFric-Katheters im Jahr 1983 keine Zäsur dar, die einen Rückgriff auf älteren Stand der Technik fernliegend erscheinen ließ. Dieser Katheter beruht vielmehr auf einer vergleichbaren Technologie wie die wenige Jahre zuvor veröffentlichte NK19.
Dass der LoFric-Katheter eine PVP-Beschichtung aufweist, während in NK19 Beschichtungen auf Acrylbasis im Vordergrund stehen, führt auch insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar mag es ausgehend von einem bestimmten Produkt eher ferngelegen haben, ein anderes Beschichtungsmaterial in Betracht zu ziehen, um die Einsatzmöglichkeiten unter ungünstigen Bedingungen zu verbessern. Weder NK29 noch NK19 ist aber zu entnehmen, dass alle darin offenbarten Aspekte sich ausschließlich auf ein bestimmtes hydrophiles Beschichtungsmaterial beziehen. Angesichts dessen bestand Anlass, bei übergrei- fenden Fragen wie derjenigen einer verbesserten Einsatzmöglichkeit auch Veröffentlichungen in Betracht zu ziehen, bei denen die hydrophile Beschichtung aus einem anderen Material besteht.
cc) Wie bereits oben dargelegt wurde, ergab sich aus NK19, dass ein hydrophiler Katheter durch Zugabe einer entsprechenden Menge an Flüssigkeit schon in der Verpackung aktiviert werden kann.
Aus dieser Schrift erhielt der Fachmann die Anregung, die dort beschriebene Vorgehensweise auch auf die in NK29 offenbarte Verpackung anzuwenden und sie so weiterzuentwickeln, dass der Katheter bei Bedarf unabhängig von der Verfügbarkeit von Leitungswasser einsatzfähig ist. Zwar war nicht ohne weiteres absehbar, ob die in NK19 für Beschichtungen auf Acrylbasis offenbarte Verpackungsart auch für PVP-Beschichtungen geeignet war. Ausgehend von NK19 bestand aber eine hinreichende Erfolgserwartung.
Nach der Rechtsprechung des Senats lassen sich die Anforderungen an eine angemessene Erfolgserwartung, die Veranlassung gibt, einen im Stand der Technik offenbarten Lösungsweg trotz nicht sicherer Vorhersehbarkeit der Resultate zu begehen, nicht allgemeingültig formulieren. Sie sind im Einzelfall unter Berücksichtigung des in Rede stehenden Fachgebiets, der Größe des Anreizes, des erforderlichen Aufwands für das Verfolgen eines bestimmten Ansatzes und der gegebenenfalls in Betracht kommenden Alternativen sowie ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile zu bestimmen (BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - X ZR 24/19, GRUR 2021, 696 Rn. 51 - Phytase).
(1) Wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, bestand für den mit der Verbesserung der in NK29 offenbarten Verpackung befassten Fachmann ein Anreiz, nach Möglichkeiten zu suchen, einen Katheter mit hydrophiler Beschichtung unabhängig von der Verfügbarkeit von hinreichend sauberem Wasser aktivieren zu können.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und in welcher Form solche Wünsche am Prioritätstag bereits von Anwenderseite geäußert worden waren. Unabhängig davon ergab schon ein Vergleich mit Gel-Kathetern, dass es vorteilhaft ist, wenn die Verpackung alle für den Einsatz des Katheters erforderlichen Gegenstände umfasst. Bei Kathetern, deren Aktivierung mit Leitungswasser möglich ist, mag ein entsprechendes Bedürfnis weniger ausgeprägt sein, weil dieses Medium leichter verfügbar ist als ein für Katheter geeignetes Gel. Dennoch ergab sich ohne weiteres, dass es beim mobilen Einsatz zu Situationen kommen kann, in denen sauberes Leitungswasser nicht zur Verfügung steht.
(2) Mit NK73 lag zwar bereits ein Vorschlag vor, wie dieses Ziel zu erreichen sein könne. Diese Lösung erwies sich jedoch nicht in jeder Hinsicht als befriedigend.
So kann körperlich beeinträchtigten Patienten das Öffnen des Behältnisses mit dem Quellungsmedium Schwierigkeiten bereiten. Zudem nimmt die Aktivierung der hydrophilen Beschichtung bei Zugabe der Flüssigkeit erst unmittelbar vor der Anwendung eine gewisse Zeit in Anspruch, was von den Nutzern als lästig empfunden wird.
