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15 W (pat) 25/12

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 25/12

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent DE 592 09 330 …

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 31. Juli 2013 unter Mitwirkung des Richters Dr. Egerer als Vorsitzender sowie der Richter Dr. Kortbein, Dr. Lange und Dr. Wismeth beschlossen:

1. Der Beschluss der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Mai 2012 wird aufgehoben.

2. Auf Antrag der Patentinhaberin wird das Patent DE 592 09 330 auf folgende Fassung der Patentansprüche beschränkt:

3. Die Beschreibung, Seiten 2, 3, 4, 4a, 11, 12, 14, 20, 26 und 27, wird gemäß Bl. 156 - 165 der Gerichtsakte angepasst.

Gründe I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 0 502 314 B1 mit der Bezeichnung

„Benzimidazole, diese Verbindungen enthaltende Arzneimittel und Verfahren zu ihrer Herstellung“.

Die Patentansprüche 1 bis 10 in der erteilten Fassung lauten wie folgt:

Wegen des Wortlauts des die Anspruchsfassung abschließenden Verfahrensanspruchs 11 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Der am 30. Dezember 2011 eingegangene Antrag sowie der am 10. Mai 2012 eingegangene Hilfsantrag auf Beschränkung gemäß § 64 PatG des deutschen Teils DE 592 09 330 des europäischen Patents EP 0 502 314 B1 sind mit Beschluss der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Mai 2012 zurückgewiesen worden.

Dem Beschluss liegt der sinngemäß wie folgt lautende Hauptantrag zugrunde:

1. Streichung des erteilten Anspruchs 1 mit der Folge, dass der erteilte Anspruch 2 Hauptanspruch wird, und Streichung der Verbindungen (d) und (l) des erteilten Anspruchs 4.

2. Aufnahme von weiteren Wirkstoffen in den erteilten Anspruch 8, nach Wegfall des Anspruchs 1 jetzt Anspruch 7, zur Definition von Kombinationspräparaten, so dass der nunmehrige Anspruch 7 folgenden Wortlaut hat: „7. Arzneimittel, enthaltend eine Verbindung nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 5 oder ein physiologisch verträgliches Salz gemäß Anspruch 6 gegebenenfalls in Kombination mit Benhydroflumethiazid, Chlorthiazid, Hydrochlorthiazid, Spironolacton, Benzthiazid, Cyclothiazid, Ethacrinsäure, Furosemid, Metoprolol, Prazosin, Atenolol, Propranolol, (Di)hydralazin-Hydrochlorid, Diltiazem, Felodipin, Nicardipin, Nifedipin, Nisoldipin oder Nitrendipin, neben gegebenenfalls einem oder mehreren inerten Trägerstoffen und/oder Verdünnungsmitteln.“

Hilfsweise hat die Patentinhaberin die Beschränkung dahingehend beantragt, dass der Hauptantrag durch Streichung des Wortes „gegebenenfalls“ zu Beginn der Aufzählung der weiteren Wirkstoffe geändert wird.

Im Verlauf des Verfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind am 30. April 2012 Einwendungen eines Dritten eingegangen, nach denen die beantragten Änderungen unzulässig, der Beschränkungsantrag unbegründet und die Anwendung des § 64 PatG in dem vorliegenden Fall missbräuchlich seien.

Die Patentabteilung begründet die Zurückweisung der Anträge mit der mangelnden Zulässigkeit des Beschränkungsantrags und zwar insofern, als die beantragten Änderungen zu einem anderen Schutzgegenstand, einem Aliud führen würden.

Gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Patentbeschränkung hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 14. September 2012 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Mai 2012, erstellt am 13. August 2012, aufzuheben und die am 30. Dezember 2011 beantragte Beschränkung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 502 314 B1 zu gewähren (Hauptantrag), hilfsweise in der am 10. Mai 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Fassung, weiter hilfsweise mündliche Verhandlung für den Fall anzuberaumen, dass dem Antrag auf Beschränkung weder nach Hauptantrag noch nach Hilfsantrag stattgegeben werden kann.

