10 W (pat) 701/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 701/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Geschmacksmusteranmeldung 40 2011 006 302.6 (hier: Vertreterbeiordnung für das Eintragungsverfahren)
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 22. August 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und des Richters Prof. Dr. Dr. Ensthaler BPatG 152 08.05 beschlossen:
Der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts wird der Beitritt zum Beschwerdeverfahren anheim gegeben.
Gründe I.
Für seine am 17. November 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereichte, dort unter dem Aktenzeichen 40 2011 006 302 geführte Geschmacksmusteranmeldung mit sieben Einzelmustern beantragte der Anmelder mit einem ebenfalls vom 17. November 2011 datierten, jedoch beim DPMA erst am 23. November 2011 eingegangenen Schreiben Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren und die Aufrechterhaltung des Musters sowie die Beiordnung eines Vertreters.
Im Anschluss an einen Zwischenbescheid und die diesbezügliche Erwiderung des Anmelders erließ die Geschmacksmusterstelle des DPMA am 19. April 2012 einen Beschluss, wodurch sie einerseits die beantragte Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren (ohne Einbeziehung von Aufrechterhaltungsgebühren) bewilligte, andererseits den Antrag auf Beiordnung eines Vertreters zurückwies.
Letzteres wurde damit begründet, dass gemäß § 24 Satz 3 GeschmMG i. V. m. § 133 Satz 1 PatG eine Beiordnung nur in Betracht komme, wenn die Vertretung zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich sei. Weil im Geschmacksmustereintragungsverfahren nur eine beschränkte Prüfung stattfinde, die insbesondere nicht die Prüfung der Schutzvoraussetzungen der Neuheit und Eigenart umfasse, sei eine Beiordnung hier nur in besonders gelagerten Fällen angezeigt, in denen die Erledigung des Verfahrens weder durch die eigenen Kenntnisse des Anmelders noch durch die im Rahmen des Verfahrens gesetzlich vorgeschriebenen oder möglichen Hinweise der Geschmacksmusterstelle gewährleistet sei.
Der Anmelder habe nicht hinreichend dargelegt, dass er nach seinem Bildungsstand überfordert gewesen sei, den einfach und übersichtlich gestalteten Antrag auf Eintragung in das Geschmacksmusterregister - ggf. unter Zuhilfenahme der vom DPMA kostenlos zur Verfügung gestellten Merk- und Informationsblätter sowie der Unterstützung eines Patentinformationszentrums - ohne anwaltliche Hilfe einzureichen. Es handele sich vorliegend um eine Geschmacksmusteranmeldung im üblichen Umfang und von normaler Schwierigkeit. Die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe sei auf Umstände beschränkt, die das Geschmacksmustereintragungsverfahren selbst beträfen und umfasse daher nicht die Beurteilung der relativen, nicht vom DPMA zu prüfenden Schutzvoraussetzungen. Da sich eine Beiordnung nur auf das Verfahren vor dem DPMA beziehe, komme es nicht darauf an, ob im Vorfeld der Anmeldung eine Rechtsberatung - etwa bei der Festlegung des Schutzgegenstandes oder bei der Beurteilung der Schutzvoraussetzungen erforderlich oder geboten gewesen sei. Es liege allein in der Verantwortung des Anmelders, die aus seiner Sicht zu schützenden Bestandteile des Musters deutlich sichtbar wiederzugeben.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten Beschwerde beantragt der Anmelder,
den Beschluss der Geschmacksmusterstelle des DPMA vom 19. April 2012 aufzuheben, soweit die Beiordnung eines Vertreters für das Geschmacksmustereintragungsverfahren zurückgewiesen wurde, die Beiordnung eines Vertreters anzuordnen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Zur Begründung trägt er vor, die Beratung durch einen im Patentinformationszentrum oder auf der Grundlage des Beratungshilfegesetzes beratenden Anwalt sei für ihn nicht ausreichend. Eine auf die konkrete Anmeldung, z. B. auf die Auswahl einer geeigneten Musterdarstellung bezogene Rechtsberatung sei den auf diesen Grundlagen beratenden Anwälten nämlich untersagt. Gerade diese Beratung sei aber wegen der Begrenzung des Schutzgegenstandes auf die Wiedergabe des Musters von großer Bedeutung. Die Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, nach der bei Patentanmeldungen - anders als bei Geschmacksmusteranmeldungen - trotz der Ausgabe von Merkblättern die Sachdienlichkeit der Beiordnung nicht entfalle, sei wegen der veränderten Gesetzeslage als überholt anzusehen. Auch der Unterschied zum Gebrauchsmusterrecht, wo eine Beiordnung ebenfalls als sachdienlich angesehen werde, sei nicht gerechtfertigt, da es sich hierbei ebenso wie beim Geschmacksmusterrecht - um ein reines Registerrecht handele. Ein Abstellen auf den technischen Bezug beim Gebrauchsmuster im Vergleich zur ästhetischen Gestaltung des Geschmacksmusters verbiete sich, da es sich in beiden Fällen um Monopolrechte handele, die dem jeweiligen Inhaber vergleichbare Rechte einräumten. Die Geschmacksmusterstelle verkenne die Bedeutung der Beiordnung für die Geschmackmusteranmeldung. Das Erfordernis der Sachdienlichkeit werde auf das bloße Ausfüllen des Antragsformulars reduziert. Die Beiordnung sei dem gegenüber regelmäßig schon deshalb sachdienlich, weil die einzelne Musterdarstellung auf Grund ihrer Bedeutung für den Schutzumfang nach § 37 GeschmMG ein die Kenntnis des Anmelders übersteigendes Rechtsverständnis voraussetze.