(3) Der Aufwand, um zu erproben, ob es auch bei einer Verpackung der in NK29 beschriebenen Art möglich ist, das flüssige Quellungsmedium zusammen mit dem Katheter in dem Hohlraum der Verpackung unterzubringen, war vergleichsweise gering. Er bestand im Wesentlichen darin, einen hydrophil beschichteten Katheter zusammen mit Wasser, einer Kochsalzlösung oder dergleichen in einer Verpackung unterzubringen, die Verpackung gasdicht auszugestalten, um zu verhindern, dass die Flüssigkeit bis zu dem Zeitpunkt der Verwendung des Katheters verdunstet, und nach Ablauf bestimmter Zeiträume zu untersuchen, ob die Katheter noch einsatzfähig sind.
(4) Bei Abwägung dieser Gesichtspunkte bestand Veranlassung, Versuche dieser Art zu unternehmen. Sie hätten zu den im Streitpatent geschilderten Erkenntnissen geführt.
dd) Ausgehend davon war auch der Einsatz einer mehrschichtigen Folie mit Aluminium im Sinne von Merkmal 3 a nahegelegt.
(1) Nach dem Vorbringen der Klägerin war dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bekannt, dass sich ein mehrschichtiges Filmmaterial, das Aluminium enthält, zur gasdichten Verpackung von Flüssigkeiten oder Gelen besonders eignet.
Die Klägerin hat diesen Vortrag unter anderem durch das 1990 erschienene Handbuch von O'Brien (Medical Device Packaging Handbook, NK20) belegt, wonach Aluminium-Folie als Bestandteil einer Verpackung besonders für feuchte Produkte geeignet ist (S. 87). Auch in dem vorgelegten Auszug aus dem Buch von Soroka (Fundamentals of Packing Technology, NK21) ist beschrieben, dass die Beschichtung von Kunststofffolien mit Metall, insbesondere Aluminium, deren Gasdichtigkeit verbessert (S. 318, 324, 340).
Die Beklagte ist diesem Vorbringen nicht mit Substanz entgegengetreten.
(2) Vor diesem Hintergrund war der Einsatz von mehrschichtigem Filmmaterial ausgehend von NK29 und NK19 nahegelegt.
Mit dem Erfordernis der Gasdichtheit benennt NK19 das für die Auswahl des Verpackungsmaterials maßgebliche Kriterium. Daraus ergab sich hinreichende Veranlassung, anstelle des in NK19 beispielhaft angeführten Polyethylens andere im Stand der Technik gebräuchliche Materialien in Betracht zu ziehen, die dieser Anforderung ebenfalls genügen. Dazu gehörte Verbundmaterial im Sinne von Merkmal 3 a.
e) Zu einer anderen Bewertung der Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 sind sowohl die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom 23. Februar 2017 (T-1477/15, KAP3) als auch die Cour d'Appel de Paris in ihrer Entscheidung vom 23. Februar 2021
(n° 031/2021, KAP26) gelangt. In beiden Entscheidungen ist jedoch NK29 aus unterschiedlichen Gründen nicht als Stand der Technik berücksichtigt worden.
4. Zutreffend hat das Patentgericht ferner entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1 und 2 nicht patentfähig ist.
a) Nach Hilfsantrag 1 soll Merkmal 1 um den Zusatz "für intermittierende Selbstkatheterisierung" ergänzt werden. Eine solche Ausgestaltung war ausgehend von NK29 ebenfalls nahegelegt.
Zwar ist NK29 nicht eindeutig zu entnehmen, dass die dort beschriebenen Katheter auch für die intermittierende Anwendung durch den Patienten vorgesehen sind. Eine Nutzung der dort offenbarten Verpackungen für Katheter zur intermittierenden Anwendung lag aber schon deshalb nahe, weil die Entgegenhaltung insoweit keine Vorbehalte äußert und technische Aspekte, die einem solchen Einsatz entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind.
b) Nach Hilfsantrag 2 soll Merkmal 3 c durch die Angabe ergänzt werden, dass der Hohlraum der Katheterverpackung 2 bis 30 ml des flüssigen Quellungsmediums enthält.