Mit Schriftsatz vom 8. November 2012 begründet sie ihren Antrag auf Patentbeschränkung im Wesentlichen mit gegenüber der Rechtsprechung des BGH durch kürzliche Entscheidungen des EuGH geänderten Vorgaben betreffend ergänzende Arzneimittelschutzzertifikate für Kombinationspräparate, der dadurch inzwischen überraschend geänderten Rechtslage und mit dem Angriff auf das das zu beschränkende Patent als Grundpatent in Anspruch nehmende Schutzzertifikat DE 102 99 029 durch eine Nichtigkeitsklage, die mittlerweile unter dem Aktenzeichen 3 Ni 5/13 beim BPatG anhängig ist.

Im Einzelnen führt sie zu ihrer Beschwerde und zur beantragten Beschränkung des Patentanspruchs 8 aus, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem angefochtenen Beschluss fehlerhaft sei, vor allem betreffend die Bewertung der beantragten Änderungen als Aliud. Sie wendet sich dabei insbesondere gegen die von der Patentabteilung vertretene Ansicht, die Prüfungskriterien für ein nationales deutsches Beschränkungsverfahren hätten sich durch die Entscheidung des EuGH „Medeva“ geändert, insbesondere dass der durch die Patentansprüche definierte Schutzbereich deswegen „strenger auszulegen sei“. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe allein die in der deutschen Rechtsprechung für eine Beschränkung nach § 64 PatG etablierten Voraussetzungen, Kriterien und Grundsätze zu beachten und anzuwenden, die durch die eben genannte EuGH-Entscheidung jedenfalls keine Änderung erfahren hätten. In den im angefochtenen Beschluss herangezogenen Entscheidungen des BGH „Mechanische Befestigungseinrichtung“ und „Isothiazolone“ werde der Schutzbereich unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen bestimmt,

wobei dieser allerdings nur so weit reiche, wie dies in den Patentansprüchen Ausdruck gefunden habe. Der Schutzbereich sei im Übrigen einheitlich zu bestimmen, was auch für das Beschränkungsverfahren gelte. Durch den Passus „enthaltend“ sei, im Gegensatz zu dem abschließenden Passus „bestehend“, ein auf vorliegendem Fachgebiet wie üblich bewusst offen gehaltener Arzneimittelanspruch 8 formuliert, der allein schon deshalb Kombinationswirkstoffe erfasse, weil diese in der Beschreibung des Patents expressis verbis als zur Erfindung gehörend benannt seien. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts im Sinne einer Auslegung unter dem Sinngehalt der Patentansprüche sei nach der BGHEntscheidung „Schussfädentransport“ unzulässig. Zur Frage, was patentrechtlich unter einem Aliud zu verstehen sei, verweist die Beschwerdeführerin auf die BGH-Entscheidung „Bodenwalze“ und auf die dort zitierte BGH-Entscheidung „Spreizdübel“ sowie auf die BGH-Entscheidung „Spleisskammer“. Die beantragten Beschränkungen führten demnach nicht zu einem Aliud.

Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 hat die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag als einzigen Antrag eingereicht. Sie beantragt nunmehr, den Beschluss der Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Mai 2012 dahingehend abzuändern, dass der deutsche Teil des Europäischen Patents EP 0 502 314 B1, deutsches Aktenzeichen DE 592 09 330.1, auf den Gegenstand folgender Patentansprüche beschränkt wird:

Wegen des weiteren Vorbringens der Beschwerdeführerin und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt, mit Gründen versehen und zulässig. Sie führt auch zum Erfolg. Die nunmehr beantragten Änderungen der Fassung der Patentansprüche des deutschen Teils 592 09 330.1 des europäischen Patents EP 0 502 314 B1 sind zulässig und führen zur Beschränkung des Patentgegenstands.

1. Die Patentbeschränkung nach § 64 PatG ist ein einseitiges Verfahren mit dem Patentinhaber als Antragsteller. Eine Verfahrensbeteiligung Dritter ergibt sich weder für das Antragsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch für ein gegebenenfalls sich anschließendes Beschwerdeverfahren nach Zurückweisung des Antrags, auch nicht nach der Praxis des Europäischen Patentamts und damit auch nicht, wie vorliegend, im Fall eines Antrags auf Beschränkung des deutschen Teils eines Europäischen Patents. Für Dritte besteht die Möglichkeit, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen ein gegebenenfalls auf Antrag des Patentinhabers gemäß § 64 PatG beschränktes Patent vorzugehen.