II.
Der Erfolg der zulässigen Beschwerde hängt von der Beantwortung von Rechtsfragen ab, die über den Einzelfall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung sind. Aus diesem Grund wird der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 77 PatG der Beitritt zum Verfahren (oder die Abgabe einer schriftlichen Erklärung, § 76 PatG) anheim gegeben. Aus vorläufiger Sicht des Senats erscheint ein Erfolg der Beschwerde (in Abkehr von der zu § 10b GeschmMG a. F. ergangenen Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss v. 30. Juli 2001 - 10 W (pat) 706/01) nicht ausgeschlossen.
1.
Nach § 24 Satz 3 GeschmMG i. V. m. § 133 PatG ist dem Anmelder, dem Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren bewilligt worden ist, ein Vertreter, d. h. ein Patent- oder Rechtsanwalt, beizuordnen, wenn die Vertretung zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich erscheint. Die Beiordnung bezieht sich somit ebenso wie die Verfahrenskostenhilfe auf das Eintragungsverfahren. Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob die Beiordnung für anwaltliche Tätigkeiten im Eintragungsverfahren begehrt wird. Weiterhin muss geprüft werden, ob die Vertretung durch einen Patent- oder Rechtsanwalt zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich ist. Es genügt insoweit nicht, dass die Vertretung sachdienlich ist, vielmehr kommt es entscheidend auf ihre Erforderlichkeit an.
2.
Auch wenn die Beiordnung nur für das mit Einreichung einer Geschmacksmusteranmeldung beginnende Eintragungsverfahren bewilligt werden kann, so erscheint es geboten, in die Erforderlichkeitsprüfung auch Tätigkeiten einzubeziehen, die der Einreichung der Anmeldung vorgelagert sind. Dazu dürfte zum einen die Erstellung der Wiedergabe des Musters gehören, was sich bereits daraus ergibt, dass diese Wiedergabe den im Geschmacksmustergesetz und in der Geschmacksmusterverordnung geregelten Anforderungen zu genügen hat; sie muss z. B. zur Bekanntmachung geeignet sein (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 GeschmMG). Dem Muster darf des weiteren nicht die Mustereigenschaft fehlen und es darf nicht vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen sein (§ 1 Nr. 1, § 3 GeschmMG).
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit eine Vertreterbeiordnung dürfte darüber hinaus auch die dem Eintragungsverfahren ebenfalls vorgelagerte Prüfung des Musters auf Neuheit und Eigenart (§ 2 GeschmMG) mit zu berücksichtigen sein. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass eine Anmeldung nicht zurückgewiesen wird, weil das Muster nicht neu bzw. vom bekannten Formenschatz nicht weit genug entfernt ist. Es erscheint nämlich sinnvoll, dass das Muster, für dessen Erteilung und ggf. auch Aufrechterhaltung Verfahrenskostenhilfe gewährt wird, zuvor auf das Vorliegen der in § 33 Abs. 1 GeschmMG genannten Nichtigkeitsgründe geprüft wird. Weil das eingetragene Geschmacksmuster mit der Vermutungswirkung des § 39 GeschmMG ausgestattet ist, besteht sonst in erhöhtem Maße die Gefahr, dass Wettbewerber des Rechtsinhabers von diesem wegen Verletzung des Schutzrechts in Anspruch genommen und dadurch gezwungen werden, ihrerseits die Nichtigkeit des Musters (notfalls gerichtlich) geltend zu machen. Dies gilt vor allem hinsichtlich der nicht gemäß § 18 GeschmMG von Amts wegen zu berücksichtigenden Nichtigkeitsgründe.
3.
Somit könnte es im vorliegenden Zusammenhang darauf ankommen, ob die Vertretung durch einen Patent- oder Rechtsanwalt zur sachgemäßen Erledigung des Eintragungsverfahrens einschließlich der Erstellung der Wiedergabe des Musters und dessen Prüfung auf das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen, insbesondere unter den Gesichtspunkten Neuheit und Eigenart, erforderlich war. Zu bejahen ist dies, wenn die sachgemäße Erledigung des Eintragungsverfahrens in dem genannten Umfang weder durch die eigenen Sach- und Rechtskenntnisse des Anmelders noch durch die im Rahmen des Verfahrens möglichen Hinweise des Patentamts - wozu auch das zur Verfügung stehende Informationsmaterial der Geschmacksmusterstellen sowie die kostenlose Beratung seitens der Patentinformationszentren zu rechnen sind - gewährleistet ist (vgl. Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 133 Rn. 4).