Diese Dosierung ist ausgehend von NK29 nahegelegt.
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, bestand aus Gründen der Volumen- und Gewichtsersparnis Anlass, die beigefügte Menge an Wasser auf ein Maß zu reduzieren, das für eine optimale Befeuchtung ausreichend ist. Entsprechende Versuche führten zu Werten innerhalb des beanspruchten Bereichs. Selbst wenn am Prioritätstag noch keine einschlägigen Erfahrungen vorgelegen haben sollten, war dieser Bereich damit nahegelegt.
5. Zutreffend hat das Patentgericht schließlich entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 patentfähig ist.
a) Nach dieser Fassung soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 um folgendes Merkmal ergänzt werden:
3d and wherein the liquid swelling me- das flüssige Quellungsmedium ist in dium is accommodated in a storage einem Speicherkörper aus schwammbody of spongy or gel-like material in artigem oder gelähnlichem Material in the cavity.
dem Hohlraum untergebracht.
b) Anders als nach der in erster Linie verteidigten Fassung ist der in der Beschreibung als vorzugswürdig bezeichnete schwammartige oder gelähnliche Speicherkörper damit zwingend vorgesehen.
aa) Nach der Beschreibung dient dies dazu, das Quellungsmedium bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Katheter benutzt werden soll, in flüssigem Zustand zu halten (Abs. 23).
Soll der Katheter benutzt werden, wird von außen Druck auf den Bereich der Verpackung ausgeübt, in dem der schwammartige Speicherkörper angeordnet ist. Dadurch wird das flüssige Quellungsmedium aus dem Speicherkörper gedrückt und kann in den Bereich des Verpackungshohlraums fließen, der die Katheterröhre mit der hydrophilen Beschichtung aufweist (Abs. 25).
bb) Merkmal 3 d setzt voraus, dass der Speicherkörper geeignet ist, einen wesentlichen Teil der vorgesehenen Flüssigkeitsmenge aufzunehmen. Das Merkmal gibt jedoch nicht vor, dass das Quellungsmedium ausschließlich im Speicherkörper und in flüssiger Form aufbewahrt ist.
Merkmal 3 d ändert nichts an der in Merkmal 3 c definierten Anforderung, dass sich das flüssige Quellungsmedium in demjenigen Hohlraum befindet, der auch zur Aufnahme des Katheters vorgesehen ist. In Einklang damit sind bei dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel beide Merkmale verwirklicht.
Bei einer solchen Ausgestaltung ist nicht ohne weiteres auszuschließen, dass es auch ohne gezielte Benutzereinwirkung zum Übertritt einer gewissen Menge an Quellungsmedium in den Bereich kommt, in dem der Katheter liegt - sei es in flüssiger Form oder als Dampf -, der anschließend kondensiert.
c) Eine Anordnung nach Merkmal 3 d ist, wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, im Stand der Technik nicht vorweggenommen.
Sowohl NK18 und NK19 als auch NK24 und NK31 zeigen Katheter-Sets, bei denen eine Flüssigkeit zusammen mit dem Katheter in der Verpackung aufbewahrt wird, jedoch keinen Speicherkörper zur Aufnahme dieser Flüssigkeit.
d) Zutreffend ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 durch den Stand der Technik nicht nahegelegt war.
aa) Aus dem US-Patent 5 334 166 (NK76) ergab sich keine Anregung in diese Richtung.
Aus NK76 war es bekannt, zur Befeuchtung eines hydrophil beschichteten medizinischen Geräts, etwa eines Katheters, eine Befeuchtungseinrichtung, zum Beispiel einen mit Flüssigkeit getränkten Schwamm einzusetzen. NK76 sieht auch vor, die Befeuchtungseinrichtung zusammen mit dem Katheter zu verpacken (Sp. 5 Z. 47-49).
Der Schwamm wird danach jedoch in trockenem Zustand mitverpackt. Erst bei der Anwendung wird er befeuchtet und dazu eingesetzt, die hydrophile Oberfläche des Katheters zu befeuchten (Sp. 10 Z. 58-66, Sp. 11 Z. 60 bis Sp. 12 Z. 4 und Z. 48-50). Eine Anregung, einen bereits mit Flüssigkeit getränkten Schwamm in der Katheterverpackung anzuordnen, ergibt sich daraus nicht.
bb) Eine weitergehende Anregung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem US-Patent 5 163 448 (NK79).