Das nationale Beschränkungsverfahren dient nicht, auch nicht teilweise, der Überprüfung der Rechtsbeständigkeit des im europäischen Verfahren erteilten Patents. Gegenstand der Prüfung in dem nationalen Beschränkungsverfahren ist ausschließlich der beantragte Teilverzicht auf das dem Patentinhaber bereits erteilte Patent, insbesondere hinsichtlich seiner Begründetheit und Zulässigkeit. Dabei knüpft das nationale Beschränkungsverfahren unmittelbar an dem erteilten Patent an, erkennt die materielle Verfügungsbefugnis des Patentinhabers über sein Schutzrecht an und stellt demzufolge den Rechtsbestand des Patents per se nicht in Frage. Fragen betreffend die Bestandsfähigkeit des Patents, Ausführbarkeit und Patentfähigkeit gegenüber dem Stand der Technik bleiben allein dem Nichtigkeitsverfahren vorbehalten (vgl. BGH GRUR 1996, 862 - Bogensegment).

Wie die Patentabteilung in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, beurteilt sich die Zulässigkeit einer Beschränkung nach den allgemeinen Grundsätzen des Einspruchs- und/oder Nichtigkeitsverfahrens. Im Unterschied zum Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren enthält das Beschränkungsverfahren allerdings keine Entscheidung über den Rechtsbestand des Patents und damit über die Patentfähigkeit der Erfindung (vgl. BGH X ZR 58/93 v. 7.2.1995, BlPMZ 1995, 322 - 3-Isothiazolonzubereitung).

2. Der vorliegende Antrag auf Patentbeschränkung nach § 64 PatG erfolgt vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung über die Rechtsbeständigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel DE 102 99 029.8, das sich auf das zum Zeitpunkt der Stellung des Beschränkungsantrags noch in Kraft befindliche, dem vorliegenden Beschränkungsantrag zugrunde liegende Patent als Grundpatent stützt. Eine am 6. Februar 2013 und damit erst nach dem Beschränkungsantrag eingereichte Nichtigkeitsklage gegen das betreffende Schutzzertifikat ist beim Bundespatentgericht unter dem Aktenzeichen 3 Ni 5/13 anhängig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Patentbeschränkung ist damit zweifelsfrei gegeben, so dass der schriftlich eingereichte Antrag allein schon deshalb nach § 64 Abs. 2 PatG ausreichend begründet ist. Das Rechtschutzbedürfnis ist im Hinblick auf den anhängigen Rechtsstreit um das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel auch noch nach Erlöschen des zu beschränkenden Patents gegeben.

3. Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 einen einzigen Antrag eingereicht mit einer gegenüber dem angefochtenen Beschluss geänderten Fassung der Patentansprüche. Soweit sie darin die Beschränkung des Patentgegenstands beantragt durch Verzicht auf den Patentanspruch 1 sowie durch Streichung der beiden Verbindungen (d) und (l) nebst deren Salzen aus dem Patentanspruch 4, die jeweils Stoffansprüche sind, waren diese Änderungen bereits Gegenstand von Haupt- und Hilfsantrag des angefochtenen Beschlusses. Davon abweichend hat sie nunmehr die Änderung des Arzneimittelanspruchs 8 beantragt durch

- Beschränkung auf Wirkstoffzusammensetzungen aus einer Verbindung nach mindestens einem der Patentansprüche 1 bis 5 in Kombination mit den in der Patentbeschreibung als Bestandteile von Kombinationspräparaten expressis verbis benannten Wirkstoffen (neugefasster Patentanspruch 7) und

- Beschränkung auf die Verbindung nach Patentanspruch 4 oder ein physiologisch verträgliches Salz davon (neugefasster Patentanspruch 8).

Den Ausführungen der Patentabteilung in dem angefochtenen Beschluss, dass die darin nach Hauptantrag beantragte Fassung des erteilten Patentanspruchs 8 im Hinblick auf die Wendung „gegebenenfalls“ und der damit verbundenen Optionalität keine Beschränkung des Umfangs im Sinne des § 64 PatG darstelle, hat die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin durch die Vorlage des geänderten einzigen Antrags Rechnung getragen und damit diesbezügliche Bedenken ausgeräumt. Der nunmehr beantragte Arzneimittelanspruch 7 ist zweifelsfrei gerichtet auf eine Wirkstoffzusammensetzung aus einer Verbindung aus dem Kollektiv der bereits in stofflicher Hinsicht beschränkten Stoffansprüche 1 bis 6 in Kombination mit einem weiteren der anspruchsgemäß aufgezählten, bereits bekannten Wirkstoffe. Den mit dieser Formulierung des Patentanspruchs 7 zwangläufig verbundenen Verlust der Erfassung eines Arzneimittels, das lediglich einen einzigen Wirkstoff aus den Stoffansprüchen 1 bis 6 aufweist (Monowirkstoffpräparat), hat die Patentinhaberin mit dem nunmehr beantragten Arzneimittelanspruch 8 kompensiert, der auf die Verbindung des nunmehr geltenden Patentanspruchs 4 (Telmisartan) und deren Salze mit anorganischen oder organischen Säuren oder Basen beschränkt ist, entweder als Monowirkstoffpräparat oder im Hinblick auf die Wendung „enthaltend“ als Kombinationspräparat enthaltend eine Wirkstoffzusammensetzung.