Soweit es lediglich um die Formalitäten der Anmeldung geht, ist die Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters nach dem genannten Maßstab in aller Regel nicht erforderlich. Der Anmelder erhält insoweit durch die ihm kostenlos zur Verfügung gestellten Merk- und Informationsblätter sowie ggf. durch ergänzende Hinweise der Geschmacksmusterstellen bzw. der Patentinformationsstellen ausreichende Unterstützung (vgl. Eichmann/v. Falckenstein, Kommentar zum Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl., § 24 Rdnr. 11 m. w. N.). Dasselbe dürfte in der Regel auch für die Erstellung der Wiedergabe des Musters gelten. Welche Bedeutung die Musterwiedergabe für den Geschmacksmusterschutz hat, ergibt sich für den Anmelder aus § 37 Abs. 1 GeschMG und den Erläuterungen hierzu. Im Normalfall dürfte es für den Anmelder nicht besonders schwierig sein, aus diesen Informationen die richtigen Konsequenzen für die konkrete Anmeldung zu ziehen.
Etwas anderes könnte sich aber bzgl. der Prüfung der beabsichtigten Anmeldung auf etwaige Nichtigkeitsgründe ergeben. Dies gilt etwa dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der in § 3 GeschmMG genannten Ausschlussgründe vorliegen, weil deren Prüfung u. U. fundierte Rechtskenntnisse verlangt, die über die in den amtlichen Informationsquellen gelieferten Informationen weit hinausgehen. Aber auch für die Prüfung eines Musters auf Neuheit und Eigenart (§ 2 GeschmMG) reichen die allgemeinen Informationen des Patentamts und der Patentinformationszentren nicht aus, weil es insoweit auf die Durchführung von Recherchen zu bereits offenbarten Mustern und auf einen Vergleich des neu anzumeldenden Musters mit den bekannten Mustern ankommt. Diese Rechercheund Vergleichstätigkeit erfordert ein hohes Maß an Kenntnissen und Erfahrungen, über die jedenfalls ein durchschnittlicher Anmelder nicht verfügt.
Unter diesem Blickwinkel erscheint es auch nicht gerechtfertigt, die Beiordnung in geschmacksmusterrechtlichen Eintragungsverfahren anders zu behandeln als im Gebrauchsmusterrecht. Auch beim Gebrauchsmuster handelt es sich um ein sog. Registerrecht, das ohne vorherige Prüfung auf Schutzhindernisse eingetragen wird. Dennoch wird dort im Falle der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Eintragungsverfahren auch ein Vertreter z. B. im Hinblick auf die Abfassung eintragbarer Ansprüche beigeordnet, sofern der Anmelder dies bei Einreichung der Anmeldeunterlagen beantragt; der Anmelder wird dabei ebenfalls nicht auf das vom DPMA herausgegebene Merkblatt verwiesen (vgl. BPatGE 50, 25, 30; Bühring/Braitmayer, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 21 Rn. 169).
4.
Die beantragte Vertreterbeiordnung könnte vorliegend allerdings dadurch in Frage gestellt sein, dass der darauf gerichtete Antrag (zusammen mit dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe) erst am 23. November 2011, d. h. sechs Tage nach dem Anmeldetag, beim DPMA eingegangen ist. Im Gebrauchsmusterrecht wird bei Einreichung von Unterlagen, die mit Hilfe eines Anwalts gefertigt worden sind und ohne weiteres zur Registereintragung führen, die Beiordnung des Anwalts nur dann als erforderlich angesehen, wenn sie gleichzeitig mit Vornahme der Anmeldung beantragt worden ist (BPatGE 22, 39; Bühring/Braitmayer, a. a. O., § 21 Rn. 170; ebenso für das Patentrecht BPatG Mitt 1994, 275). Sofern auch im Geschmacksmusterrecht ein entsprechender Grundsatz gelten sollte, so müsste dennoch gefragt werden, ob im vorliegenden Fall durch den engen zeitlichen Zusammenhang des Beiordnungsantrags mit der Anmeldung und im Hinblick auf die Angabe des Vertreters im Eintragungsantrag eine Berücksichtigung der bereits stattgefundenen Anwaltstätigkeit geboten erscheint.
5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde wird nicht in Betracht kommen (§ 24 Satz 3 GeschmMG i. V. m. § 135 Abs. 3 Satz 1, letzter Halbsatz PatG).
Rauch Püschel Prof. Dr. Dr. Ensthaler Hu