NK79 befasst sich mit Kondomen, deren Oberfläche gegebenenfalls vor dem Gebrauch mit einem Gleitmittel, mit empfängnisverhütenden Mitteln oder Medikamenten versehen werden soll. Ein solches Mittel kann nach dem Vorschlag der NK79 in einem Schwamm oder in einem als Kondomüberzugshilfe dienenden Ring aufbewahrt und zusammen mit dem Kondom verpackt sein und beim Aufziehen des Kondoms durch Anwendung von Druck auf dessen Oberfläche abgegeben werden.
Der mit der Aufgabenstellung des Streitpatents betraute Fachmann hatte keinen Anlass, NK79 als Ausgangspunkt oder ergänzende Erkenntnisquelle heranzuziehen. Die Entgegenhaltung betrifft weder einen Gegenstand mit einer hydrophil beschichteten Oberfläche noch einen Katheter.
6. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 gehe nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen (veröffentlicht als NK2) hinaus.
a) Die Klägerin macht hierzu geltend, ein Blasenkatheter-Set mit einem Speicherkörper zur Aufnahme des flüssigen Quellungsmediums sei in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nur in der Form offenbart, dass der Speicherkörper in einem Kompartiment (compartment) angeordnet sei, durch das ein Raum definiert werde, der von dem zur Aufnahme der Katheterröhre bestimmten Raum getrennt und unterscheidbar sei. Diese Ausführungsform zeichne sich dadurch aus, dass das Quellungsmedium in dem Kompartiment festgehalten werde und erst dann, wenn Druck auf den Speicherkörper ausgeübt werde, in den Hohlraum zum Katheter fließe.
b) Das Patentgericht ist diesem Vorbringen zu Recht nicht beigetreten.
aa) Wie das Streitpatent (Abs. 13) offenbart auch die Anmeldung (Abs. 14) eine Ausführungsform als zur Erfindung gehörend, bei der das Kompartiment vollständig in den Hohlraum für den Katheter integriert ist.
In der Anmeldung wird zwar - insoweit nicht übereinstimmend mit dem Streitpatent - ausgeführt, es sei vorzugswürdig, das Kompartiment vom Katheterhohlraum zu trennen, so dass das Quellungsmedium bis zur Aktivierung unmittelbar vor Benutzung des Katheters im Kompartiment verbleibt. Auch diese Ausführungsform weist aber eine - wenn auch enge - Passage auf, die einen Flüssigkeitsübergang ermöglicht (Abs. 15).
In Übereinstimmung damit wird die Funktionsweise des in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiels in der Anmeldung (Abs. 30-33) - ebenso wie im Streitpatent (Abs. 22-25) - dahin erläutert, dass das flüssige Quellungsmedium ohne Weiteres aus dem Bereich (12) in den Bereich (11) des Verpackungshohlraums fließen kann. Das Bezugszeichen 15 dieser Figur, die mit der Figur 1 im Streitpatent übereinstimmt, bezeichnet keine Abtrennung des Bereichs (12) von dem Übergangsbereich (13), sondern eine Abreißverbindung (tear-off joint), die es erlaubt, den den Schwammkörper enthaltenden Bereich von der Verpackung im Übrigen zu trennen, um den Katheter aus der Verpackung ziehen zu können (Abs. 35).
bb) Aus den nur in NK2 enthaltenen Ausführungen zu einer zweiten Serie von Ausführungsformen, bei denen das flüssige Quellungsmedium in einem vom Hohlraum der Katheterverpackung gesonderten Kompartiment untergebracht und nur letzteres gasdicht ist, ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Dieser Gegenüberstellung ist nicht zu entnehmen, dass ein Kompartiment stets gasdicht vom Hohlraum für den Katheter abzutrennen ist. Die Ausführungen zur ersten Serie zeigen vielmehr, dass die Anmeldung diese Ausgestaltung nur als eine von mehreren möglichen Ausgestaltungen offenbart.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Deichfuß Grabinski Kober-Dehm Hoffmann Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.05.2019 - 4 Ni 50/17 (EP) -
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1 | 121 | PatG |
1 | 97 | ZPO |
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