Diese nunmehr mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 beantragten Änderungen sind zulässig und begründet, da sie sowohl bei einzelner, gesonderter Bewertung als auch insgesamt in ihrer Summe bewertet zu einer zulässigen Beschränkung des Patentgegenstands führen. Sie gehen nicht über den Gegenstand des Patents hinaus, betreffen auch nicht einen anderen Gegenstand bzw. führen nicht zu einer anderen Erfindung und stellen damit auch kein Aliud dar.

a) Die Fassung der beantragten Patentansprüche 1 bis 6, bei denen es sich teilweise um in der sogenannten Markush-Form gestaltete Stoffansprüche handelt, ergibt sich unmittelbar aus der Patentschrift (vgl. EP 0 502 314 B1 S. 31 bis 33 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 2, Anspr. 3 bis 7). Dabei ist die allgemeine Formel des Patentanspruchs 1 unter Beibehaltung des Formelbilds nunmehr auf die Restebedeutungen des Patentanspruchs 2 der erteilten Fassung, Patentanspruch 3 gegenüber seiner erteilten Fassung (Patentanspruch 4) durch Streichung der Verbindungen (d) und (l) eingeschränkt. Die Patentansprüche 2, 4 und 5 bleiben im Wortlaut gegenüber der erteilten Fassung (Patentansprüche 3, 5 und 6) unverändert. Die in den Stoffansprüchen 1 bis 5 vorgenommenen Änderungen erstrecken sich auf den darauf rückbezogenen Patentanspruch 6 sowie auch auf die Patentansprüche 9 und 11, die die Verwendung sowie die Herstellung der Verbindungen gemäß den Patentansprüchen 1 bis 6 betreffen. Der Patentgegenstand wird dadurch in den Patentanspüchen 1 bis 6 sowie 9 und 11 in zulässiger Weise auf einen Teil des Stoffkollektivs der erteilten Fassung beschränkt.

b) Auch die nunmehr beantragten Änderungen des erteilten Arzneimittelanspruchs 8 sind von diesem erfasst und als Teilgegenstand des Patents in der erteilten Fassung offenbart (vgl. EP 0 502 314 B1 S 33 Anspr. 8 i. V. m. S. 12 Z. 53 bis S. 13 Z. 12; Anspr. 8 i. V. m. Anspr. 5). Sie entsprechen im Übrigen ständiger Amts- und Entscheidungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts im Einspruchs-, Einspruchsbeschwerde- und Nichtigkeitsverfahren.

Der nunmehr beantragte Arzneimittelanspruch 7, der allein schon wegen seines im Übrigen zulässigen Rückbezugs auf die stofflich eingeschränkten Patentansprüche 1 bis 5 eine Beschränkung aufweist, ist zudem beschränkt auf Kombinationspräparate aus einem Wirkstoff aus den Patentansprüchen 1 bis 6 und einem weiteren Wirkstoff aus einer stofflich bestimmt gehaltenen Anzahl bereits bekannter Wirkstoffe. Diese stofflich bestimmt gehaltene Anzahl der mit den erfindungsgemäßen Wirkstoffen zu kombinierenden bereits bekannten Wirkstoffe ist als Teilgegenstand der Erfindung in der Beschreibung des Streitpatents, wie folgt lautend, hervorgehoben: (elektronische Fotokopie aus EP 0 502 314 B1 S. 12 Z. 53 bis S. 13 Z. 13)

