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2 StR 171/25

BUNDESGERICHTSHOF StR 171/25 BESCHLUSS vom 24. April 2025 in der Strafsache gegen wegen des Aufenthalts im Bundesgebiet entgegen § 11 Abs. 1 AufenthG ECLI:DE:BGH:2025:240425B2STR171.25.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. April 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. Oktober 2024, soweit der Angeklagte verurteilt ist, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Frankfurt am Main – Strafrichter – zurückverwiesen.

Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Aufenthalts im Bundesgebiet entgegen § 11 Abs. 1 AufenthG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und zwei Wochen verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg. 2 1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte rechtskräftig mit Verfügung des Regierungspräsidiums D. vom 16. Januar 2023 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Mit gleicher Verfügung wurde gegen ihn gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 15. August 2019 ein Einreiseund Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren festgesetzt. Die Zustellung der Ausweisungsverfügung an den Angeklagten erfolgte in der Justizvollzugsanstalt F., in der er sich bis zum 13. Juni 2023 in Untersuchungshaft befand. An diesem Tag wurde der Angeklagte aus der Haft entlassen, nachdem ihn das Amtsgericht wegen Handeltreibens mit und Besitzes von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, sowie wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz (Verstoß gegen die Pass-/Ausweispflicht) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt hatte.

Nach der Haftentlassung verblieb der Angeklagte in Kenntnis seiner Ausreisepflicht in Deutschland. Er unternahm auch keinerlei Anstrengung, das Land zu verlassen oder sich mit der zuständigen Ausländerbehörde in Verbindung zu setzen. Am 3. August 2023 wurde er in F. einer Personenkontrolle unterzogen. Er wurde deswegen durch Strafbefehl vom 21. November 2023 wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b), § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 2024 wurde der weiterhin nicht ausgereiste Angeklagte im Bahnhofsviertel von F. neuerlich einer Personenkontrolle unterzogen. Er wurde am darauffolgenden Tag aufgrund des Verdachts einer weiteren Straftat – dieser Vorwurf führte hier zu dem eingangs erwähnten Teilfreispruch – festgenommen. Die vorgenannte Geldstrafe ist zwischenzeitlich im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt.

2. Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) Var. 1 (i.d.F. vom 20. Juli 2017), § 11 Abs. 1 (i.d.F. vom 15. August 2019) AufenthG nicht. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, ob der Angeklagte einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hat.

a) Ein Verstoß gegen ein Aufenthaltsverbot liegt nicht vor, wenn der Ausländer einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erteilung der Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 AufenthG hat; dies ist von den Strafgerichten selbständig zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. März 2003 – 2 BvR 397/02, NStZ 2003, 488 f.; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004 – 1 StR 76/04, BGHR AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 4; BeckOK-MigR/Kretschmer, 20. Ed., AufenthG § 95 Rn. 12; BeckOK-AuslR/Hohoff, 43. Ed., AufenthG § 95 Rn. 18 f.; MüKoStGB/Gericke, 4. Aufl., AufenthG § 95 Rn. 34). Der Ausländer bleibt allerdings strafbar, wenn die Ursache für die (gesetzwidrige) Untätigkeit der Ausländerbehörde (Nichterteilung der Duldungsentscheidung nach § 60a Abs. 2 AufenthG) allein im Verantwortungsbereich des Ausländers liegt, weil er beispielsweise abgetaucht ist oder jeden Kontakt mit der Ausländerbehörde meidet, da eine – auch hypothetische – Erteilung einer Duldung stets voraussetzt, dass die Ausländerbehörde Kenntnis von dem Aufenthalt des Ausländers hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004 – 1 StR 76/04, BGHR AuslG § 92 Unerlaubter Aufenthalt 4; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 Ss 225/13, StV 2015, 356, 357; BeckOK-AuslR/Hohoff, 43. Ed., AufenthG § 95 Rn. 19; a.A. BeckOK-MigR/Kretschmer, 20. Ed., AufenthG § 95 Rn. 12). Dies gilt bei einem Verbleib im Inland trotz Ausweisung und vollziehbarer Ausreisepflicht sowohl für eine mögliche Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG als auch für eine solche nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) Var. 1 AufenthG bei einem zusätzlichen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordneten Aufenthaltsverbot (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. März 2009 – 3 Ss 71/09, Rn. 5 ff.; BeckOK-AuslR/Hohoff, 43. Ed., AufenthG § 95 Rn. 18), sofern man bei einem Verbleib im Inland entgegen einem Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Strafbarkeit – jenseits von § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) Var. 1 AufenthG überhaupt für möglich hält (gegen die Anwendbarkeit in dieser Fallkonstellation OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20. November 2014 – 1 Ss 278/14, Rn. 15 f.; ebenso BeckOKAuslR/Hohoff, 43. Ed., AufenthG § 95 Rn. 86; MüKo-StGB/Gericke, 4. Aufl., AufenthG § 95 Rn. 95; GK-AufenthG/Berlit, Stand 1. August 2024, § 95 Rn. 269; a.A. BeckOK-StGB/Dastis, 64. Ed., AufenthG § 95 Rn. 129).

b) Hieran gemessen ist eine Strafbarkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei belegt. Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass sich der Angeklagte bis zum 13. Juni 2023 unter anderem wegen eines „Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Verstoß gegen die Pass-/Ausweispflicht i.S.v. § 3 Abs. 1, § 48 Abs. 2 AufenthG)“ in Untersuchungshaft befand. Ferner konnte ihm der Strafbefehl vom 21. November 2023 wegen unerlaubten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland zugestellt werden. Wieso die Ausländerbehörde ungeachtet des ihr offensichtlich bekannten fortwährenden Aufenthalts des Angeklagten in der Bundesrepublik Deutschland nicht dafür gesorgt hat, dass der Aufenthalt des Angeklagten in der Untersuchungshaft (§ 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG) legalisiert oder er jedenfalls aus der Untersuchungshaft nicht in einen ungeregelten Aufenthalt entlassen wurde, bzw. in der Folge entweder für seine Abschiebung Sorge trug oder ihm eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG erteilte und damit den Aufenthalt des Angeklagten entweder beendete oder legalisierte, bleibt in den Urteilsgründen offen.

3. Das Urteil beruht auf dem Erörterungsmangel (§ 337 StPO). Die Sache bedarf daher, soweit der Angeklagte verurteilt ist, neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung zu ermöglichen. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das zuständige Amtsgericht Frankfurt am Main – Strafrichter – zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – 1 StR 147/17, Rn. 15).

Zeng Lutz Meyberg Schmidt Zimmermann Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, 08.10.2024 - 5/16 KLs 3560 Js 200857/24 (14/24)

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