3 StR 414/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 414/24 BESCHLUSS vom 18. März 2025 in der Strafsache gegen wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:180325B3STR414.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. März 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 1. März 2024 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen und der Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in drei Fällen schuldig ist, b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen und Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision, von der er die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgenommen hat, die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tauschte der Angeklagte am 16. Februar 2020 mit einem gesondert Verfolgten Chatnachrichten aus. Innerhalb von rund zweieinviertel Stunden sandten sie sich wechselseitig sexualbezogene Bilddateien mit spärlich oder nicht bekleideten Kindern zu. Insgesamt versandte der Angeklagte jeweils separat zumindest sechs derartige Dateien und erhielt gesondert drei zugesandt.
2. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und der Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen hat sich kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Der Angeklagte hat sich nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen in Bezug auf die von ihm selbst versendeten Dateien wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung, nicht wegen Verbreitung im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Ein solches Verbreiten setzt voraus, dass der Täter eine Schrift beziehungsweise einen Inhalt im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB einem größeren Personenkreis zugänglich macht, wobei dieser nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß sein muss, dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist. Eines Verbreitungserfolgs in dem Sinne, dass ein größerer Personenkreis tatsächlich Kenntnis genommen haben muss oder diese zumindest erlangt hat, bedarf es dabei nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2022 – 5 StR 287/22, NStZ-RR 2023, 47; Urteil vom
25. September 2024 – 3 StR 32/24, NJW 2025, 380 Rn. 16 zu § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Hier beabsichtigte der Angeklagte lediglich die Speicherung der von ihm übersandten Dateien auf dem Gerät des Chatpartners. Dass er mit einer Weitergabe an mehrere Personen rechnete, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Danach liegt kein Verbreiten, aber eine Drittbesitzverschaffung im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB vor.
b) Die einzelnen Handlungen stehen unter den gegebenen Umständen im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Zwar kann sich die Übermittlung mehrerer Inhalte im Zuge der einheitlichen Nutzung eines Messengerdienstes als eine Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2023 – 3 StR 123/23, StV 2024, 298 Rn. 18 mwN). Allerdings haben hier die jeweiligen Übersendungen einen eigenständigen Charakter, weil ihnen ein gesonderter Tatentschluss zugrunde lag. So forderte der Angeklagte seinen Chatpartner wiederholt individuell auf, ein weiteres Foto zu versenden. Überdies kam es zwischenzeitlich zu einer Pause, weil der Angeklagte anderes zu erledigen hatte.
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil das Geschehen bereits in der Anklageschrift als Drittbesitzverschaffung nach § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB aF gewertet worden ist. Auch die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung des Generalbundesanwalts hindert die Änderung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2024 – 5 StR 197/24, juris Rn. 11).
d) Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
aa) Das Landgericht hat bei Bemessung der Einzelstrafen jeweils insbesondere zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er bereits einschlägig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Erregung öffentlichen Ärgernisses vorbestraft sei. Indes fehlt es an einer solchen vor den Taten liegenden Verurteilung; denn der Angeklagte wurde insofern erst im Jahr 2021 verurteilt. Demnach kann zwar die Begehung früherer Taten berücksichtigt werden, nicht aber der Warneffekt einer Vorverurteilung (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2019 – 2 StR 411/19, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 37 Rn. 2). Nach dem Gesamtzusammenhang ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht insoweit von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist und sich dies auf die Strafe ausgewirkt hat.
bb) Im Übrigen lässt sich nach den Urteilsgründen nicht prüfen, ob das Landgericht zu Recht die Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 17. Februar 2023 bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht berücksichtigt hat; denn insofern werden weder der Zeitpunkt der zugrundeliegenden Tat noch der Vollstreckungsstand mitgeteilt. Ebenso wenig lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte durch eine unterbliebene Einbeziehung nicht beschwert ist.
cc) Die zugrundeliegenden Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich und in Bezug auf die weitere Strafe geboten. Dabei ist der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils in den Blick zu nehmen (s. BGH, Beschluss vom 17. September 2019 – 3 StR 341/19, NStZ-RR 2020, 7).
3. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) unterliegt nicht der Prüfung des Senats, da der Angeklagte sie von der Revision ausgenommen hat und gegen die Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung hier keine Bedenken bestehen (vgl. zu den Maßstäben BGH, Urteile vom 15. Januar 2025 – 5 StR 616/24, juris Rn. 12 mwN; vom
2. November 2011 – 2 StR 251/11, StV 2012, 203; vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362; s. auch BGH, Beschluss vom 10. August 2010 – 3 StR 268/10, juris; anders Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 331 Rn. 22).
Schäfer Hohoff RiBGH Dr. Voigt befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Schäfer Anstötz Munk Vorinstanz: Landgericht Mönchengladbach, 01.03.2024 - 21 KLs-120 Js 2176/20-38/22