Dieser als zur Erfindung gehörend offenbarte Teilgegenstand des Patents wird von dem Arzneimittelanspruch 8, in der erteilten Fassung wie folgt lautend:

durch die mit der Wortwahl „enthaltend“ verbundene offene Anspruchsformulierung auch erfasst (vgl. BGH GRUR 1977, 212 - Piperazinoalkylpyrazole). Entsprechendes gilt für den darauf rückbezogenen Patentanspruch 10, der deshalb ebenfalls zulässig ist. Der nunmehr beantragte Arzneimittelanspruch 8 ist auf einen einzigen Wirkstoff aus der Stofferfindung des vorliegenden Patents 4’-[[2-n-Propyl-4-methyl-6-(1methylbenzimidazol-2-yl)-benzimidazol-1-yl]-methyl]-biphenyl-2-carbonsäure (Telmisartan) beschränkt, wobei dieser Wirkstoff, außer als Monowirkstoffpräparat, aufgrund der Wendung „enthaltend“ auch in Kombination mit einem weiteren Wirkstoff aus der Gruppe der in der Patentbeschreibung benannten bekannten Wirkstoffe in dem Arzneimittel formuliert sein kann, so dass diese Beschränkung des erteilten Patentanspruchs 8 ebenfalls zulässig ist.

Nicht zu beanstanden ist zudem die Aufspaltung des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 8 in zwei voneinander unabhängige, jeweils gegenüber der erteilten Fassung auf unterschiedliche Weise eingeschränkte Teilgegenstände. Denn die Summe der Teilgegenstände der beiden nunmehr beantragten Arzneimittelansprüche 7 und 8 hat allein schon durch den Rückbezug auf die stofflich eingeschränkten Patentansprüche 1 bis 5 eine Beschränkung erfahren, so dass auch der gesamtumfängliche Gegenstand der beiden nunmehr beantragten Patentansprüche 7 und 8 eine Beschränkung gegenüber dem erteilten Patentanspruch 8 darstellt (vgl. BPatG 4 Ni 21/10 - Fixationssystem).

4. Die Patentabteilung hat in der nunmehr mit dem Patentanspruch 7 beantragten expliziten Beschränkung des erteilten Arzneimittelanspruchs 8 auf Kombinationswirkstoff-Präparate (vgl. den Hilfsantrag des angefochtenen Beschlusses) ein unzulässiges Aliud erkannt und deswegen den Antrag auf Patentbeschränkung zurückgewiesen. Diese Bewertung hält einer Überprüfung nicht stand.

a) Die erteilten Fassungen des Patentanspruchs 8 und der Patentbeschreibung liefern keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Kombination einer Verbindung aus den Stoffansprüchen mit den in der Patentbeschreibung expressis verbis benannten, bereits bekannten und in den Handel eingeführten Wirkstoffen zum Zweck der gemeinsamen Formulierung und Verabreichung in einem Arzneimittelpräparat um eine andere Erfindung handelt. Vielmehr kommt in der konkret vermittelten Lehre zur Dosierung der Wirkstoffe in dieser kombinierten Formulierung (vgl. EP 0 502 314 B1 S. 13 Z. 9 bis 12 i. V. m. S. 12 Z. 53 bis 55), anstelle gesonderter Formulierungsbeispiele, unzweideutig der Teilgegenstand der patentgemäßen Erfindung zum Ausdruck.

Dieser Teilgegenstand wird darüber hinaus von dem erteilten Patentanspruch 8 erfasst und zwar aufgrund der Wendung „enthaltend“, die diesem Arzneimittelanspruch eine offene Fassung verleiht. Seit der BGH-Entscheidung „Piperazinoalkylpyrazole“ steht die Erfassung von Kombinationspräparaten durch offen formulierte, auf die reinen Stoffansprüche rückbezogenen Mittelansprüche jedenfalls dann außer Frage, wenn diese Kombinationspräparate und die zu kombinierenden Wirkstoffe in der Beschreibung als zur betreffenden Erfindung gehörend offenbart sind (vgl. BGH GRUR 1977, 212 - Piperazinoalkylpyrazole, II.3.c). Dies ist hier der Fall.

b Soweit sich die Patentabteilung mit den Entscheidungen BGH GRUR 1992, 594 - Mechanische Betätigungsvorrichtung und BGH BlPMZ 1995, 322 - 3-Isothiazolonzubereitung auseinandergesetzt hat, kann sich der Senat den daraus gezogenen Schlussfolgerungen und der damit begründeten Zurückweisung der in dem angefochtenen Beschluss hilfsweise beantragten Beschränkung nicht anschließen.

Zur Frage eines Aliuds nimmt die BGH-Entscheidung „Mechanische Betätigungsvorrichtung“ nicht, jedenfalls nicht explizit Stellung (vgl. a. a. O. Orientierungssätze und Begründung) Sofern darin betreffend den Schutzbereich eines Patents die Auslegung der Patentansprüche und der danach zu ermittelnde Inhalt der Patentansprüche erörtert wird, gibt dies keinen Anlass dafür, Arzneimittel in der nunmehr gemäß Patentanspruch 7 auf bestimmte Wirkstoffkombinationen beschränkt beantragten Fassung als nicht vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 8 erfasst zu bewerten. Dies umso mehr, als diese Entscheidung, anders als die BGH-Entscheidung „Piperazinoalkylpyrazole“, keinerlei Beziehung zu (Arznei)Mittelansprüchen und damit auch keinerlei Relevanz für die damit verbundenen Besonderheiten aufweist.

Zwar soll nach der BGH-Entscheidung „Mechanische Betätigungsvorrichtung“ - unter Wahrung der angemessenen Belohnung des Erfinders und dem Gebot der Rechtssicherheit entsprechend - der Schutzbereich eines Patents hinreichend sicher vorhersehbar und die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung mit den Merkmalen des Patentanspruchs vollständig umschrieben sein. Jedoch darf dabei nicht das Prinzip außer Acht gelassen werden, wonach zur Auslegung der Patentansprüche und des sich daraus ergebenden Schutzgegenstands und Schutzbereichs, soweit von dem Patentanspruch - wie in vorliegendem Fall gegeben erfasst, selbstverständlich die Beschreibung nebst Zeichnungen heranzuziehen sind. Teil des Schutzgegenstands eines auf vorliegendem Fachgebiet wie üblich offen gestalteten Mittelanspruchs und damit Teil der betreffenden Erfindung sind deshalb auch die in der Patentbeschreibung diesbezüglich herausgestellten Kombinationspräparate.

Nichts anderes lässt sich auch der Entscheidung des BGH „3-Isothiazolonzubereitung“ entnehmen. Insbesondere geht auch aus dieser Entscheidung nichts hervor, was die Bewertung der Patentabteilung, die nunmehr beschränkt beanspruchten Kombinationspräparate stellten ein Aliud dar, rechtfertigen könnte.

Soweit die Patentabteilung in ihrer Begründung auf die Entscheidung des BGH „Olanzapin“ verweist, ist festzuhalten, dass dieser Entscheidung die Frage, ob eine expressis verbis nicht genannte Einzelverbindung, die unter eine 16 Einzelverbindungen umfassende allgemeine Markush-Formel fällt, als offenbart anzusehen ist, und damit eine völlig andere Sachlage zugrunde lag. In dem hier vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage des Mitlesens von Stoffen, da diese - wie offensichtlich und zweifelsfrei erkennbar - expressis verbis und als zum Erfindungsgegenstand gehörend in der Beschreibung offenbart sind.

c) Dagegen lassen andere Entscheidungen, in denen der Bundesgerichtshof direkt oder indirekt zur Aliud-Frage Stellung bezogen hat, den Senat zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich bei der Beschränkung auf die Kombinationsarzneimittel gemäß dem nunmehr geltenden Patentanspruch 7 gerade nicht um ein Aliud handelt.

Beachtlich dafür, wann die Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch eine zulässige Patentbeschränkung darstellt, und für die Beurteilung der Aliud-Frage sind insbesondere mehrere bereits vor geraumer Zeit ergangene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 1990, 508 - Spreizdübel; BGH GRUR 1990, 432 - Spleißkammer; BGH GRUR 1990, 510 - Crackkatalysator; BGH GRUR 1991, 307 - Bodenwalze). Demnach kann der Patentinhaber im Einspruchsverfahren sein Patent beschränken, sofern er nicht dessen Schutzbereich erweitert oder an die Stelle der ihm erteilten Erfindung eine andere setzt. Zulässig ist die Aufnahme eines Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch dann, wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn die weiteren Merkmale in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen waren. Diese Bedingungen bzw. Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Beschränkung sind in vorliegendem Fall allesamt erfüllt.

Der vorliegend beschränkte und der ursprünglich erteilte Patentgegenstand stehen ersichtlich auch nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander, eine Voraussetzung für ein sogenanntes exklusives Aliud. Zwar kann ein Aliud - anders als im Fall eines exklusiven Aliuds - auch dann vorliegen, wenn die Hinzufügungen, hier die zu kombinierenden Wirkstoffe, einen technischen Aspekt betreffen, der aus der Patentschrift in seiner konkreten Ausgestaltung oder wenigstens in abstrakter Form nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist (BGH GRUR 2011, 1003 - Integrationselement). Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Kombinationspräparate betreffen gerade nicht einen technischen Aspekt, der - entweder in konkreter oder wenigstens in abstrakter Form - der Patentschrift zwar zu entnehmen, jedoch nicht als zur Erfindung gehörend anzusehen ist.

d) Schlussendlich ist festzustellen, dass die seitens des Senats vorgenommene Bewertung der Zulässigkeit der beantragten Beschränkung nicht nur der deutschen Patentpraxis entspricht, sondern auch im Einklang steht mit der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts (vgl. z. B. die von der Antragstellerin und Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 7. Juni 2013 zitierten Entscheidungen).

5. Die Frage, ob ein ergänzendes Schutzzertifikat für Kombinationsarzneimittel nur dann in Übereinstimmung mit Art. 3 der Verordnung (EG) 469/2009 erteilt werden kann, wenn die Wirkstoffkombination, die Gegenstand des Antrags auf Erteilung eines ergänzendes Schutzzertifikats für Arzneimittel ist, auch in den Ansprüchen des Grundpatents genannt ist (vgl. EuGH GRUR 2012, 257 - Medeva, C-322/10 vom 24. November 2011), ist für das Patentbeschränkungsverfahren nach § 64 PatG nicht vorgreiflich und kann jedenfalls für die Bewertung der Zulässigkeit der beantragten Änderungen dahinstehen. Denn die Vorgaben in der EuGH-Entscheidung „Medeva“ beziehen sich ausschließlich auf den Erzeugnisbegriff der Schutzzertifikatsverordnung und auf die Wechselwirkung mit dem Patentanspruch des Grundpatents in seiner Bedeutung für die Erteilung des Schutzzertifikats. Deshalb sind die Ausführungen zu EuGH-Medeva in dem angefochtenen Beschluss, soweit sich die Patentabteilung in der Begründung der Zurückweisung darauf stützt, für die Bewertung der Zulässigkeit der beschränkenden Änderungen irrelevant.

Aufgrund der in jedem Einzelfall unterschiedlichen Formulierung der Erfindung, insbesondere der Patentansprüche, und des in jeder Erfindung unterschiedlichen technischen Sachverhalts einschließlich der Konstellation gegenüber dem Stand der Technik ist dem Patentinhaber aufgrund des Verfügungsgrundsatzes über das Patent auch seit der EuGH-Entscheidung „Medeva“ das Rechtschutzbedürfnis zur Patentbeschränkung von Mittelansprüche umfassenden Patenten im Rahmen der üblichen Grundsätze für die Zulässigkeit der beschränkenden Änderungen nicht abzusprechen, insbesondere dann nicht, wenn der Antrag auf Patentbeschränkung noch vor Anhängigkeit einer Nichtigkeitsklage erfolgt. Rechtsmissbräuchliches Vorgehen ist darin jedenfalls nicht erkennbar. Die Patentinhaberin und Antragstellerin hat jedoch nicht nur wegen der durch die EuGH-Entscheidung „Medeva“ überraschend geänderten Rechtslage, sondern auch im Rahmen des Verfügungsgrundsatzes das ihr durch § 64 PatG eröffnete Recht und die dadurch eingeräumte Möglichkeit, einem bevorstehenden Angriff auf das erteilte Patent durch freiwillige Beschränkung zu begegnen bzw. zuvorzukommen. Da die einzelnen Gründe für die Nichtigkeitsklage der Patentinhaberin vor Erhalt der Klageschrift oftmals nicht oder nicht vollständig bekannt sind, ist ihr auch ein Rechtschutzbedürfnis für weitergehende Beschränkungen nicht abzusprechen, selbst wenn entsprechende Beschränkungen auch noch in dem nachfolgenden Nichtigkeitsverfahren beantragt werden können.

III.

Die Anspassung der Patentschrift an die Beschränkung beruht auf § 64 Abs. 3 Satz 4 PatG.

Egerer Kortbein Lange Wismeth Cl

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